2.


In der vorderen Cockpitabdeckung der Jadeschatten dräuten zwei Schwarze Löcher, deren vollkommene Dunkelheit von feurigen Gaswirbeln umgeben war. Da die Schatten in schrägem Winkel darauf zusteuerte, vermittelten die beiden Löcher den Eindruck länglicher, von Feuer umrandeter Augen -und Ben Skywalker war halb versucht zu glauben, dass sie genau das waren. Seit dem Augenblick, in dem er und sein Vater in den Schlund vorgedrungen waren, fühlte er sich, als würden sie beobachtet, und je weiter sie vorstießen, desto stärker wurde das Gefühl. Jetzt, unmittelbar im Herzen dieser Konzentration Schwarzer Löcher, sorgte der Eindruck für ein anhaltendes Frösteln an seiner Schädelbasis.

»Ich spüre es auch«, hatte sein Vater gesagt. Er saß hinter Ben im Kopilotensessel, oben auf dem Hauptflugdeck. »Wir sind hier drin nicht allein.«

Ben, der nicht länger überrascht darüber war, dass der Großmeister des Jedi-Ordens stets seine Gedanken zu kennen schien, warf einen Blick auf ein Aktivierungsfadenkreuz vorne im Cockpit. Ein kleiner Bereich der Kanzel verdunkelte sich zu einem Spiegel, und er sah die Reflexion seines Vaters, der aus der Seite der Kanzel schaute. Luke Skywalker wirkte einsamer und nachdenklicher, als Ben ihn je gesehen hatte -gedankenversunken, aber nicht traurig oder verängstigt, als würde er lediglich versuchen zu verstehen, was ihn an einen derart dunklen und abgelegenen Ort geführt hatte, verbannt von einem Orden, den er selbst gegründet hatte, und von einer Gesellschaft ins Exil geschickt, die er sein ganzes Leben lang im Kampf verteidigt hatte.

Ben, der versuchte, nicht zu sehr über die Ungerechtigkeit der Situation nachzugrübeln, sagte: »Dann kommen wir unserem Ziel vielleicht näher. Nicht, dass ich besonders begierig darauf wäre, einem Haufen Wesen zu begegnen, die man als Geisttrinker bezeichnet.«

Sein Vater dachte einen Moment lang nach, ehe er sagte: »Nun, ich schon.«

Er erklärte nicht eingehender, was er damit meinte, und das war auch nicht nötig. Ben und sein Vater befanden sich auf einer Mission, deren Ziel es war, die Schritte von Jacen Solos fünf Jahre währender Odyssee des Macht-Studiums nachzuvollziehen. Bei ihrem letzten Stopp hatten sie von einem Aing-Tii-Mönch erfahren, dass Jacen Kurs auf den Schlund genommen hatte, als er aus dem Kathol-Rift abreiste. Da ein Zweck ihrer Reise darin bestand herauszufinden, ob Jacen womöglich von etwas auf die Dunkle Seite getrieben wurde, auf das er unterwegs gestoßen war, erschien es durchaus sinnvoll, dass Luke einer geheimnisvollen Gruppe auf den Grund gehen wollte, die im Schlund lebte und als »Geisttrinker« bekannt war.

Was Ben jedoch beeindruckte, war, wie gelassen sein Vater alldem gegenüberzustehen schien. Insgeheim hatte Ben Angst davor, derselben Dunkelheit zum Opfer zu fallen, die seinen Cousin verschlungen hatte. Sein Vater hingegen wirkte begierig darauf, in die Tiefen hinabzusteigen und Licht ins Dunkel zu bringen. Und warum sollte es auch anders sein? Nach all dem, was Luke Skywalker in seinem Leben durchgemacht und erreicht hatte, gab es keine Macht in der Galaxis, die ihn in die Finsternis ziehen konnte. Das war eine Stärke, die Ben sowohl mit Ehrfurcht erfüllte als auch beflügelte, eine, von der er sich fragte, ob er sie jemals auch in sich selbst finden würde.

Lukes Augen wanderten zu dem verspiegelten Kanzelabschnitt hinüber, und er suchte Bens Blick. »Ist es das, was dich geplagt hat, als du in der Zuflucht warst?« Er bezog sich damit auf eine Zeit, die für Ben praktisch Frühgeschichte war - auf die letzte Phase des Krieges gegen die Yuuzhan Vong, als die Jedi gezwungen gewesen waren, ihre Jüngsten auf einem geheimen Stützpunkt tief im Innern des Schlunds zu verstecken. »Hattest du das Gefühl, als würde dich jemand beobachten?«

»Woher soll ich das wissen?«, fragte Ben. Mit einem Mal war ihm unbehaglich zumute - und er war sich nicht sicher, warum. Nach allem, was er wusste, war er ein unbändiges, verschlossenes Kleinkind, als er sich damals in der Zuflucht aufhielt, und er erinnerte sich, anschließend noch jahrelang Angst vor der Macht gehabt zu haben. Allerdings hatte er keine klaren Erinnerungen an die Zuflucht selbst oder daran, wie es sich angefühlt hatte, dort zu sein. »Ich war zwei!«

»Auch mit zwei hast du schon Dinge empfunden«, erwiderte sein Vater sanft. »Du hattest auch da bereits ein Bewusstsein.«

Ben seufzte. Er wusste, was sein Vater wollte, und entgegnete: »Du solltest besser das Schiff übernehmen.«

»Ich übernehme das Schiff«, bestätigte Luke und griff nach dem Kopiloten-Steuerknüppel. »Schließ einfach die Augen. Lass deine Gedanken von der Macht zurück zur Zuflucht tragen!«

»Ich weiß, wie man meditiert.« Nahezu augenblicklich tat Ben sein Gegrummel leid, und er fügte hinzu: »Aber danke für den Rat.«

