James
Um uns herum sangen die Vögel, Autos surrten am Restaurant vorbei, und der Tag war schön.
Vorsichtig legte ich die Hände auf den Tisch und rieb Nualas Stein zwischen den Fingern. Der Drang, Schuld auf meine Haut zu schreiben, war so stark, dass ich die Buchstaben fast auf der Zunge schmecken konnte. Bitter.
»Es war nicht fair von Sullivan, dir das zu sagen«, bemerkte Nuala. Sie funkelte die Kellnerin an, die mit unserem Wasser zu uns kam. »Ja, ist gut. Schon gut. Lassen Sie sie einfach stehen!« Das galt der Bedienung, die versuchte, meinen Blick aufzufangen, während sie die Wassergläser auf dem Tisch arrangierte. »Wirklich. Wir warten noch auf jemanden. Bitte …« Nuala machte eine Geste, als schüttelte sie sich Wasser von den Fingern.
Die Kellnerin ging.
Ich überlegte, was ich zuletzt zu Dee gesagt hatte. War es etwas furchtbar Gemeines gewesen? Ich hatte sie nicht mehr gesehen, seit ich sie Nuala praktisch zum Fraß vorgeworfen hatte – aber ich konnte mich nicht erinnern, wie abscheulich ich zu ihr gewesen war. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich etwas Schreckliches gesagt haben musste. Irgendwie war ihr Verschwinden meine Schuld.
»Pfeifer«, fauchte Nuala. »Er hat nicht gesagt, dass ihr irgendetwas zugestoßen wäre. Er hat dich nur gefragt, ob du sie gesehen hast. Es nützt niemandem, wenn du dich verrückt machst.« Sie öffnete den Mund, als wollte sie noch etwas hinzufügen. Stattdessen kippelte sie mit dem Stuhl zu dem Tisch hinter sich und schnappte sich den Stift, der dort auf der Rechnung liegen geblieben war. Sie reichte ihn mir. »Na los.«
Noch etwas, weshalb ich mich schuldig fühlte. Meine Haut war inzwischen fast frei von Buchstaben, und nun hatte ich gerade einen Rückfall.
Sie drückte mir den Stift in die Finger. »Oder willst du, dass ich etwas für dich schreibe?«
Erleichterung durchströmte mich, sobald ich die Spitze des Kulis auf meinen Handrücken setzte. Ich kritzelte Fluss schwarz auf meine Haut, ließ den Kuli klicken und seufzte.
»Was zum Teufel soll das bedeuten?«, fragte Nuala.
Ich wusste es nicht. Es fühlte sich nur gut an, dass ich es herausgelassen hatte.
Nuala nahm meinen kleinen Finger und zwickte kräftig hinein. »Ich kann deine Gedanken nicht mehr lesen. Du musst mit mir reden.«
»Ich weiß nicht, was das bedeutet«, erwiderte ich. »Ich wusste bei der Hälfte von dem Zeug auf meinen Händen nicht, was es bedeuten soll, als ich dir begegnet bin.«
Stirnrunzelnd sah sie mich an, blickte aber auf, als ein gehetzt aussehender Sullivan aus dem Restaurant auf die Terrasse trat. In der Tür traf er auf die Kellnerin. Er beugte sich vor, sagte etwas zu ihr und kam dann an unseren Tisch.
Er öffnete den Mund, aber ich war schneller. »Haben sie Dee schon gefunden?«
Sullivan schüttelte den Kopf. »Nein.« Er rückte nervös seinen Stuhl zurecht, bis er mit der Distanz zur Tischplatte zufrieden war. »Aber bitte mach dich deswegen nicht verrückt, James. Ich habe es dir nur gesagt, weil ich weiß, dass ihr befreundet seid. Deshalb dachte ich, du hättest von ihr gehört. Ich habe so sehr gehofft, dass sie dich vielleicht angerufen hat. Es gibt tausend harmlose Orte, an denen sie sich aufhalten könnte.«
Nuala warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. Allerdings hatte ich keine Ahnung, was sie mir damit mitteilen wollte.
»Und tausend alles andere als harmlose Orte, wo sie jetzt sein könnte«, entgegnete ich.
