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Ich dachte, es würde ein total langweiliger Sommer
werden.
Doch immerhin konnte er nicht schlimmer sein als
die beiden letzten. Damit versuchte ich, mich zu trösten.
Langweilig war auch nicht das richtige Wort. Eigentlich waren die
Ferienwochen zum Heulen gewesen, jeder einzelne Tag.
In diesem Jahr sollte es anders werden; ich wusste
es nur noch nicht. Die Zeichen standen anfangs nicht gerade
günstig. Ich glaube an Zeichen, nur täusche ich mich häufig damit.
Wenn ich denke, dass sie etwas Gutes bedeuten, kann es passieren,
dass genau das Gegenteil eintrifft, oder umgekehrt.
Als ich von dem Gerücht erfuhr, dass Eulenbrook
verkauft worden war, bekam ich fast die Krise. Meine Eltern
unterhielten sich eines Abends beim Essen darüber, kurz vor
Ferienbeginn. Es war an einem Samstag, daran erinnere ich mich
noch.
»Angeblich hat das alte Gemäuer jetzt einen Käufer
gefunden«, sagte mein Vater und wischte sich den Bierschaum von der
Oberlippe. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand verrückt
genug ist, für so eine Ruine Geld hinzublättern.«
»Es ist völlig unbewohnbar«, stimmte meine Mutter
zu. »Ein derart vergammeltes Haus instand zu setzen, das dreißig
Jahre leer gestanden hat, ist sicher teurer, als gleich ein neues
zu bauen.«
»Aber das Grundstück ist schön und sehr groß,
bestimmt an die achttausend Quadratmeter, schätze ich.«
»Und was sollen das für Leute sein, die Eulenbrook
gekauft haben?«
»Keine Ahnung. Vielleicht ist’s ja auch nur ein
Gerücht.«
Ich dachte an Eulenbrook, an seine geheimnisvollen,
säuerlich riechenden Räume, die zerbrochenen Fensterscheiben, die
dicken Mauern aus Naturstein und an den Holzbalkon, den man längst
nicht mehr betreten konnte, weil die Bretter morsch und verfault
waren.
Ronja und ich hatten viele Stunden dort verbracht,
besonders im »Grünen Zimmer«, wie wir es nannten, ein Raum, in dem
es noch ein paar von Mäusen zerfressene Polstersessel und einen
Kronleuchter gab, dessen restliche Glasperlen im Wind klimperten.
Im offenen Kamin hatten wir ab und zu Feuer gemacht. Einmal war
Ronja auf der Treppe zum Dachboden eingebrochen und mit dem Fuß
zwischen den geborstenen Holzstufen stecken geblieben.
»Wenn sie Geld haben, könnten sie schon etwas aus
dem Anwesen machen«, hörte ich meinen Vater sagen. »Es war früher
ein schönes Haus, ein Gutshof, und eigentlich fand ich es immer
schade, dass es so verfallen ist.«
Meine Mutter nickte. »Frau Rohrbach hat mir mal ein
altes Foto gezeigt, wie es vor fünfzig Jahren ausgesehen hat. Fast
wie ein Schloss. Im Garten gab’s einen Teich mit Schwänen und einem
Springbrunnen.«
Ich kannte den Teich. Inzwischen war er fast
zugewachsen. Wenn es viel geregnet hatte, füllte sich das
Sandsteinbecken mit Wasser. Schwäne hatten wir nie gesehen, aber
Frösche und Molche.
Ronja und ich hatten manchmal im Sommer nackt darin
gebadet. Irgendwie war uns immer etwas unheimlich dabei gewesen,
aber das machte es gerade besonders reizvoll.
Eulenbrook hatte Ronja und mir gehört. Jetzt ging
ich oft allein dorthin. Es kam mir vor, als wäre sie noch immer in
den verlassenen Mauern - viel eher als in ihrem Grab auf dem
Friedhof, das ich kaum jemals besuchte.
Die Vorstellung, dass fremde Menschen das Haus und
den Garten in Besitz nehmen und verändern würden, dass ich
Eulenbrook dann vielleicht nie mehr betreten konnte, war wie ein
Schlag in die Magengrube.
»Hast du keinen Hunger, Rikke?«, fragte meine
Mutter.
Ich schüttelte den Kopf und schob meinen Teller zur
Seite.
»Vielleicht magst du ja wenigstens etwas zum
Nachtisch? Es gibt heiße Himbeeren mit Vanilleeis.«
Seit das mit Ronja passiert war, behandelte mich
Mama übertrieben rücksichtsvoll. Sie versuchte, mir jeden Wunsch zu
erfüllen, als wollte sie mich für etwas entschädigen. Aber es gab
keinen Ersatz für Ronja.
»Danke, ich bin satt.«
Mein Vater sagte zum hundertsten Mal, ich wäre
schrecklich dünn. Ich wusste, dass sie sich Sorgen machten, ich
könnte magersüchtig werden, also würgte ich ihnen zuliebe die
Himbeeren mit Eis hinunter. Hinterher war mir fast übel.
Ich musste dauernd an Eulenbrook denken. Eine
düstere Wolke senkte sich über mich und hüllte mich ein. Die
Zeichen standen schlecht. Alles deutete darauf hin, dass ich jetzt
auch noch Eulenbrook verlieren würde.