James

James?«

Ich lag mit dem Gesicht nach unten im Kissen. Ohne mich weiter zu bewegen, drückte ich mir das Handy ans Ohr. »Mmm. Ja. Was.«

»James, bist du das?«

Ich rollte mich auf den Rücken und starrte das blasse Morgenlicht an, das in Streifen an die Decke fiel. Das Telefon rückte ich so zurecht, dass ich nicht aus Versehen auflegte. »Mom, warum fragst du eigentlich jedes Mal, wenn du mich auf meinem Handy anrufst, ob ich auch wirklich dran bin? Hast du mir bisher verschwiegen, dass du dich schon hunderte Male verwählt und fast meine Nummer erwischt hast, aber ganz genau hat sie nicht gestimmt, und dann hast du Typen am Telefon, die fast ich sind, aber nicht ganz genau?«

»Deine Stimme klingt am Telefon nie gleich«, entgegnete Mom. »Jetzt klingst du ganz nuschelig. Hast du etwa einen Kater?«

Mit einem schweren Seufzer blickte ich zu Pauls Bett hinüber. Er lag immer noch im tiefsten Koma. Mit Sabber auf dem Kissen und einem Arm, der über die Bettkante hing, sah er aus, als wäre er aus einem Flugzeug in sein Bett abgeworfen worden. Ich beneidete ihn glühend. »Mom, ist dir klar, dass wir Wochenende haben? Und es noch vor zehn Uhr ist? Vor neun sogar?«

»Es tut mir leid, dass ich dich so früh anrufe«, sagte sie.

»Tut es nicht.«

»Du hast recht, es tut mir nicht leid. Ich komme dich besuchen, und ich will, dass du wach bist, damit du mich an der Bushaltestelle abholen kannst.«

Hastig setzte ich mich auf und sprang dann vor Schreck fast an die Decke. »Heilige Scheiße!« Nuala saß am Fußende, die Knie unters Kinn gezogen, die Arme darumgeschlungen. Ich hatte nicht einmal gespürt, dass sie da war. Sie sah gefährlich und mürrisch und entsetzlich heiß aus.

»Ich bin sicher, dass du gerade eben nicht laut geflucht hast.«

Stumm fragte ich Nuala: Was soll das? (woraufhin sie nur mit den Schultern zuckte) und sagte dann zu Mom: »Doch, Mom. Ich habe das nur gesagt, um dich zu ärgern.«

»Du hast also wichtigere Pläne, als deine liebe Mutter zu sehen, die dich schrecklich vermisst?«

»Nein, mich hat nur etwas gestochen. Ich freue mich sehr darauf, dich zu sehen. Wie immer. Die Nachricht, dass du mich besuchen kommst, versetzt mich förmlich in Ekstase. Es ist, als hätten sich die Schleusen des Himmels geöffnet, und ich strecke die Hand aus und stelle fest, dass da kein Regen herabfällt, sondern Erdbeer-Wackelpudding.«

»Deine Lieblingssorte«, bemerkte sie. »Mein Bus soll um Viertel nach zehn da sein. Können wir uns an der Haltestelle treffen? Und bring Dee mit. Ich habe Sachen für sie von ihrer Mutter dabei.«

»Ich versuch’s, aber vielleicht hat sie zu tun. Die Leute haben am Wochenende immer viel vor, weißt du? Schlafen und solche Sachen.« Ich warf einen argwöhnischen Blick zu Nuala hinüber. Ihr Gesichtsausdruck war ausgesprochen boshaft. Sie griff unter die Bettdecke und packte meinen großen Zeh. Dann rollte sie ihn zwischen den Fingern herum, als wollte sie ihn abschrauben. Das kitzelte furchtbar und tat ziemlich weh. Ich trat nach ihr und zog dann die Beine unter mich, außerhalb ihrer Reichweite. Stumm sagte ich: Bösartiges Geschöpf, und sie wirkte geschmeichelt, dass ich das bemerkt hatte.