»Das gilt für uns alle.« Sullivan klappte die Karte auf, schaute jedoch nicht hinein. »Es suchen schon Leute nach ihr, aber wir können nur von Vermutungen ausgehen. Im Moment gilt meine Aufmerksamkeit ganz dem eindeutigen Problem vor meiner Nase.«
»Mir«, sagte Nuala. Als Sullivan sie ansah, fuhr sie fort: »Schon kapiert. Sie hassen mich. Ist aber nichts Persönliches.«
Sullivan verzog das Gesicht. »Ach was. Ich hasse dich nicht. Ich traue dir nur nicht. Und … es geht wirklich nicht einmal um dich persönlich. Mir ist nur noch nie ein harmloses Wesen deiner Art begegnet.«
»Das gilt auch jetzt noch«, stellte Nuala mit einem Lächeln klar, das an ein Knurren erinnerte. »Aber ich würde James niemals etwas antun.«
Er betrachtete mich. »Hast du dem etwas hinzuzufügen, James?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich glaube ihr. Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass wir keinen Pakt geschlossen haben. Sie hat mir nichts weggenommen.« Und sie küsste phantastisch und wusste mehr über mich als sonst jemand auf der Welt – diesen Teil ließ ich aus.
Sullivan machte eine besorgte Miene, wodurch eine Falte zwischen seinen Brauen entstand. Er rieb sie mit zwei Fingern, als schämte er sich dafür. »Wegen dir bekomme ich noch ein Magengeschwür. Kannst du dir vorstellen, wie viel leichter das Leben für dich wäre, wenn du einfach nur zum Unterricht gegangen wärst und Klavier spielen gelernt hättest, um dann mit einem Strang lateinischer Auszeichnungen hinter deinem Namen die Highschool abzuschließen? Anstatt, du weißt schon, dich mit einer mörderischen Fee anzufreunden, deren Masche darin besteht, ihren Opfern das Leben auszusaugen? Kannst du wenigstens versuchen zu verstehen, womit ich hier zu kämpfen habe?«
»Kellnerin«, warnte Nuala mit sanfter Stimme.
Wir alle verstummten, als die Kellnerin an den Tisch trat, um unsere Bestellungen aufzunehmen. Keiner von uns hatte in die Speisekarte geschaut, und Nuala wusste sowieso nicht, welches Essen wie schmeckte. Deshalb sagte ich nur: »Roastbeefsandwiches und Chips für drei.«
»Für mich ohne Mayonnaise«, ergänzte Sullivan ernst, während er ständig seinen eisernen Ring am Finger herumdrehte.
»Werde ich Chips mögen?«, fragte Nuala mich.
»Jeder mag Chips. Sogar Leute, die behaupten, Chips nicht zu mögen, mögen Chips«, erklärte ich.
Sullivan nickte. »Das stimmt.«
Die Kellnerin warf uns einen verwunderten Blick zu und nahm die Speisekarten mit.
Nachdem sie gegangen war, sagte ich: »Ich will wissen, warum Nuala jetzt essen muss.«
»Warum siehst du mich an?«, entgegnete Sullivan. Wir starrten ihn beide an.
»Weil ich Sie für denjenigen halte, der an diesem Tisch am meisten über Feen weiß«, antwortete ich. »Was ziemlich unglaublich ist, wenn man bedenkt, neben wem Sie sitzen.«
Er seufzte. »Ich habe sieben Jahre bei ihnen verbracht, also sollte ich ganz gut informiert sein. Ich war der Gefährte einer Hofdame der Königin.«
Es gab eine Menge Feen, die er damit hätte meinen können, aber irgendwie konnte ich nur an eine denken. Nuala und ich lagen offenbar auf einer Wellenlänge, denn sie sagte: »Eleanor.«
»Ich will nicht wissen, woher du das weißt«, meinte Sullivan. »Sag mir nur, dass du mich nicht mit ihr zusammen gesehen hast.«
»Nein«, entgegnete Nuala. »Warum, waren Sie vernarrt in sie?«
Sullivan rieb die Falte zwischen seinen Augenbrauen noch kräftiger. Er sah mich an. »Jedenfalls kann man in sieben Jahren viel lernen, wenn man gut aufpasst. Ich habe festgestellt, dass niemand auf mich geachtet hat, wenn ich mit Eleanor erschien. Also konnte ich mich so gründlich umsehen, wie ich wollte. Und was ich gesehen habe, hat mir nicht gefallen. Sie haben Menschen dazu benutzt, andere Menschen zu töten. Schwarze Magie. Rituale, bei denen sich dir die Zehennägel aufrollen würden. Menschen, die sich an … an … seelenlose Vergnügungen verlieren. Nichts hatte dort irgendeine Bedeutung für mich. Es gab keine Zeit. Keine Konsequenzen. Keine … Das Schlimmste war, was sie mit Menschenkindern gemacht haben.«
Er schauderte nicht direkt. Er schloss nur halb die Augen und wandte einen Moment lang den Kopf ab. Dann sah er wieder mich an, und sein Blick fiel auf meinen Arm. »Auf deinem Arm sitzt eine Mücke.«
Ich schlug auf die Stelle, auf die Sullivan geschaut hatte, und betrachtete meine flache Hand. Nichts.
