10.
Drikl Lecersen fand, dass der Schlüssel dazu, ein großer Anführer zu sein, in der Fähigkeit lag, vollkommen von Moral unbelastete Intelligenz und Ehrgeiz zu erkennen. Und in dem Nachrichtenschnösel, der ihm gegenwärtig auf dem Sofa seines gemieteten Apartments auf Coruscant gegenübersaß, hatte er all diese Dinge in großer Menge gefunden.
Javis Tyrrs riesiges, strahlendes Lächeln war eine Falle, die darauf wartete zuzuschnappen, seine seidige, warme Stimme eine permanente Lüge, sein geschniegeltes, gutes Aussehen der Köder am Haken. Tyrr würde für einen Knüller seine eigene Schwester verkaufen oder seinem besten Freund für eine Exklusivgeschichte eine Vibroklinge verpassen, und ein privater Ermittler hatte Lecersen Beweise für beides geliefert. Kurz gesagt, der Mann war das perfekte Werkzeug für ein in die Ecke getriebenes Raubtier wie Lecersen, für eine verwundete Blutflosse, der nichts anderes übrig blieb, als aus der Sicherheit der Schatten heraus anzugreifen.
Lecersens Grübeleien fanden ein abruptes Ende, als die Szene auf der Vidwand der Hotelsuite zu einer Nahaufnahme heranzoomte. um das nach unten sausende Durastahltor zu zeigen, das die fliehenden Gestalten von Han und Leia Solo verbarg. Er verfolgte, wie das Paar unbeschadet entkam - so. wie sie es stets zu tun schienen, aus nahezu jedem Schlamassel, das sie schufen -. und in seinem Magen machte sich ein vertrautes Brennen breit.
Wie die Solos so unverfroren dasselbe Gesetz missachten konnten, das zu befolgen sie von allen anderen verlangten, überstieg sein Verständnis. Die schiere Frechheit eines solchen
Verhaltens allein genügte bereits, um ihre Vernichtung zu rechtfertigen, ebenso wie die Erinnerung an Han Solo, der an Bord der Anakin Solo einen Blaster auf ihn richtete. Aber das war nicht der Grund dafür, dass Lecersen dies tat. Hier ging es ums Überleben, darum, sicherzustellen, dass weder die Solos noch die Jedi jemals in die Position kamen, ihn oder den Moff-Rat ein weiteres Mal zu bedrohen.
Weil Jagged Fel nicht ewig der Staatschef des Galaktischen Imperiums sein würde. Er war nicht gescheit, nicht gemein und nicht skrupellos genug. Früher oder später würde er einen Fehler machen, und Lecersen war bloß einer aus den Reihen der Moffs, der dann mit einem Vibrodolch hinter ihm stehen würde, bereit, ihn Fel in den Rücken zu rammen.
Die Szene auf der Vidwand wechselte zu Jaina Solo, die in der ramponierten imperialen Limousine untertauchte, ohne auf die wiederholten Befehle des GAS-Captains zu achten, das Tor zu öffnen. Lecersen hielt das Video an und drehte sich dann zu seinem Gast um, der sich auf dem Sofa ausgestreckt hatte und an einem Glas ryboreanischem Gax nippte, das ihn ein Monatsgehalt gekostet hätte.
»Javis. mein guter Mann, das habe ich vor drei Stunden live gesehen«, sagte er. »Sie haben gute Arbeit darin geleistet, die Solos und die Jedi schlecht aussehen zu lassen, ohne dabei den Umstand zu erwähnen, dass es gar keine Grundlage für eine Verhaftung gab. Aber ich sehe keinen Anlass, mir das noch einmal anzuschauen. Sie können versichert sein, dass ich unsere Beziehung als wertvoll erachte.«
»Und sie ist dabei, noch viel wertvoller zu werden.« Tyrr nahm einen großen Schluck Gax. »Lassen Sie es weiterlaufen. Ich habe bislang noch nicht alles gesendet.«
Lecersen wölbte eine graue Augenbraue. »Ich wünschte, das hätten Sie gleich gesagt. Ich mag es wirklich nicht, wenn man meine Zeit verschwendet.«
»Das ist keine Zeitverschwendung, das verspreche ich Ihnen.« Tyrr kippte sein Glas und schluckte den Rest des Gax hinunter, der wahrscheinlich dreihundert Credits wert war, ehe er die Hand nach der Karaffe auf dem Servierwagen ausstreckte. »Macht es Ihnen was aus?«
»Nicht im Geringsten«, meinte Lecersen; er sprach durch zusammengebissene Zähne. »Das nächste Mal mache ich den Braboli auf.«
Lecersen wandte sich wieder der Vidwand zu und drückte mit dem Daumen auf die Fernbedienung, um im Schnellvorlauf zu der Auseinandersetzung zwischen Fels Fahrer und dem GASLeutnant vorzuspulen und dann zu Tyrrs eigener Ankunft. Schließlich wechselte die Szene zu einer Aufnahme von Jaina Solos Gesicht und nicht viel anderem. Nach einem Moment der Verwirrung wurde offensichtlich, dass es sich bei den dunklen Rändern, die ihr Bild einrahmten, um einen Nerfleder-Speedersitz auf der einen und um ein Getränkefach auf der anderen Seite handelte.
