23
Halt still, komm, halt doch still, lass dich gehen!« Magdalena versuchte zu entkommen, aber der Druck seiner Daumen an ihrem Rückgrat war fordernd und entschlossen.
»Ich wollte zum Einkaufen. Wir haben kein Brot mehr.«
»Du willst später zum Einkaufen, jetzt willst du hierbleiben!« Mit den Fingern strich er durch die Vertiefung in ihrem Nacken bis zum Haaransatz hoch, an den Ohren vorbei und kreisend auf ihren Hinterkopf zu. Eine Gänsehaut ließ sie erschauern, und ihre Brustwarzen wurden hart. Gut, dass er hinter ihr saß, der Frauenverbraucher, er sollte das nicht sehen. Frauenverbraucher, so hatte Nina ihn doch genannt, er wusste, was er konnte, doch sie würde sich niemals in den Reigen seiner naiven Bewunderinnen einreihen. Da stehst du doch schon längst, sagte die unbestechliche Stimme in ihr, die einfach nicht zum Schweigen zu bringen war. Gut, am Anfang schon, aber ich wehre mich jeden Tag dagegen. Ja, richtig, hier sehen wir gerade eine Demonstration deiner akuten Gegenwehr.
»Komm, ich zeig dir ein paar Tricks aus der Thaimassage«, hatte Roberto gesagt und Magdalena auf dem Boden seines Zimmers Platz nehmen lassen, während er sich selbst auf sein Bett setzte. Widerstrebend hatte sie gehorcht. Er sollte nicht denken, dass sie dauernd verfügbar war, sie hatte sich vorgenommen, nicht zu springen, sobald er pfiff. Sie entschied, wann sie Lust auf ihn hatte. Leider war das ständig der Fall.
Doch wieder einmal musste sie zugeben, dass er ein Meister im Massieren war, er riss nicht an ihren Haaren, war nicht zu sanft und nicht zu heftig. Erneut lief eine Gänsehaut in Wellen an ihr hinab, schwierig, ihn das nicht merken zu lassen.
»Mit wie vielen Männern hast du schon geschlafen?«, fragte er auf ihren Hinterkopf hinunter.
»Wie bitte?!«
»Du hast schon verstanden, wie viele waren es?«
»Äh, und du?«
»Ich bin Argentinier, bei uns fängt man schon früh damit an, amore zu machen. Mit zehn, mit elf. In Europa redet man eher darüber - wir tun es. Es gehört einfach zum Leben dazu.« Magdalena machte unwillkürlich ein schnaubendes Geräusch durch die Nase.
»Mit zehn habe ich auch noch nicht darüber geredet, sondern bin den ganzen Tag Rollschuh gelaufen!«
»Aber jetzt bist du dreißig, da werden doch schon ein paar Freiwillige zusammengekommen sein.«
Volontari. Freiwillige, sie musste kichern und lehnte sich zurück, ihm entgegen.
»Siehst du, jetzt entspannst du dich, das ist gut!«
»Vier.«
»Nooo! Das glaube ich dir nicht!« Doch, vier Männer waren es bisher gewesen, angefangen bei Tommi Hagedorn, der bei ihrer Entjungferung noch nicht einmal seine Brille abgenommen hatte, Marc mit dem Mercedes Kombi von seinem Vater, in dem es auf der Ladefläche viel Platz gab, und Johann Hanauer, genannt Jojo, in den sie jahrelang so unglücklich verliebt gewesen war, dass es sich völlig falsch anfühlte, als er sie endlich bemerkte und eine Woche später das erste und einzige Mal mit ihr schlief. Als Letzter in der Reihe der »Freiwilligen«: Florian, ihr Liebhaber mit der zahlenden Zahnärztin, Freund ihrer Freundin, die unterste Schublade, moralisch gesehen. Magdalena zählte ihm nur die Namen auf, aber Roberto wollte offenbar mehr hören. Er lief in die Küche, kam mit einem Martini d’Oro wieder und reichte ihr das Glas.