Sullivan klang müde. »Das sind wir für sie, für die höfischen Feen – Mücken. Das war es, was ich schließlich herausgefunden habe. Wir sind keine gleichwertige Art. Unser Leid ist für Eleanor und ihresgleichen bedeutungslos. Wir sind für sie überhaupt nichts.«
Nuala wandte ein: »Das gilt vielleicht für die höfischen Feen. Aber nicht für uns einzelne Feen. Nicht für mich.«
Sullivan zog eine Braue hoch. »Tatsächlich? Du wolltest nie einen Handel mit James eingehen? Du hattest nur Güte und Freundschaft im Sinn?«
Ich wollte sie verteidigen, obwohl ich wusste, dass er recht hatte. Als Nuala und ich uns begegnet waren, hatte sie in mir nur irgendein neues Opfer gesehen. Aber ich war ebenso schuldig, nicht wahr? Denn sie war für mich nur irgendeine Fee gewesen.
Mit leicht geschürzten Lippen musterte Nuala ihn.
»Hört mal«, sagte ich. »Mir ist klar, dass ihr beiden euch mit Vergnügen über den Tisch hinweg ermorden würdet, aber ich denke, wir könnten unsere Zeit sinnvoller nutzen. Außerdem habe ich offen gestanden wohl nicht genug Geld dabei, um der Kellnerin ausreichend Trinkgeld dafür zu geben, dass sie danach sauber macht. Und schaut, da kommt unser Mittagessen. Wie wäre es, wenn wir uns darauf stürzen und nicht aufeinander?«
Nachdem die Kellnerin die Sandwiches auf den Tisch gestellt hatte und wir das ohne Mayo ausfindig gemacht hatten, fragte ich wieder: »Also, warum muss sie jetzt essen? Wenn es nicht daran liegt, dass sie nichts von mir nimmt – was Sie ja behauptet haben –, warum dann?«
Sullivan zupfte mit unwillkürlich verzogener Unterlippe den Salat aus seinem Sandwich. »Ich habe dir nur gesagt, dass sie eigentlich verblassen und immer unsichtbarer werden müsste, falls sie nichts von dir nimmt. Und wenn überhaupt, sieht sie jetzt sogar noch weniger … ätherisch aus, als ich sie zuletzt gesehen habe.« Nuala öffnete den Mund, als wollte sie protestieren, und er fügte rasch hinzu: »Ich habe damals beobachtet, wie deine Schwester zwischen zwei Opfern dahingeschwunden ist.«
Nuala blieb stumm. Nicht nur stumm, sondern starr und stumm. Ich meine damit das vollständige Fehlen von Lauten, Bewegungen, Blinzeln, Atmen. Sie war eine Statue. Und dann sagte sie sehr leise: »Meine Schwester?«
»Du wusstest nicht, dass du … Na ja, das konntest du wohl nicht wissen, oder?« Sullivan nahm die Tomaten von seinem Roastbeef und legte sie ordentlich beiseite, so dass der Tomatenstapel den Salat nicht berührte. »Natürlich hat sie nicht so ausgesehen wie du, als ich sie erlebt habe – da ihr ja ganz verschiedene Formen annehmen könnt. Aber sie war auch eine Leanan Sidhe. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, dass ihr verwandt seid, wenn Eleanor es mir nicht verraten hätte. Ihr habt denselben Vater. Tut mir leid. Ich wollte dich nicht so aus der Fassung bringen.«
Die letzten Worte passten nicht so recht zu seiner bisherigen Einstellung ihr gegenüber. Vielleicht hatte ihr betroffenes Schweigen sein Herz erweicht.