»Nicht der Rede wert«, meinte Luke in gutmütiger Weise. »Das machen Väter nun mal so - einem ungewollte Ratschläge erteilen.«

Ben schloss die Augen und begann, langsam und bewusst zu atmen. Jedes Mal, wenn er einatmete, sog er die Macht in sich auf, und jedes Mal, wenn er ausatmete, ließ er sie durch seinen ganzen Körper Hießen. Er besaß keine bewussten eigenen Erinnerungen an die Zuflucht, deshalb stellte er sich eine Holografie der Anlage vor, die er im Jedi-Archiv gesehen hatte. Das Bild zeigte eine Handvoll Wohnmodule, die sich an die Oberfläche eines Asteroidenbrockens klammerten; ihre Kuppeln drängten sich um den aufragenden Zylinder eines Energiekerns. Vor seinem geistigen Auge sank Ben in die grellgelbe Andockbucht am Rande der Anlage hinab. und dann war er wieder zwei Jahre alt, ein verängstigter kleiner Junge, der die Hand einer Fremden hielt, als seine Eltern in der Jadeschatten abflogen.

Ein unangemessenes Gefühl der Erleichterung stieg in Ben auf, als er sich in einer Zeit verlor, in der das Leben um so vieles einfacher schien. Die letzten vierzehn Jahre fühlten sich plötzlich wie ein langer, schrecklicher Alptraum an. Jacen war der Dunklen Seite nie verfallen, Ben war nicht zu einem jugendlichen Meuchelmörder gemacht worden, und seine Mutter war beim Kampf gegen Jacen nicht gestorben. All diese traurigen Erinnerungen waren noch nichts anderes als böse Träume, die unglücklichen Fantastereien eines verängstigten jungen Geistes.

Dann glitt die Schatten durch den Atmosphärenschild und zündete ihre Triebwerke. Innerhalb eines Lidschlags verwandelte sie sich von einem Trio blauer Ionenkreise über einen Stecknadelkopf aus Licht in rein gar nichts, und plötzlich war Ben allein am dunkelsten Ort in der Galaxis, ein Kind unter Dutzenden, die man einer kleinen Gruppe besorgter Erwachsener anvertraut hatte, die trotz ihres fröhlichen

Tonfalls und ihrer beruhigenden Gegenwart sehr klamme Handflächen und furchtsame, besorgte Augen besaßen.

Der zwei Jahre alte Ben streckte seine freie Hand und sein Herz nach der Schatten aus, und er spürte, wie seine Mutter und sein Vater die Geste erwiderten. Obwohl er zu jung war, um zu wissen, dass er durch die Macht berührt wurde, hatte er auf einmal keine Angst mehr. bis ein dunkler Tentakel der Not in den schmerzenden Riss des Verlassenseins einzudringen begann. Einen Moment lang glaubte er, bloß traurig darüber zu sein, dass man ihn zurückgelassen hatte, doch der Tentakel wurde so real wie sein Atem, und er fing an, darin eine fremdartige Einsamkeit zu spüren, die genauso verzweifelt und tiefgreifend war wie seine eigene. Der Tentakel wollte ihn dicht an sich heranziehen und ihn sicher behüten, um die Stelle seiner Eltern einzunehmen und ihn nie wieder allein zu lassen.

Erschrocken und verwirrt wich der junge Ben davor zurück, vergrub sich in sich selbst und riss zugleich seine Hand aus dem Griff der silberhaarigen Dame, die sie hielt.

Dann war er mit einem Mal wieder im Cockpit der Jadeschatten und blickte in die von Feuer geränderte Leere voraus. Rings um die Schwarzen Löcher herum verteilt befanden sich die kleineren Wirbel von einem halben Dutzend ferner Ringe, deren feuriger Schein hell und gleichmäßig vor der sternenlosen Dunkelheit des tiefen Schlunds brannte.

»Und?«, fragte sein Vater. »Fühlt sich irgendetwas vertraut an?«

Ben schluckte. Er war sich nicht sicher, warum, aber er ertappte sich bei dem Wunsch, sich wieder wie damals ganz von der Macht zurückzuziehen. »Sind wir uns sicher, dass wir diese Burschen wirklich finden müssen?«

Luke hob eine Augenbraue. »Kommt es dir dermaßen

vertraut vor?«

»Vielleicht.« Ben vermochte nicht zu sagen, ob die beiden Empfindungen irgendwie zusammenhingen, und in diesem Moment kümmerte ihn das auch nicht. Da lauerte irgendetwas Hungriges im Schlund, etwas, das immer noch da sein und auf ihn warten würde. »Ich meine, die Aing-Tii nennen sie die Geisttrinker. Das kann nichts Gutes sein.«

»Ben, du wechselst das Thema.« Lukes Tonfall war mehr interessiert denn missbilligend, als wäre Bens Verhalten lediglich ein Teil eines wesentlich größeren Puzzles. »Gibt es irgendetwas, über das du nicht reden möchtest?«

»Ich wünschte, es wäre so.« Ben erzählte seinem Vater von dem dunklen Tentakel, der sich nach ihm ausgestreckt hatte, nachdem die Schatten der Zuflucht vor zu vielen Jahren den Rücken gekehrt hatte. »Ich schätze, was wir jetzt gerade fühlen, könnte damit zusammenhängen. Da war definitiv irgendein. Ding, das in der Zuflucht ein Auge auf mich hatte.«

Luke dachte darüber einen Moment lang nach, bevor er den Kopf schüttelte. »Du standest deiner Mutter sehr nahe. Womöglich hast du dich einfach allein gelassen gefühlt und dir einen >Freund< ausgedacht, der ihren Platz einnimmt.«

»Einen tentakeligen Freund?«

»Du sagtest, es wäre ein dunkler Tentakel gewesen«, fuhr Luke nachdenklich fort, »und Schuld ist ein dunkles Gefühl. Vielleicht hast du dich schuldig gefühlt, uns durch einen imaginären Freund zu ersetzen.«