»Dai, nimm, und jetzt erzähl!« Sie trank und lehnte sich an seine Knie, die Eiswürfel knisterten leise, sie überlegte. Roberto würde sie vielleicht mit ihnen aufziehen und ärgern, die Namen wiederholen, an die sie nicht mehr so gern denken wollte. Er ahmte gern ihren deutschen Akzent nach, nannte alle Deutschen »Fritz« oder »crucca« und behauptete, ihre Aussprache höre sich genauso schrecklich an wie die des Papstes. Nein, besser, sie würde es dabei belassen.
»Komm, sag schon, welcher war der Beste? Wie habt ihr es getan, was war der ungewöhnlichste Ort, an dem du es je gemacht hast?« Er hatte sie noch nie zärtlich geküsst, immer nur bissig und zugegebenermaßen ziemlich geil, und jetzt wollte er sich an ihren Geschichten hochziehen, Magdalena wurde ganz zappelig vor Verlegenheit, da half auch der goldgelbe Martini in ihrem Glas nicht. Sie blieb stumm, es war zu schnell, zu intim, aber Roberto schien auf die Beantwortung auch nicht allzu viel Wert zu legen, denn er war schon bei der nächsten Frage: »Warum gehst du nie an den Strand?« Seine Finger suchten sich ihren Weg unter ihr T-Shirt und strichen über ihre nackten Schultern.
»Gebräunte Haut hat so etwas ganz Glattes, Unnachahmliches, das bekommt man mit keiner Creme der Welt hin.« Seine Stimme wurde zärtlich: »Also los, erzähl mir von dir!«, wisperte er dicht an ihrem Ohr. Sie schüttelte den Kopf, sie musste hart bleiben, musste sich gegen ihn durchsetzen.
»Ich rede nie über Dinge, die ich mit irgendwem getan habe«, behauptete Magdalena. Das war zwar Quatsch, hörte sich aber geheimnisvoll an. Er zog sie auf das Bett und streichelte ihr das T-Shirt herunter, sie trug keinen BH. Jetzt ging das wieder los … sie wusste, sie würden miteinander ringen, ein Kampf, der mit zwei Besiegten enden würde. Es war eine perfekte Choreografie, die sich aus dem ergab, was man mit zwei Körpern machen konnte. Mit einer Ausnahme, aber wer weiß, vielleicht brachte sie ihn heute dazu …
 
Mit einem kleinen Klaps auf ihren Po sprang er auf und zog ihr damit ihre Rückenlehne weg. Sie kullerte ins Leere. In was für eine Gier sie gerade gefallen war, ohne zu denken, wach und gleichzeitig verloren in ihm, völlig abgedreht.
Sie beobachtete ihn, pfeifend riss er den Kleiderschrank auf, nahm eins der weißen Hemden vom Bügel und verschwand im Bad. Sie blieb lächelnd auf dem Laken zurück.
 
Auf der steil abfallenden Küstenstraße nach Cavoli konnte sie den warmen Wind auf der Haut spüren. Hier, im westlichen Teil der Insel, war es wärmer als anderswo auf Elba. Sie hatte gelesen, dass die geschützten Buchten und die Felsen darüber die Temperatur um ein paar Grad erhöhten, und es bei ihren Ausflügen mit dem Roller selbst auf der Haut spüren können. Die Felswände direkt neben ihrem rechten Ellbogen waren nur an manchen Stellen zum Schutz gegen Steinschlag mit Stahlmatten überzogen. Jeden Moment konnte ein Gesteinsbrocken auf sie herunterkrachen. Wieder geschafft!, dachte sie im Vorbeifahren. Magdalena lächelte unter ihrem Helm vor sich hin. Erst diese Vorstellung gab ihr das Gefühl, nicht als kleiner Punkt auf einer orange eingezeichneten Küstenstraße zu