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Ich bin beileibe kein besonders geduldiger Mensch. Schon gar nicht, wenn ich frierend auf dem Gehweg stehe und neben mir die Leiche eines Mannes liegt. Wenn man dann noch bedenkt, dass ich zu dem Zeitpunkt der einzige Detective vor Ort war und ich mir bereits seit fast einer halben Stunde die eiskalten Füße in den Bauch stand, dürfte klar sein, dass das bisschen Geduld, mit dem ich meine Nachtschicht begonnen hatte, schnell verbraucht war.
Außer mir war nur noch ein Officer namens Martinez am Tatort. Als er auf dem Weg zu seinem Streifenwagen an mir vorbeiging, ergriff ich ihn am Ellbogen.
„Wo in drei Teufels Namen bleibt die Spurensicherung?“
Martinez zuckte nur die Schultern. „Tut mir leid, Detective Wilder. Es gab eine Schießerei auf der Archer Avenue. Könnte also noch gut vierzig Minuten dauern, bis jemand kommt. Heute Nacht stehen wir offenbar ganz hinten in der Schlange.“
Ich warf erneut einen Blick auf den spindeldürren Toten. Im Licht der gelblich flackernden Straßenlaterne wirkten seine Wangen wie graue Mulden, und seine Augen waren so weit eingesunken, dass sie fast schwarz zu sein schienen. Seine Haut hatte eine gräuliche Farbe und wirkte am Hals und an den Handgelenken irgendwie matschig. An den Körperstellen, die nicht von seinem hellbraunen Uniformhemd bedeckt waren, fielen mir Einstichstellen auf. Am Unterarm, zwischen den Fingern, in der Ellenbeuge – sie waren überall. Zog man ihm die Schuhe aus, würde man wahrscheinlich an seinen Knöcheln, seinen Zehen und an sämtlichen Stellen, wo sich sonst noch eine intakte Vene vermuten ließ, weitere finden.
Eigentlich ist Tod durch Überdosis kein Fall für eine Mordermittlerin wie mich, aber ich war gerade auf dem Weg zur Arbeit gewesen, als der Funkspruch durchgekommen war. Da die Leiche nur zwei Blocks entfernt lag, war ich kurzerhand hingefahren. Hätte ich geahnt, wie der Typ riechen würde, hätte ich mir das sicherlich verkniffen. Durch seine fade Haut und den Gestank nach altem Schweiß wirkte er – mit einem Wort gesagt – verbraucht. Und als ich etwas tiefer einatmete, verbrannte mir der scharfe Geruch aufgekochten Heroins fast die Schleimhäute.
„Die Kriminaltechnik ist unterwegs, Detective!“, rief Martinez vom Streifenwagen herüber. Ich rollte meine von der Kälte verspannten Schultern. Den Göttern sei Dank, denn in einer miesen Gegend wie dieser nur mit ein paar Leuten herumzustehen war kein Spaß. Wahrscheinlich wartete schon jemand in den dunklen Reihenhäusern auf der anderen Straßenseite darauf, mich umzunieten.
„Wollen Sie eine Tasse Kaffee, Detective? Ich hab eine Thermoskanne im Wagen.“
Ich verneinte mit einem Kopfschütteln, worauf Martinez mir einen niedlichen, aber leicht enttäuschten Blick zuwarf. Er hatte ein Milchgesicht und war etwas gedrungen, aber das Leuchten in seinen schwarzen Augen und seine großen Hände verrieten mir, dass er einen Gegner wahrscheinlich leicht in zwei Teile reißen konnte, wenn es sein musste.
„Das Zeug trink ich nicht.“
„Dann vielleicht etwas Stärkeres?“ Er öffnete seine blaue Satinjacke und brachte einen silberfarbenen Flachmann mit Gravur zum Vorschein, bei dessen Anblick ich den Mund verzog.
