9

Teuerste Dame ...
Gnädige Frau ...
Meine verehrte Dame ...
Liebe Dame ...
Liebe Miss ...

Jamie McCloone war schon ganz verzweifelt, wie er die unbekannte Frau, die die Anzeige aufgegeben hatte, ansprechen sollte. Da er schon vier Blätter für die Anrede verbraucht hatte, machte er sich Sorgen, dass der ganze Block in Rauch aufgehen würde, bevor er auch nur einen einzigen Satz zu Papier gebracht hatte.

Er lehnte sich auf dem Küchenstuhl zurück und seufzte schwer. Es ging nicht anders, er musste runter zu Rose McFadden radeln und sie bitten, den Brief für ihn zu schreiben. Denn auch wenn Jamies Handschrift einigermaßen lesbar war, mit der Rechtschreibung und der Zeichen setzung und all dem hatte er es nicht so.

Das hieß natürlich auch, dass Rose mitbekam, was er vorhatte. Aber da sie sich bereits mit seiner Unterwäsche bestens auskannte, was machte es dann noch aus? Und war es nicht Rose gewesen, die Paddy das Ganze überhaupt erst vorgeschlagen hatte? Außerdem war Rose, wenn man es genau besah, eine nette Frau, die keine Gerüchte verbreitete, keine von der Sorte wie Maisie Ryan.

Rose verstand ihn sofort. »Gar kein Problem«, sagte sie. »Setz dich einfach mal hin, Jamie, und ich gucke mal, was ich für dich tun kann.«

Sie zog einen Stuhl unter dem vollgestellten Tisch hervor und klopfte das Kissen aus.

In der Küche standen die Gerüche von frisch gebackenem Brot und von den vergangenen und kommenden Mahlzeiten: dem Gebratenen zum Frühstück, dem Auflauf zum Mittagessen und einer leise köchelnden Brühe für den Abend. Rose kam ihm wie ein Arbeiter in einem Steinbruch vor, feiner Mehlstaub hatte sich auf ihre starken Unter arme und ihr ingwerfarbenes Haar gelegt, das etwas unvorteilhaft in einem Heiligen schein aus großen Locken um ihr Gesicht stand. Ihre Wangen waren immer gerötet: vom erhöhten Blutdruck, den geplatzten Äderchen und der Hitze aus dem Ofen und vom Herd.

Sie war eine fleißige Hausfrau und eine fähige Köchin, hatte die meisten Rezepte ihres königlichen Kochbuchs mit unterschiedlichem Erfolg nachgekocht, konnte stricken und nähen und fast alles nach Schnittmustern oder Anleitungsbögen herstellen.

Jeder Stuhl, jedes Fenster und alle Oberflächen im Haus zeugten von Roses Freude an Hand- und Bastelarbeiten. Außerdem liebte sie Plunder aus dem Second-Hand-Laden. Vorhänge: plissiert, mit Bordüre, gesmokt. Kissen: bebändert, mit Rüschen, mit Bommeln. Hussen und Tischläufer: aus Makramee, mit Applikationen, bestickt, geknüpft. Korb ähnliche Objekte: eine Schüssel mit passendem Untersatz, die in einer Beschäftigungstherapie zur Linderung ihrer Depression nach einer Entbindung entstanden war. Ein Hahn aus Pappmachee, den sie an sechs Freitagabenden im Gemeindesaal gebastelt hatte, während Paddy in Murphys Kneipe um den Duntybutt-Preis im Dartwerfen gekämpft hatte. Objekte aus Muscheln und Treibgut vom Strand in Portaluce: eine Lampe aus einer Weinflasche mit einem fransenbehangenen Schirm, ein Postkartenteller von einem Wal, ein mit Muschelschalen eingefasster Kartentisch; die Collage eines Fischs aus Milchflaschendeckeln mit einem Fantaverschluss als Auge und einer angeklebten Möwenfeder anstelle der Schwanzflosse.

