Anmerkung des Autors
Nur Schottland und Rußland haben aus dem Mittelalter ein so reiches Erbe an Volkssagen wie Dänemark. Anderswo ist das meiste verlorengegangen. Es ist ein Jammer, daß so wenige Leute außerhalb dieses Landes Dänisch lesen können. Zweifellos bewundern Sie ebenso wie ich »Die Schlacht von Otterbourne«, aber der gleiche Stahl ist in »Marsk Stig«. Saftigen Humor finden wir sowohl in »Steh auf und schließ die Tür« als auch in »Lave und Jon«, Grausamkeit und Düsternis in »Die Twa Corbies« und »Valdemar und Tove«, Tod und Gericht in »Gesang bei der Totenwache« und »Königin Dagmars Tod«, Liebe, die über den Tod hinausgeht, in »Schreiber Saunders« und »Aage und Else« (letzteres ebenfalls das Motiv von »Das Grab ohne Ruhe« enthaltend). In »Tam Lin« und »Germand Gladensvend« können wir einen furchterregenden Blick auf das Übernatürliche werfen, einen poetischen in »Tom der Reimer« und »Der Seejungfrau Prophezeiung«. Diese Aufzählung läßt eine Anzahl von Geschichten aus, die ebenso gut sind.
Das gilt besonders für Sagen, die sich mit der Anderen Welt, der Halbwelt, dem Feenreich, wie Sie es auch nennen wollen, beschäftigen. Hier besitzen die Dänen viele herrliche alte Verserzählungen. Ein Juwel unter ihnen ist »Agnete og Havmanden« (»Agnete und der Wassermann” ; der Taufname ist eine Version von »Agnes«).
Zufällig ist diese Geschichte ziemlich jungen Datums; in seinem klassischen Essay über diese Sammlungen nennt Axel Olrik sie postmediäval. Er setzt hinzu, daß sie auch nicht einheimischen Ursprungs ist, sondern eine deutsche Quelle hat, die wiederum auf eine slawische Legende zurückgeht. Der nordische Sänger verlegte den Ort der Handlung nach England. Doch ansonsten war sein (oder ihr) Werk keine bloße Nacherzählung, sondern eine neue und ganz und gar dänische Schöpfung. Im neunzehnten Jahrhundert inspirierte sie Matthew Arnold, das schöne Gedicht »Der verlassene Wassermann« zu schreiben.
In Anbetracht all dessen fühle ich keine Schuld, daß ich mir ein paar eigene Freiheiten genommen habe. Die Heimat Agnetes und ihres Liebhabers wurde nach Dänemark zurückverlegt, wohin sie gehört, und ihre Zeit ein wenig willkürlich – ein paar hundert Jahre früher angesetzt. Im Gegensatz zur Sage lasse ich sie ihm ebenso Töchter wie Söhne gebären; schließlich klingt das wahrscheinlicher als sieben Jungen hintereinander.
Was die Glaubwürdigkeit der ganzen Erzählung betrifft: Fantasy-Romane gehen per definitionem von bestimmten Annahmen aus, die nicht der Wirklichkeit entsprechen. Der Hintergrund hier ist katholisch, aber die Religion entspricht nicht der Theologie des Thomas von Aquin. Vielmehr ist es die naive, halbheidnische Mythologie der Bauern und Seefahrer im frühen vierzehnten Jahrhundert, als sich Dänemark einer kurzen Ruhepause während einer langen Zeit der Kriege im In- und Ausland erfreute.
Ich habe versucht, bei den Menschen und ihrer Umgebung genau zu sein. Zwei Personen, Bischof Johan Kvag und Ban Pawel Subitsch, sind historisch.
Diejenigen, die Jugoslawien besucht haben, werden sich erinnern, daß Dalmatien beinahe baumlos ist. Doch im Mittelalter waren die Wälder dort ebenso berühmt wie die Zedern des Libanon zu Salomos Zeiten.
Das Klima war überall kälter als heute und wurde ständig schlechter. Einen Höhepunkt brachte die »kleine Eiszeit«, die von etwa 1430 bis 1850 herrschte.
