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Auf einem Schild, das im Fahrstuhl zur psychiatrischen Station hing, stand:
SOLLTEN SICH DIE FAHRSTUHLTÜREN NICHT ÖFFNEN, SEIEN SIE UNBESORGT. ES BESTEHT KEINE GEFAHR, DASS DIE LUFT AUSGEHT ODER DER AUFZUG UNKONTROLLIERT IN DIE TIEFE FÄLLT.
»Das ist beruhigend«, sagte Archie zu der jungen Freiwilligen, die mit ihm im Aufzug fuhr.
Sie riss die Augen auf.
»Es ist für die Verrückten«, erklärte Archie. »Wir geraten leicht in Panik.«
Es machte sie nicht ruhiger, und er beschloss, nichts mehr zu sagen. Dann bemerkte er, dass sie ein Kuvert in der Hand hielt, auf dem sein Name stand. Der Umschlag war groß, quadratisch und rosa, und er war schwer zu übersehen. Die Freiwillige fächelte sich Luft damit zu.
»Das ist für mich«, sagte Archie.
Sie war kein Teenager mehr. College vielleicht. Sie sah Archie nachdenklich an. »Ich muss ihn in der Station abliefern, bevor ich Mittagspause machen kann«, sagte sie.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und sie traten beide in die winzige Lobby der psychiatrischen Abteilung hinaus. Das Mädchen zögerte.
»Sie waren noch nie hier oben«, sagte Archie.
»Sind hier Psychopathen?«, flüsterte sie.
»Massenhaft«, sagte Archie. Er drückte auf den Rufknopf. »Hier ist Archie Sheridan«, sagte er.
»Einen Moment, Mr. Sheridan«, ertönte die Stimme einer Schwester.
Das Mädchen schaute auf den Namen auf dem Kuvert. »Dann sind Sie das wohl«, sagte es.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es noch bin«, sagte Archie. Nun erst bemerkte er ihre Nägel. Rosa mit blutroten Spitzen. Frauen mochten es, wenn man ihnen Komplimente machte. Archie wusste nicht viel über Frauen, aber das wusste er. »Ihre Nägel gefallen mir«, sagte er.
In ihren Wangen bildeten sich Grübchen, und sie betrachtete ihre flatterige Hand. »Es nennt sich ›Beauty Killen«, erklärte sie. »Meine Nagelpflegerin sagt, alle Promis lassen sich das jetzt machen.«
Archie musste beinahe würgen. Eine Beauty-Killer-Maniküre? Hatten denn alle den Verstand verloren?
»Alles in Ordnung mit Ihnen?«, fragte das Mädchen.
Gedämpfte Schreie drangen hinter der Tür hervor. Archie erkannte das aggressive Lärmen seines Zimmergenossen Frank.
Das Mädchen sog scharf die Luft ein.
»Er ist harmlos«, versicherte ihr Archie.
Das Mädchen klopfte mit einem Fuß und biss sich auf die Unterlippe. »Wofür brauchen sie so lange?«
»Sie sind abgelenkt«, sagte Archie. Es brauchte immer mehrere Pfleger und Schwestern, bis Franks Wutanfälle eingedämmt waren. Archie lächelte das Mädchen an und hoffte, normal zu wirken. Hinter der Tür heulte Frank etwas von Teufeln. Das Mädchen erstarrte. »Wieso geben Sie mir das Kuvert nicht einfach?«, schlug Archie vor.
Sie dachte eine halbe Sekunde darüber nach und schob ihm das Kuvert dann in die Hand.
»Okay«, sagte sie und drückte auf den Fahrstuhlknopf. Die Tür öffnete sich sofort, und sie sprang hinein. »Hübscher Engel«, sagte sie, als die Tür zuging.
Archie stellte den Engel auf den Tisch mit Al-Anon-Broschüren und untersuchte das Kuvert.
Es war keine Briefmarke darauf, was bedeutete, dass es nicht mit der Post gekommen war – jemand hatte es im Krankenhaus abgegeben. Die Absenderadresse war North Fargo 397. Kein Name. Die Leiche war in Fargo gefunden worden. Die Adresse war nicht Gretchens Handschrift, aber es wäre nicht schwer für sie gewesen, sie von jemand anderem schreiben zu lassen. Archie schob den Zeigefinger unter die Lasche, riss den Umschlag auf und zog die Karte heraus.
Es war eine altmodische Karte, das Papier war vor Alter schon weich geworden. Zwei rote Herzen, verbunden mit einer goldenen Kette. Darunter ein weißes Band und darin die Worte: EIN VALENTINSGRUSS. Archie klappte die Karte auf. Ein Gedicht war in schöner Kursivschrift auf die Innenseite gedruckt. Lass diese Kette das Schmuckband sein / Zu binden die Herzen dein und mein.
Sie konnte ihn überall kriegen. Es war nur eine Frage der Zeit.
Franks Geschrei wurde leiser, und eine Schwester kam und öffnete die Tür. Archie ging hinein.
Den Engel ließ er auf dem Tisch stehen.