„Weiß Ihr Captain, dass Sie das Ding dabeihaben?“
„Wenn man seinen Captain nicht auf seine nächtlichen Frauenbesuche anspricht, dann fragt er einen auch nicht, was man so auf Streife treibt“, antwortete Martinez mit einem Grinsen. „Bitte denken Sie jetzt nicht, dass ich Sie anmachen will, aber irgendwie kommt mir Ihr Gesicht bekannt vor. Sie kommen frisch von der Akademie, oder?“
Ich seufzte. Irgendwann musste es ja passieren. Ganz besonders gerissene Journalisten hatten nach dem Chaos vor drei Monaten irgendwie mein Porträtfoto von der Polizeiakademie aufgetrieben und es mit ihren Storys auf den Titelseiten aller großen Zeitungen von Nocturne City abgedruckt. „Ich war aus medizinischen Gründen für drei Monate beurlaubt. Hab heute erst wieder angefangen.“
„Drei Monate …“, murmelte er. Ich konnte fast hören, wie die kleinen Rädchen in Martinez’ Schädel zu arbeiten begannen. „Hex noch mal! Sie sind der Detective, der den Bezirksstaatsanwalt gekillt hat!“, stieß er schließlich hervor.
„Den ehemaligen Bezirksstaatsanwalt, bitte schön!“, knurrte ich. „Ich habs auch nicht aus Spaß an der Freude getan. Der Mistkerl hat versucht, mich zu töten, und war drauf und dran, einen Dämon zu beschwören.“
„Heilige Scheiße!“, sagte Martinez und schlug sich aufs Knie. „In unserem Umkleideraum auf dem Revier hängen sämtliche Zeitungsausschnitte von Ihnen. Es hat sogar Wetten gegeben, ob man Sie wieder arbeiten lässt oder rausschmeißt, weil Sie zu durchgeknallt sind.“
Bei diesem Stichwort tauchten in meinem Kopf unerfreuliche Erinnerungen an die Sitzungen mit Dr. Merriman auf der Psychiaterin, die mir vom NCPD zugewiesen worden war –, aber im Handumdrehen hatte ich sie wieder verdrängt. „Dann kann ich wohl davon ausgehen, dass Sie gegen mich gewettet haben?“
„Verdammt, nein!“, sagte Martinez. „Jeder weiß doch, dass Sie ein zähes Biest … äh, ich meine, ein harter Detective sind. Ich wusste, dass Sie wiederkommen würden.“
„Ihr Vertrauen ist wirklich rührend“, antwortete ich und wandte mich wieder der Leiche zu. Plötzlich erschien mir die Gesellschaft eines toten Junkies doch gar nicht so schlecht. Zumindest zeigte der nicht mit dem Finger auf mich oder tuschelte hinter meinem Rücken.
Ich durchsuchte gerade die schwarze Botentasche des Toten, auf der ein ausgefallenes Logo in Form eines geflügelten Fußes und die Aufschrift MESSENGER OF THE GODS prangten, als sich der Van der Spurensicherung näherte.
Hinter dem Van hielt ein schwarzer Lincoln mit dem Wappen der städtischen Gerichtsmedizin, und nach einem kurzen Kampf mit dem Sicherheitsgurt stieg Bart Kronen aus. Er hatte eine Tasche mit sämtlichen Gerätschaften seiner Zunft bei sich und winkte mir mit der freien Hand zu, als er mich entdeckte.
„Schön, dass Sie wieder an Bord sind, Detective! Was haben Sie denn heute Abend für mich?“
Hinter mir klickten bereits die Kameras der Spurensicherung, und ihre Blitze tauchten die Umgebung immer wieder in gleißend helles Licht. „Nichts Aufregendes, fürchte ich. Klassischer goldener Schuss“, antwortete ich und deutete auf eins der Reihenhäuser gegenüber, in dem noch Licht brannte. „Ich schätze, er ist aus dem Fixerschuppen da drüben gekommen und ist dann hier auf der Straße tot zusammengebrochen, bevor er überhaupt gemerkt hat, dass er diesmal zu viel gedrückt hat.“
Flüchtig überprüfte Kronen den Puls des Mannes und rüttelte dann am Arm der Leiche. Sie wackelte wie eine Schaufensterpuppe – alle Gelenke waren steif. „Die Totenstarre hat bereits eingesetzt, und die Haut hat fast Umgebungstemperatur. Er ist weniger als sechs Stunden tot, würde ich sagen. Mehr Details kann ich Ihnen im Moment nicht liefern, fürchte ich.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ist mir eigentlich auch egal, es sei denn, jemand hat ihm die Nadel gegen seinen Willen in den Körper gerammt.“
Kronen ließ den Kegel seiner Taschenlampe über Hände und Fingernägel des Mannes gleiten. „Keine Spuren, soweit ich sehen kann.“ Dann hob er die Lider der Leiche an und untersuchte die ins Leere starrenden Augen. Sie waren von einer leuchtend grünen, grasähnlichen Farbe, die aber bereits unwiederbringlich verblasste.
Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen – eine physische Reaktion, hervorgerufen durch die Erinnerung an dunkelgrüne Augen und struppiges rotbraunes Haar, das darüberhing wie die Zweige eines Baumes im Herbst über einem tiefen Teich. Verflucht seist du, Dmitri! Verdammt seiest du und auch der Boden, über den du gehst!
„Das hier ist ganz interessant, Detective … Detective?“
So schnell, wie Dmitri in meinen Gedanken aufgetaucht war, so schnell war er auch wieder in einer Wolke aus Qualm von Nelkenzigaretten verschwunden, zurück blieb nur das Echo seines rauen Lachens.
Ich hockte mich neben Kronen und musste mich zusammennehmen, um nicht zu stark zusammenzuzucken, als er mit seinem Gummihandschuh gegen das tote Auge des Junkies tippte.
„Sehen Sie das hier?“ Er zeigte auf feine rote Linien, die sich wie ein Spinnennetz über das Augenweiß zogen.
„Ein bisschen spät für Augentropfen, oder, Doc?“, sagte ich scherzhaft, woraufhin Kronen wenig amüsiert den Mund verzog. Auch mein Lächeln erstarb.
„Das sind petechiale Blutungen“, erklärte Kronen. „Sie sind nur stecknadelkopfgroß und entstehen durch die Ruptur winziger Blutgefäße in der Oberfläche des Auges.“
„Und was heißt das?“, wollte ich wissen.
Kronen schaltete seine Taschenlampe aus und rückte beim Aufstehen seine Krawatte und den elastischen Hosenbund zurecht. „Das passt nicht zu einer Überdosis Heroin. Petechiale Blutungen treten eigentlich nur auf, wenn das Gehirn zu wenig Sauerstoff bekommt.“
„Der Mann ist aber nicht erwürgt worden“, wandte ich ein. „Er ist einfach nur tot.“ Verdammt, ich war definitiv kompetent genug, um das beurteilen zu können! Ich hatte es nicht nötig, mir von Kronen einen Tatort erklären zu lassen, als sei ich eine Anfängerin. Ich erkenne schon, ob jemand erwürgt worden ist … Danke für den Hinweis!
Kronen packte seine Utensilien wieder ein und nahm sich dann ein Klemmbrett, um den Bericht zu schreiben: Männlicher Weißer, tot aufgefunden. Danach hielt er es mir hin, damit ich als zuständiger Detective unterschrieb.
„Ich habe keine Ahnung, was ihm zugestoßen sein könnte“, sagte er. „Aber bei der Obduktion wird sich bestimmt alles aufklären. In der Zwischenzeit wollte ich Sie fragen, ob Sie … ob Sie etwas wahrnehmen können … irgendetwas vielleicht?“
Meine Hand erstarrte. „Was genau meinen Sie, Bart?“
Er hob die Hände. „Nun, nach der Geschichte mit Alistair Duncan waren gewisse … Gerüchte in Umlauf. Wenn Sie Ihre Fähigkeiten einsetzen, könnte das vielleicht die Bestimmung der Todesursache beschleunigen.“
Ich knallte den Stift auf das Klemmbrett und drückte es ihm unwirsch in die Hand. „Ich hab keine Ahnung, was Sie zu wissen glauben, Bart, aber mit der Tour sind Sie bei mir mächtig auf dem Holzweg.“ Mit seinen weit aufgerissenen Augen glich Kronen einer verstörten Eule. „Ich bin doch kein dressierter Hund!“, fauchte ich ihn an und stürmte davon.
