KAPITEL
23

 

 

Jeremiel hatte soeben geduscht und stand jetzt vor dem Spiegel in seiner Kabine, um den Sitz seines schwarzen Kampfanzugs zu überprüfen. Ihm blieb noch eine Stunde, bis er auf der Brücke erscheinen mußte, um das Ende des Lichtsprungs einzuleiten.

Er warf einen Blick auf das Durcheinander von Papieren, die über Tisch, Stühle und Boden verstreut waren. Mehrere Papierstöße lehnten an der Wand und bildeten eine Art Schutzwall um Careys Nachthemd, das noch immer neben dem Bett lag. Wieder und wieder war er jedes Detail des Schlachtplans durchgegangen, bis er der Ansicht war, wirklich jede mögliche Fallgrube aufgespürt zu haben. Andererseits hing ungeheuer viel von Dingen ab, die sich nicht mit letzter Sicherheit vorhersehen ließen. Falls die Untergrundflotte genau vor den feindlichen Kreuzern auftauchen sollte, würden viele von Jeremiels Leuten sterben, bevor sie einen erneuten Sprung einleiten konnten.

Er schüttelte müde den Kopf. Das Spiel, mit dem er sich beschäftigte, besaß nur wenige Regeln, auf die man sich tatsächlich verlassen konnte, von den physikalischen Gesetzmäßigkeiten einmal abgesehen. Da seine Schiffe Singularitätstriebwerke zur Energieerzeugung und Zeitdilatation benutzten und den Raum um die Schiffe auf eine Weise krümmten, daß dadurch buchstäblich ein Loch in der Raumzeit geschaffen wurde, konnten sie direkt über dem Gegner in den Normalraum zurückfallen – was allerdings nicht möglich war, wenn dieser Gegner sich im Orbit über einem gamantischen Planeten befand. Die Gravitationswellen, die von den Schiffen ausgingen, hätten die Bevölkerung Horebs regelrecht pulverisiert. Diese Tatsache zwang sie dazu, in sicherer Entfernung von dem Planeten aufzutauchen. Unglücklicherweise erhielten die gegnerischen Kreuzer dadurch rund fünfzehn Sekunden Zeit, um sich auf den Kampf vorzubereiten, bevor Jeremiel den ersten Schuß abgeben konnte.

Jeremiel strich die Ärmel seines Anzugs glatt und betrachtete sich selbst kritisch im Spiegel. Dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen blutunterlaufenen Augen ab und bewiesen deutlich, daß er in letzter Zeit zu wenig Schlaf gefunden hatte.

Er fuhr sich rasch mit Careys Bürste durch Bart und Haupthaar und ging dann zur Tür. Aus den Augenwinkeln sah er das Funkeln ihrer Halskette, die noch immer auf dem Tisch lag.

Er nahm sie vorsichtig auf und ließ sie wie ein Pendel in seiner Hand schwingen. Der Tag, als Cole sie Carey geschenkt hatte, war ihm noch deutlich in Erinnerung.

Sie hatten sich in fröhlicher Runde zu ihrer Geburtstagsfeier zusammengefunden. Er und Carey waren noch kein Jahr verheiratet gewesen, doch schon damals konnte er sich nicht mehr vorstellen, ohne sie zu leben. In der Lounge auf Deck sieben drängten sich die Menschen in Zivilkleidung. Soldaten des Untergrunds hatten nur selten die Gelegenheit, sich einmal zu entspannen und etwas anderes anzuziehen als Uniformen oder Kampfanzüge. Die Champagnerflaschen kreisten wie Gewehrmagazine während einer Schlacht.