existieren, sondern wirklich dort zu sein. Sie wusste, dass Nina neuerdings jeden Nachmittag in Cavoli lag, die Bucht von Fetovaia war bei ihr abgemeldet, zu viele Leute dort, hatte sie gesagt. Wahrscheinlich Bewunderer, die ihr auf die Nerven gingen. Vor zwei Tagen hatte Nina per SMS bei Magdalena angefragt, ob sie nicht auch nach Cavoli kommen wollte, doch nachdem sie Roberto mit dem Strohhut flirten gesehen hatte, hatte sie keinen Drang mehr verspürt, sich in der prallen Sonne im Sand auf einem Handtuch zu drehen. Nun aber wollte sie plötzlich gebräunte Haut, sie verzichtete darauf, genauer über die Gründe für diesen Sinneswandel nachzudenken. Roberto schaffte es mit seinen beiläufigen Bemerkungen immer wieder aufs Neue, ihre aufgeräumten, ordentlich auf Kante zusammengelegten Gedanken wie T-Shirts auf dem Wühltisch durcheinanderzuschmeißen. Jedes Mal, wenn sie aus seinem Bett kam, fühlte sie sich zufrieden, wunderbar verdorben und frei. Dieses Gefühl hielt nur leider nicht lange an. Vor einigen Minuten hatte sie noch triumphiert, ihm nicht von ihren spärlichen Liebeserfahrungen erzählt zu haben, und nun bereute sie es schon wieder. Sie widerstand ihm ab und an und spielte die Unabhängige, Starke, doch kurze Zeit später, wenn er seine Aufmerksamkeit von ihr abzog, lechzte sie nach mehr, wie ein vertrockneter Zitronenbaum nach Wasser, so ähnlich jedenfalls … Was für ein dummes Spiel.
Mit angezogener Bremse fuhr sie die steile Straße hinunter in die Bucht und stellte den Roller am Rande des Parkplatzes unter einer Schirmpinie ab.
 
Die Bucht war nicht sehr breit, Magdalena durchquerte das Strandcafé und schaute sich um. Rechts waren blaue lettini aufgestellt, abgegrenzt durch dicke Taue bildeten sie eine Phalanx von Schirmen, Liegen und Tischchen, dahinter waren die Umkleidekabinen. Sogar ein Drehkreuz aus Holz gab es, das man passieren musste, um dort hineinzukommen.
Links dagegen lag man auf Handtüchern im Sand, die Borten der Sonnenschirme flatterten im Wind. Magdalena packte ihre Strandtasche und stapfte durch den feinen Sand an den Liegen vorbei, hinten bei den Steinen, die die Bucht begrenzten, war es ganz leer, dort wollte sie ihr Lager aufschlagen und Nina später suchen gehen.
Das Wasser war kalt, aber schon nach wenigen Schwimmzügen hatte sie sich daran gewöhnt, es ließ ihren Kopf klar und wach werden. Ohne Schwimmbrille war es allerdings nicht ratsam, die Augen zu öffnen, blind schwamm sie ein Stück hinaus. Das Salz brannte in ihrem Mund, unter ihr war es wahrscheinlich schon recht tief. Beunruhigt kraulte Magdalena weiter, wie tief war recht tief? Zehn Meter, hundert Meter? Allein die Vorstellung, keinen hellblau gekachelten Boden unter sich zu haben, zog sie hinab, sie drehte sich auf den Rücken und schaute über den Strand in den Berghang hinauf. Zwischen kargen Felsen und versprengtem Grün guckten einige rote Terrakottadächer hervor, Ginster blühte in leuchtendem Gelb, und über allem spannte sich der blaue Himmel. Es war viel zu trocken, im Mai hatte es kaum geregnet, und auch in den drei Wochen, in denen sie nun schon hier war, war kein Tropfen gefallen.