»Es gibt zwei von uns?«
»Und man nennt euch beide gleich«, sagte Sullivan. Er sah sie an, als sollte ihr das etwas sagen. »Die auf dem Hügel. Im Gegensatz zu denen unter dem Hügel. Also wie die Menschen. Das ist keine nette Bezeichnung.«
»Moment«, warf ich ein. »Sie bezeichnen Nuala als menschlich?«
Ich dachte, ich hätte nicht allzu viel Hoffnung in meine Stimme gelegt, doch Sullivan erwiderte hastig: »Das meinen sie nicht wörtlich. Sie sagen das, weil die Leanan Sidhe so viel Zeit mit Menschen verbringt und oft auch wie ein Mensch aussieht. Sogar menschliche Gewohnheiten annimmt.«
Ich erinnerte mich, wie Nuala im Kino gesessen und davon geträumt hatte, Regisseurin zu werden. Sehr menschlich.
Als ich merkte, dass Sullivan Nuala anstarrte, wandte ich mich ihr zu. Sie hatte die Augen geschlossen, und auf ihrem Gesicht lag dieses unverschämt genüssliche Lächeln. In der Hand hielt sie einen angebissenen Kartoffelchip.
»Ich habe dir doch gesagt, dass du Chips mögen wirst«, sagte ich.
Nuala öffnete die Augen. »Ich könnte nur davon leben.«
»Dann würdest du bald zweihundert Kilo wiegen.« Sullivan biss von seinem Sandwich ab und schluckte. »Ich habe noch nie gesehen, dass eine von ihnen menschliche Nahrung isst. Na ja, es gibt Geschichten darüber, dass ein paar der winzigen Arten Bohnen und so etwas essen, obwohl ich auch das nie selbst gesehen habe. Aber … wann hast du denn angefangen, menschliche Speisen zu essen? Kannst du dich an das erste Mal erinnern?«
Bei der Erinnerung daran, wie ich ein Reiskorn von Nualas Unterlippe gelutscht hatte, wurde mir unangenehm flau im Magen.
»James hat mir etwas von seinem Reis gegeben. Vor ein paar Tagen.«
Sullivan kniff die Augen zusammen, nahm einen weiteren Bissen und kaute, um den Denkprozess zu unterstützen. »Was, wenn das die Umkehrung dessen ist, was Menschen im Feenreich passiert? Es ist ziemlich bekannt, dass man nichts essen darf, was einem im Feenreich angeboten wird, weil man sonst für immer dort gefangen ist. Ich habe zwar nie gehört, dass das auch umgekehrt für Feen und menschliche Speisen gilt. Allerdings kann ich mir auch nicht viele Situationen vorstellen, in denen eine Fee Essen von einem Menschen annehmen würde. Außer natürlich in dem Magengeschwüre verursachenden Szenario, das ihr beiden euch für mich ausgedacht habt.«
»Ich kann kein Mensch werden«, erklärte Nuala. Ihre Stimme klang barsch, entweder vor Wut oder aus Verzweiflung.
Abwehrend hob Sullivan die Hand. »Das habe ich nicht behauptet. Aber du bist sowieso eine Doppelnatur. Vielleicht neigst du einfach eher zur einen oder zur anderen Seite. James.«
Ich blinzelte, als er mich ansprach. »Was ist?«
»Paul hat uns schon erzählt, dass er jeden Abend Cernunnos hört. Du hast zu diesem Thema bisher taktvoll geschwiegen, aber ich hatte da einen Verdacht.«
Ich legte mein Sandwich auf den Teller. »Das können Sie mir ehrlich nicht vorwerfen. Ich habe keinen Pakt mit irgendwem geschlossen oder mit diesem Cernunnos auch nur geredet oder sonst irgendwas getan, das man als potenziell gesundheitsschädlich für mich oder andere auslegen könnte.«
»Immer mit der Ruhe. Ich dachte nur, wenn du ihn hörst oder siehst, könntest du deine neue Freundin hier zu ihm schicken. Ich weiß nicht, was genau er eigentlich ist, aber vielleicht weiß er mehr über ihre Lage.« Sullivan blickte zu den vorbeifahrenden Autos. »Eleanor hat eine Verbindung zwischen Cernunnos und den Leanan Sidhe-Schwestern angedeutet.«
»Was, wenn diese Verbindung der zwischen mir und diesem Sandwich entspricht?«, fragte ich. »Ich habe nicht die Absicht, Nuala zu einem Treffen mit dem König der Toten zu schicken, wenn sie gerade aus irgendeinem Grund ihre sämtlichen Wonderwoman-Kräfte verliert. So kann sie ihm wohl kaum in die Eier treten, falls die Sache schiefläuft.«
Sullivan zuckte mit den Schultern. »Das halte ich für die beste Idee. Was bleibt uns sonst noch? Du hast gesagt, dies wäre ihr sechzehntes Jahr, nicht? Also … soweit wir wissen, müsste sie wieder ganz normal sein, wenn sie verbrannt ist.«
»Falls ich brenne«, sagte Nuala und schaute auf ihren Teller hinab.