Cole hatte sich mit der Kette in der Hand bis zu ihnen durchgedrängt. »Hier«, hatte er gesagt und Carey dabei angeschaut, als wäre sie ein Schatz von unbezahlbarem Wert. »Das ist doch die Kette, die dir so sehr gefallen hat, oder?«

Carey war das Schmuckstück in einem winzigen Laden auf dem Planeten Trekow aufgefallen. Jetzt riß sie erstaunt die Augen auf und nahm die Kette zögernd entgegen. »Mein Gott, das muß doch ein Vermögen gekostet haben. Offenbar bezahlen wir dich viel zu gut für deine Arbeit auf dem alten Kahn.«

Cole zog eine Augenbraue hoch. »Rede nur weiter, dann lasse ich die Gravur wieder entfernen.«

Carey warf ihm einen mißtrauischen Blick zu, drehte den Anhänger um und las: »Meiner besten Freundin für die nie offen erklärte Meuterei. In Liebe, Cole.«

Carey starrte die Worte an, als wollte sie sie auswendig lernen, bevor sie Tahn umarmte. Mehrere Sekunden hatten sie so gestanden, und Jeremiel hatte beobachtet, welche Gefühle über Tahns Gesicht huschten, bevor er sich entschlossen aus der Umarmung löste.

»Tja«, meinte Cole dann leise. »Herzlichen Glückwunsch. Ich muß jetzt zurück auf mein Schiff. Merle gibt mir nie länger als eine Stunde frei.«

Carey nickte verständnisvoll, doch ihre Miene zeigte, daß sie es lieber gesehen hätte, wenn er für den Rest der Party geblieben wäre. »Meinst du wirklich?« fragte sie. »Ich fände es …«

»Nein, ich …« Cole schaute zu Jeremiel hinüber und senkte dann den Blick. »Ich muß gehen. Trink ein Glas Champagner für mich mit.«

»Mache ich.«

Cole lächelte noch einmal und drängte sich dann durch die Menge zurück zum Ausgang.

Jeremiel hatte Carey gegenüber nie erwähnt, daß Cole Gefühle für sie seiner Ansicht nach über reine Freundschaft hinausgingen. Er hatte befürchtet, Carey würde aus mißverstandener Loyalität ihm gegenüber zumindest unbewußt ihre Freundschaft zu Tahn abkühlen lassen.

Jeremiel schob die Kette in seine Tasche. »Und das würde ich dir nie antun, Carey.«

Weder Cole noch Carey hatten sich je wirklich in die gamantische Gesellschaft eingefügt, obwohl Carey damit etwas besser zurechtgekommen war, weil Jeremiel ihr viel über kulturelle Tabus, gängige Verhaltensmuster und gamantische Psychologie erzählt hatte. Doch Cole und Carey verband zu vieles aus ihrem früheren Leben, als daß einer von ihnen sich vollständig fühlen konnte, wenn der andere nicht in der Nähe weilte.

Jeremiel schob geistesabwesend ein Blatt Papier auf dem Tisch hin und her. »Bleib am Leben, Cole. Hast du verstanden?«

Schließlich verließ er die Kabine und schlug mit energischen Schritten den Weg zur Brücke ein.

 

Magistrat Nastema saß in seiner Privatkabine an Bord des kleinen Transportschiffs und schaute durch das Bullauge auf die Lichter von Naas hinunter, der Hauptstadt von Palaia Station. Der Anblick der wie verstreute Diamanten glitzernden Lichtpunkte begeisterte ihn immer wieder. Jenseits der Stadtgrenzen bohrten sich die Türme der Energieerzeugungsanlagen wie lavendelfarbene Speere in den Himmel. Dort, tief unter der Erde verborgen, befand sich auch der Ausweichkontrollraum der Station.