»Sehr beeindruckend«, sagte Lecersen. »Sie haben einen Spionagedroiden in die Limousine von Staatschef Fel geschmuggelt.«
»Ihren Spionagedroiden«, korrigierte Tyrr. »Das hier stammt von der kleinen Reinigungseinheit, die Sie für mich präpariert haben.«
Jainas Stimme drang aus den Lautsprechern der Vidwand. Lecersen hörte bloß mit mäßigem Interesse zu, wie sie Fel dafür dankte, sie beschützt zu haben, und enthüllte, dass es ihr eigener Hochstapler-Vater gewesen war. der den GASKommandanten ausgetrickst und ihn dazu gebracht hatte, den
Solos die Möglichkeit zu geben, das Tor direkt vor seiner Nase zu schließen. Dann erwähnte Fel Daala, und nach einer überaus langwierigen Auseinandersetzung über Nichtigkeiten wurde die Unterhaltung auf rasante Weise äußerst interessant.
»Als ich gestern in Daalas Büro war, habe ich zufällig etwas Beunruhigendes mitangehört«, erzählte Fei. »Sie denkt daran, eine Kompanie von Mandalorianern anzuheuern.«
Jainas Ausruf von »Mandalorianer?'« klang nur unwesentlich erstaunter als Lecersens eigener. Er drehte sich, sah den grinsenden Tyrr an und hörte mit stetig wachsendem Unglauben zu, wie Jaina ihre Fragen herunterratterte.
Dann bestätigte Jag: »Sie hat sich danach erkundigt, wie viele Superkommandos nötig seien, um mit den Jedi fertig zu werden. Ich weiß nicht, was genau sie im Schilde führt. Aber es kann nichts Gutes sein.«
Lecersen pausierte das Video und fragte: »Habe ich wirklich gerade gehört, wie Fel einer Jedi ein Staatsgeheimnis der Galaktischen Allianz verraten hat?«
Tyrr nickte. »Er lässt sie versprechen, es niemandem zu erzählen«, sagte er. »Das Ganze ist ziemlich anrührend, wenn man auf diesen Eine-dem-Untergang-geweihte-Liebe-Kram steht.«
»Dem Untergang geweihte Anführer sind mehr mein Stil«, entgegnete Lecersen.