Das Zittern meiner Hände konnte ich nur unterdrücken, indem ich mit meinen Motorradstiefeln bei jedem Schritt besonders heftig aufstampfte. Ich bin eine Werwölfin, und dank der Katastrophe mit Alistair Duncan wusste nun jeder, der den Nocturne Inquirer las – was fast das gesamte NCPD tat –, über mein kleines Geheimnis Bescheid.
Kronen hatte wahrscheinlich nicht mal bemerkt, wie unsensibel er sich verhalten hatte, und eigentlich war es auch unfair von mir, ihn deshalb anzugiften. Tatsache war aber, dass weder Werwölfe noch Hexen seit den Hex Riots einen sonderlich guten Ruf genossen – wie alle Monster eben, die unter dem Bett oder im Kleiderschrank wohnen und deren Existenz jeder verleugnet. Nach wie vor war es also ratsam, eher vorsichtig mit der Offenlegung dieses Details umzugehen.
Verdammt! Ich war doch kein Bluthund, der auf Kommando Spuren erschnüffelte. Es war nicht so einfach, wie es sich Kronen anscheinend dachte. Als Werwolf verfügte man nicht nur über äußerst leistungsfähige Sinnesorgane, die einem den Job erleichtern. In erster Linie musste man mit dieser kaum zu kontrollierenden Mischung aus Wut und Raserei klarkommen, sonst konnte es leicht passieren, dass man jemandem mal eben den Kopf vom Rumpf trennte.
Bisher hatte ich nur einen einzigen Menschen getroffen, der wusste, wie sich das anfühlt, und dieser Mensch war auf die andere Seite des Erdballs verschwunden.
Ich atmete tief ein und ganz ruhig wieder aus. Dann zwang ich mich dazu, umzukehren und zur Leiche zurückzugehen, obwohl ich wusste, dass alle Anwesenden sich gerade das Maul über mich zerrissen.
Weiter unten auf der Straße öffnete sich plötzlich die Tür des abrissreifen Reihenhauses, über das ich mit Kronen gesprochen hatte. Heraus kam eine weitere dieser abgemagerten Vogelscheuchen und schlenderte seelenruhig in meine Richtung. Beim Anblick von Martinez, dem Streifenwagen und den Leuten von der Spurensicherung nutzte sie jedoch diese matschige Masse zwischen ihren Ohren, die von ihrem Hirn übrig geblieben war, und rannte los.
„Das wird ja immer schöner“, murmelte ich und sprintete hinter dem Junkie her. Er lief ziemlich schnell, und so schoss es mir durch den Kopf, dass er wahrscheinlich irgendwas über den Toten wusste. Nach einem Häuserblock hatte ich ihn eingeholt und nutzte meinen Ellbogen als Rammbock, um ihn in den am Gehweg verlaufenden Eisenzaun des Vorgartens zu stoßen.
„Finger weg!“, brüllte er und stieß mich so heftig zurück, dass ich über den Bürgersteig stolperte und mich um meine eigene Achse drehte, bevor ich an einem verrosteten Ford Halt fand. Ich keuchte und war einigermaßen überrascht – nicht viele gewöhnliche Menschen können der Stärke eines Werwolfs etwas entgegensetzen.
Als ich ihn wieder ansah, fingerte er im Inneren seiner Jacke nach einem Gegenstand, der zweifellos meiner Gesundheit schaden sollte. Fast zeitgleich hatte ich aber meine Dienstwaffe gezogen und zielte auf den Punkt zwischen seinen Augen. Es war eine Neun-Millimeter-Glock – nichts Besonderes, aber für meine Zwecke ausreichend. Der Junkie erstarrte sofort, und seine hohle Brust bebte vor Anspannung.
„Ich bin Polizistin“, sagte ich. „Zeigen Sie mir Ihre Hände!“
Ein Schauder lief über seinen Körper. „Nicht schießen, bitte!“
„Dann nennen Sie mir einen einleuchtenden Grund, es nicht zu tun. Ob gut oder schlecht, ist mir egal“, sagte ich und entsicherte die Glock. Seine Hand steckte noch immer in der Jacke, und seine Augen waren voller Panik, sodass ich mich nur schwerlich entspannen konnte.