»Und vielleicht willst du einfach nicht glauben, dass der Tentakel real war, weil das bedeuten würde, dass ihr euren zweijährigen Sohn an einem wirklich gefährlichen Ort zurückgelassen habt«, konterte Ben. Er suchte im verspiegelten Abschnitt der Kanzel wieder den Blick seines

Vaters. »Ich hoffe, du wirst nicht versuchen, das wegzupsychoanalysieren, da deine Theorie ein gewaltiges Loch hat.«

Luke runzelte die Stirn. »Und das wäre?«

»Ich war zwei«, erinnerte Ben ihn. »Und nach allem, was ich höre, fühlt man sich in diesem Alter wegen nichts schuldig.«

Luke grinste. »Gutes Argument, aber ich glaube immer noch nicht, dass wir uns über dein Tentakelmonster allzu viele Sorgen machen sollten.«

»Es ist nicht mein Tentakelmonster«, erwiderte Ben. Er war verschnupft, weil Luke sich über seine Bedenken lustig machte. »Du bist derjenige, der mich dazu gebracht hat, das auszugraben.«

Lukes Miene verhärtete sich. »Aber du bist derjenige, der nach wie vor Angst davor hat.«

Diese Bemerkung traf den Nagel auf den Kopf. Ganz gleich, ob die dunkle Präsenz, an die er sich erinnerte, Wirklichkeit war oder nicht - als er die Zuflucht verließ, hatte er Angst vor der Macht gehabt und war bestrebt gewesen, sie aufzugeben. Und es waren jene Ängste, die es Jacen erlaubt hatten, ihn in die Dunkelheit zu führen.

Ben seufzte. »Stimmt. Was auch immer dieses Ding ist, ich muss mich ihm stellen.« Nach einem Moment fragte er: »Also, wie finden wir diese Geisttrinker?«

»>Der Pfad der Erleuchtung führt durch den Abgrund vollkommener Dunkelheit.<« Luke zitierte Tadar'Ro, den Aing-Tii-Mönch, der ihnen berichtet hatte, dass Jacen den Kathol-Rift verlassen hatte, um die Geisttrinker aufzusuchen. »>Der Weg ist schmal und trügerisch, doch wenn du ihm folgen kannst, wirst du finden, was du suchst.<«

Ben warf den Blick wieder zu den Schwarzen Löchern voraus. Die strahlenden Gaswirbel brannten am heißesten und hellsten unter ihrem inneren Rand, wo eine Mischung aus einfallendem Gas und Staub zu unvorstellbarer Dichte zusammengepresst wurde, als sie in der scharf abgezirkelten Dunkelheit der beiden Ereignishorizonte verschwand.

»Warte mal! Tadar'Ro sagte vollkommene Dunkelheit, richtig?« Ben bekam bezüglich der Anweisungen des Mönchs langsam ein echt mieses Gefühl. »Wie beispielsweise hinter einem Ereignishorizont?«

»Um ehrlich zu sein, ist es auf dem Weg runter in ein Schwarzes Loch ziemlich hell«, merkte Luke an. »Bloß weil die Schwerkraft zu stark ist, dass das Licht ihr entkommen könnte, heißt nicht, dass es dort nicht existieren kann, und dann ist da noch all dieses Gas, das komprimiert wird und glüht, während es tiefer und tiefer hineingesaugt ward.«

»Ja, aber du bist tot«, wandte Ben ein, »und wenn man tot ist, ist alles dunkel. Trotzdem verstehe ich, was du meinst. Ich bezweifle, dass Tadar'Ro von uns erwartet, dass wir in ein Schwarzes Loch fliegen.«

»Nein, nicht in eins.«

In Lukes Stimme lag gerade genug Besorgnis, dass Ben von neuem in den verspiegelten Bereich der Kanzel schaute. Sein Vater blickte stirnrunzelnd zu den beiden Schwarzen Löchern hinaus, sah in die feurige Wolke zwischen ihnen und wirkte gerade so beunruhigt, dass sich Bens Magen kalt zusammenzog.

»Zwischen sie?« Ben wurde klar, was sein Vater dachte, und das bereitete ihm keine Freude. In jedem System mit zwei großen Himmelskörpern gab es fünf Gebiete, an denen die Zentrifugal- und Schwerkräfte einander neutralisierten und einen kleineren Himmelskörper - wie beispielsweise einen

Trabanten oder Asteroiden - in einem immerwährenden Schwebezustand hielten. Von diesen fünf Gebieten befand sich lediglich ein einziges zwischen den beiden Himmelskörpern. »Du meinst Stabile Zone eins?«

Luke nickte. »Der Abgrund vollkommener Dunkelheit ist ein uraltes Ashla-Gleichnis. das sich auf die beiden Gefahren des Stolzes und der Ignoranz bezieht«, erklärte er. »Die Tythonianer haben ihn als tiefe, dunkle Schlucht beschrieben, flankiert von hohen, ewig bröckelnden Felsen.«

»Dann ist das Leben also ein Abgrund, und ringsum senkt sich die Dunkelheit herab«, folgerte Ben und brachte damit eine kluge Interpretation der Bedeutung der Parabel zum Ausdruck. »Und die einzige Möglichkeit, im Licht zu verweilen, besteht darin, den Weg dazwischen einzuschlagen.«

Luke lächelte. »Du hast wirklich ein Gespür für mystische Führung.« Er nahm seine Hände vom Steuerknüppel weg. »Das Schiff gehört dir, Sohn.«

»Mir? Jetzt?« Ben erwog, darauf hinzuweisen, dass sein Vater mit Abstand der bessere Pilot von ihnen war - aber natürlich war das überhaupt nicht das Thema. Wenn Ben sich seinen Ängsten stellen wollte, musste er selbst fliegen. Er schluckte schwer, drückte die Schultern durch und bestätigte dann: »Ich übernehme das Schiff.«

Ben deaktivierte den Spiegelabschnitt und beschleunigte in Richtung der Schwarzen Löcher. Als die Schatten näher kam, schwollen ihre dunklen Formen rasch an und bewegten sich zu beiden Seiten auf das Cockpit zu, bis alles, was man von ihnen sehen konnte, lange dunkle Scheiben waren, die an den äußeren Rändern der Kanzel hingen. Voraus lag eine feuerrote Konfluenz überhitzter Gase, die in zwei verschiedene Richtungen wirbelten und so blendend waren, dass Bens

Augen trotz der Schutztönung der Schatten schmerzten.