»Weißt du«, sagte Rose zu ihm, »ich hab meim Paddy diese Anzeigen gezeigt. Ich sage: ›Dein armer Jamie könnte gut eine Frau gebrauchen, die ihm zur Hand geht, jetzt, wo Mick nich mehr is, und genau hier sind se‹, sag ich und zeig ihm die Zeitung, und er sagt: ›Stimmt Rose, da haste recht‹, sagt er.«

Sie schaffte Platz auf dem vollgestellten Tisch, schob das Nudelholz und eine Rührschüssel zur Seite und wischte die Oberfläche mit einem feuchten Lappen ab. Auf der Plastiktischdecke hüpften Ferkel über ein Gatter auf einer grünen Weide, ihre aufgedrehten Schwänzchen hoben sich klar vom blauen Himmel ab.

»Das war echt gut, Rose.«

Jamie machte es sich bequem, nahm den Kugelschreiber aus seiner Innentasche und zog Briefblock, Umschläge und die Anzeige aus seinem Einkaufsnetz hervor.

»Ich hole nur noch meine Brille, Jamie. Ohne die bin ich blind wie ein Maulwurf.« Sie zog die Brille aus dem geöffneten Maul eines Porzellanfisches über dem Kamin, hielt die Anzeige auf Armeslänge vor sich ausgestreckt und murmelte laut vor sich hin. »Oh, das hört sich aber nach einer ausgezeichneten Dame an!«

»Vielleicht ist sie so ausgezeichnet, dass sie nichts mit mir zu tun haben will.« Jamie betrachtete die Plastikschweinchen auf der Plastikweide. Ihn deprimierte die Vorstellung, dass er zurückgewiesen werden konnte, bevor er überhaupt etwas unternommen hatte.

»Unsinn, Jamie! Es gibt viele Frauen, die ihre Weisheitszähne dafür geben würden, dich zum Ehemann zu bekommen! Und ich sag das jetzt nich einfach nur so. Bei Gott, es is die Wahrheit.«

Jamie fragte sich, was Weisheitszähne damit zu tun haben sollten, hatte aber den Eindruck, dass Rose ihm ein Kompliment machen wollte. Er bekam nur selten etwas Nettes zu hören, und noch seltener von einer Frau. Er rieb sich das Ohr und glühte vor Verlegenheit. Eigentlich wollte er Rose für das Kompliment danken, aber er dachte, wenn er es täte, sähe es vielleicht so aus, als würde er ihr zustimmen. Also hüstelte er und sagte: »Na ja, nun«, und sah zu dem Druck auf der absplitternden Holzverkleidung hinüber: ein Bild von der Jungfrau Maria, die eine Schlange unter ihrem vollkommenen, gesegneten Fuß zertrat.

Rose zückte den Kuli.

»Jetzt mach ich erst mal einen Entwurf, Jamie. Dann kannst du es entweder abschreiben oder wenn du willst, mach ich das auch. Mir ist beides recht.«

»Nee, Rose, wenn du es aufschreibst, dann schreib ichs ab. Ich will nich, dass du noch mehr Arbeit hast als ohnehin schon.«

»In Ordnung, Jamie.« Rose begann zu schreiben. »Gleich nach deiner Adresse schreibe ich ›Liebe Dame‹.«Rose schaute ihn über ihre Brille hinweg an. »Denn weißte, Jamie, eine Frau will immer eine Dame genannt werden, auch wenn sie keine ist. Womit ich natürlich nich gemeint hab, dass diese Lady hier keine Dame is, denn ich bin sicher, dass sie eine is, aber weißte, es is immer besser, auf der sicheren Seite zu sein.«

Nachdem Rose einige Minuten geschrieben hatte – wobei sie ab und zu einen Blick himmelwärts für Eingebungen warf –, war sie fertig. Jamie folgte den Buchstaben, die aus ihrer großen Hand flossen. Rose las den Brief laut vor und Jamie nickte beifällig. Als sie fertig war, kratzte er sich verwundert am Kopf.

