Kapitel 24

Frostnacht

Schon bald würde er zu seinem Hüter zurückkehren müssen, trotzdem konnte er ihr nicht widerstehen.Alles an ihr war so einladend, so wärmend. Deshalb schloss er noch ein wenig mehr auf, das stetige Klackern ihrer Absätze im Ohr, ihrem Atem lauschend. Sie fühlte sich wohl, während sie durch die dunklen Straßen spazierte, die - wie immer in dieser Stadt - ihr ganz allein gehörten.

Noch immer begriff er nicht, warum es so lange gedauert hatte, sie zu finden. Man sollte glauben, dass eine solche Leuchtkraft, wie sie ihr innewohnte, nicht zu übersehen war. Ein Feuerwerk in der Dunkelheit. Trotzdem hatte es bis zu dieser späten Sommernacht gedauert, bis er sie gefunden hatte und sie seinen Hüter.War es tatsächlich ein Zufall gewesen?

Bevor er sich versah, war er viel zu dicht aufgeschlossen. Als sie ihren Kopf in seine Richtung drehte, verschmolz er dennoch nicht mit den schützenden Schatten. Er wollte, dass sie ihn sah. Sie ging weiter, kaum schneller als zuvor, und beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Ihr Duft, den ihm der Wind zuwehte, verriet keine Furcht. Dass sie nicht zur Flucht ansetzte, nicht einmal zurückschreckte, ließ ihn mutiger werden. Er musste einfach ein paar Schritte an ihrer Seite laufen, sie vielleicht sogar kurz einmal berühren, ehe er zu seinem Hüter zurückkehrte. Als sein Fell ihre Beine streifte, hoffte er für einen Augenblick, sie könne willentlich jene Pforten öffnen, die sie bislang nur im Traum aufzustoßen vermochte. Dann hörte er ihr leises Lachen, und mit einem Mal vergaß er seine Wünsche: hier und jetzt.

Meta stand vor dem Spiegel im Schlafzimmer und zupfte an dem Balconette-BH, weil ihr Busen über den Spitzensaum zu quellen drohte. Rein figurtechnisch war das Zusammensein mit David eine Katastrophe. Nicht nur, dass er unheimlich gut kochen konnte, er verführte sie auch ständig dazu, über die Stränge zu schlagen. Außerdem hatten Rahel und er nach einigen Startschwierigkeiten herausgefunden, dass sie beide die Leidenschaft fürs Essen verband. So hatte man als lustiges Trio bereits einige kalorienreiche Abende miteinander verbracht. Das Ergebnis bestand in deutlich runderen Formen, was David in seinen Fütterungsarien nur bestätigte - denn im Gegensatz zu ihr mochte er ihre neuen Rundungen ausgesprochen gern.

Es war nicht so, dass sie ihre neue Sanduhrenfigur unschön fand. Aber es verwandelte sie in eine andere Frau … Sie fühlte sich präsenter, durchsetzungsfähiger und irgendwie … aufregender. Zwar hatte sie in der letzten Zeit einige fiese Anspielungen von Eve hinnehmen müssen, und ihre Mutter hatte sich über die Gewichtszunahme ebenfalls besorgt geäußert, doch damit konnte sie erstaunlich gut leben. Insgeheim ärgerte sie sich über jeden kaum angerührten Teller im Restaurant, den sie im Lauf der Jahre hatte zurückgehen lassen. Das war sie also, die neue Meta: ein dickes Fell, ein üppiger Po und in mancherlei Hinsicht unersättlich. Gut, dass sie Karl bislang noch nicht wiedergesehen hatte. Er war der einzige Mensch, dem sie es zutraute, ihrer vorsichtigen Weiterentwicklung mit einem entsetzten Blick ein Ende zu bereiten.