Er überprüfte den Hauptschirm und sah bloß hellen statischen Schnee: die Navigationssensoren wurden von der elektromagnetischen Druckwelle der komprimierten Gase überströmt. Die internen Sensoren der Schatten arbeiteten allerdings makellos und zeigten an, dass die Hüllentemperatur des Schiffs rapide anstieg, als sie in die Wolke vorstießen. Ben wusste, dass es nicht lange dauern würde, bis die Sache gefährliche Ausmaße annahm. In Kürze würde die feurige Hitze innerhalb der Akkretionsscheibe die Leitungssysteme und Kontrollrelais stören und schließlich auch die Integrität der Außenhülle gefährden.

»Dad, wie wär's, wenn wir etwas mit diesen Sensorfiltern machen?«, fragte Ben. »Mein Navigationsschirm zeigt bloß Schnee.«

»Die Filter neu zu justieren wird daran nicht das Geringste ändern«, sagte Luke ruhig. »Wir fliegen zwischen zwei Schwarzen Löchern, schon vergessen?«

Ben seufzte verbittert, dann fluchte er leise und starrte weiterhin in die feurigen Schlieren voraus. Im besten Fall konnte er eine Konfluenzzone ausmachen, wo die beiden Gasscheiben einander streiften, doch die quälend gleißende Helligkeit machte es schwierig, auch nur das mit Sicherheit zu bestimmen.

»Wie soll ich navigieren?«, beschwerte sich Ben. »Ich kann überhaupt nichts sehen.«

Luke schwieg.

Ben fühlte einen Anflug von Missbilligung in der Machtaura seines Vaters, und Empörung blitzte in ihm auf. Er stieß einen reinigenden Atemzug aus, erlaubte dem Gefühl, seinen Lauf zu nehmen und ihn zusammen mit einer Woge schaler Luft zu verlassen, ehe er erkannte, wie sehr seine Besorgnis wegen der Navigationsprobleme ihn geblendet hatte.

»Oh. richtig«, meinte Ben, der sich mehr als nur ein bisschen töricht vorkam. »Vertraue auf die Macht.«

»Keine Sorge«, beruhigte Luke ihn. Er klang amüsiert. »Als ich das erste Mal etwas derart Verrücktes probiert habe, musste man mich auch daran erinnern.«

»Nun, zumindest habe ich eine Entschuldigung dafür.« Ben schaltete die Navigationssensoren aus, sodass das statische Rauschen seine Konzentration nicht störte. »Es ist schwer, sich zu konzentrieren, wenn einem sein Dad über die Schulter guckt.«

Lukes Sicherheitsgeschirr klickte auf. »In diesem Fall sollte ich mir vielleicht etwas.«

»Wem willst du damit etwas vormachen?« Ben stieß den Steuerknüppel zur Seite, um die Schatten in eine enge Schraube zu ziehen. »Du willst dir bloß in aller Ruhe an den Fingernägeln kauen.«

»Dieser Gedanke war mir nicht in den Sinn gekommen«, sagte Luke und ließ sich wieder zurück in den Sitz fallen. »Bis jetzt, undankbarer Sprössling!«

Ben lachte, dann ging er wieder auf Horizontalflug und überprüfte die Außenhüllentemperatur, die sogar noch schneller anstieg, als er befürchtet hatte. Er schloss seine Augen und stieß die Schubregler nach vorn, in der Hoffnung, dass das Gas nicht so dicht war, dass die dadurch entstehende Reibung das Problem noch verschlimmern würde.

Es dauerte nicht lange, bis Ben ein kleines Stück weiter Backbord einen ruhigen Flecken wahrnahm. Er passte den Kurs an und dehnte sein Machtbewusstsein in diese Richtung aus, bis er plötzlich eine sonderbare, nebulöse Präsenz fühlte, die ihn an etwas erinnerte, das er noch nicht recht einordnen konnte - an etwas Dunkles und Unscharfes, das sich über eine große Entfernung erstreckte.

Ben öffnete die Augen wieder. »Dad, spürst du das.«

»Ja, wie bei den Killiks«, meinte Luke. »Möglicherweise haben wir es mit einem Schwarmbewusstsein zu tun.«

Ein kalter Schauder jagte bereits Bens Rücken hinab. Sein Vater hatte das Wort Killiks kaum ausgesprochen, als auch schon die Erinnerung an seine Zeit als unfreiwilliger Gorog-Neunister mit Wucht zurückkehrte, und zum zweiten Mal in weniger als einer Stunde ertappte er sich dabei, dass ihn das heftige Verlangen überkam, sich aus der Macht zurückzuziehen. Gorog war ein Nest der Dunklen Seite gewesen und hatte insgeheim die gesamte Killik-Zivilisation kontrolliert, während es sich von gefangenen Chiss nährte, und mit rund acht Jahren war Ben für kurze Zeit unter seinen Einfluss geraten. Das war die schrecklichste und verwirrendste Phase seiner Kindheit gewesen, und hätte Jacen nicht erkannt, was vorging, und Ben nicht dabei geholfen, seinen Weg in die Macht und zu seiner wahren Familie zurückzufinden, bezweifelte er stark, dass es ihm überhaupt möglich gewesen wäre, sich davon zu befreien.

