25
Ich stand neben der Dusche und trocknete Eileen
vorsichtig ab. Dabei entdeckte ich auf ihrem Rücken und an den
Hinterbacken ein paar rote offene Schnittwunden, die jedoch nicht
mehr bluteten.
Ich desinfizierte und verband sie.
Eileen fragte mich nach einem Föhn.
»Hab leider keinen.«
»Kein Problem.« Sie streckte die Hände nach dem
Handtuch aus.
Ich gab es ihr und sah zu, wie sie ihr Haar
energisch abtrocknete und ihre Brüste unter den erhobenen Armen
wackelten. Auch auf ihren Brüsten waren Male zu erkennen. Sie
stammten nicht von mir, sondern von den Männern unter der
Brücke.
Was hatten sie mit ihr gemacht?
»Ich brauche noch ein paar Minuten«, sagte
Eileen.
»Gehst du schon mal rüber und machst uns
Drinks?«
»Klar.«
»Ich hätte gern Rum mit Cola.«
»Wird gemacht.« Ich zog meinen Bademantel an und
ging zur Tür.
»Mit Eis«, fügte sie hinzu.
Ich blickte über die Schulter zu ihr zurück.
Sie sah wundervoll aus, wie sie dort mit erhobenen
Armen stand und mich unter dem zerknüllten Handtuch
anlächelte.
»Du kannst die Tür offen lassen«, sagte sie. »Dann
kann der Dampf abziehen.«
Nickend wandte ich mich ab. Ich ging in die Küche
und mixte die Drinks. Nachdem ich die Gläser ins Wohnzimmer
gebracht hatte, kehrte ich noch einmal in die Küche zurück, um die
Cracker und den Käse zu holen.
Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, stand Eileen
dort. Ihr Haar war noch feucht und hing ordentlich gebürstet über
ihre nackten Schultern. Das pinkfarbene Handtuch hatte sie sich um
die Taille gewickelt.
»Wow«, stieß ich hervor.
»Aber ein bisschen frisch«, sagte sie. »Hast du
irgendwas zum Anziehen für mich?«
»Äh. Klar. Entschuldige.«
»Kein Problem.«
Ich ging an ihr vorbei, und sie folgte mir den Flur
entlang zum Schlafzimmer. Aus einer Kommodenschublade nahm ich ein
Baumwollnachthemd. Ich hielt es hoch, damit sie es sich ansehen
konnte. »Wie wär’s damit?«
Der rote Stoff war mit einem Bild von Goofy
bedruckt.
Eileen runzelte leicht die Stirn. »Hat das Holly
gehört?«
»Es ist meins.«
»Aber sie hat es bestimmt angehabt.«
»Ja.«
Holly hatte es oft getragen. Es hatte gut an ihr
ausgesehen, kurz und enganliegend.
»Ich kann dir was anderes geben«, sagte ich.
Sie schüttelte den Kopf, kam zu mir und nahm es.
»Nein, ist schon okay.« Sie zog sich das Handtuch von der Hüfte,
warf es aufs Bett und streifte sich das Nachthemd über den Kopf.
Der dünne Baumwollstoff schwebte an ihr herab. Bei ihr war es noch
kürzer als bei Holly.
Sie hob die Arme, um die Haare aus dem Kragen zu
ziehen, und der Saum glitt hinauf und entblößte ihren Unterleib.
Als sie die Arme sinken ließ, rutschte auch das Nachthemd wieder
nach unten.
Lächelnd fragte sie: »Sehe ich annehmbar
aus?«
»Hervorragend.«
»Es ist ein bisschen kurz.«
»Wenn es dir nichts ausmacht, mich stört es
nicht.«
Sie grinste. »Ich könnte jetzt einen Drink
gebrauchen. Und du?«
»Unbedingt.«
Dieses Mal ging sie voraus. Ich folgte ihr ins
Wohnzimmer und hielt meinen Blick auf die sanften Kurven ihrer
Hinterbacken gerichtet, die sich unter dem engen Nachthemd
bewegten.