„Bitte, schießen Sie nicht!“
„Nehmen Sie Ihre Hände hinter den Kopf!“
Der Junkie bewegte sich keinen Millimeter, sondern glotzte mich mit starrem Blick an.
„Zeigen Sie mir Ihre Hände!“, forderte ich ihn erneut auf.
„Alles wird gut …“, sagte er in einem leisen Singsang, „… beruhigen Sie sich. Es ist alles okay.“ Trotz des schwachen Lichts konnte ich durch meine besonders scharfen Wolfsaugen sehen, dass sich seine Armmuskeln anspannten, als er mit der Hand den Gegenstand in seiner Jacke packte.
Hex noch mal, was tut er da?, fluchte ich innerlich.
„Töten Sie mich bitte nicht, Officer“, flehte er mich ein letztes Mal an und zog seine Hand in einer – wie es mir schien – zeitlupenhaften Bewegung aus der Innentasche seiner Jacke.
Dies war der Moment, um den Abzug zu drücken, denn mein Gegenüber war nicht nur der dümmste unter den gewöhnlichen Menschen auf diesem Planeten, sondern dazu auch noch bewaffnet und drauf und dran, mich umzulegen. Ich konnte ihn nicht verfehlen … es würde ein guter Schuss und ein sicherer Treffer werden.
Mein Finger umkrampfte den Abzug, und das Blut rauschte in meinen Ohren. Obwohl alles in nur zwei Sekunden ablief, schien sich die ganze Szene zur Ewigkeit auszudehnen. Die Instinkte der Wölfin in mir schrien unentwegt: Schieß! Aber vergebens.
„Bitte nicht“, flüsterte er noch einmal.
Ich drückte nicht ab, sondern erstarrte förmlich zur Salzsäule. Es war, als seien meine Gliedmaßen gerade einbetoniert worden, und mir ging durch den Kopf, dass er auch einfach nur high und unbewaffnet sein könnte. Dann wäre ich im Handumdrehen eine Mörderin. Eigentlich war ich ja schon eine Mörderin …
Meine Sicht war verschwommen, und ich hatte Schwierigkeiten, das Messer mit der gekrümmten Klinge überhaupt als das wahrzunehmen, was es war, als er es in meine Richtung stieß. Durch eine reflexartige Bewegung konnte ich mich im letzten Moment zur Seite werfen und landete auf meiner Pistole. Ein heftiger Schmerz durchzuckte meine Rippen. Der Junkie war sofort über mir – seine Züge drückten wilde Entschlossenheit aus, und er fuchtelte mit der Klinge wie mit einer silberfarbenen Klaue über meinem Augapfel herum. Ich spannte meine Muskeln an, holte mit den Beinen Schwung und rollte uns beide herum, sodass ich im nächsten Moment oben war. Mit einer harten Rechten gegen seine Schläfe setzte ich ihn außer Gefecht. Er sackte zusammen, und das Messer glitt ihm aus den erschlafften Fingern.
Martinez kam mit einem Kriminaltechniker angerannt. „Sind Sie okay?“, fragte er und richtete seine Dienstwaffe auf den bewusstlosen Junkie.
Ich stand auf und klopfte mir mit der Hand den Dreck ab. Im Moment konnte ich zwar kein Blut riechen, aber ich würde mich erst bei besserem Licht genauer untersuchen müssen, um Martinez eine Antwort geben zu können. Ein Büschel schwarzes Haar hing in mein Gesicht, und als ich danach griff, hatte ich es in der Hand. Die Klinge war anscheinend nur Millimeter an meinem linken Auge vorbeigesaust und hätte mir beinahe einen neuen Pony verpasst.
„Verdammt!“, brummte ich. „Legen Sie dem Mistkerl Handschellen an“, sagte ich zu Martinez. „Und bringen Sie ihn dann rüber aufs 24. Revier. Ich treffe Sie da.“
Als ich ging, musste ich meine Lederjacke noch etwas enger um mich ziehen, damit die anderen nicht sehen konnten, wie sehr ich zitterte.