Glücklicherweise war die Präsenz voraus der des Gorog-Nests nicht allzu ähnlich. Ihr haftete gewiss etwas Dunkles an, und zweifellos setzte sie sich aus vielen verschiedenen Wesen zusammen, die über eine gewaltige Entfernung hinweg miteinander verbunden waren - tatsächlich sogar über den Großteil des Weltraums, der vor ihnen lag. Allerdings wirkte die Verteilung weiter gestreut als beim Kollektivgeist der Killiks, als wären Dutzende unterschiedlicher Individuen in etwas vereint, das eine vage Ähnlichkeit mit einem

Kampfgeflecht aufwies.

Ben war gerade dabei, seinem Vater seine Eindrücke mitzuteilen, als sich in ihm eine vertraute Präsenz emporschlängelte. Sie war kalt und vorurteilsvoll, wie ein betrogener Freund, und er konnte fühlen, wie wütend sie darüber war, dass sie in ihren Schlupfwinkel eingedrungen waren. Die Macht wurde aufbrausend und bedeutungsschwanger, und ein elektrisches Kribbeln drohender Gefahr schoss Bens Rückgrat hinab. Er konnte spüren, wie sich die Dunkelheit gegen ihn stemmte, um ihn wegzustoßen, und das bestärkte ihn bloß in seiner Entschlossenheit, dem Schemen endlich die Stirn zu bieten. Er öffnete sich, klammerte sich an die Macht und begann zu ziehen.

Die Präsenz wach ruckartig zurück und versuchte dann, sich davonzumachen. Ben hatte sie bereits fest im Griff, und er war entschlossen, den Schemen zu seinem körperlichen Aufenthaltsort zurückzuverfolgen. Er überprüfte die Hüllentemperatur und stellte fest, dass sie sich im gelben Gefahrenbereich befand. Dann richtete er die Aufmerksamkeit nach vorn und sah - sah wahrhaftig - eine fingernagelgroße Dunkelheit, die einem Tunnel gleich durch die wirbelnden Feuer voraus führte. Er richtete ihren Bug auf das schwarze Oval aus, dann schob er die Schubregler bis auf Anschlag vor und verfolgte, wie die feurigen Schlieren aus Gas am Cockpit vorbeiströmten.

Die Schlieren wurden heller und farbintensiver, als das Schiff in die Akkretionsscheibe vordrang, und bald wurde das Gas so dicht, dass die Schatten vor Turbulenzen buckelte und zitterte. Ben hielt den Steuerknüppel fest... und die dunkle Präsenz, an die er sich in der Macht klammerte.

Hinter ihm ertönte die Stimme seines Vaters. »Ahm, Ben?«

»Ist schon okay, Dad«, erwiderte Ben. »Ich habe einen Anflugvektor.«

»Einen was?« Luke klang überrascht. »Ich hoffe, dir ist bewusst, dass die Temperatur fast im roten Bereich ist.«

»Dad!«, schnappte Ben. »Ich würde mich gerne konzentrieren!«

Luke verstummte einen Moment, ehe er laut ausatmete. »Ben, das Gas hier ist zu dicht für diese Geschwindigkeit. Wir fliegen praktisch durch eine Atmo...«

»Das war deine Idee«, unterbrach Ben ihn. Das schwarze Oval schwoll auf die Größe einer Faust an. »Vertrau mir!«

»Ben, >vertrau mir< funktioniert für Jedi nicht auf dieselbe Weise wie bei deinem Onkel Han. Wir haben nicht sein Glück.«

»Vielleicht würde sich das ändern, wenn wir öfter darauf vertrauen würden«, gab Ben zurück.

Das schwarze Oval dehnte sich weiterhin aus, bis es die Größe einer Luke besaß. Ben kämpfte gegen die Turbulenzen an und schaffte es irgendwie, die Bugnase der Schatten darauf ausgerichtet zu halten; dann war das Schiff im Innern der Dunkelheit und flog geschmeidig und von einem trüben, orangefarbenen Lichtkegel umgeben dahin. Erstaunt über den plötzlichen Übergang und bemüht, sich an die abrupte Veränderung der Lichtverhältnisse anzupassen, fürchtete Ben einen Moment lang, dass die dunkle Präsenz ihn vom Kurs abgebracht hatte - womöglich sogar ganz aus den Akkretionsscheiben hinaus.

Dann begann sich der orangefarbene Kegel gleichzeitig zu verdichten und zu schwinden, wurde zu einem dunklen Tunnel, und da kam ihm eine noch viel schrecklichere Möglichkeit in den Sinn.

»Sag mal, Dad, würden wir es merken, wenn wir durch ein Schwarzes Loch flögen?«

»Vermutlich nicht«, antwortete Luke. »Die Raum-ZeitVerwerfung würde dafür sorgen, dass die Reise ewig dauert, zumindest im Verhältnis zu Coruscant-Standardzeit. Warum fragst du?«

»Ach, einfach so«, meinte Ben, der beschloss, seinen Vater nicht mehr als unbedingt nötig zu beunruhigen. Falls er sie tatsächlich durch einen Ereignishorizont geflogen hatte, war es jetzt ohnehin zu spät, um daran noch irgendetwas zu ändern. »Reine Neugierde.«

Luke lachte, dann sagte er: »Entspann dich, Ben! Wir fliegen nicht durch ein Schwarzes Loch - aber würdest du bitte langsamer werden? Wenn du dieses Tempo beibehältst, wirst du die Außenhülle wirklich zum Schmelzen bringen.«

Hon warf einen Blick auf die Anzeige und blickte finster drein. Die Hüllentemperatur war bis in den kritischen Bereich angestiegen, was überhaupt keinen Sinn ergab. Die Dunkelheit ringsum und das Fehlen von Turbulenzen hieß, dass sie nicht weiter der Hitze der Akkretionsscheibe ausgesetzt waren. Eigentlich sollte die Hülle jetzt rasch abkühlen, und wenn sie das nicht tat.

