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Stefan Strauss war latent kämpferisch gewesen. Sein halbwüchsiger Sohn noch aggressiver. Erstaunlich angriffslustig für einen Zwölfjährigen. Fick dich! Hallo?
Strauss hatte einen Fehler begangen.
Woher wusste er etwas von einem Küchenmesser? Soviel Will wusste, stand das in keiner Meldung. Das war ein Indiz, dass das LKA noch unter Verschluss hielt.
Doch Strauss hatte es gewusst.
Will raste zum LKA. Er musste mit Elvira Kreidler reden. Vielleicht war die Sache schneller gegessen, als sie dachten.
Kreidler blickte ihn an, als sei er ein schleimiger Gnom. »Wie lange waren Sie Bulle, bevor ...«
»Lassen Sie es«, winkte Will ab. »Lange genug. Warum?«
»In Filmen mag so eine Aussage zur Überführung des Täters führen, aber jeder Anwalt, der halbwegs bei Verstand ist, wird Strauss coachen, er solle sich dumm stellen. Aussage gegen Aussage. Und selbst wenn er es zugibt, weil er einen Vogel hat oder Wahrheitsdrang, wird sein Anwalt dafür sorgen, dass Strauss die Sache mit dem Küchenmesser vermutet, aber nicht gewusst hat. Eine Idee, eine Vorstellung. Na und? Reden können wir, solange wir wollen. Das ist kein Beweis.«
Will senkte den Blick. Die Frau hatte Recht und er hatte es die ganze Zeit über gewusst. Er hatte sich verhalten wie ein Anfänger, vom unbedingten Willen getrieben, nach diesen zwei grauenvollen Tagen mit einem Erfolg aufwarten zu können. Verdammt, wem wollte er etwas beweisen?
Sie sah ihn an und lächelte, als ahne sie seine Gedanken.
Er grinste schräg.
Eine attraktive Frau. Um die vierzig, dunkle volle Haare, ein feingeschnittenes Gesicht, ein paar Falten zu viel um den Mund, dafür große, wache Augen. Schlank, trainiert mit kleinen straffen Brüsten und Beinen, von denen Will sich keine Vorstellung machte, da er die Kreidler noch nie im Kleid oder Rock gesehen hatte.
»Das waren zwei schreckliche Tage, sage ich Ihnen. Ich würde Ihnen gerne mehr dazu erzählen ...«
»Und dafür möchten Sie mich auf einen Drink einladen, ist es nicht so?«
Will stutzte, fasste sich und sagte: »Rumpelstilzchen und die böse Hexe?«
Sie schmunzelte. »Was ich sagte, tut mir leid. Das war unverschämt, schließlich habe ich Sie gebeten, mir zu helfen. Aber der Druck, verstehen Sie?«
»Dann vielleicht später.«
Elvira Kreidler runzelte die Stirn. Es war deutlich, dass sie versuchte, die Abfuhr gelassen zu sehen. Doch sie wäre nicht die Bereichsleiterin des LKA gewesen, hätte sie jetzt geschwiegen. »Da wir nicht mehr dienstlich verbunden sind, könnte ich mich überreden lassen.«
Will schob den Stuhl zurück, zupfte seine Lederjacke zurecht und blickte der attraktiven Frau in die Augen, mitten hinein in zwei dunkle Seen. »Okay, also nicht später, sondern jetzt. Schließlich müssen wir planen, wie wir Familie Strauss und ihren Killersohn überführen, ohne dass uns die Medien das Genick brechen.«