»So was Gutes hab ich noch nie gehört, Rose! Genau so isses. Gott, wie gut kannst du schreiben. Weißt du, ich würd von jetzt bis Weihnachten darüber brüten und sowas würd ich doch nich hinkriegen.«

»Ach, vielleicht doch, Jamie.«

Rose strahlte und reichte ihm das Blatt. »Gut, dass es dir gefällt. Wenn noch was fehlt oder du etwas anders haben willst, lass es mich wissen.« Und damit stand sie auf. »Und jetzt mach ich uns eine gute Tasse Tee, während du das Ganze abschreibst, Jamie.«

»Gute Idee, Rose.«

»Ach, und Jamie, es wär vielleicht nich verkehrt, wenn du dir vorher die Hände schrubbst, denn du willst den Brief ja nich dreckig machen, das sieht dann ja nich so gut aus.«

Jamie betrachtete seine Hände, auf denen sich mehrere Tage alter Schmutz aus Kuhstall und Scheune abgelagert hatte, gestand sich ein, dass Rose recht hatte, und wusch sich gründlich die Hände über dem Küchenwaschbecken mit Bürste und Seife. Als er sich schließlich wieder am Tisch niederließ, schrieb er mit großer Sorgfalt und Bedacht.

Farmhaus
Duntybutt
Tailorstown

Liebe Dame,

ich habe Ihre Anzeige vom 14. Juli 1974 im Mid-Ulster Vindicator gelesen und sie hat mir gleich sehr gut gefallen, denn ich denke, Sie und ich haben viele Gemeinsamkeiten, und aus diesem Grund könnten wir uns vielleicht gut verstehen.

Ich möchte Ihnen jetzt von mir erzählen, damit Sie das selbst beurteilen können.

Ich bin ein einundvierzigjähriger Farmer und lebe drei Kilometer außerhalb von Tailorstown in Duntybutt. Meine Farm ist nicht groß, aber auch nicht allzu klein. Auf rund vier Hektar baue ich Kartoffeln und Mais an.

Ich habe ein paar Tiere, ein Schwein, zwei Ayrshire-Kühe, fünf Schafe, die ich auf den Slievegerrin Bergen grasen lasse, dazu noch eine Ziege und ein paar Hennen für die Eier.

Ich koche und lese gerne, so wie Sie, und ich mag Musik, vor allem Country- und Westernmusik. Ich spiele gut Akkordeon, manchmal am Abend im Wirtshaus, wohin ich gerne gehe, zur Unterhaltung und wegen der Musik.

Ich habe außerdem einen schönen Garten vorm Haus, fahre gerne Rad und auf dem Traktor, aber kein Auto. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir zurückschreiben und mir etwas von sich erzählen. Stellen Sie mir alle Fragen, die Ihnen einfallen, denn ich will für den Anfang auch nicht zu viel über mich schreiben.

Ich freue mich darauf, bald von Ihnen zu hören.

Mit freundlichen Grüßen
James Kevin Barry Michael McCloone

Nachdem er diese schwere Aufgabe hinter sich gebracht hatte, schenkte Rose ihm noch etwas Tee ein und schob ihm einen Teller mit Teegebäck hin, das sie mit Butter und Marmelade bestrichen hatte.

»Gut gemacht, Jamie! Ich lese es mir nur noch mal durch, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung is.«

Sie setzte die Lesebrille wieder auf und hielt den Brief ans Licht. Er hoffte, sie würde keine Fehler finden.

»Alles in Ordnung, Jamie. Schöne Handschrift. Gut gemacht. Jetzt bist du zufrieden mit dir, oder nich?« Sie faltete den Brief sauber zusammen und steckte ihn in den Umschlag, den Jamie bereits adressiert hatte.