Erneut zupfte Meta an dem Spitzenrand, dann gab sie es auf und zog sich den Rollkragenpulli über den Kopf. Es war sinnlos, es länger zu leugnen: Sie würde sich neue Wäsche zulegen oder sich von David trennen müssen. Bei der Vorstellung, wie sie ihn damit necken könnte, breitete sich ein gut gelauntes Lächeln auf ihrem Gesicht aus.Ach, noch so eine Sache:Wenn  das so weiterging, würde sie bald Lachfältchen bekommen. Trotzdem ließ sie das Lächeln nicht bleiben, sondern stieg in ihre hohen Stiefel, griff sich Mantel und Schal und verließ die Wohnung.

Im Treppenhaus traf sie auf den ergrauten Herrn aus der unteren Etage, der die Samstagszeitung unter den Arm geklemmt hatte, und grüßte freundlich. Der Mann blickte sie einen Moment lang irritiert an, als könne er sie nicht richtig zuordnen. Dann hob er den Zeigefinger, als wäre ihm etwas Wichtiges eingefallen. »Wo ist denn Ihr Handwerker?«

»Der muss noch ein wenig Geld verdienen, bevor er mich auf dem Wochenmarkt trifft«, erwiderte Meta rasch und trat auf die Straße.

In der Nacht hatte der erste Frost des Jahres alles mit einem milchigen Film überzogen, von dem jetzt immer noch einige Spuren zu sehen waren. Meta kam es so vor, als hätte etwas die Stadt berührt, sie mit kleinen Leerstellen belegt und den Klang der Geräusche verändert. Sie genoss das brennende Gefühl der Kälte, als sie tief einatmete, und spielte kurz mit dem Gedanken, die paar Straßen zu dem Café, in dem sie mit Emma verabredet war, zu laufen. Doch automatisch stellte sich jene antrainierte Beklemmung ein, und sie entschied, dass es einfach nicht der richtige Zeitpunkt war, um mit noch mehr Altbewährtem zu brechen. Mit geübter Geste winkte sie sich ein Taxi herbei.

Zu ihrer Überraschung saß Emma bereits im Café und kippelte auf ihrem Hocker vor dem hohen Bistrotisch. Als wäre es nicht schon ungewöhnlich genug gewesen, dass ihre Schwester sie zum Frühstück eingeladen hatte. Die Begrüßung bestand in zwei rasant ausgetauschten Küssen auf die Wangen, und Meta bereute bereits, gekommen zu sein.Jedes Mal, wenn sie mit dieser jungen Frau beisammensaß, stellte sich über kurz oder lang das Gefühl ein, eine grauenhaft langweilige  Person zu sein. Und das, obwohl Emma sich selbst so gut wie nie dazu herabließ, etwas zur Unterhaltung beizutragen.

»Siehst gut aus«, eröffnete Emma das Gespräch, und Meta rechnete schon mit einem folgenden bissigen Kommentar, der jedoch ausblieb.

»Danke, du auch«, erwiderte sie deshalb ein wenig lahm. Dann erst bemerkte sie die schwarzen Mascarareste, die unter Emmas Augen klebten. Ihre Schwester sah aus, als wäre sie direkt aus einem Clubbesuch auf diesen Hocker gekippt. »Was hast du denn letzte Nacht getrieben?«

Emma legte den Kopf in den Nacken, als müsse sie sich beim Nachdenken ernsthaft anstrengen. Schließlich senkte sie das Kinn mit einem Ruck auf die Brust und sagte: »Ich wette, bei dir war es spannender.«

Von daher wehte also der Wind. Meta nuschelte etwas Unverständliches und blickte sich ausweichend in dem belebten Café um. Im Hintergrund plätscherte französische Popmusik, gepaart mit den Küchengeräuschen und dem Geschrei des Kochs. Die Wand hinter der Bar war mit einem Mosaik aus orangefarbenen und grünen Steinchen beklebt, von dem Meta nicht genau wusste, ob es ihr gefiel oder ob sie es scheußlich fand. Sie saßen neben dem Fenster, und sie stellte überrascht fest, dass sich ein feiner Dunst über die Stadt gelegt hatte und das Licht blau färbte. Doch bald würde die Sonne hervortreten und die letzte Ahnung der Frostnacht verbannen.

