Kapitel 28

Brett Coleridge machte sich Sorgen. Er hatte sich an das schöne Leben gewöhnt. Es gab nichts, was er sich nicht leisten konnte. Doch nun schien sich alles mit atemberaubender Geschwindigkeit vor seinen Augen in Luft aufzulösen. Die Augen der drei Männer, die um den Konferenztisch saßen, waren voller Zweifel. Er konnte beinahe riechen, wie blutrünstig sie waren. Jetzt waren sie die Jäger und er die Beute.

»Wir sind gar nicht zufrieden«, sagte Pollinger, der Finanzdirektor und gewichtigste Teilhaber.

»Denken Sie denn, ich bin erfreut«, blaffte Brett. Seine Arroganz konnte gerade noch die Nervosität übertünchen, die er verspürte.

Die City und die internationalen Banken waren im Allgemeinen stolz darauf, dass sie nur sichere Sieger unterstützten. Meistens hatte sich ihr Urteil über das Unternehmen, das Bretts Großvater gegründet hatte, als die einzige Konstante in einer sich ständig verändernden Welt erwiesen. Auf die Familie Coleridge konnte man sich verlassen, die würde nur garantiert grundsolide Geschäfte machen. Für George Shavros Coleridge, Bretts Großvater, hatte das sicherlich gestimmt, auch für Bretts Vater Malcolm Isaac Coleridge.

Brett Coleridge hingegen hatte leider das angeborene Talent seiner Vorfahren zum Geldverdienen nicht geerbt. Auch deren Anstand nicht.

Die drei waren erfahren genug, um zu wissen, dass er ihnen nicht die Wahrheit über seine Geschäfte erzählte. Körpersprache war schließlich keine neue Wissenschaft. Man lernte viel aus Erfahrung und im Umgang mit Menschen. Man könnte es auch Instinkt nennen.

Brett zupfte die Bügelfalte seiner Hose zurecht, ehe er ein Bein über das andere schlug. Den Bluff durchziehen, mahnte er sich.

Er schnipste sich ein imaginäres Stäubchen von der Hose. Es war eine lässige Geste, die den anderen andeuten sollte, wie ungerührt er war, und die ihnen gleichzeitig wortlos vorschlug, doch die gleiche coole Haltung einzunehmen.

Er setzte ein kleines Lächeln auf und schaltete auf jungenhaften Charme. »Schauen Sie, wir wollen doch auf dem Teppich bleiben. Rufen Sie Ihre Kredite an die Coleridge Group noch nicht gleich zurück.«

»Die Gruppe hat einen Haufen Geld in diesen Film investiert. Wir sind ohnehin durch die Versicherung abgedeckt.«

Das hatte Pollinger gesagt. Er war der Älteste. Es ging das Gerücht um, dass er nur noch drei Tage in der Woche arbeitete. Er war fünfundsiebzig, aber seine Augen waren scharf und sein Verstand hellwach.

Brett wünschte, er wäre tot.

»Die Versicherung zahlt nur im Falle eines Misserfolgs«, sagte Pollinger. »Und wir sind nicht in das Geschäft eingestiegen, um einen Misserfolg zu haben.«

»Das sage ich doch«, antwortete Brett, immer noch das gewinnende Lächeln auf dem Gesicht. Er benutzte Pollingers Kommentar, um erneut Schwung zu holen. »Warten Sie, bis der Film fertig ist. Der wird garantiert ein Erfolg an den Kinokassen. Jane Austen ist weltweit gefragt. Wir verkaufen die internationalen Rechte, und dann kommen ja auch noch die Einnahmen für die Synchronisationsrechte. Und die DVD-Rechte. Vielleicht gibt es sogar ein Buch zum Film. Sie verdienen doch gern Geld, meine Herren?«

Er bemerkte, dass sein Tonfall zu spöttisch gewesen war. Wenn er eins gelernt hatte, dann, wie man Leute mit ihren eigenen Waffen schlägt.

Na gut, die Aktien des Unternehmens, das sein Vater gegründet hatte, standen im Augenblick nicht gerade bestens. Aber neues Management und frisches Blut würden das schon bald wieder richten, versicherte er ihnen. Das hatte er jedenfalls vorgehabt. Doch heute ging es um etwas ganz anderes.