Ben riss die Schubregler nach hinten und wurde gegen die Sicherheitsgurte geschleudert, als die Reibung die Schatten schlagartig langsamer werden ließ. Das Gebiet um sie herum war nicht dunkel, weil es leer war - es war dunkel, weil es von kalter Materie erfüllt war. Sie hatten Stabile Zone eins erreicht, wo Gas, Staub und wer weiß was sonst noch in der Vorhölle zwischen den beiden Schwarzen Löchern schwebten. Besorgt darüber, dass sie nicht schnell genug abbremsten, benutzte er die Manövrierdüsen, um das Schiff noch weiter zu verlangsamen. bevor ihm klar wurde, dass er vor lauter Aufregung den Kontakt zu der dunklen Präsenz verloren hatte, die er als unfreiwilligen Wegweiser verwendet hatte.

»Verflucht!«, schimpfte Ben. Er dehnte sein Machtbewusstsein von neuem aus, fühlte jedoch bloß dieselbe Kampfgeflechtartige Präsenz, die er zuvor gespürt hatte - und die war zu diffus, um als Navigationsleuchtfeuer zu fungieren. »Wir fliegen jetzt wieder blind. Ich kann momentan nicht das Geringste fühlen, das uns von Nutzen wäre.«

»Das ist eigentlich kein Problem«, merkte Luke an. »Hier drinnen gibt es bloß einen einzigen Ort, an dem man einen festen Standort haben kann.«

Ben nickte. »Stimmt.«

Stabile Zone eins war in Wahrheit nicht sonderlich stabil. Bereits die geringste Störung in der Bewegung eines Sterns würde eine Masse auf einen langen, langsamen Fall in eine der angrenzenden Gravitationsquellen schicken. Aus diesem Grund konnte sich alles, was sich dauerhaft im Innern der Zone befand, bloß genau in der Mitte befinden, weil das die einzige Stelle war, wo die Kräfte in absolutem Gleichgewicht waren.

Ben fuhr die Navigationssensoren wieder hoch. Diesmal zeigte der Bildschirm nichts außer einem kleinen Lichtfächer am unteren Rand, der rasch in der Dunkelheit verblasste, als die Signale von kaltem Gas und Staub abgeschirmt wurden. Er aktivierte die vorderen Suchscheinwerfer der Schatten und flog weiter geradeaus. Die Strahlen schienen etwa einen Kilometer weit in die Finsternis, ehe sie in dem schwarzen Nebel aus Staub und Gas verschwanden. Ben bremste noch weiter ab und korrigierte dann den Kurs, bis alle externen Kräfte, die den Reisevektor der Schatten beeinflussten, exakt bei null lagen, und setzte einen Wegpunkt. Zumindest theoretisch befanden

sie sich jetzt auf Kurs ins Herz der Stabilen Zone.

Als Ben seine Aufmerksamkeit wieder nach vorn wandte, sah er im Lichtstrahl voraus ein blaues Trümmerteil schweben. Sofort gab er Energie auf die Manövrierdüsen, um noch mehr abzubremsen, doch im Weltraum bedeutete ein relatives Kriechen immer noch, dass man Hunderttausende Stundenkilometer schnell war, und sie hatten die Hälfte der Entfernung zu dem Gegenstand zurückgelegt, bevor die Schatten reagierte.

Anstatt des steinigen Felsbrockens oder der Eiskugel, die er erwartet hatte, stellte sich heraus, dass es sich bei dem Objekt um einen jungen Duros handelte. Ben wusste, dass es ein Duros war, weil er keinen Druckhelm trug und sein blaues, nasenloses Antlitz und die großen, roten Augen über dem Kragen eines gewöhnlichen Jedi-Pilotenoveralls sehr deutlich zu sehen waren. An seiner Schulter hing etwas, das auf diese Entfernung wie ein mobiler Raketenwerfer wirkte.

»Dad?«, fragte Ben. »Siehst du das?«

»Hin Duros, ohne Helm?«

»Genau.«

Luke nickte. »Dann ja. ich.«

Um den Duros erstrahlte ein weißer Blitz, und vor dem Cockpit der Schatten schwoll der silberne Nimbus einer heranschießenden Rakete an. Ben stieß den Steuerknüppel nach vorn und gab Schub auf die Triebwerke, doch selbst die Reflexe eines Jedi waren nicht derart schnell, bin metallisches Krachen hallte durch die Außenhülle, und Schadensmeldungen begannen zu schrillen und zu blinken. Beinahe im selben Augenblick schwebten der Duros und der Raketenwerfer nur wenige Meter über das Cockpit hinweg, und weit hinten am Heck ertönte der gedämpfte, dumpfe Schlag eines Aufpralls.

»Definitiv keine Sinnestäuschung«, kommentierte Luke.

