28

 

Franco war leicht angetrunken, als er sich mit Oliver traf. Ihn schüttelte die Trauer um seine Tochter und die Gewissheit, nichts tun zu können, gar nichts. Außerdem sorgte er sich um Gabi. Würde sie das nächste Opfer des Racheakts sein? Sollte er sich stellen, um sie zu retten?

Er hatte den Telefonhörer angestarrt und überlegt, die Polizei anzurufen.

Alles hätte ein Ende.

Ein Ende!

Nach einem weiteren Glas Wein bäumte er sich auf.

Nein, noch kein Ende. Auf ihn wartete in Berlin eine Million Euro. Passkontrollen waren nicht zu erwarten, wunderbare EU. Er würde seinen Job erfüllen und danach weitersehen.

Stellte er sich dann, war Gabi bis an ihr Lebensende versorgt und konnte sich Leibwächter leisten.

»Hallo Franco!« Oliver wirkte aufgeräumt.

»Hi Oliver!«

»Papa und Mama sind in der Bar.«

»Dann haben wir Zeit?«

»Mindestens zwei Stunden.«

»Dann komm mit mir.«

Franco tastet nach seiner Gürteltasche. Er hatte alles dabei. Hammer, Nägel, Handschuhe. Er führte den Jungen hinter das Küchengebäude, wo Gäste keinen Zutritt hatten. Er kannte jeden Flur, jede Gasse, jeden Schlupfwinkel der großen Anlage, denn er vergewisserte sich stets eines Fluchtweges. Man konnte nie wissen.

Und so hatte er den Ort entdeckt.

Jeden Tag trafen sich hier mindestens fünf oder sechs Hotelkatzen, die sich an den Überresten des verschwenderischen Buffets labten. Sie waren satt und zutraulich.

»Hui, alles voller Katzen«, sagte Oliver.

»Nimm dir eine davon und komm mit «, wies Franco den Jungen an.

Oliver suchte sich eine kleine, graugestreifte Katze aus, die sich wohlig in seinen Arm kuschelte und deren Schnurren klang wie ein Elektromotor. Oliver folgte seinem Therapeuten.

Franco hatte einen Platz entdeckt, wo er sich im Notfall verstecken konnte. Keine Türen und Fenster, ringsherum Müllcontainer, Mauern und alles verdeckende Bougainvillea. Kein Mensch weit und breit.

»Was hast du vor?«, fragte Oliver.

Franco zog aus seiner Gürteltasche ein Taschenmesser. Er klappte es auf. »Ganz neu, Schweizer Qualität. Die Klingen sind scharf wie Rasiermesser.«

Oliver starrte ihn mit großen Augen an.

»Ich will, dass du die Katze tötest und nachschaust, wie es in ihr aussieht.«

»Ein komisches Geheimnis«, sagte Oliver, keinesfalls verschreckt.

»Es ist nur eine von vielen Katzen. Man tötet sie sowieso, wenn es zu viele werden.«

»Und das darf ich tatsächlich?«

Bei Gott, der Junge denkt, ich tue ihm einen Gefallen!

»Ja, das darfst du.«

»Sie wird kreischen und mich zerkratzen.«

»Wird sie nicht. Das wäre fatal. Wie sollten wir das deinen Eltern erklären?«

»Also wie mache ich das?«

»Siehst du die Holzplatte dort?«

»Ja.«

»Ich habe, bevor es Abendessen gab und nachdem die Sonne untergegangen war, alles besorgt, was wir benötigen. War gar nicht so einfach, aber für gute Gäste tun die hier alles, ohne zu fragen.«

Oliver sah ihn an. Wissbegierig. Lernbereit.

»Ich helfe dir, die Katze auf die Holzplatte zu nageln. Das wird ziemlich anstrengend, aber wir kriegen das hin. Jeweils einen Stahlnagel durch die Pfoten und sie ist fixiert. Und dann darfst du nachschauen. Pass auf, dass das Brett nicht zurückschlägt und dich verletzt. Später werden wir sie in einem der Müllcontainer verstecken.«

Ich erfülle ihm einen Herzenswunsch!