 
Magdalena schwamm zurück und ließ sich erschöpft auf ihr Handtuch fallen, nur ein paar Wochen ohne Training, und schon hatte sie keine Kondition mehr. Die Sonne wärmte ihre nasse Haut, sie schloss die Augen und zwang sich, alle störenden Gedanken auszuschalten. Robertos massierende Hände und die Strohhutfrau, weg mit den beiden, auch Olmos spitze Eckzähne, die sie immer noch nicht gesehen hatte, verdrängte sie. Die Tage verflogen, bald war ein ganzer Monat um, nur nicht daran denken. Aber was war mit Nina, sie wollte doch nach Nina suchen … nicht jetzt, sei einfach mal faul, tue nichts, genieße jeden Augenblick! Langsam britzelten die Sonnenstrahlen die restlichen Wassertropfen von ihrer Haut, sie döste vor sich hin, da betrat jemand ganz leise und leicht ihr Handtuch. Magdalena öffnete die Augen und blinzelte in die Sonne. Ein mopsiger, ungefähr zweijähriger Junge hatte seine dicken Füßchen dicht neben ihre Hüfte gestellt und sah interessiert auf sie herunter. Magdalena setzte sich auf. »Ciao, chi sei?«, fragte sie lächelnd, aber der Kleine wollte nicht verraten, wer er war. Sie rückte beiseite und machte ihm Platz. Er stand einen Moment unbeweglich da, dann bekam er plötzlich ganz glasige Augen, und sein nur mit einem dunklen Haarflaum bedeckter Kopf wurde puterrot. Er pupste vernehmlich laut, und schon floss ein Bach aus seiner winzigen 101-Dalmatiner-Badehose an seinem Bein herab. Kein Pipi! Braun und wässrig wurde es von ihrem Handtuch aufgesogen. Magdalena sprang auf und packte den Kleinen vorsichtig unter den Armen, er war schwerer, als sie gedacht hatte. Sie hielt ihn ein wenig von sich ab und schaute in die Runde: Vermisste vielleicht jemand das Durchfallmonster, das ihr zugelaufen war? Er blickte hoch, und in seinen Augen lag solch ein grenzenloses Vertrauen zu ihr, dass ihr ganz warm in der Brust wurde und sie ihn noch höher hob. Der Kleine strampelte ein bisschen mit den Beinen, als ob er langsam Fahrrad fahren wollte, er gluckste, es gefiel ihm offenbar, mit seinen Füßen über dem Sand zu schweben. Fast hätte sie ihm einen Kuss auf seinen runden flaumigen Kopf gedrückt. Als ich in seinem Alter war, lebte meine Mutter schon nicht mehr. Ob ich Oma Witta und Opa Rudolf auch so angeschaut habe wie er mich jetzt, nur weil sie sich um mich kümmerten? Wie schnell habe ich mich an sie gewöhnt? Ob ich am Anfang sehr geweint habe? Oder einfach vertrauensvoll die nächste Hand ergriffen habe, die sich mir bot? Auf einmal war Magdalena zum Heulen zumute, das kleine Kind, das sie selbst einmal gewesen war, tat ihr schrecklich leid.
»Diego!«, rief die junge Frau in dem zu engen rosa Bikini erleichtert und eilte auf sie zu, ihr Bauch, ihre Schenkel, alles an ihr wippte und wackelte. Magdalena verharrte mit Diego in der Luft, schnell warf sie einen Seitenblick auf ihr Handtuch, das konnte sie vergessen, bei Roberto gab es keine Waschmaschine, und auf Handwäsche hatte sie bei dieser Materie keine Lust. Die rosa Bikini-Frau folgte Magdalenas Augen, schaute dann auf Klein-Diegos Dalmatinerhöschen und nahm ihn in derselben gespreizten Haltung mit einem dankbaren Lächeln aus ihren Armen entgegen.
»Amore, Diego«, schnatterte sie los, »was hast du denn da gemacht …?« Sie lachte verlegen auf, wurde dann aber ernst: »Das tut mir leid, ich lass das waschen, ach was, ich kaufe Ihnen ein neues, das ist mir wirklich furchtbar unangenehm!«
»Nein, das macht doch nichts, kein Problem!«, antwortete Magdalena automatisch und freute sich: Ihr Italienisch wurde immer besser.
»Sie sind doch hier im Urlaub, Sie haben sicher keine Waschmaschine?«
»Das stimmt«, gab Magdalena zu und bereute es sofort.