»Ja, aber mir is grad was eingefallen, Rose«. Jamie warf einen Blick auf Roses künstlerische Produkte an der Wand. Dort hing eine Collage von Christus mit Haaren aus Makkaroni, einem Bart aus Vermicelli und Augen aus Erbsen. Die Tränenfluten des Retters waren aus Gerstenkörnern. »Na ja, was ich grad gedacht hab, war: Was, wenn sie Protestantin is, Rose? Was soll ich denn dann machen?«

»Das is doch Unsinn, Jamie«, sagte Rose. Wen kümmert das schon, wenn sie nur ein gutes Herz hat und Rosinenkekse backen kann und das Haus sauber hält?«

In Rose McFaddens Welt konnte man den wahren Wert einer Frau daran erkennen, wie locker ihr Gebäck und wie weiß ihre Wäsche war. Und ob sie eine Sockenferse stricken konnte, ohne eine Masche fallen zu lassen. Aber Jamie hörte ihrer Beteuerung nur halb zu; er stellte sich alle möglichen unglücklichen Szenarien vor, dachte sich tausend Gründe aus, warum das Vorhaben scheitern musste.

Sie schwiegen. Rose nippte an ihrem Tee. Auf ihrer Porzellantasse prangte ein grelles Bild vom Damm des Riesen an der irischen Nordküste, über dem eine Möwe flatterte. Dem Amateurkünstler war der Schnabel des Vogels zu groß geraten, während er das Tüpfelchen fürs Auge an der falschen Stelle platziert hatte.

Sie saßen in den warmen Küchendünsten, die Brühe köchelte vor sich hin und ein leichter Regen prasselte leise gegen die Fenster. Sie hingen ihren Gedanken nach. Jamie beneidete Paddy um diese häusliche Harmonie. Rose dachte: In einer halben Stunde kommen die Perlgraupen und die Rübenwürfel in die Suppe.

Sie dachte auch, dass Jamie viel sauberer sein musste, wenn er sich mit dieser Frau traf, aber dabei konnte sie ihm helfen. Außerdem war es Zeit, dass er sich mal was Anständiges zum Anziehen kaufte. Wenn er sich ordentlich schrubbte, würde er in einem guten Anzug ganz respektabel aussehen. Eine Frau, die die Zukunft im Auge hatte, würde ihn bestimmt nicht übersehen.

Als könne er Roses Gedanken lesen, fiel Jamies Blick auf das gerahmte Foto eines jüngeren Paddys, der einen Silberpokal in die Höhe hob, den er 1963 für die ausgezeichneten Zuchteigenschaften seines Bluefaced-Leicester-Mutterschafes bei der Landwirtschaftsausstellung von Balmoral gewonnen hatte.

»Was is, wenn sie ein Foto haben will, Rose?«, platzte er heraus. »Ich hab keins, und selbst wenn, könnt ichs ihr nich schicken, weil ich könnte doch nich ...« Er brach ab, allein der Gedanke an seine Haare – oder vielmehr an den Mangel an Haaren – deprimierte ihn, dazu seine schiefen Ohren, die Narbe und sein gequältes Lächeln.

»Genau darüber hab ich auch grad nachgedacht, Jamie. Und weißte was: Du kriegst das gebacken, wenn du es nur richtig willst. Das sag ich immer zu meim Paddy, wenn er ein Problem hat. Weißte, erst letzte Woche is er angekommen, als ich grad mitten beim Backen war, Biskuit kuchen mit Marmelade für den Wohltätigkeitsbasar von Vincent de Paul. Sagt er zu mir: ›Rose, ich muss dem Wiltshire die Hörner kürzen, aber der will einfach nich stillhalten.‹ Sag ich zu ihm: ›Tja, da gibt’s nur eins bei so einem alten Bock, Paddy!‹, und hol das Nudelholz.«

Jamie sah erstaunt auf das Nudelholz auf der bemehlten Arbeitsfläche. Es lag neben einem Teigmischer in Form eines tanzenden Bären.