Mastema selbst hatte den Stationskomplex entworfen und auch den Bau überwacht. Seine Aufgabe hatte darin bestanden, eine Hülle für eine wechselnde Zahl primordialer Singularitäten zu schaffen, deren Masse von einigen Milliarden bis zu mehreren Billionen Tonnen variierte. Der Trick bestand darin, die Löcher mit einer Reissner-Nordstrom-Ladung in synchrone Orbits innerhalb der Station zu bringen. Die elektrischen Felder, die von den Löchern geschaffen wurden, waren erheblich stärker als durchschnittliche Gravitationsfelder. Mastemas geniale Idee hatte darin bestanden, diese Energie in ein schützendes Netz elektromagnetischer Schalen rings um Palaia zu leiten. Niemand konnte diese Schilde von außen durchdringen, was auch der Grund war, weshalb Slothen klugerweise die Satelliten, in denen die Gamanten festgehalten wurden, in einen Orbit gebracht hatte, der noch innerhalb dieser Schutzfelder lag. Auf diese Weise, hatte der regierende Magistrat erläutert, waren die Satelliten nicht nur vor einem Befreiungsversuch von außen geschützt, sondern zudem jeder Veränderung der Kraftfelder hilflos ausgesetzt. Vom Hauptkontrollraum auf Palaia aus konnte man die Satelliten durch einen einfachen Knopfdruck vernichten – und der gamantische Untergrund war sich dieser Tatsache zweifellos bewußt.

Mastema beugte sich näher ans Bullauge und betrachtete die unter ihm dahinziehende Landschaft, die von Bäumen und Büschen bestanden waren. Die ganze Station war sein Meisterstück. Nachdem der innere Behälter vollendet war, hatte er die äußere Hülle mit einer dünnen Schicht aus schaumähnlichem Plastik verkleidet, die als Untergrund für die Berge und Täler diente, die seine Landschaftsingenieure anschließend konstruiert hatten.

»Bitte schalten Sie die Sicherheitsanlagen ein, Magistrat. Wir setzen zur Landung an«, meldete die modulationslose mechanische Stimme des Piloten Dybbuk.

Mastema lehnte sich zurück und drückte auf den Knopf, der die elektromagnetischen Schutzvorrichtungen aktivierte. Als das Schiff aufsetzte, drang das blasse Licht der Morgensonne durch das Bullauge und hüllte den Magistraten in einen rosigen Schleier.

Osman und Querido, zwei giclasianische Medotechniker, betraten die Kabine und betteten Mastema auf eine Antigravbahre. Nach dem jahrhundertelangen Schlaf war er noch immer zu schwach, um aus eigener Kraft gehen zu können. Die Techniker befestigten Aggregate an der Bahre, die ihn mit einem schützenden Energieschirm umgeben würden, sobald sie das Schiff verlassen hatten.

Das Seitenportal des Schiffes öffnete sich, und eine Rampe schob sich heraus. Draußen umgaben Hunderte von Soldaten den Landeplatz, um die Neugierigen fernzuhalten, die sich hier versammelt hatten. Begeisterte Rufe wurden laut, als die Techniker die Bahre ins Sonnenlicht hinausschoben. Der Schutzschirm schaltete sich ein, und Mastema verspürte ein leichtes Kribbeln auf der Haut.

Osman schob ihn schnell in Richtung des großen, vor ihnen liegenden Gebäudes. Eine Reihe von Soldaten bildete den Begleitschutz. Mastema winkte der Menge mit vier seiner Glieder zu und fragte sich, ob Slothen diesen Empfang arrangiert hatte. Oder war die Bevölkerung aus eigenem Antrieb hergeströmt, als seine bevorstehende Ankunft bekannt wurde? Aber wie auch immer, er empfand die Begrüßung als sehr angenehm.

Mastema ließ sich wieder auf die Bahre zurücksinken, als sie den Haupteingang des großen Regierungsgebäudes passierten, und schaute teilnahmslos zu, wie er durch einen weißen Gang nach dem anderen geschoben wurde. Wesen aus allen Teilen der Galaxis waren hier anzutreffen. Zwar bildeten Giclasianer die Mehrzahl, doch Mastema sah auch einige der halbtransparenten, kugelförmigen Orillianer, vielgliedrige Rossianer – und sogar eine Handvoll Menschen. Wenn nicht gerade erhebliche Unruhe in der Galaxis geherrscht hätte, wäre ihm dieser Anblick sehr willkommen gewesen, denn genau diese Art der Integration hatte ihm vorgeschwebt, als er Palaia und die Union der Solaren Systeme schuf.