»Alles klar!«

»Legen wir die Katze auf den Rücken. Sie wird sich wehren, aber ich habe dicke Handschuhe dabei, mit denen ich, wenn ich sie mit dem Rücken gegen das Holz drücke, gut geschützt bin. Also?«

Oliver nickte. Trotz der Dunkelheit sah Franco die Augen des Jungen glühen.

Franco nahm die Katze entgegen und tat, als wolle er ihren Bauch kraulen. Wohlig zappelte das Tier mit den Beinen, dann drückte er zu, so fest er konnte. »Beeile dich!«

Und Oliver funktionierte. Funktionierte ganz erstaunlich. Einen Nagel, den Hammer, ein Bein und die Pfote, auf das Holz gedrückt, den Nagel in das Fleisch, die weit ausgefahrenen Krallen missachtend, und ein Schlag mit dem Hammer.

Wumm!

Und noch einmal.

Wumm!

Franco stöhnte, so sehr wehrte sich das kreischende Tier. Die Beine zuckten, der ganze Körper stand unter Spannung, der Schwanz schlug wild hin und her. Das Maul war weit aufgerissen.

»Jetzt das schräg gegenüberliegende Bein, damit sie fixiert ist«, ächzte Franco. »Ich kann sie nicht mehr lange halten. Vergiss nie, sie hat neun Leben.«

Oliver war schon dabei und dumpf hallte sein Hammerschlag durch die Dunkelheit.

Wumm! Wumm! Wumm!

Nicht laut genug, um das Wumm! Wumm! Applaus! der Abendshow zu übertönen.

Dann ging alles ganz schnell. Oliver zögerte nicht eine Sekunde und schon war das Tier auf das Brett genagelt. Es krümmte sich, Kot rann aus seinem After, Urin spritzte, der Kopf schien nur noch ein weites Maul mit großen Zähnen zu sein. Ihr Kreischen war markerschütternd, ähnelte jedoch fatal dem einer rolligen Katze bei Vollmond. Niemand würde sich darum kümmern.

Franco reichte Oliver das Messer.

»Entscheide, ob sie es spüren soll oder ob du sie vorher ruhig stellen willst.«

Oliver sah Franco an.

Danke Gepetto!

»Sie soll es spüren.«

Ich bin kein Mörder: Thriller
titlepage.xhtml
part0000_split_000.html
part0000_split_001.html
part0000_split_002.html
part0000_split_003.html
part0000_split_004.html
part0000_split_005.html
part0000_split_006.html
part0000_split_007.html
part0000_split_008.html
part0000_split_009.html
part0000_split_010.html
part0000_split_011.html
part0000_split_012.html
part0000_split_013.html
part0000_split_014.html
part0000_split_015.html
part0000_split_016.html
part0000_split_017.html
part0000_split_018.html
part0000_split_019.html
part0000_split_020.html
part0000_split_021.html
part0000_split_022.html
part0000_split_023.html
part0000_split_024.html
part0000_split_025.html
part0000_split_026.html
part0000_split_027.html
part0000_split_028.html
part0000_split_029.html
part0000_split_030.html
part0000_split_031.html
part0000_split_032.html
part0000_split_033.html
part0000_split_034.html
part0000_split_035.html
part0000_split_036.html
part0000_split_037.html
part0000_split_038.html
part0000_split_039.html
part0000_split_040.html
part0000_split_041.html
part0000_split_042.html
part0000_split_043.html
part0000_split_044.html
part0000_split_045.html
part0000_split_046.html
part0000_split_047.html
part0000_split_048.html
part0000_split_049.html
part0000_split_050.html
part0000_split_051.html
part0000_split_052.html
part0000_split_053.html
part0000_split_054.html
part0000_split_055.html
part0000_split_056.html
part0000_split_057.html
part0000_split_058.html
part0000_split_059.html
part0000_split_060.html