Wir setzten uns nebeneinander aufs Sofa.
Ich nahm die beiden Gläser und reichte ihr eines.
Sie prostete mir zu. »Darauf, dass wir sicher, sauber und zusammen
sind«, sagte sie.
»Darauf trinke ich.«
Wir tranken.
»Mm, lecker«, sagte Eileen. »Du kannst spitzenmäßig
Rum und Cola mixen.«
Ich lachte. »Man kann es jedenfalls trinken.«
Nach ein paar Schlucken stellte Eileen ihr Glas ab
und nahm die Cracker. »Schlagen wir uns den Bauch voll.«
Während sie die Schachtel öffnete, schälte ich den
Verschluss von der Plastikflasche mit dem flüssigen Käse.
»Du kannst dir nicht vorstellen, was ich für einen
Hunger habe«, sagte sie.
»Wir hatten eine bewegte Nacht.«
»Kann man wohl sagen. Mein Gott. Gib mal
rüber.«
Ich klappte den Deckel auf und reichte ihr die
Flasche. Sie drehte sie auf den Kopf und spritzte einen kleinen
Haufen auf den Cracker in ihrer Hand.
»Weit aufmachen«, sagte sie. Ich öffnete den Mund,
und sie stopfte den Cracker hinein. Er war knusprig, und der
Cheddar schmeckte cremig und würzig, mit einem angenehmen
Schinkenaroma.
Eileen bereitete einen Cracker für sich selbst vor.
Sie aß ihn, während ich einen Schluck Rum mit Cola trank. Beim
Kauen schloss sie die Augen und machte den Eindruck, als genösse
sie eine rare Delikatesse. »Fantastisch«, sagte sie.
»Wirklich verdammt gut.«
Sie spritzte Käse auf einen weiteren Cracker und
sagte: »Kaum zu fassen, wie hungrig ich bin.«
»Du kannst den nächsten haben.«
»Nein, der ist für dich.« Sie steckte ihn mir in
den Mund, trank einen Schluck und bereitete sogleich den nächsten
vor. »Könnte durchaus mit dem vielen Sex zusammenhängen.«
Ich nickte und kaute.
»Und ich wette, man bekommt Hunger, wenn man nur
knapp einer Gefahr entrinnt. Das ganze Adrenalin. Kennst du dich
mit Physiologie aus?«
»Nicht besonders.«
»Ich auch nicht. Aber ich habe schon ein paar
Erdbeben erlebt, und danach war ich jedes Mal hungrig.« Ein Lächeln
huschte über ihr Gesicht. »Und geil.« Sie warf sich einen Cracker
mit Käse in den Mund.
»Meinst du, wir haben solchen Hunger, weil wir
angegriffen wurden?«
Sie kaute mit geschlossenem Mund und nickte.
Obwohl ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht
schoss, fragte ich: »Und sind deshalb geil?«
Sie nickte wieder.
»Diese Penner, die sich auf dich geworfen haben,
haben dich geil gemacht?«
Sie runzelte leicht die Stirn und schüttelte den
Kopf. Dann schluckte sie und spülte mit ihrem Getränk nach. »Nicht
deshalb. Weil ich überlebt habe. Entkommen bin. Einigermaßen
unversehrt geblieben. Daran liegt es.«
»Ich dachte, du meintest, es läge an dem
Überfall.«
»Mein Gott, nein. Das soll wohl ein Witz sein.« Sie
wurde plötzlich still und sah mich entsetzt an. »Du glaubst, es
hätte mir gefallen, diese Kerle auf mir zu haben?«
»Eigentlich nicht, aber …«
»Sie waren widerlich. Sie haben gestunken. Sie
waren überall auf mir, haben mich besabbert und betatscht, mir
wehgetan. Sie waren nackt. Ich konnte ihre Schwänze
spüren. Sie wollten mich vergewaltigen. Und du glaubst, es
hätte mir gefallen?«
Jetzt oder nie.