»Jemand mit Terry Monaghans Genen könnte an einem Wochenende nie lange schlafen. Falls die arme Dee beschäftigt ist, dann deshalb, weil sie eine Brücke entwirft oder die Weltherrschaft erringt. Ich muss jetzt Schluss machen, ich will diesen Roman zu Ende lesen, ehe wir ankommen. Zieh dich an. Ich lade euch beide zum Mittagessen ein.«

»Großartig. Wunderbar. Ganz reizend. Also steige ich nun aus meinem schönen, warmen Bett. Tschüs. Bis nachher.«

Ich hätte gern behauptet, dass ich anschließend Dee angerufen hätte und wir zusammen losgezogen wären, um meine Mutter zu treffen, und dass zwischen uns alles gut und rosig sei. Aber in der echten Welt – in der Welt, in der James von jedem beschissen wird, der klug genug dazu ist – passierte so etwas natürlich nicht. Ich rief Dee nicht an. Ich machte es nicht einmal wie im Film, wählte die Nummer und klappte ganz schnell das Handy zu, ehe sie rangehen konnte.

Stattdessen starrte ich nach dem Gespräch mit meiner Mutter auf das eingeprägte Zeichen auf der Rückseite meines Handys, bis ich zu dem Schluss kam, dass das kein bedeutungsloser Designschnörkel war, sondern ein satanistisches Symbol, das den Empfang verbessern sollte. Ich hatte einen Kuli auf dem Schreibtisch neben meinem Bett liegen, griff danach und schrieb mir 10:15 auf die Hand. Viele der anderen Wörter waren gestern Abend beim Duschen abgewaschen worden. Beim Anblick halbfertiger Wörter wurde mir übel. Ich vervollständigte die, die ich noch lesen konnte, und rieb mit Spucke die unleserlichen Reste ab, die nicht mehr zu retten waren. Als ich wieder zum Fußende des Bettes schaute, war Nuala verschwunden. Typisch. Wenn ich sie in der Nähe haben wollte, war sie weg.

Ich klappte das Handy mehrmals auf und zu und ließ es richtig schnappen, um mein Hirn wieder in Gang zu setzen. Ich fühlte mich nicht etwa mies, weil ich Dee nicht anrief – vermutlich würde sie sowieso nicht rangehen, wenn sie meine Nummer sah. Nein, ich hatte so ein nagendes Gefühl in der Bauchgegend oder im Kopf, als wäre ich hungrig, obwohl das nicht stimmte.

»Wach auf, Paul.« Mit den Füßen schob ich meine Decke weg, so dass sie einen weichen Haufen bildete, wo Nuala gerade gesessen hatte. Blätter flatterten zu Boden, trocken und leblos. »Wir gehen mit meiner Mutter Mittag essen.«

 

Mom ist unfähig, pünktlich zu sein. Diese Unfähigkeit – nein, diese essenzielle Eigenschaft ihrer gesamten Existenz – ist so mächtig, dass nicht einmal ihr Überlandbus pünktlich kam. Nicht pünktlich kommen konnte. Also saßen Paul und ich an der Haltestelle auf einer Bank in der Herbstsonne, deren Licht leider völlig kraftlos war.

»Ich kapiere nicht, wie du das machst.« Paul versuchte, einen Kuli dazu zu bringen, auf seinem Handrücken zu schreiben. Es war einer von den Stiften, bei denen man auf das obere Ende drückt, damit die Mine herauskommt, und er klickte sie raus und wieder rein und schüttelte dann den Stift, als würde er deswegen besser schreiben. Er erschuf eine Armee aus Pünktchen auf seinem Handrücken, hatte aber noch keinen Buchstaben zustande gebracht. »Das ist, als würde ich versuchen, das Alphabet mit einem Hotdog aufzuschreiben.«

Autos donnerten an uns vorbei, doch kein Bus kam. Ohne die Augen von der Straße abzuwenden, streckte ich die Hand nach dem Stift aus. »Ich werde dich erleuchten. Mach dich auf eine umwerfende Erfahrung gefasst.«

Er gab mir den Kuli und deutete auf meinen Handrücken. »Schreib ›Manlove‹.«

Ich zögerte, den Kuli schon über meiner Haut. »Na, so was – Paul, ich hatte ja keine Ahnung, dass du so empfindest. Ich meine, ich bin natürlich universell anziehend, aber trotzdem …«