Bei der Beschreibung der Lage und des Schicksals der norwegischen Siedlungen auf Grönland bin ich in großen Teilen Farley Mowats Buch Westviking gefolgt. Seine Rekonstruktion ist widersprüchlich, ergibt aber in meinen Augen sehr viel Sinn. So hat es den Anschein, daß Angehörige der Dorset-Kultur Grönland schon sehr früh erreichten und dann von den Eskimos ersetzt oder vertrieben wurden. Es scheint keinen Zweifel daran zu geben, daß diese Eskimos später eintrafen als die Norweger, die keine Bewohner vorfanden (falls nicht möglicherweise ein paar Iren), als sie das südliche Ende der Insel betraten. Für die Anfangsszene im Vierten Buch, Kapitel 1, bin ich besonders Peter Freuchens Bericht über eine ähnliche Begebenheit in seinem Arctic Adventure verpflichtet.
Ich kenne keinen unmittelbaren Beweis, daß es vor dem Ende des vierzehnten Jahrhunderts die »Hulk« genannte Schiffsklasse oder an Wanttauen festgemachte Webeleinen oder Krähennester an der Spitze des Mastes gegeben hat. Aber Seeleute sind immer sehr konservativ gewesen, nicht ohne Grund. Mir kommt es wahrscheinlich vor, daß solche neuen Erfindungen von Schiffseignern mit Pioniergeist hier und da schon Generationen früher in Gebrauch gewesen sind, bevor sie so weitverbreitet wurden, daß Maler sie abbildeten. Das gleiche gilt für andere Dinge wie zum Beispiel Brillen.
Für die freundliche Mitwirkung und Hilfe bei bestimmten technischen Fragen und guten Rat danke ich im besonderen Karen Anderson, Mildred Downey Broxon, Dorothy Heydt und Jerry Pournelle. Sie sind nicht für die Irrtümer und Ungeschicklichkeiten verantwortlich, die noch übriggeblieben sind.
Das Folgende befaßt sich mit Schreibweise und Aussprache. Unvermeidlicherweise ist das ein trockener Stoff; vielleicht möchten Sie sich damit befassen, vielleicht auch nicht.
Die dänischen Namen, die in der Geschichte wichtig sind, werden ungefähr wie folgt ausgesprochen:
Agnete: Ou-nie-te; Asmild: Äss-miel; Dagmar: Doa-mar; Ingeborg: Ing-eh-bor; Knud: Knuth (th wie im Englischen this); Kvag: Kvä; Margrete: wie im Deutschen; Ranild: Rän-iel; Roskilde: Rosskiel-eh; Viborg: Vi-bor.
Im allgemeinen: Der Doppellaut aa kann – ungenau, aber zu erkennen – als offenes o wiedergegeben werden. Die Kombination von a und e würde im Dänischen als ein Buchstabe geschrieben werden, doch der Einfachheit halber wurden in diesem Buch zwei getrennte Buchstaben benutzt; die Aussprache ist ä. Das End-e ist nicht stumm, sondern wird ausgesprochen, wie Sie schon in einigen der oben erwähnten Namen Testgestellt haben werden. Das y entspricht dem deutschen ü.
Ich habe Ihrer und des Druckers Bequemlichkeit wegen noch ein paar andere Schreibweisen abgeändert, vor allem die Nachsilbe, die »Sohn von« bedeutet und hier in ihrer modernen Form -sen wiedergegeben ist.
Noch mehr Freiheiten habe ich mir, um Fußnoten zu vermeiden, bei den kroatischen Namen erlaubt, obwohl dadurch zum Beispiel der Familienname »Subitsch« völlig anders geschrieben ist als in seiner eigenen Sprache.
Wir haben kein Äquivalent für das als Silbe gesprochene r wie in »Hrvatska«, doch wenn Sie wollen, können Sie es als -ör wiedergeben.
Namen von Halbweltgeschöpfen und ihren Wohnorten können, da frei erfunden, vom Leser natürlich in jeder Art ausgesprochen werden, die ihm gefällt. Ich selbst stelle sie mir natürlich so vor, als habe ein Skandinavier sie transkribiert.
Poul Anderson