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Es gab drei Aufzüge beim Herald, von denen immer nur zwei funktionierten. Heute war der Fahrstuhl ganz rechts kaputt, weshalb Susan vor den beiden anderen wartete.

Kein Schlaf und fünf Stunden vor dem Computer ließen sie erschöpft aussehen, trotz eines einstündigen Nickerchens, das sie in der Cafeteria gemacht hatte. Sie hatte ihre zwei Spalten jedoch fertig gebracht. Es war das Beste, was sie je geschrieben hatte. Sie wünschte, Quentin Parker könnte es noch sehen.

Da der Artikel abgeliefert war, wollte sie nach Hause fahren und sich hinlegen. Leo Reynolds reagierte nicht auf ihre Anrufe, was entweder bedeutete, dass seine Unterweltfreunde nicht fündig geworden waren, oder sie waren fündig geworden, und er hatte beschlossen, ihr nichts davon zu erzählen.

Ein paar Stunden Schlaf, dann würde sie es wieder bei ihm versuchen.

Der Aufzug brauchte ewig, und Susan legte den Kopf an die Wand daneben und schloss die Augen.

Sie erwachte mit einem Ruck aus ihrem Dösen, als die Fahrstuhltür aufging. Sie blinzelte benommen. Dort, im Lift, stand Henry Sobol.

Er hielt die Aufzugstür offen und winkte Susan hinein. »Wir müssen reden«, sagte er. »Welches Stockwerk?«

Susan wechselte ihre Handtasche – mit Archies Handy darin – auf die andere Schulter. Es hatte kein einziges Mal geläutet, seit sie ihre SMS abgeschickt hatte. »Eingangshalle«, sagte sie.

Henry drückte den Knopf.

Als sich die Türen gerade schlossen, schlüpfte Derek Rogers noch zu ihnen in den Lift.

»Sie sind Dick, nicht wahr?«, sagte Henry.

»Derek«, sagte Derek.

»Mehr als siebzehntausend Menschen werden jährlich in den USA bei Unfällen mit Aufzügen und Rolltreppen verletzt«, sagte Susan.

Henry sah keine Spur amüsiert aus. Sein Mund war fest verschlossen, und um seine Augen waren keine Lachfalten zu sehen. Susan bemerkte im Licht des Fahrstuhls winzige Besenreiser an der Kinnlinie.

»Wir sind heute Nachmittag mit der Befragung der Insassen auf der psychiatrischen Station fertig geworden«, sagte Henry.

»Patienten«, verbesserte ihn Susan.

Henry überging es. »Haben Sie Archies Zimmergenossen mal kennengelernt?«, fragte er. »Er heißt Frank. Depressiv. Ein bisschen langsam. Kriegt eine Menge Anrufe von seiner Schwester, redet ständig von ihr. Nur stellt sich heraus, dass er gar keine Schwester hat.«

Es ergab nicht viel Sinn für Susan. Andererseits war sie so müde, dass wahrscheinlich schon eine einfache Rechenaufgabe nicht viel Sinn für sie ergeben würde. »Er hat also gelogen, was die Existenz einer Schwester angeht«, sagte sie.

Henry drückte auf den Notfallknopf des Aufzugs. Der Aufzug blieb knirschend stehen.

Susan sah zu der Stockwerkanzeige über der Tür hinauf. Sowohl die Zwei als auch die Drei leuchteten. Sie fühlte sich plötzlich viel wacher.

»Das können Sie nicht machen«, sagte Derek und hob die Stimme dabei. »Das ist der einzige funktionierende Aufzug. Angenommen, es brennt.«

Henry trat unmittelbar vor Derek. »Wenn es brennt«, stieß er zwischen den Zähnen hervor, »soll man sowieso die Treppe benutzen.«

Derek wich an die Fahrstuhlwand zurück. »Okay, Sir«, sagte er.

Susans Verstand klärte sich.

Henry lehnte sich neben Derek an die Aufzugwand. »Ich sage Ihnen, was ich denke«, sagte er und gab Derek einen Klaps auf den Oberarm. »Ich denke, dass sich Gretchen als Franks Schwester ausgegeben hat. Ich glaube, sie hat Archie über Frank kontrolliert. Frank gibt nichts davon zu.« Er fuchtelte in der Luft herum. »Schwört auf die Bibel, dass er eine Schwester hat, die ihn sehr liebt.« Er streckte einen einzelnen Finger in die Höhe. »Aber er hat mir von einem Telefon erzählt«, sagte er. »Einem Handy. Frank hat es aus Archies Kommode genommen, und Archie wurde böse. Was sagen Sie dazu, Susan?«

Susan tat sich mit dem Atmen schwer.

»Wissen Sie etwas von einem Handy?«, fragte Henry.

»Nein«, sagte Susan.

»Ich sage Ihnen, was ich glaube«, fuhr Henry fort. »Ich glaube, Gretchen ist in der Stadt.« Er zuckte mit den Achseln. »Vielleicht war sie nie fort. Dieser Beauty-Killer-Fanclub, diese Sekte oder was immer mag also für einen großen Teil des jüngsten Unheils in unserer Stadt verantwortlich sein. Aber ich finde keinen Hinweis darauf, dass unser mörderischer Pfleger jemals einen Internetkontaktdienst benutzt hat. Wir haben seinen Computer zu Hause durchsucht. Wir haben die Computer durchsucht, zu denen er in der Arbeit Zugang hatte. Wir haben sogar die Computer in seiner Filiale der Stadtbücherei durchsucht, was kein leichtes Unterfangen ist, wie ich Ihnen versichern kann. Nichts. Jeremy Reynolds hat unseren Pfleger nicht dahingehend manipuliert, dass er Courtenay Taggart tötete. Das war Gretchen Lowell. Ich glaube, sie hat den Pfleger dazu benutzt, ein Handy zu Archie zu schmuggeln. Und dann, glaube ich, hat sie ihn eine Patientin auf der Station töten lassen, weil sie wusste, dass Archie daraufhin von dort weggehen würde. Und wenn ich herausfinde, dass Sie von diesem Handy wussten, dann können Sie sich auf etwas gefasst machen.«

»Ich glaube, ich habe Pearl Clinton gefunden«, sagte Derek. »Ich habe einen Anruf von einer Frau erhalten, die einen Laden am Hawthorne Boulevard betreibt. Er heißt Von der Erde zum Mond. Sie sagte, Pearl habe früher für sie gearbeitet. Ich soll sie dort treffen. Sie können es sich ansehen. Wenn Sie wollen.«

Einen Moment lang sagte niemand etwas.

Schließlich brach Susan das Schweigen. »Pearl könnte uns zu Archie führen«, sagte sie an Henry gewandt.

Henry schlug mit dem Handballen an den Notfallknopf, und der Aufzug setzte sich mit einem Ruck in Bewegung.