Pauls Grinsen war so breit, dass ich es aus dem Augenwinkel sehen konnte. »Mann, nein. Bei uns war eine, du weißt schon, wie nennt man die gleich? Eine Gastspielerin. Eine Gast-Oboenlehrerin. Also, sie war diese Woche da – und weißt du, wie sie hieß? Amanda Manlove.«

Ich gab einen angemessen beeindruckten Laut von mir. »Nicht möglich.«

»Ja, Mann. Das hab ich auch gesagt. Ich meine, jetzt mal im Ernst. Mit diesem Namen musste sie durch die Schulzeit. Ihre Eltern müssen sie echt gehasst haben.«

Ich schrieb Herbstfeuer auf meine Hand.

Aus tiefstem Hals stieß Paul ein glucksendes Geräusch hervor. »Hey! Wie hast du ihn dazu gekriegt, dass er schreibt? Er hat keine Pünktchen auf deine Hand gemacht. Er hat richtig geschrieben.«

»Du musst die Haut straff ziehen, du Genie«, entgegnete ich und demonstrierte es ihm. Ich notierte meinen Namen und zog einen Kreis darum.

Er nahm mir den Stift wieder ab und zog die Haut straff. Dann schrieb er ebenfalls Herbstfeuer auf seine Hand. »Warum ›Herbstfeuer‹?«

Ich wusste es nicht. »Ich will in Ballade eine Szene an einem großen Herbstfeuer haben.«

»Dann müssten wir auf der Bühne ein künstliches Feuer brennen lassen. Das wird sehr schwierig, wenn es nicht billig aussehen soll. Es sei denn, wir benutzen Brennspiritus. Aber sind die Flammen da nicht unsichtbar?« Paul schaute an mir vorbei. »Hey, wer kommt denn da? Das ist das Mädchen von deiner alten Schule.«

Ich erstarrte und wandte nicht den Kopf, um seine Worte zu überprüfen. »Paul, wehe, du machst Witze. Meinst du, sie hat mich gesehen?«

Pauls Kinn hob sich, und er betrachtete etwas über meinem Kopf. »Hm, ja, da bin ich ziemlich sicher.«

»Äh, hallo«, sagte Deirdre direkt neben meiner Schulter. Als ich ihre Stimme hörte, waren sie wieder da, diese Worte: Ich musste an ihn denken, als du mich geküsst hast.

Ich warf Paul einen finsteren Blick zu, der Danke für die rechtzeitige Warnung ausdrücken sollte, stand auf und wandte mich ihr zu. Wortlos schob ich die Hände in die Taschen.

»Hallo, Paul.« Dee schaute an mir vorbei Paul an, der ein wenig gequält aussah. »Ich würde gern kurz mit James reden, wenn es dir nichts ausmacht.«

»Ich warte auf Mom«, sagte ich. Mein Magen zog sich zusammen, ich konnte nicht klar denken. Sie anzusehen tat richtig weh.

»Ich weiß.« Dee betrachtete die Straße. »Meine Mom hat gesagt, sie hätte ihr Sachen mitgegeben. Sie hat mich angerufen – also, meine Mom, nicht deine – und mir gesagt, dass sie im Radio etwas über einen Stau auf der Vierundsechzig gehört hat. Daher weiß ich, dass sie noch eine Weile brauchen wird. Deine Mom, nicht meine.« Sie zuckte unbehaglich mit den Schultern und stieß hastig hervor: »Ich bin mit dem Kirchenbus in die Stadt gefahren, um dich zu warnen, dass sie sich verspäten wird, für den Fall, dass du hier auf sie wartest.« Alles an ihrem Gesicht und ihrer Stimme wirkte verlegen, versöhnlich, kläglich.