»Ich kann Sie doch nicht so stehen lassen. Ach, Diego, was hast du getan, mein kleiner …« Sie gebrauchte ein italienisches Wort, was wahrscheinlich so viel wie Kacker, Hosenscheißer oder Held bedeutete. Zumindest strahlte sie ihn an wie einen Helden und ließ ihn endlich wieder hinunter in den Sand. Sofort senkte er seinen glatten Murmelkopf und rannte wie ein Stier auf das Wasser zu. Die Frau setzte ihm hinterher, Magdalena folgte den beiden im langsameren Laufschritt.
»Gib mir die Hand, Diego!« Diego wollte keine Hand geben, sondern ließ sich auf den nassen Sand an der Wasserkante fallen und wurde von seiner Mama sofort wieder hochgezogen. Vielleicht ist es ihr peinlich, sein Kinderkacka jetzt im Meer vor mir abzuspülen, dachte Magdalena und beschloss, eine Zeit lang mit dem Schwimmen auszusetzen.
»Meine Mutter hat eine Pension, die wäscht sowieso den ganzen Tag Handtücher. Wissen Sie, was, ich nehme das Handtuch mit und bringe es Ihnen ins Hotel!« Während sie mit dem ins Wasser drängenden Diego kämpfte, schaffte sie es, Magdalena kräftig die Hand zu schütteln. »Ich bin übrigens Sonia!«
»Angenehm!« Auch Magdalena stellte sich vor. Ihr gefiel diese Frau mit den energischen Bewegungen, deren Körper vielleicht noch von der Schwangerschaft und guter Pizza einige Kilos zu viel aufwies, aber dennoch zu ihr passte. Sonia war jünger als sie, bestimmt noch keine dreißig.
»Ich arbeite abends in der Bar Elba in Procchio, es ist zwar nicht nötig, aber wenn Sie unbedingt wollen, können Sie das Handtuch dort abgeben.«
»Procchio!? Meine Mutter wohnt da! Kennen Sie die Pension Natale?« Magdalena verneinte. Sonia zog Diego wie einen Ackerpflug im Sand hinter sich her.
»Bar Elba! Buonissimo!«, sagte sie außer Atem, als wieder an Magdalenas Liegeplatz angekommen waren. »Ich bringe das Handtuch, sobald es wieder sauber ist! Und er wieder sauber ist!« Sie lachte, rollte Magdalenas Badelaken vorsichtig zu einem Paket zusammen, nahm es in die eine und Diego an die andere Hand und zog von dannen.
 
»Magdalena, ciao, da bist du ja, gibt’s Probleme?« Nina winkte von einer der letzten blauen Liegen herüber, sie hatte ihre Unterhaltung mit Diegos Mutter bestimmt beobachtet. Nein, leider keine Probleme, die du lösen könntest, Nina, dachte Magdalena, freute sich aber dennoch, sie zu sehen.
»Hej, cooler Bikini!«, rief Nina noch lauter über den Strand. »Holger hat mir schon davon erzählt, komm zu uns, hier ist noch was frei!« Magdalena nahm ihre Korbtasche und ging hinüber, Nina stand auf und küsste sie auf beide Wangen.
»Hier, komm unter den Sonnenschirm, leg dich da drauf, ich habe auch noch ein Handtuch!« Evelina räumte die Liege neben sich frei und cremte dann weiter an ihrem Gesicht herum.
»Also, wie war er, was hat er gesagt, du warst ja gestern im Giramondo, oder?«
Heute ist sie wieder gut drauf, wie kommt das? Magdalena setzte sich.
»Also, ich war gestern wirklich da. Aber es war schwierig, vielleicht kannst du nächstes Mal mitkommen, allein kriege ich nichts aus ihm raus.«
»Aber ist er es, oder ist er es nicht?«
»Vom Gefühl her würde ich sagen, er ist es! Er hat sich komisch benommen, als ich ihn nach einer Heidi fragte, hat sofort alles abgeblockt und ist ganz hektisch herumgerannt.«
»Wisst ihr, wer es auch noch sein könnte?«, unterbrach Evelina. »Marco, dem da oben in Portoferraio das Caffescondido gehört. Der ist so toll, und er hat genau dieses Lächeln wie der Junge auf dem Foto! Und damals hat der bestimmt auch schon alle Mädels vernascht, also ehrlich, er ist immer noch…« Den Rest von Evelinas Ausführungen verstand Magdalena leider nicht.