»Genau das da, Jamie. Tja, ich habs also gepackt und sag zu Paddy: ›Das wird ihm schon den Marsch blasen, dem alten Schaf, jawoll!‹ Wir also raus zum Stall. Ich hab ihm ’ne volle Breitseite gegeben, und weißte, ’ne ganze Minute war der weg ...«

»Du hast Paddy mit dem Nudelholz eins übergezogen?«, warf Jamie ein. Ihn beschäftigte noch immer das Foto und so hatte er Roses langatmiger Geschichte nicht die volle Aufmerksamkeit gezollt.

»Nein, Mann, dem Bock!«, rief Rose, etwas verstimmt, weil Jamie sie aus dem Konzept gebracht hatte.

»Oh, Mist, dem Bock. Alles klar.«

»Genau, dem Bock, Jamie. Ich jedenfalls volle Breitseite auf den Bock mit dem Nudelholz«, fuhr Rose fort. »Und da hatte Paddy genug Zeit, ihm die Hörner zu kürzen. Dann is er wieder hochgekommen und hat so getaumelt – ich sag zu Paddy: ›Wie einer, der Freitagnacht bei Slope rauskommt‹, und das wars.«

»Herr im Himmel, was für ’ne Geschichte!«, rief Jamie erstaunt.

»Tja, weißte, mein Paddy hat genau dasselbe gesagt, sagt er: ›Herr im Himmel, ich wusste gar nich, was man alles mit ’nem Nudelholz machen kann.‹«

Rose nahm sich noch ein Stück Teegebäck.

»Wo war ich, Jamie? Bevor ich dir die ganze Sache mit dem Nudelholz und dem Schafsbock erzählt hab? Noch etwas Tee?«

Sie wartete die Antwort nicht ab, sondern füllte Jamies Becher bis zum Rand.

»Das Foto, Rose.«

»Ach, das Foto, darüber würd ich mir jetzt noch keine Sorgen machen, Jamie, nich, bevor sie danach fragt. Meine Meinung is ja, dass eine Frau, die’s ernst meint, da gar nich nach fragt. Eine junge hat vielleicht Interesse, wie man aussieht, aber eine Frau in deinem Alter, die ist da längst drüber weg, wie ich immer zu meim Paddy sag: Er hätte keinen Schönheitswettbewerb gewonnen und ich auch nich – auch heute nich, um der Wahrheit die Ehre zu geben –, aber meine Mutter, Gott hab sie selig, hat immer gesagt ›Gott hat dir dies Gesicht gegeben, weil er fand, dass es zu dem Rest von dir passte, und besser ein hässliches Gesicht als gar keins‹ . Stimmt’s etwa nich?«

Sie trank noch etwas Tee und machte kurzen Prozess mit dem Teegebäck, während Jamie versuchte, ihre Reden zu verdauen. Er hielt Rose für eine ungemein weise Frau und zweifelte nicht an ihrer Ernsthaftigkeit, wenn es um Herzensangelegenheiten ging.

»Und weißte was, Jamie, ich sag ja gar nich, dass du schlecht aussiehst – nichts liegt mir ferner, als so was zu behaupten – aber ich sag schon, mit ’nem schönen Anzug und ’nem ordentlichen Hemd und ’ner Krawatte dazu, würdst du aussehen wie eine Hoheit, jawoll. Ein gutes weißes Hemd, vielleicht ’ne rote Krawatte dazu, ein gestärktes Taschentuch in der Brusttasche – und ein Mann kann alles erreichen. Wenn ich du wär, würd ich mich bei Harveys mal neu einkleiden lassen. Mr Harvey gibt ordentlich Rabatt, wenn du dich nich zierst, ’n bisschen was springen zu lassen. Aber das hat noch Zeit, bis du weißt, wann ihr euch trefft.« Sie stand auf, um die Suppe zu begutachten. »Mein Paddy kommt mit und hilft dir beim Aussuchen, wenn du willst. Paddy weiß, was einem Mann gut zu Gesicht steht.«