Osman, Querido und zwei Soldaten begleiteten Mastema in den Aufzug, der ihn zum fünfundvierzigsten Stock hinauftrug. Als die Tür zur Seite glitt, befand sich Mastema in einem quadratischen Vorzimmer. Der giclasianische Sekretär erhob sich hinter seinem Schreibtisch und verneigte sich respektvoll.

»Willkommen, Magistrat. Ich bin Topew, Slothens Assistent. Lassen Sie es mich bitte wissen, wenn ich Ihren Aufenthalt hier auf irgendeine Weise angenehmer gestalten kann.«

Mastema lächelte. »Sehr freundlich von Ihnen, Topew. Vielen Dank.«

»Magistrat Slothen erwartet Sie bereits. Bitte begeben Sie sich hier den Gang entlang bis zum Ende. Ich werde Slothen von Ihrer Ankunft in Kenntnis setzen.«

»Sehr schön.«

Mastema gab den Technikern einen Wink, die daraufhin die Bahre den Flur entlangschoben. Zwei menschliche Sergeanten in purpurnen Uniformen bewachten Slothens Tür. Sie salutierten zackig, und einer von ihnen drückte auf den Türöffner. Osman schob Mastema hinein.

Slothen stand auf und verneigte sich. »Meister Mastema, willkommen daheim auf Palaia.«

»Daheim, ja.« Mastema wandte sich an Osman. »Lassen Sie uns jetzt bitte allein. Ich melde mich, wenn ich Sie brauche.«

Osman und die übrigen Begleiter marschierten hinaus. Hinter ihnen schloß sich die Tür.

Slothen blieb stehen, während Mastema sich stirnrunzelnd in seinem Büro umsah. Es war ein großer Raum mit hohen, lavendelfarbigen Wänden. Slothens Schreibtisch ruhte wie eine gewaltige Schildkröte vor der Fensterfront. An den Wänden hingen Hologramme verschiedener galaktischer Solarsysteme. Sehr schön. Die Aufnahmetechnik hatte sich seit Mastemas Zeiten so sehr verbessert, daß er fast den Eindruck hatte, er brauche nur eine Hand auszustrecken, um ein paar Sterne zu ergreifen.

»Mastema, ich darf Sie darüber in Kenntnis setzen, daß es unseren Streitkräften auf Horeb gelungen ist, Mikael Calas habhaft zu werden. Er befindet sich derzeit auf dem Weg nach Palaia.«

»Gute Arbeit, Slothen. Was ist mit Cole Tahn?«

Slothen fuhr sich mit den Fingern durch das wurmartige Haar. »Ich fürchte, wir haben keine Ahnung, wo er sich zur Zeit aufhält.«

»Darf ich daraus entnehmen, daß Ihre Leute die Operation im Anai-System in den Sand gesetzt haben?«

»Unglücklicherweise gibt es vierzehn bewohnte Planeten in jenem abgelegenen System, Meister. Es dauerte seine Zeit, um jene Schiffe herauszufinden, die zum Untergrund gehörten. Unsere besten Leute haben daran gearbeitet.«

Mastema gab sein Mißfallen durch ein Knurren kund. In den großen Fenstern konnte er sein Spiegelbild erkennen. Sein faltiger, ballonförmiger Kopf schimmerte wie poliert im safrangelben Licht, das durch die Scheiben hereinströmte. Draußen auf der Ebene leuchteten Gewehrschüsse auf, und hoch oben zogen Jäger ihre Bahn durch den limonenfarbigen Himmel. »Was ist da los, Slothen? Ein Kampf? Auf der Station?«