»Dad. der sah aus wie.«

»Qwallo Mode, ich weiß«, entgegnete Luke. Mode war ein junger Jedi-Ritter, der etwa ein Jahr zuvor auf einem gewöhnlichen Kurierflug verschwunden war. Als bei einer ausgedehnten Suchmission keine Spur von ihm gefunden wurde, waren die Meister letztlich zum Schluss gelangt, er sei umgekommen. »Er ist ziemlich weit weg vom Tapani-Sektor.«

»Vorausgesetzt, das war Qwallo.« Ben streckte seine Machtsinne hinter sie aus, gewahrte jedoch keinerlei Hinweis auf die Präsenz des Jedi. »Soll ich umdrehen, um zu sehen, ob wir ihn bergen können?«

Luke dachte einen Moment darüber nach, dann schüttelte er den Kopf. »Selbst wenn er noch lebt, sollten wir ihm keine Möglichkeit geben, erneut auf die Schatten zu feuern. Bevor wir anfangen, solche Risiken einzugehen, müssen wir erst einmal dahinterkommen, was hier eigentlich vorgeht.«

»Ja«, stimmte Ben zu. »Beispielsweise, wie es kommt, dass er keinen Helm braucht.«

»Und wie er überhaupt hierhergelangt ist - und warum er auf uns schießt.« Luke öffnete mit einem Klicken sein Sicherheitsgeschirr und fügte hinzu: »Ich werde mich um den Schaden kümmern. Falls du noch irgendetwas anderes entdeckst, das da draußen mit einem Raketenwerfer und ohne Druckanzug herumschwebt, stell keine Fragen, eröffne.«

». einfach das Feuer.« Ben machte die Blasterkanonen scharf, dann überprüfte er die Schadensanzeige und sah. dass sie sowohl Sauerstoff als auch Hyperantriebskühlflüssigkeit verloren. Um die Sache noch schlimmer zu machen, klemmte der Steuerknüppel, und das konnte eine Menge Ursachen haben - von denen keine einzige gut war. »Hab kapiert. Wir

haben schon genügend Schaden eingesteckt.«

Ben schaltete seine Bedrohungsmatrix auf den Hauptschirm. Am oberen Rand des Bildschirms löste sich die graue Form eines Masseschattens aus der Dunkelheit. Ein gelber Ziffernbalken fügte der geschätzten Masse schneller Tonnen hinzu, als man mit bloßem Auge verfolgen konnte, doch er war beunruhigt zu sehen, dass die Zahl bereits fünfstellig war und auf sechs zuging. Bislang gab es keinen Hinweis auf die generelle Form oder den Energieausstoß des Objekts, doch die Tonnage allein wies bereits auf etwas von mindestens der Größe eines Angriffsträgers hin.

Unsicher, ob es besser war, weiter abzubremsen, um eine Kollision zu vermeiden, oder zu beschleunigen, um zu verhindern, dass sie zu einem leichten Ziel wurden, tanzte Ben hin und her und auf und ab. Am Hinterkopf kribbelte ein vager Hinweis auf Gefahr, aber das bedeutete bloß, dass nichts die Schatten bislang ins Visier genommen hatte.

Beim dritten raschen Seitwärtsmanöver ruckte der Steuerknüppel nach vorn und kam nicht wieder nach hinten. Ben fluchte und versuchte es mit Gewalt, doch er kämpfte gegen das Hydrauliksystem, und wenn er zu viel Kraft einsetzte, würde er ein Kontrollkabel beschädigen. Er aktivierte den Notdruckablass, pumpte den gesamten Vorrat des Systems ins All hinaus und überprüfte dann wieder seine Bedrohungsanzeige.

Die Masse voraus war nicht länger ein Schatten. In der Mitte des Schirms hatte ein silbriges, längliches Oval Gestalt angenommen - der Ziffernbalken in seinem Kern stieg jetzt über sieben Millionen Tonnen. Das Oval trieb langsam auf die untere Hälfte des Bildschirms zu und übermittelte jetzt alphanumerische Beschreibungen, die auf die Gegenwart eines

Trümmerfelds und auf die Gefahr einer drohenden Kollision mit dem Objekt selbst hinwiesen. Ben aktivierte abrupt die Manövrierdüsen, und die Schatten bremste ab.

Er hörte, wie ein Werkzeugkasten gegen die hintere Schottwand der Hauptkabine krachte, und die beunruhigte Stimme seines Vaters drang aus dem Interkom-Lautsprecher. »Was hat dich erwischt?«

»Noch nichts.« Ben zog den Steuerknüppel abermals zurück und setzte seine eigene Kraft ein, um die Vektorplatten nach unten zu zwingen. »Der Energieverstärker der Steuerung ist ausgefallen, und wir haben ein Trümmerfeld erreicht.«

»Was für Trümmer?«, wollte sein Vater wissen. »Eis? Felsen? Eisennickel?«

Ben wählte das AUSWAHL-Menü an und bewegte den Zeiger über eine der Zielkennungen: OBJEKT B8. Einen Moment später ergab eine Dichtheitsanalyse eine 71-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei OBJEKT B8 um einen mittelgroßen Raumfrachter unbekannter Bauart und unbekannten Typs handelte.

Allerdings gab Ben diese Information nicht sofort an seinen Vater weiter. Als die Schatten wieder auf ihrem ursprünglichen Kurs war, kam allmählich eine gewaltige, grauweiße Kuppel in Sicht. Die Kuppel, die relativ zum Schiff von oben kopfüber nach unten sank, hing an der Basis eines großen, rotierenden Zylinders, der von einem Dutzend kleiner, angebauter Schläuche umringt war. Zwischen dem Zylinder und der Schatten schwebten annähernd zwanzig dunkle Flecken mit den glatten Linien und scharfen Kanten, die für Raumschiffe charakteristisch waren; alle trieben ziellos und so kalt wie Asteroiden dahin.