»Sie haben dich nicht vergewaltigt, oder?«, fragte
ich.
Eileen wirkte, als hätte ich ihr eine
runtergehauen. Sie starrte mich mit offenem Mund an.
»Ich meine, wenn sie es getan haben, brauchst du
vielleicht …«
»Sie haben es nicht getan.« Ihre Stimme war tief
und fest, und sie erwiderte meinen Blick.
»Bist du sicher?«
»Ich sollte es wohl wissen.«
»Okay.«
»Glaubst du mir nicht?«
Ich wollte ihr nichts von dem Penner erzählen, den
ich gefunden hatte.
»Ich glaube dir«, sagte ich und versuchte,
überzeugt zu klingen. »Es ist nur, dass … sie waren ein paar
Minuten auf dir …«
»Das weiß ich selbst.«
»Ich bin, so schnell ich konnte, zu dir gekommen,
aber sie hätten Zeit genug gehabt … vielleicht einer oder auch zwei
…«
»Sie haben es aber nicht getan.«
»Okay.«
Sie wirkte schockiert und traurig. »Ich kann kaum
glauben, dass du es wirklich für nötig hältst, mich danach zu
fragen.«
»Aber wenn sie es getan hätten …«
»Wenn das so wäre, meinst du wirklich, dann hätte
ich dich ins Bad gerufen, um mich zu ficken? Glaubst du, ich
würde dein Leben damit aufs Spiel setzen?«
»Nein.« Ich klang wie ein schuldbewusstes Kind am
Rande der Tränen.
»Da hast du verdammt Recht.«
»Es tut mir leid.«
Ich streckte die Hand nach ihr aus.
»Nicht!«, stieß sie hervor und rutschte mit dem
Glas und dem Käse in den Händen und der Cracker-Schachtel auf dem
Schoß von mir weg. Die Schachtel fiel um. Cracker rollten auf das
Sofakissen zwischen uns.
»Entschuldigung«, sagte ich. »Ich hätte nicht
danach fragen sollen.«
»Hast du aber.« Sie beugte sich vor und knallte ihr
Glas und den Käse auf den Tisch. Dann stand sie auf. »Ich geh
jetzt.«
»Nein, warte. Du kannst doch nicht …«
»Wirst schon sehen.«
Sie lief um den Sofatisch herum, aber ich sprang
auf und schnitt ihr den Weg ab. Ich hielt sie an den Oberarmen
fest.
Anstatt zu versuchen, sich zu befreien, stand sie
reglos da und starrte mir in die Augen. Mit fester Stimme sagte
sie: »Lass mich los.«
»Ich habe doch nur gefragt, weil ich mir Sorgen um
dich gemacht habe.«
»Du glaubst, ich würde so was vor dir verbergen? Du
meinst, ich würde mich von dir anfassen lassen, wenn eines dieser
dreckigen Schweine mich …«
»Nein. Nein, wirklich nicht.«
»Ich glaub dir kein Wort. Du musst mich für einen
echten Hauptgewinn halten. Nur weil ich mich ein paarmal mit dir
eingelassen habe, glaubst du, ich wäre genauso eine geile kleine
Schlampe wie Holly, die lieber einen heißen Schwanz in ihrer Muschi
hat als …«
Sie verstummte und sah mich an. Ihr Mund stand
offen. In ihren Augen glitzerten Tränen.
»Entschuldigung«, murmelte sie.
Obwohl ich perplex war, schüttelte ich den Kopf,
als würde es keine Rolle spielen, was sie über Holly gesagt
hatte.
Und es war auch nicht wichtig im Vergleich zu dem,
was ich ihr mitzuteilen hatte: »Als ich zurück unter die Brücke
gegangen bin, um deine Sachen zu holen, habe ich einen Körper
gefunden. Einen der Typen, die dich angegriffen haben.«
Sie wirkte bestürzt.