»Komm schon, Meta, lass dich nicht lange bitten. Ich platze vor Neugier, was dein Liebesleben betrifft. Was glaubst du wohl, was mich dazu angetrieben hat, mir heute Morgen nicht einfach die Decke über den Kopf zu ziehen, sondern hierherzukommen?« Emma lehnte sich über den Tisch und blickte sie tatsächlich flehentlich an. Ihre Schwester musste ernsthaft neugierig sein, wenn sie sich zu einem solchen Schauspiel hinreißen ließ. »Von überallher nur lauter Gerüchte, und du  lässt dich nirgendwo mit diesem Kerl blicken, von dem Rinzo ganz genau weiß, dass er bei dir wohnt. Das würde man dir anmerken, sagt er. Du wärst wie ausgewechselt. Und ich möchte gern wissen, was dieser David mit dir anstellt, dass du plötzlich so vollkommen anders tickst.«

So viele Worte an einem Stück hatte Emma in Metas Gegenwart noch nie gesprochen. Auch Emma schien sich dieses Umstands bewusst zu sein, denn sie lehnte sich wieder zurück und betrachtete eingehend ihre Fingernägel, um den peinlichen Moment des Schweigens zu überspielen. Zu ihrer beider Erlösung trat der Kellner an den Tisch und bat um die Bestellung. Seine Stimme war sehr weich, fast zu angenehm für eine Männerstimme. Als die beiden Schwestern Milchkaffee und Brioche orderten, verstand er nur die Hälfte des Gesagten und hakte im höflichsten Ton immer wieder nach. Meta war froh über jede gewonnene Sekunde.

Nachdem der Kellner gegangen war, hatte sie den Ausbruch ihrer Schwester verwunden und war bereit, sich Emma zu stellen: »David geht dich nichts an«, erklärte sie unumwunden. »Aber wenn ich mich mit David nicht an den üblichen Orten herumtreibe, liegt das nicht daran, dass ich mich nicht mit ihm blicken lassen will. Wir unternehmen einfach nur andere Dinge.«

Emmas anzügliches Grinsen verriet ihr, dass sie ihre Unternehmungen besser rasch ausführen sollte, bevor ein falscher Eindruck entstand.

»David kocht fantastisch, das heißt: Er hat gerade erst herausgefunden, dass er es kann, und experimentiert jetzt wie wild. Außerdem mögen wir beide dieses kleine Programmkino bei mir um die Ecke und …«

»Ja, sicher!« Emma grinste. Als Meta empört nach Luft schnappte, pustete sie zufrieden Löcher in den Schaum ihres Milchkaffees, den der Kellner soeben vor ihr abgestellt hatte.  »Eigentlich müsste ich ganz schön eifersüchtig auf dich sein: Mama steht völlig neben sich wegen deines jugendlichen Liebhabers, diesem kriminellen Objekt. Deine Affäre ist für sie ein einziges großes Drama, von dem sie ernsthaft glaubt, dass sich die gesamte Gesellschaft von morgens bis abends das Maul darüber zerreißt. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, ich bin darüber hinweg, seitdem ich Mama sehr detailliert berichtet habe, wie David uns alle auf deiner Dinnerparty angeknurrt hat. Ihr schockierter Gesichtsausdruck hat mich für einiges entschädigt.«

Meta biss in die Brioche, um sich ein wenig Zeit zu verschaffen. Dabei beobachtete sie den Kellner, der, an die Theke gelehnt, eine Pause einlegte und dabei den Bleistift wie eine Zigarette zwischen den Fingern hielt.Vermutlich hatte er gerade erst mit dem Rauchen aufgehört. »Im Gegensatz zum Rest der Welt bist du offensichtlich der Meinung, dass das zwischen mir und David etwas Festes ist.«

Emma zog verblüfft die Augenbrauen hoch. »Das war doch klar, nachdem du diesen versifften Typen, der eindeutig neben der Spur stand, in dein Schlafzimmer geschickt hast, anstatt ihn ohne Zögern vor die Tür zu setzen.Wie ich schon sagte: Was auch immer er mit dir anstellt, er macht es richtig. Mit dir kann man langsam was anfangen, jetzt, da du nicht mehr bloß so eine Anziehpuppe bist.«