»Ben, du beunruhigst mich«, tadelte ihn sein Vater. »Wie

schlimm ist es?«

»Ahm, das weiß ich wirklich noch nicht.« Während Ben sprach, wanderten die Lichtstrahlen der Schatten weiter den sich drehenden Zylinder hinauf, bis zu der Stelle, wo er in eine graue Metallkugel mündete, die die Größe von einer der kleineren schwebenden Städte auf Bespin zu haben schien. »Aber vielleicht solltest du lieber wieder zurück aufs Flugdeck kommen, sobald die Dinge da hinten geregelt sind.«

»Ja«, antwortete Luke. »Ich hatte gerade denselben Gedanken.«

Als die Strahlen mehr von der Raumstation enthüllten -zumindest vermutete Ben, dass es das war, was er hier vor sich sah -, nahmen Verwirrung und Besorgnis sogar noch mehr zu. Dank eines zweiten, kuppelgekrönten Zylinders, der direkt gegenüber dem ersten aus der Kugel ragte, erinnerte ihn das Ding an eine Station, die er im Zuge des jüngsten Bürgerkriegs zu infiltrieren geholfen hatte. Es schien nicht möglich, dass in der Galaxis rein zufällig zwei solcher Konstruktionen existierten oder dass er einfach aus Glück auf diese hier stieß, selbst wenn die beiden tatsächlich irgendwie miteinander zusammenhingen. Er hatte das unangenehme Gefühl, dass hier die Macht mit im Spiel war - oder, um genauer zu sein, dass die Macht mit ihm spielte.

Jetzt, wo sie sich endlich in Sichtweite ihres Ziels befanden, fuhr Ben die komplette Sensorpalette wieder hoch und begann, das Objekt zu untersuchen. Gleichermaßen zu seiner Erleichterung und zu seiner Verwirrung schien es sich bei sämtlichen Kontakten um aufgegebene Raumschiffe zu handeln. Ihre Bandbreite in puncto Größe variierte enorm, von kleinen Raumyachten wie der Schatten bis hin zu einem antiquierten Tibanna-Tanker mit einer Kapazität von mehr als hundert Millionen Litern. Ben stellte im Kopf eine rasche Kalkulation der Gesamttonnage der verlassenen Schiffe an und erschauerte. Falls es sich hierbei um Kaperbeute handelte, mussten sich irgendwo einige sehr beeindruckende Piraten verstecken.

Ben, dem unwillkürlich Sensorstörer und Hinterhalte in den Sinn kamen, zog die Schatten in die Deckung einer alten TGM-Korvette der Marodeur-Klasse. Das Schiff sah genauso verlassen aus, wie sein Sensorprofil suggerierte, und trudelte langsam mit kalten Triebwerken, offenen Luftschleusen und keinerlei Energieabstrahlungen irgendwelcher Art dahin. Allerdings gab es keine offensichtlichen Kampfschäden oder irgendetwas anderes, das darauf hindeutete, dass es von Piraten angegriffen worden war.

Ben richtete die Sensoren auf die Raumstation selbst aus und stellte fest, dass sie geringfügig weniger verlassen wirkte. Der Energiekern war aktiv, wenn auch bloß gerade so. Einige wenige warme Bereiche wiesen darauf hin, dass zumindest ein paar der Atmosphärensiegel noch intakt zu sein schienen. Als sie näher kamen, konnte er zudem erkennen, dass sich drei der am oberen Zylinder angebrachten dunklen Schläuche an einem Ende gelockert hatten und Gefahr liefen, von der Zentrifugalkraft davongeschleudert zu werden. Wer auch immer dort lebte - falls das überhaupt jemand tat -, hielt wohl nicht viel von Wartung.

Das Klack-Klack von Stiefeln, die es eilig hatten, echote durch die offene Luke im hinteren Bereich des Flugdecks und verharrte dann plötzlich. Ben aktivierte die Spiegelfläche der Kanzel und stellte fest, dass sein Vater hinter dem Kopilotensessel stand und mit schlaff herabhängendem Unterkiefer die langsam rotierende Raumstation voraus

anstarrte.

»Kommt dir die irgendwie bekannt vor?«, fragte Ben.

Lukes Blick blieb auf die Raumstation fixiert. »Was denkst du wohl?«, fragte er. »Das könnte eine Miniaturausgabe der Centerpoint-Station sein.«

Centerpoint war eine uralte Raumstation gewesen, die sich in der stabilen Zone zwischen den corellianischen Planeten Talus und Tralus befand. Über ihren Ursprung rankten sich auch heute noch zahllose Geheimnisse, doch einstmals war die Station die mächtigste Waffe in der Galaxis, in der Lage, aus Hunderten Lichtjahren Entfernung ganze Sternensysteme zu vernichten. Bens Ansicht nach war eins der wenigen positiven Dinge, die der letzte Bürgerkrieg mit sich gebracht hatte, dass die Anlage zerstört worden war. Er war alles andere als erfreut darüber, auf eine andere Version davon zu stoßen, die hier, tief im Innern des Schlunds, verborgen war.

»Ich hatte befürchtet, dass du das sagst«, meinte Ben mit einem Seufzen. »Was machen wir jetzt? Eine Baradiumrakete darauf abfeuern?«

Lukes Stimme klang abfällig. »Haben wir denn eine Baradiumrakete?«

Ben senkte den Blick. »Tut mir leid. Onkel Han hat gesagt, dass es immer ratsam ist, eine dabei zu haben.«

»Dein Onkel ist kein Jedi«, unterbrach Luke ihn. »Ich wünschte, das würdest du nicht ständig vergessen.«

»Sicher«, stimmte Ben zu. »Aber vielleicht sollten wir dieses eine Mal darüber nachdenken, wie er diese Sache handhaben würde. Falls die Station von denselben Wesen erbaut wurde, die die Centerpoint-Station entworfen haben, dann ist das Klügste, was wir machen können, sie außer Gefecht zu setzen.«

»Und vielleicht machen wir das auch - nachdem wir unsere

Vektorplatten wieder flottgemacht und unsere Hydraulikflüssigkeit aufgefüllt haben.« Luke rutschte hinter Ben in den Kopilotensitz. »In der Zwischenzeit solltest du versuchen zu vermeiden, irgendwo anzustoßen. Ich werde sehen, ob ich eine sichere Stelle finden kann, um diesen Vogel anzudocken.«