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Henry stand mit Detective Martin Ngyun im Regen an dem Hang und blickte auf den lederartigen Kopf im Schlamm hinunter. Die Farne und das Gestrüpp um den Kopf herum waren verkohlt, und die ganze Umgebung war vom Schaum eines Feuerlöschers bedeckt. Henry konnte eine rußschwarze Zigarette sehen, die tief in die Erde getreten worden war.

Henry spähte nach oben. Die ganze Task Force war angerückt. Eine Busladung voll Beauty-Killer-Touristen stand oben am Hang hinter dem Absperrband und machte Fotos. Die Sache war nicht unter Verschluss zu halten. Wahrscheinlich verbreiteten sie es bereits über Twitter. »Wer hat das Feuer gelöscht?«, fragte er Ngyun.

Ngyun war seit sieben Jahren bei der Task Force. Er hatte nur ein einziges Mal eine Auszeit genommen, nämlich als es die Blazers in die Finals schafften. Und die waren nicht gut ausgegangen.

»Ein Dozent aus dem Haus«, sagte Ngyun und rückte den Schirm seiner Blazers-Mütze zurecht. »Zweiundsiebzig Jahre alt. Ist über den Zaun gesprungen und mit einem Feuerlöscher den Hang hinuntergeklettert.«

Henry streckte die Hand aus, Handfläche nach oben. »Es regnet«, sagte er.

»Da hatte es noch nicht angefangen«, erwiderte Ngyun.

Der Kopf war nahe am Kiefer von seinem Körper getrennt worden. Der Regen ließ den Feuerlöscherschaum schmelzen, und Henry sah den Schädel an manchen Stellen durchscheinen, das Haar war dünn und dreckverklebt. Er lag mit dem Gesicht nach unten an einer Unkrautwurzel. Henry blickte wieder den Hang empor. »Ich vermute, er wurde über den Zaun geworfen«, sagte er, während seine Augen der Neigung des Hangs folgten. »Und ist dann hier runtergerollt.«

»Nur gut, dass er nicht weiter gerollt ist«, sagte Ngyun. »Dann wäre er nie gefunden worden.« Er runzelte die Stirn und sah auf das Brombeerdickicht unter ihnen. »Wahrscheinlich liegen dort Dutzende von Köpfen.«

»Ich rede wegen einer Ausgangssperre mit dem Bürgermeister«, sagte Henry. Er meinte den neuen Bürgermeister, der die Stelle vor zwei Monaten angetreten hatte, nachdem der alte sich vor Archies Augen das Hirn aus dem Schädel geblasen hatte.

»Klar«, sagte Ngyun. »Weil tagsüber niemand ermordet wird.«

»Es wird die Bürgerschaft beruhigen«, sagte Henry. Er ging in die Hocke und versuchte, einen besseren Blick auf die Züge des Gesichts zu bekommen, aber so wie es im Schlamm lag, war es schwierig. »Wo bleibt der Gerichtsmediziner?«

»Ist unterwegs.« Ngyun sah auf die Uhr. »Es ist elf. Um elf Uhr fünfzehn wollte er hier sein.«

Henry zögerte. Er wusste, Robbins würde ihm die Hölle heißmachen, wenn er die sterblichen Überreste bewegte. Aber scheiß drauf. Er stieß das Ding mit der Stiefelspitze an, bis es mit dem Gesicht nach oben rollte.

In den Löchern, wo Augen, Nase und Mund gewesen waren, wimmelte es vor gelben Maden. Es war unmöglich zu sagen, ob jemand die Augen herausgemeißelt hatte oder ob sie einfach an die Würmer verloren gegangen waren.

Claire rief Henrys Namen, und als er sich umdrehte, sah er sie mit den Händen in den Hüften oben am Hang stehen. Neben ihr stand in einem weißen Schutzanzug Lorenzo Robbins von der Gerichtsmedizin.

»Haben Sie gerade gegen meinen Kopf getreten?«, sagte Robbins ungläubig.

Henrys Handy läutete. Henry war in seinem ganzen Leben noch nie so froh über einen Anruf gewesen. Er lächelte zu Robbins hinauf und hielt einen Finger in die Höhe, um »einen Moment« auszudrücken. Dann meldete er sich.

Es war ein Sergeant aus dem Bezirk North Portland. »Wir haben hier etwas, woran Ihre Task Force interessiert sein könnte«, sagte der Sergeant. »Eine Reporterin des Herald hat eine Leiche gefunden, die aussieht, als könnte sie mit dem Beauty Killer in Zusammenhang stehen.«

Eine Reporterin des Herald. Treffen Sie Vorsichtsmaßnahmen, hatte er zu ihr gesagt. Passen Sie auf sich auf. Machen Sie keine Dummheiten. »Lassen Sie mich raten«, sagte Henry. »Sie heißt Susan Ward.«