»Du meinst also nicht, dass der Mangel an Karls wertvollem Einfluss auf mich äußerst beklagenswert ist?«

»Ach, sei froh, dass du Karl los bist. Ich meine, jetzt habt ihr beide endlich jemanden zum Liebhaben: du deinen David und Karl sich selbst.« Ermutigt durch Metas Lachen fügte Emma noch hinzu: »Den besten Sex hat Karl immer dann, wenn er mit sich allein ist. Der ist ein solcher Egomane im Bett.«

Emma hielt inne und machte ein derart verlegenes Gesicht, dass Meta das Lachen im Halse stecken blieb. Doch dann entschied sie sich anders. Karl war Geschichte, und Emma - nun, Emma war wie immer einfach nur sie selbst: ein kleines Miststück. Aber eben ihre Schwester, und davon hatte sie nur eine. Bevor Emma zu einer Erklärung ansetzen konnte, hob Meta abwehrend die Hand. »Ehrlich gesagt, will ich es gar nicht wissen. Lass uns einfach einen Schlussstrich darunter ziehen, okay?« Emma nickte eifrig und sah dankbar aus. »Aber eins verspreche ich dir, Schwesterchen:Wenn du mir künftig dumm kommen solltest, mach dich auf Gegenwehr gefasst. Ab heute heule ich nicht mehr, wenn du mich an den Zöpfen ziehst. Ich hole mir eine Schere und schneide dir deine ab.«

Emma rang sich ein Grinsen ab. »Sei nicht so theatralisch.«

Meta wollte nicht einlenken. Mit den Fingern ahmte sie eine Schere nach: »Schnipp, schnapp.«

Ungefähr drei Sekunden lang riss Emma sich zusammen, dann kicherte sie los. Es war das albernste Geräusch, das Meta jemals von ihrer jüngeren Schwester gehört hatte, und sie stimmte gern mit ein. Voller Übermut blickte sie Emma an und genoss das bislang ungekannte Empfinden, sich in der Gegenwart ihrer Schwester wohlzufühlen. Allein weil Emma ihr in die Augen schaute und ihr so das Gefühl gab, dass sie tatsächlich etwas miteinander verband, sah sie sich gedrängt, die neue Bindung zu festigen.

»Also, ich möchte dich zwar nicht mit Bettgeschichten unterhalten, aber ich könnte dir etwas anderes, ziemlichVerrücktes erzählen«, setzte Meta an. Emma wischte sich die schwarz verschmierten Lachtränen aus dem Gesicht und schaute sie so ehrlich interessiert an, dass Meta ihr Zögern kurzerhand beiseiteschob. »Mir ist neulich ein Wolf gefolgt, als ich die Galerie verlassen habe.«

Emma spitzte die Lippen und gab ein ungläubiges Schnaufen von sich. »Ein Wolf. Du willst mich wohl immer noch ärgern.«

»Ich weiß, es klingt verrückt. Aber ich bin mir ganz sicher. Die Stimmung am frühen Abend war einfach zu schön, so dass ich mich, anstatt wie sonst nach einem Taxi zu rufen, zu einem Spaziergang entschlossen habe.«

»Du bist tatsächlich im Dunkeln zu Fuß losgelaufen? Allein?«, hakte Emma mit ungläubigem Staunen nach.

»Nun, ich hatte auch ein schlechtes Gewissen. David liegt mir ständig damit in den Ohren, dass ich mir ein Taxi nehmen soll, wenn er es nicht schafft, mich von der Galerie abzuholen.« Meta zog die Nase kraus. »Er macht sich da richtig Sorgen, dabei ist unsere Wohngegend doch eine der sichersten in der Stadt. Deshalb habe ich mich auch schon ein- oder zweimal nicht daran gehalten. Frag mich nicht wie, aber er bekommt es jedes Mal raus und wird kreidebleich.« Dass David auf ihre Spaziergänge so bestürzt reagiert hatte, hatte Meta verwirrt, aber dann hatte sie es auf Davids vormals zerschlagenes Gesicht und blutiges T-Shirt zurückgeführt.