»Wie bitte?«, fragte ich.
»Vielleicht will ich nicht verbrennen«, sagte sie.
Schweigen senkte sich über den Tisch. Sullivan brach es mit sanfter Stimme. »Nuala.« Er nannte sie zum ersten Mal beim Namen. »Ich habe deine Schwester brennen sehen, als ich im Feenreich war. Sie musste es tun. Ich weiß, dass du nicht willst – es ist schrecklich, dass du dich selbst verbrennen musst. Doch wenn du es nicht tust, wirst du sterben.«
Nuala blickte nicht von ihrem Teller auf. »Vielleicht wäre mir das lieber, als wieder so zu werden wie vorher.« Sie knüllte ihre Serviette zusammen und legte sie auf den Tisch. »Ich glaube, ich muss zur Toilette.« Sie warf mir ein aufgesetztes Lächeln zu. »Es gibt für alles ein erstes Mal, was?«
Damit rückte sie den Stuhl vom Tisch ab, stand auf und verschwand im Restaurant.
Sullivan seufzte und presste sich zwei Finger ins Auge. »Das ist wirklich übel, James. Ihre Schwester ist nicht annähernd so menschlich wie sie gewesen. Sie schien es kaum zu spüren, als sie brannte. Nuala …« Er machte dieselbe Geste mit halb geschlossenen Augen wie vorhin, dieses angedeutete Schaudern. »Das wird genauso sein, wie einen Menschen bei lebendigem Leib zu verbrennen.«
Ich holte meinen Troststein heraus und rieb ihn wie verrückt zwischen den Fingern. Dabei konzentrierte ich mich auf den Kreis, den mein Daumen auf dem Stein beschrieb.
»Du hattest recht, okay? Das wollte ich damit sagen«, erklärte Sullivan. »Sie ist nicht wie die anderen. Es war zwar trotzdem saudumm von dir, nicht vor ihr davonzulaufen, als sei der Leibhaftige hinter dir her. Aber sie ist wirklich anders.«
»Ich gehe mit ihr zu Cernunnos«, sagte ich. Sullivan öffnete den Mund. »Sie wissen, dass Sie mich nicht daran hindern können. Ich weiß, dass Sie das gern tun würden. Sagen Sie mir nur, wie ich uns schützen kann. Wenn das überhaupt geht.«
»Herr im Himmel«, meinte er. »Als dein Lehrer und Wohnheimbetreuer sollte ich eigentlich dafür sorgen, dass du nicht in Schwierigkeiten gerätst, statt dir noch zu sagen, wie du sie findest.«
»Das war Ihre Idee. Also muss ein kleiner Teil von Ihnen gewollt haben, dass ich gehe, denn sonst hätten Sie das nicht vor mir erwähnt.«
»Komm mir nicht mit umgekehrter Psychologie«, erwiderte Sullivan. Mit den Fingern strich er über die Falte zwischen seinen Augenbrauen. »Ich würde euch gern begleiten, aber ich höre ihn dieses Jahr nicht. Man geht nicht zu ihm, wenn er einen nicht ruft. Das wäre … vollkommen wahnsinnig. Scheiße, James. Ich weiß auch nicht. Trage etwas Rotes. Steck dir Salz in die Tasche. Das ist immer gut.«
»Ich kann nicht glauben, dass ich so etwas von einem Lehrer höre«, bemerkte ich.
»Und ich kann nicht glauben, dass ich ein Lehrer bin, der dir das sagt.«
Ich schrieb mir gerade rot und Salz auf die Hand, als Nuala aus dem Restaurant kam. Was auch immer sie vorhin gefühlt haben mochte, war jetzt einem wilden Ausdruck in ihren Augen gewichen.
»Kann’s losgehen?«, fragte ich.