»Was heißt denn ›un gran figo‹
Nina antwortete nur zögernd. »Äh, auf Deutsch würde man vielleicht sagen, er sieht noch immer dermaßen geil aus …« Auf Italienisch fuhr sie fort: »Evelina, wir suchen nur ihren Vater
»Ja, was denn!? Das weiß ich doch, ihr sucht nach tollen Typen im richtigen Alter, der ist auch uralt, bestimmt schon fast fünfzig!« Magdalena musste innerlich lachen, Evelina schwärmte für jeden auch nur halbwegs gut aussehenden Mann und unternahm alles, um ihre Auserwählten gehörig zu verschrecken, indem sie ihnen sofort und viel zu nah auf die Pelle rückte.
»Grazie, Evelina! Man kann nie wissen, ich werde ihn mir auf jeden Fall angucken.«
»Dann komme ich aber mit! Ich bin total verknallt in den!«
»In meinen Vater?« Nina und Magdalena prusteten gleichzeitig los.
»Wie geht es denn so in der Bar?«, fragte Nina ein paar Minuten später träge unter dem Schirm ihrer Baseballkappe hervor. Magdalena erzählte von Cristina, die jetzt bei ihnen eingestellt worden war, ein Mädchen extra nur für die Eistheke, die den ganzen Abend Waffeln und Pappbecher mit Eiskugeln befüllte und Franco von dieser zeitaufwendigen Arbeit befreite.
»Sie kommt aus Livorno und ist ganz nett, ich verstehe sie allerdings kaum, ihr Dialekt ist heftig, und sie spricht rasend schnell mit mir. Ich bereite ihr jeden Abend den Obstsalat für den Mangia&bevi-Becher vor.«
»O ja, einen von euren Mangia&bevi-Bechern, den hätte ich jetzt gern«, stöhnte Nina genießerisch mit geschlossenen Augen, »aber mit Rahm!«
»Es ist anstrengender, als ich dachte«, fuhr Magdalena fort, »jetzt haben wir immer bis eins auf, und ich verschlafe den ganzen Vormittag.«
Nina blinzelte in die Sonne und zupfte an ihrem Bikinihöschen. »Bei uns ist es noch ruhig. Nur am letzten Wochenende war es richtig voll. Aber kein Vergleich zum August.«
»Wie ist es, im, im … in dem anderen Laden zu arbeiten?«
»Im Club 64
Magdalena seufzte: »Ich vergesse immer den Namen, scusa
Nina stützte sich auf ihre Ellbogen: »Ist doch ganz einfach: neunzehnhundertvierundsechzig ist das Ding als erste Freiluftdiskothek in ganz Italien eröffnet worden. Deshalb Club 64, auf Italienisch: sessanta-quattro.« Magdalena wiederholte den Namen flüsternd ein paarmal.
»Werde ich mir ab jetzt merken können, danke!«
»Es läuft gut, absolut gut. Laura ist auf Draht, ihr Bruder Daniele total nett und ziemlich g’scheit, die beiden haben uns sogar einen Vorschuss angeboten.«
»Hast du ihn angenommen?«
»Nein, brauch ich nicht«, sagte Nina abwesend, während sie in ihrer Tasche nach etwas kramte. Brauch ich nicht, das bedeutet, sie hat nicht nur eine Wohnung in Rom, sondern auch reichlich Geld, überlegte Magdalena.
 
Gegen sechs machte sie sich auf den Heimweg.
»Morgen wieder hier?«, rief Nina ihr nach. »Oder komm doch vor der Arbeit mal zu uns ins POLO.« Magdalena nickte und nahm sich vor, Matteo bei der Gelegenheit endlich nach Ninas Vergangenheit zu fragen. ›Mehr kann ich dir im Moment nicht erzählen‹, hatte er im Zitronengarten gesagt, aber vielleicht jetzt, wann auch sonst? In einer Woche fuhr sie doch schon wieder nach Hause.
Magdalenas Garten
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