Paul bot schließlich an: »Ich warte hier.«

»Danke, Genosse.« Nur ganz wenig Sarkasmus schlich sich in meine Stimme. Er konnte meiner Mutter dann meine Asche übergeben, nachdem Dee verbrannt hatte, was von meinem Selbstwertgefühl noch übrig war. Den Bruchteil einer Sekunde lang überlegte ich, ob ich nein zu ihr sagen könnte. »Okay, gehen wir.«

Paul schnitt mir eine kleine, bedauernde Grimasse, ehe ich Dee den Gehsteig entlang folgte. Sie schwieg, während wir die Bushaltestelle hinter uns ließen und über den ansteigenden Weg ins Zentrum von Gallon liefen. Eine Querstraße weiter sah ich den Evans-Brown-Musikladen. Ich fragte mich, ob Bill, der Sackpfeifenlehrer, noch dort war oder ob er verschwand, wenn ich ihn nicht sehen konnte, wie Nuala. Im Vorbeigehen schaute ich in die leeren Fenster aufgegebener Läden und sah zu, wie unsere Spiegelbilder sich ausdehnten und wieder zusammenzogen. Dee hatte die Arme vor der Brust verschränkt und biss sich auf die Lippe. Ich bildete mit den Händen in den Taschen und hochgezogenen Schultern eine Insel, die sie nur mit einem Boot hätte erreichen können – und sie hatte keines.

»Ich fühle mich schrecklich«, sagte Dee endlich. Diesen Satz fand ich irgendwie unfair. Selbstsüchtig. Dee dachte offenbar dasselbe, denn sie fügte hinzu: »Wegen dem, was ich dir angetan habe. Ich bin … Ich muss jede Nacht heulen, wenn ich daran denke, wie ich alles zwischen uns verdorben habe.«

Darauf erwiderte ich nichts. Wir gingen an einem Geschäft für Herrenmode vorbei. Im Fenster stand eine Reihe Köpfe von Schaufensterpuppen mit Hüten. Mein Spiegelbild setzte für einen Augenblick eine Melone auf.

»Es war bloß … Ich weiß gar nicht, warum … Ich meine, es tut mir nur einfach furchtbar leid. Ich will nicht, dass zwischen uns alles vorbei ist. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Ich bin nur irgendwie, ich weiß auch nicht, gebrochen. Mit mir stimmt irgendwas nicht, und ich weiß, dass ich Mist gebaut habe.« Sie weinte noch nicht, aber ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie »gebrochen« sagte. Ich betrachtete die Risse im Asphalt des Gehsteigs. Ameisen marschierten in geraden Reihen darüber hinweg. Bedeutete das nicht, dass es regnen würde oder so? Meine Mutter, glaube ich, hatte mir mal erzählt, dass Ameisen hintereinanderliefen, um Duftspuren zu legen, damit sie den Rückweg fanden. Je dichter sie aufrückten, umso stärker wurde die Duftspur. Umso leichter fanden sie wieder nach Hause.

Dee packte mich an der Hand, blieb plötzlich stehen und riss mich dadurch herum. »James, bitte sag etwas. Bitte. Das hier … das hier ist mir wirklich schwergefallen. Bitte sag einfach irgendwas

In meinem Kopf wirbelten die Worte durcheinander, aber es waren keine zum Aussprechen dabei. Es waren finstere Lettern – Hunderte Buchstaben bildeten Wörter, die aufgeschrieben werden mussten. Da stand ich also mitten auf dem Gehsteig. Dee hielt meine Hand so fest, dass es weh tat, und sah mich mit schimmernden Augen an, den Tränen nahe. Da stand ich, den Kopf vollgestopft mit Worten, und brachte keines davon heraus.

Ich musste aber. Als ich schließlich etwas sagte, überraschte es mich, wie ruhig meine Stimme klang und dass ich in zusammenhängenden Sätzen sprach. Es war, als wäre ein allwissender, neutraler Erzähler in meinen Körper eingedrungen und machte nun eine Durchsage zur öffentlichen Sicherheit. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Dee. Ich weiß nicht, was du von mir willst.«

Dann, in einem Schwall, waren die Worte da, die ich sagen wollte, und sie explodierten beinahe in meinem Kopf, so sehr wünschte ich mir, sie auszusprechen: … aber du hast mir weh getan. Es tut so furchtbar weh. Hier mit dir zu stehen und deine Hand zu halten bringt mich um. Benutzt du mich nur? Wie kannst du mir das antun? Bedeute ich dir nicht mehr als das? Ich bin nur ein verdammter Platzhalter, oder?