Er betätigte wieder die Fernbedienung, um dann mit wachsendem Vergnügen zu verfolgen, wie Fel Jaina an ihr Verspechen erinnerte und sie schwören ließ, das, was sie wusste, dem Jedi-Rat gegenüber nicht preiszugeben. Das Gespräch endete einen Augenblick später, als Fel fluchte und sagte: »Schau mal, wer da kommt!«
Die Vidwand wurde dunkel, und Tyrr verkündete: »Das ist alles von dem Spionagedroiden, aber am Ende des Speicherchips gibt es noch eine Aufnahme, die Sie sich unbedingt ansehen müssen.«
Lecersen ließ den Chip laufen, fragte jedoch: »Warum hört die Limousinen-Szene da auf? Wen haben sie kommen sehen?«
»Mich«, antwortete Tyrr. »Die Situation wurde brenzlig, und ich musste hingehen und die Daten von dem Spionagedroiden runterladen.«
»Wie brenzlig?«, fragte Lecersen, mit einem Mal besorgt. Es war nicht unbedingt eine Katastrophe, wenn der Spionagedroide den Jedi in die Hände fiel - zumindest, solange den Jedi nicht klar war, dass Tyrr derjenige gewesen war, der ihn in ihren Tempel geschleust hatte. »Ich habe Sie davor gewarnt, sich damit erwischen zu lassen. Wenn den Jedi bewusst wird, dass Sie imperiale Hilfe haben, werden Sie für mich schlagartig nicht mehr von Nutzen sein.«
»Entspannen Sie sich.« Tyrr nahm einen großen Schluck von seinem Gax, ehe er sagte: »Der Spionagedroide hat den Tempel nicht verlassen - ich habe die Daten mittels Kom-Wellen runtergeladen. Jetzt sehen Sie sich das hier an. Der Anfang ist exklusiv - alle waren gerade damit beschäftigt, ihre Berichte an die Sender zu übermitteln, als ich dieses kleine Juwel aufgenommen habe.«
Auf der Vidwand erschien wieder der Hangarzufahrtstunnel. Der GAS-Trupp stand immer noch davor. Die Truppler wirkten gelangweilt, und der Captain schüttelte frustriert den Kopf, als jemand ihn über sein Headset anbrüllte. Dann - beinahe zu schnell, als dass Lecersen es sah - hob sich das Tor mit einem Mal um einen Meter und fiel dann wieder nach unten.
Die verblüfften Truppler wirbelten herum und richteten ihre
Waffen auf die Stelle, und der GAS-Captain brüllte etwas in sein Headset-Mikrofon. Einen Moment später kamen zwei junge Jedi in Sicht, eine Duros und ein Jenet, die versuchten, geradewegs mitten durch den Trupp zu gehen. Zumindest mutmaßte Lecersen, dass es sich um Jedi handelte. Sie trugen lediglich Tuniken und Hosen, ohne dass Lichtschwerter an ihren Gürteln hingen, sodass es schwierig war, das mit Sicherheit zu sagen.
»Das waren Jedi-Schüler«, erklärte Tyrr.
»Waren?«, japste Lecersen. »Sie meinen, die GAS.«
»Nein, sie sind wohlauf«, versicherte Tyrr. »Sie sind aus dem Orden ausgetreten.«
»Ausgetreten?«, echote Lecersen. »So was können Jedi?«
Tyrr zuckte mit den Schultern. »Wer sollte sie daran hindern?«
Lecersen wandte sich wieder der Vidwand zu und verfolgte interessiert, wie der GAS-Captain das junge Paar verhörte. Obwohl es nicht möglich war, das Gespräch mitanzuhören, schien offensichtlich, dass die ehemaligen Jedi nicht im Geringsten eingeschüchtert waren. Nach einem Moment wurden die Gestalten größer, als Tyrr und sein Kameramann die Gleiterspur hinuntergingen.
»Am Ende hat er sie gehen lassen, nachdem wir da waren«, erklärte Tyrr.
»Weil er nichts gegen sie in der Hand hatte?«, spekulierte Lecersen.
»Besser«, entgegnete Tyrr. »Sie haben behauptet, ausgetreten zu sein, weil sie nicht in Gesetzesverstöße mit hineingezogen werden wollen.«
Lecersen wandte sich zur Seite und sah ihn an. »Bitte, sagen Sie mir, dass Sie das aufgenommen haben!«
»Tut mir leid«, sagte Tyrr. »Aber das war ohnehin alles Geschwätz. Das haben sie bloß gesagt, damit die GAS gezwungen ist, sie gehen zu lassen.«
»Und woher wissen Sie das?«
Tyrr ließ ein wahrlich selbstzufriedenes Grinsen aufblitzen. »Weil ich sie interviewt habe«, erklärte er. »Ich habe sie auf Holo, wie sie zugeben, dass sie keine Jedi mehr sein wollen, weil ihnen die Art und Weise nicht gefällt, wie Daala das Kommando über den Orden übernimmt.«
Lecersen überkam ein breites, spontanes Lächeln. »Ist das wahr?« Er trat zum Servierwagen und nahm sich selbst ein Glas, ehe er die Gax-Karaffe zur Hand nahm und auch Tyrr noch einmal einschenkte. »Warum sehen wir uns nicht dieses Interview an? Und anschließend sage ich Ihnen, wie ich Sie zu einem sehr reichen Mann machen werde.«