Slothen folgte Mastemas Blickrichtung. »Nein, nur eine Übung, Meister. Die gamantische Bedrohung zwingt mich, unsere Truppen auf Palaia in ständiger Einsatzbereitschaft zu halten.«

»Slothen, ich wüßte nicht, wie der Untergrund unsere Abschirmung durchbrechen könnte. Trotzdem ist das vermutlich eine kluge Maßnahme angesichts der Ängste, die in der Zivilbevölkerung um sich greifen. Während meines Fluges habe ich ein paar Funksprüche zwischen den Schiffen in unserem System abgehört. Erschreckenderweise wurden sowohl von Frachter- wie von Jägerpiloten Gerüchte über einen bevorstehenden Angriff der Untergrundflotte auf Palaia verbreitet.« Mastema seufzte und ließ seinen Blick über die hexagonal angelegte Metropole schweifen. Zwischen den hohen, verspiegelten Gebäuden befanden sich ausgedehnte Parkanlagen mit Bäumen und Springbrunnen.

Slothen ließ sich in seinen Sessel sinken und verschränkte die Hände über einem Stapel Papier. »Der Untergrund und alle gamantischen Planeten haben sich gegen uns erhoben. Offenbar haben die Gerüchte über die Ankunft des legendären gamantischen Mashiah den Kampfgeist geweckt. Auf den rebellierenden Welten stürzen sich die Gamanten in geradezu selbstmörderischer Weise auf unsere Soldaten.«

»Der Mashiah? Sie meinen Mikael Calas. Aber nachdem wir ihn …«

»Nein, es ist nicht Calas, obwohl ich das ursprünglich auch angenommen hatte. Offenbar handelt es sich um ein Kind. Wir kennen seine Identität nicht, doch die Nachricht von seiner Geburt hat sich wie ein Lauffeuer über alle gamantischen Welten verbreitet. Das trägt natürlich zum allgemeinen Gefühl der Bedrohung bei. Gamantische Bürger haben bereits auf verschiedenen Welten die loyale magistratische Bevölkerung angegriffen und dabei als Kampfruf ständig ›Mashiah!‹ gebrüllt.«

Bevor Mastema antworten konnte, fuhr Slothen fort: »Bitte behalten Sie auch die Tatsache im Auge, daß Palaia Zohar immer näher rückt. Bereits jetzt ist der Schwerkraftzug enorm. Unsere Ingenieure machen Überstunden, um den Orbit der Station stabil zu halten.«

»Was hat das mit diesem unbekannten gamantischen Mashiah zu tun?«

Slothens wurmähnliches Haar wand sich vor Aufregung, und Mastema spürte, wie sich seine eigenen Haare als Reaktion darauf ebenfalls verdrehten. »Meister, es gibt Legenden – um die wir schon seit Jahrhunderten wissen –, wonach der Mashiah ein großes Tor zum Ewigen Licht öffnen wird, mit dessen Hilfe er uns vernichten und sein Volk retten soll. Zohar scheint die logische Entsprechung dieses Tores zu sein.«

Mastema spürte, wie sein Herz raste. In seinen Erinnerungen flüsterte ein goldener Alien: »Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, Magistrat, dieser einzelne Tropfen himmlischen Taus wird dein ganzes Reich in die Grube der ewigen Finsternis spülen, wenn du ihn nicht auffängst … Wenn Mikael auf der Höhe der Berge steht und jenes Tor öffnet, wird alles, was du und die deinen errichtet haben, zusammenbrechen … er wird dich vernichten.«

Mastema zupfte nervös an seinen Fingern. »Wie lange dauert es noch, bis die Situation mit Zohar kritisch wird?«

»In vier Tagen erreichen wir das Perihelion.«

»Das wird dann zweifellos der Augenblick sein, da die Untergrundtruppen ihren Angriff starten. Sind Sie darauf vorbereitet?«

»Ja, das sind wir. Wir verfügen über eine ganz besondere Waffe. Sie ist über lange Jahre hinweg entwickelt worden, aber vor ein paar Tagen ist es uns gelungen, sie zu perfektionieren.«

