_ 26 _
Archie hielt die Messingpillendose in der Hand und spürte ihr Gewicht. Er hatte sie zwei Jahre lang in der Tasche getragen. Hatte eine Schmerztablette um die andere daraus gezogen. Sie war das Erste gewesen, wonach er morgens griff, und das Letzte, was er nachts aus der Hand legte. Jetzt war sie leer. Nur ein Relikt aus seiner Vergangenheit. Er sah sie noch einen Moment lang an, dann ließ er sie in die Tasche zu seinen Füßen fallen und zog den nächsten Gegenstand aus der Schachtel mit persönlichen Gegenständen, die man ihm in der Schwesternstation gerade wieder ausgehändigt hatte. Seinen Gürtel. Ein leeres Handy. Schlüssel. Schuhe.
Er fädelte gerade den Gürtel durch die Schlaufen, als Henry mit dem Handy in der Hand um die Ecke kam. Er sah nicht glücklich aus. »Es gibt eine Leiche im Rosengarten«, sagte er.
»Im Stadion?«, fragte Archie. Die Blazers spielten in einem Stadion namens »Rose Garden«.
»Nein«, sagte Henry. »Im richtigen Rosengarten. Dem mit den Blumen.«
Gretchen hatte 2003 eine Frau ermordet und sie in den Rosengarten gelegt. »Das macht zwei Ortswiederholungen«, sagte Archie. »Der Rosengarten und Pittock Mansion.« Er schloss die Gürtelschnalle. Er konnte den Gürtel ein Loch enger schließen als beim letzten Mal, als er ihn getragen hatte.
»Ich weiß«, sagte Henry.
»Eine Sekunde noch«, sagte Archie, ließ einen Schuh fallen und schlüpfte hinein.
»Du bist Zivilist«, sagte Henry. »Weißt du noch?«
Archie sah ihn an.
Henry gab ihm die Schlüssel für sein Haus. Dann blickte er über Archies Schulter hinweg. »Da kommt deine Fahrgelegenheit.«
Archie fuhr herum und sah Susan Ward den Gang entlangkommen. Sie trug rote Jeans, ein weißes T-Shirt, schwarze Schnürstiefel und eine riesige rote Handtasche. Und sie hatte sich das Haar purpurn gefärbt.
»Hallo«, sagte sie und berührte ihr Haar.
Susan Ward. Archie hatte sie seit seiner Einlieferung nicht mehr gesehen. Aber er hatte gewusst, dass sie an den meisten Vormittagen draußen im Wartezimmer gewesen war. Er hatte sich geweigert, sie zu sehen. Aber die Wahrheit war, dass es ihm gefallen hatte, sie direkt auf der andern Seite der Wand zu wissen.
»Du solltest sie nicht mit hineinziehen«, sagte er zu Henry.
Henry las gerade eine Nachricht auf seinem Blackberry. »Sie ist schon mittendrin«, sagte er.
»Ich schreibe einen Artikel über die ermordete Insassin«, sagte Susan.
»Patientin«, korrigierte Archie seufzend. »Nicht Insassin.«
Henry sah von seinem Blackberry auf. »Bringen Sie ihn zu mir nach Hause«, sagte er zu Susan. »Okay? Geht ins Haus. Schließt die Türen.« Er wandte sich an Archie. »Ich schicke einen Streifenwagen, der vor dem Haus Stellung bezieht.«
So wie er es sagte, wusste Archie nicht, ob die Streifenbeamten Gretchen draußen halten sollten oder ihn drinnen.
»Haben Sie die Haschkekse bekommen, die meine Mutter geschickt hat?«, fragte Susan.
»Das habe ich nicht gehört«, sagte Henry und entfernte sich.