Die drei Männer berieten sich. Brett gab sich größte Mühe, ruhig weiterzuatmen. Alles hing jetzt davon ab, dass er kühl und selbstsicher wirkte. Als ihm der Schweiß über die Augenbrauen lief, regte er keinen Finger, um ihn wegzuwischen. Ruhe bewahren. Auf jeden Fall ruhig bleiben, um das hier durchzustehen.

Auf seinen Zügen lag immer noch sein leises, selbstbewusstes Lächeln. Er hielt die Augen starr auf die drei Weisen gerichtet, als hegte er größten Respekt für sie.

Sie berieten sich weiter, flüsterten miteinander, zogen hier und da eine Augenbraue in die Höhe, schürzten die schlaffen Lippen, wandten sich kein einziges Mal zu ihm hin.

Respekt? Ha! Drei Weise? Die waren eher wie der stumme, der blinde und der taube Affe. Aber er konnte ihnen nicht widersprechen. Die drei kontrollierten das globale Unternehmen, das ihm sein Vater hinterlassen hatte.

Früher einmal war er der Hauptaktionär gewesen, doch das war mit seinem Playboy-Leben nicht vereinbar gewesen. Er hatte geglaubt, an der Börse spekulieren zu können, und Wetten auf die Entwicklung der Aktienkurse abgeschlossen. Doch bei diesem Geschäft hatten ihn die mit allen Wassern gewaschenen Jüngelchen von den Provinz-Unis locker abgehängt. Schneller, als er es sich hätte vorstellen können, waren seine Aktien und anderen Finanzen dahingeschmolzen. Dafür waren nur seine schlechten Entscheidungen und seine Extravaganz verantwortlich, aber, zum Teufel, das stand ihm doch schließlich zu! Sein Vater hatte ihm alles hinterlassen, damit er damit nach seinem Gutdünken verfuhr.

Nun wandten sich ihm die drei Männer zu.

»Wir werden in der Gruppe einige dringend notwendig gewordene Umstrukturierungen vornehmen. Sie können von Glück sagen, dass dieser Prozess eine ganze Weile dauern wird. Wir wollen also noch abwarten. Aber lassen Sie sich eins gesagt sein: Wir wollen einen uneingeschränkten Erfolg sehen! Und wir sind nicht gewillt, uns ewig hinhalten zu lassen.«

Sobald Brett wieder in seinem Büro war, bestellte er eine Kiste Krug Champagner, die er sich an seinen Privattisch in dem Nachtklub liefern ließ, in den er sich eingekauft hatte. Heute Abend würde er feiern.

Seine Sekretärin Samantha hatte bereits alles arrangiert.

»Übrigens war da eine Frau am Telefon. Sie meinte, es wäre dringend und sie würde versuchen, wieder anzurufen.«

Brett Coleridge schwebte auf Wolken. »Sie wird warten müssen«, antwortete er. Er legte seinen Arm um Samanthas umfangreiche Taille und wirbelte sie im Zimmer herum.

»Heute Abend feiere ich!«

Samantha kicherte wie ein verliebter Teenager. Er hatte diese Sekretärin von seinem Vater geerbt und manchmal überlegt, ob er sie nicht durch ein neueres Modell ersetzen sollte. Aber inzwischen hatte er seine Meinung geändert. Samantha war loyal, diskret und in den besten Jahren. Mit anderen Worten: die ideale Sekretärin und blendend geeignet für diesen Job.

Schließlich wirbelte er sie hinter ihren Schreibtisch und auf ihren Stuhl zurück.

»Die Frau, die angerufen hat, meinte, sie würde Ihnen eine E-Mail schicken, falls sie nicht in die Nähe eines Telefons kommen würde.«

»Die kann warten«, wiederholte er wegwerfend. Vielleicht irgendeine alte Flamme oder eine von den Schlagzeilentussis, wie er sie nannte. Die jungen Frauen, die er bei den Geschäften benutzte, die ihm ganz allein gehörten.

Am Abend sah er sich nach einem Bad, einer Linie Kokain und einem Eimer – einem ganzen Eimer – Champagner seine E-Mails an. Da fand er die Nachricht von Samanthas geheimnisvoller Frau.

Das Hochgefühl, das ihn durchströmte, seit er die Direktionskonferenz verlassen hatte, verflog schlagartig. Seine Züge verfinsterten sich.

»Die Schlampe! Diese verdammte Schlampe!«