»Und ich dachte, das Streunen hätte Mama dir samt allen anderen Eigenarten erfolgreich abgewöhnt.«

Meta zuckte zusammen. »Streunen?«

»Sag bloß, du hast diese Unart deiner Kindertage, sorglos durch die Straßen zu streifen, schon vergessen. Ich kann mich jedenfalls noch bestens an die hysterischen Anfälle unserer Mutter erinnern, wenn sie dich wieder einmal bei so einem Ausflug ertappt hat. ›Aber Mami, es ist so schön, durch das gefallene Laub zu laufen‹«, äffte Emma die kindliche Meta nach und zwirbelte dabei eine ihrer Haarsträhnen. »Auf so eine schwachsinnige Idee bin ja nicht einmal ich gekommen. Umherstromern - macht doch außer dir kein Mensch in dieser Stadt. Und das aus gutem Grund.«

»Und der wäre?«, fragte Meta, während sie ihre vollkommen aufgelöste Mutter vor sich sah, die von oben herab auf sie  einredete. Allerdings begriff sie auch jetzt noch nicht - wie schon als Kind -, woher die ganze Aufregung rührte.

Offensichtlich fiel die Antwort nicht besonders einfach aus, denn Emma kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. »Was weiß ich, es ist eben so. Weil man dabei zum Beispiel auf Wölfe trifft, wie du eben selbst erzählt hast. Oder habe ich dich etwa falsch verstanden?« Meta nickte nachdenklich, während Emma unter ihrem Blick auf ihrem Hocker umherrutschte. »Nun erzähl schon«,forderte ihre Schwester sie schließlich auf.

»Es war also schon dunkel, als ich die Galerie verließ. Der Tag war anstrengend gewesen, und es fühlte sich gut an, sich einfach nur treiben zu lassen. Die grellbeleuchteten Hauptstraßen, auf denen der Feierabendverkehr tobte, habe ich gemieden. Ich wollte nur das Klacken meiner Absätze auf dem Pflaster hören und mich vom Wind vorantreiben lassen. Als ich durch eine schmale Verbindungsgasse ging, bemerkte ich auf einmal etwas.« Meta hielt inne, als sie versuchte, sich die Erinnerung wieder lebhaft vor Augen zu führen. Sie hatte niemand anderem von dieser Begegnung erzählt, weil sie ihr so unwirklich erschienen war. Manchmal, wenn sie an das Erlebnis dachte, kam es ihr sogar so vor, als wäre es nur ein Traum gewesen. Auch jetzt verspürte sie mit einem Mal den Wunsch, die Geschichte für sich zu behalten, doch sie fuhr fort.

»Ich meine, ich habe dieses Tier nicht wirklich gesehen. Es war dunkel in der Gasse, und es drängte sich in die Schatten. Nur einmal ist es kurz an meinen Beinen entlanggestreift, und das fühlte sich an wie … Ich kann es nicht beschreiben. Es war so unwirklich, wie in einem Traum.Als würde alles seine feste Kontur verlieren und zu Schemen verschmelzen, eine dämmerige Sphäre, in der alles möglich ist.«

Emmas Mund war zu einem Strich geworden, so sehr konzentrierte sie sich auf die Erzählung. »Und dann?«

Es fiel Meta seltsam schwer, sich auf das danach Folgende zu konzentrieren. »Ich glaube, er lief noch ein Stück neben mir her, wie ein Begleiter.« Dabei lag ihr das Wort Beschützer  auf der Zunge, nur war es ihr unmöglich, es vor ihrer Schwester auszusprechen. »Und so plötzlich, wie er aufgetaucht war, verschwand er auch wieder. Glaube ich zumindest.«

»Ein Wolf?«, fragte Emma, und zu Metas Erleichterung schwang Verwunderung, aber kein Zweifel in ihrer Stimme mit. Der würde sich vielleicht in ein oder zwei Stunden einstellen, aber dann würden sie beide darüber lachen können.

»Ja, ein Wolf«, sagte Meta nachdenklich und schaute zum Fenster hinaus.