»Ach, das wär natürlich prima, Rose.« Jamie trommelte auf die Plastik ferkel, aufgeregt und erschrocken, mit welcher Geschwindigkeit Rose seine Zukunft anging. Er hatte das Bedürfnis, einen Gang zurückzuschalten. Zurückschalten und kein Risiko eingehen, nur das war sicher. Plötzlich sah er sein grässlich verzerrtes Gesicht – das eines räudigen Trolls – in Roses Teekanne. »Aber was is mit meinen Haaren? Ich kann doch keine Kappe tragen, wenn ich mich das erste Mal mit ihr treffe, aber ohne kann ich mich schon gar nich blicken lassen.«

»Weißte, Jamie, es gib welche, die tragen so Tuppetts oder Perücken und solche Sachen. Ich seh immer die Anzeigen im Exchange & Mart. Probier doch mal so eins aus.«

»O Gott, Rose, also ich weiß wirklich nich. Meinst du wirklich?«

»Weißte, Jamie, wie ich immer zu meim Paddy sag: Sie würden keine Werbung machen in der Zeitung, wenn sie kein Erfolg damit hätten, denn wenn die Leute das nicht kaufen täten, dann gibt’s gar kein Grund, da Werbung für zu machen.«

»Klar, ich versteh schon, was du meinst, Rose, du hast bestimmt recht«, räumte Jamie ein, auch wenn es ihn etwas beunruhigte, mit welcher Leichtigkeit Rose all die Hindernisse zur Seite räumte, die er auf dem Weg zu seinem ehelichen Glück vor sich sah.

Sie beugte sich jetzt über ein Zeitschriftenregal neben Paddys Lehnsessel – einem Regal, das aus Pfeifenreinigern, Lutscherstengeln, Toiletten rollen und Wollresten hergestellt worden war –, fischte eine Ausgabe der fraglichen Zeitschrift heraus und warf sie Jamie auf den Schoß.

»Bitte schön, Jamie. Kannst sie mitnehmen und dir’s in aller Ruhe ansehen. Ich glaub, die Perücken kommen zwischen den Miedern und den Schlüpfern, wenn ich mich recht erinnere, aber Gott seis geklagt, mein Gedächtnis is manchmal wie ’n Sieb, also nagel mich nich dran fest!«

Jamie nahm die Zeitung dankbar entgegen. Langsam erwärmte er sich für Roses schöne Vision. Ein ordentlicher Anzug von Harvey. Eine Perücke aus der Exchange & Mart. Eins war sicher: Er würde gut aussehen, wenn er sich mit dieser Dame traf, und das wäre vielleicht schon die halbe Miete.

Er stand auf. Seine Einbildungskraft war kurz vor dem Siedepunkt – wie die Suppe auf dem Herd.

»Na gut, ich will dich nich länger aufhalten, Rose.« Er steckte die Anzeige, den Block und den Umschlag ins Einkaufsnetz. Den zugeklebten Brief verstaute er in der Innentasche über seinem Herz. »Wirklich vielen Dank.«

Rose nahm die Brille ab, steckte sie ins weit geöffnete Fischmaul zurück und strich die Schürze glatt. Ihren ausladenden Busen zierte eine heitere Landschaft mit grasenden Schafen.

»Da nich für, Jamie. Hauptsache, es hilft dir weiter. Und wenn du noch so’n Brief geschrieben brauchst, lass es mich wissen.«

»Ja, vielen Dank, machs gut, Rose«, sagte er und ging zur Tür.

»Machs gut, Jamie, und möge die Sonne immer auf dein Schwein scheinen«, sagte sie und hob den Deckel von der Suppe.

Und damit stieg Jamie aufs Rad, eine Rumkugel im Mund, frohen Mutes und leichten Herzens, während er sich eine heitere Zukunft ausmalte. Eine Zukunft, in der er ein sauberes Haus wie das von Rose sah, einen Esstisch mit einem schönen Tischtuch, einen Garten voller Blumen und eine Frau in seinem Bett.

Na ja, vielleicht nicht im Bett. Vielleicht eher im Stuhl am Feuer.