Ich behielt sie für mich.

Aber Dee starrte mich an, als hätte ich sie doch gesagt. Ihre Augen waren so groß, dass ich ernsthaft überlegen musste, ob ich nicht doch laut gesprochen hatte. Sie wandte den Blick ab, betrachtete den leeren Gehsteig und dann ihre Füße, als würde der Anblick ihrer Doc Martens ihr Mut verleihen. »Ich wollte dir das nicht erzählen. Dass ich ihn so gernhatte. Luke.«

»Du hattest ihn gern«, wiederholte ich. Ich hörte den matten, ungläubigen Tonfall meiner eigenen Stimme und versuchte doch nicht, ihn zu ändern.

»Also gut. Ich habe ihn geliebt. Ich wollte dir das nicht sagen. Ich habe mich schuldig gefühlt. Obwohl du und ich nur gute Freunde waren.« Dee zögerte einen langen Moment, aber ich half ihr nicht aus der Klemme. »Und das war schwer auszuhalten, seit … seit er weg ist. Ich weiß, dass ich ihn nie wiedersehen werde und dass ich einfach über ihn hinwegkommen muss. Es fühlt sich an, als müsste ich aus einem tiefen Loch klettern. Da habe ich nach dem nächstbesten Ding gegriffen, woran ich mich festhalten konnte, um herauszukommen. Das warst du, und es war falsch von mir, das zu tun.«

Sie blickte zu mir auf, und jetzt, endlich, gab es Tränen, und ich wusste, dass ich alles tun würde, worum sie mich bat, wie immer. »Bitte, James. In meinem Kopf geht alles durcheinander. Du bist mein allerbester Freund, und ich darf dich nicht auch noch verlieren.«

»Ich glaube nicht, dass ich das kann«, sagte ich. »Das hier, für dich.«

Das fühlte sich richtig gut an, um ehrlich zu sein.

Eine Sekunde lang starrte sie mich an und ließ die Worte ankommen. Dann barg sie das Gesicht in einer Hand und wandte sich halb von mir ab. Sie begann zu weinen, wie Leute weinen, wenn es ihnen egal ist, wer sie dabei beobachtet, weil sie so am Ende sind, dass es sie einfach nicht mehr kümmert.

Ich konnte ihr nicht dabei zuschauen.

Ich nahm sie bei der Schulter und zog sie an mich. Der vertraute, reine Duft ihres Shampoos wirkte wie eine Zeitmaschine – er erinnerte mich deutlich an die unzähligen Umarmungen im Lauf der vielen Jahre, die ich sie gekannt hatte, vor Luke, als sie nur mich gebraucht hatte. Ich legte die Stirn auf ihre Schulter und starrte auf das Spiegelbild unserer Umarmung im Schaufenster. Bitte denk jetzt gerade nicht an ihn.

»Tue ich nicht«, flüsterte Dee und drückte das Gesicht an meine Schulter. Ihre Tränen benetzten mein T-Shirt.

Ich wusste nicht, ob ich Dee dabei half, aus ihrem Loch zu klettern, oder ob sie mich mit hineinzerrte.

»Ich weiß, dass ich verrückt bin«, sagte sie leise. »Bleib noch ein bisschen bei mir, James. Okay? Bis mehr Zeit vergangen ist, du weißt schon, seit dem Sommer … und vielleicht … vielleicht können wir es noch einmal versuchen. Und dann wird es richtig sein. Nicht verkorkst.«

Ich wusste nicht, ob sie damit meinte, dass wir versuchen sollten, wieder Freunde zu sein oder uns zu küssen oder auch zu atmen. Im Augenblick schien alles jedoch von meinem Bemühen eingefärbt zu sein, ihr zu glauben. Ich schob die Hand in ihr Haar, drückte sie an mich und war erfüllt von der Gewissheit, dass sie mir wieder weh tun würde. Gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht die Kraft hätte, sie abzuweisen, bevor es so weit kommen würde.