»Was soll das heißen, ›einen Körper‹? Meinst du
eine Leiche?«
»Vielleicht war er auch bewusstlos. Ich weiß es
nicht. Aber er … er sah aus, als wenn er … du weißt schon, ihn
reingesteckt hätte.«
»Wieso?«
»Sein Ding war feucht.«
»Nicht von mir.«
»Von mir auch nicht«, sagte ich.
Sie bedachte mich mit einem kurzen traurigen
Lächeln. Dann lehnte sie sich an mich. Es war ein schönes,
vertrautes Gefühl. Sie legte die Arme um mich und schmiegte ihr
Gesicht an meinen Hals. Ich spürte die Feuchtigkeit ihrer
Tränen.
Leise sagte sie: »Du hast also gedacht, der Typ
hätte mich gevögelt, und trotzdem hast du dein Ding in mich
gesteckt?«
»Tja …«
»Was bist du nur für ein Idiot?«
»Ein optimistischer Idiot.«
Sie lachte und wackelte dabei an meiner Brust. Dann
beruhigte sie sich. Wir hielten uns eine lange Zeit einfach nur
schweigend fest.
Später rieb Eileen ihr Gesicht an meinem Bademantel
trocken. Sie schniefte und sah mich an. »Der Mann unter der Brücke.
Hast du ihn k. o. geschlagen?«
»Wahrscheinlich. Als sie auf dir lagen, bin ich mit
meinem Stein in der Hand ziemlich durchgedreht. Wenn er tot ist,
hab ich ihn vermutlich umgebracht.«
»Oh, Mann«, sagte sie. »Was machen wir
jetzt?«
»Nichts.«
»Sollen wir so tun, als wäre nichts
passiert?«
Ich schüttelte den Kopf. »Wir müssen uns nicht
verstellen. Wir müssen uns einfach damit abfinden, dass jemand
verletzt wurde, als wir uns verteidigt haben.«
»Er hat bekommen, was er verdient«, sagte
Eileen.
»Ja.«
»Aber was ist mit der Polizei?«
»Willst du es melden?«, fragte ich.
»Nein!«
»Hätte ich auch nicht erwartet.«
»Aber wir wollen auch nicht, dass sie hinter uns
her sind. Was ist, wenn wir etwas zurückgelassen haben?«
Ihr Hemd und der Schlüpfer.
»Ich glaub nicht, dass wir was vergessen haben«,
sagte ich. »Ich habe mich ziemlich gründlich umgesehen, als ich
zurückgegangen bin.«
»Ich vermisse trotzdem ein paar Sachen.«
»Ich weiß. Aber sie waren nicht dort.«
Sie blickte mir eindringlich in die Augen und
sagte: »Ich glaube, wir sollten lieber zurückgehen.«
Der Gedanke gefiel mir überhaupt nicht.
»Es war stockdunkel da unten«, sagte sie.
»Ich hatte deine Streichhölzer.«
»Wir müssen mit einer guten Taschenlampe
zurückgehen.«
»Jetzt?«
»Je eher, desto besser. Ehe jemand die Leiche
meldet. Wir müssen den Körper am besten entsorgen. Ihn verschwinden
lassen.«
»Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Auch wenn wir sonst nichts zurückgelassen haben«,
sagte sie, »haben wir doch beide da unten Blut verloren. Wenn die
Polizei eine richtige Mordermittlung durchführt, werden sie Proben
von unserem Blut einsammeln. Und von deinem Sperma.«
Meine Laune verschlechterte sich, als sie das
sagte.
»Wahrscheinlich haben wir auch Fußspuren
hinterlassen«, fuhr sie fort. »Und wer weiß, was sonst noch. Zum
Beispiel deine Fingerabdrücke auf der Mordwaffe.«
»Es war ein Stein.«
»Keine glatte Oberfläche?«
»Ich glaub nicht. Und vielleicht ist der Mann gar
nicht tot.«
»Aber wenn doch, liegt er da unten an einem Tatort,
an dem es vor Beweisen gegen uns nur so wimmelt.«