»Und was ist das für eine Waffe?«

Slothen erhob sich und schaute abschätzig zu dem fernen Gewehrfeuer hinüber. »Ich muß es Ihnen demonstrieren. Würde ich Ihnen einfach nur erzählen, wie sie arbeitet, würden Sie mir kaum glauben. Wir müssen nur eine Tür weitergehen, dann können Sie die Effizienz selbst beurteilen.«

»In Ordnung, ich werde mich solange gedulden. Verraten Sie mir in der Zwischenzeit, wann Calas hier eintrifft?«

»In drei Tagen.«

»Gut. Ich möchte, daß der Junge sofort zu mir gebracht wird, sobald er Palaia erreicht. Und suchen Sie weiterhin nach Tahn. Sie müssen ihn bald finden, sonst sind wir alle verloren. Ist das klar?«

»Ja, Meister. Ich verstehe zwar die Verbindung nicht, die Sie zwischen Calas und Tahn sehen, aber ich vertraue Ihrem Urteil. Gibt es sonst noch etwas, das Sie wissen …«

»Nein, alles weitere können wir besprechen, nachdem ich diese Waffe gesehen habe.«

Mastema griff nach dem Funkgerät an seinem Gürtel, um Osman zu rufen, doch Slothens Stimme ließ ihn innehalten.

»Meister, da gibt es noch eine Sache, die ich Ihnen berichten muß.«

»Und das wäre?«

»Der Militärgouverneur von Horeb, jenem Planeten, auf dem Calas ergriffen wurde, ist gestern auf mysteriöse Weise hier in unserem Hospital aufgetaucht. Es ist wirklich sehr sonderbar. Er behauptet, er habe auf dem Balkon seines Palastes gestanden, als sich ein schwarzer Mahlstrom über ihm öffnete und ihn verschluckte. Dann habe er sich urplötzlich hier wiedergefunden. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«

Mastemas Gesicht erblaßte. »Was weiß er über Calas und Tahn? Haben Sie ihn verhört?«

»Nein, Meister. Er tobte, als wir ihn fanden. Im Moment ist er noch immer sediert. Wir lassen seine Hand nachwachsen, die er bei den Kämpfen auf Horeb verloren hat. Soll ich eine Begegnung mit ihm arrangieren?«

»Augenblicklich! Ich möchte jetzt Ihre Waffe sehen, und sofort danach Gouverneur Ornias.«

Mastema rief die Medotechniker herbei. Die Tür zu Slothens Büro öffnete sich, und Osman und Querido traten ein. Mastema zog seine Decke bis zum Hals hoch und nickte Slothen zu. »Also los.«

»Jawohl«, erwiderte Slothen und setzte sich in Bewegung. »Der Aussichtsraum befindet sich gleich nebenan.«

 

Aktariel tauchte in einer altertümlichen Stadt auf. Er ließ den Vortex hinter sich geöffnet. Prächtige Gebäude bedeckten die grünen Hügel, die sich bis zum Horizont erstreckten. Müde lehnte er sich gegen einen Stützpfeiler des Aquädukts.

»Rachel«, flüsterte er, »wo bist du?«

Und in einem Ausbruch voller Wut und Angst brüllte er sofort danach: »Und wo ist das Kind?«

Seine Stimme hallte von den Hügeln wider, und das Echo klang noch verzweifelter. Er spürte ein gewisses Muster in ihren Sprüngen: Persien und Palästina, Crimea und Regus – Aquädukte und künstlich angelegte Seen.

»Wir stehen so dicht davor, Rachel. Wie kannst du mir das antun?«

Hätte er nur genug Zeit, dann könnte er das Netz entwirren, das sie so kunstvoll gewoben hatte. Doch ihm blieb keine Zeit. Er drehte sich um und verschwand wieder in der Leere.

Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb
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