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Die Delphine versammelten sich. Nach der Sitte des Seevolks ließen Tauno und Eyjan ihren Bruder bei ihnen. Sie hatten ihm die Augen geschlossen, die Hände gefaltet und das Messer fortgenommen – Stahl, der zu rosten begann – , damit es als etwas, das ihn gekannt hatte, weiter benutzt werde. Jetzt schickte es sich, daß er das letzte Geschenk machte, das er zu vergeben hatte, nicht den Meeraalen, sondern denen, die seine Freunde gewesen waren.

Die Halbblutkinder zogen sich ein Stück zurück, während die langen blaugrauen Gestalten Kennin umkreisten – sehr ruhig, sehr behutsam – , und sie sangen über den abendlichen Ozean hinweg das Abschiedslied, das so endet:

 

Weit in der Welt mit den Wolken nun wandere,

Das, was einst dein war, wird dich überdauern.

In Gischt und in Glanz sei dein Geist unvergänglich,

Dein Fleisch in Delphinen und Fischen und Vögeln.

Bring der Gebärerin Blut und Gebeine.

Geliebter:

Der Himmel nehme dich.

Die See nehme dich.

Uns wird der Abendwind an dich erinnern.

 

»Oh, Tauno, Tauno«, weinte Eyjan. »Er war noch so jung!«

Er drückte sie an sich. Die niedrigen Wellen schaukelten sie. »Undurchschaubar sind die Nornen«, sprach Tauno. »Er hat einen guten Abgang gehabt.«

Ein Delphin kam zu ihnen und fragte auf Delphinweise, wie sie ihnen noch helfen könnten. Es hätte keine Schwierigkeit gemacht, das Schiff zurückzuhalten, zum Beispiel durch Zerschmettern des Ruders. Dann konnten sie Rache nehmen.

Tauno sah zu der Kogge hin, die mit gerefften Segeln ruhig am Horizont lag.

»Nein«, erklärte er, »sie haben Geiseln. Aber irgend etwas muß geschehen.«

»Ich schneide Herrn Ranild den Bauch auf«, drohte Eyjan, »und binde das Ende seines Darms an den Mast und jage ihn ringsherum, bis er sich festgewickelt hat.«

»Ich halte ihn so vieler Mühle kaum für wert«, entgegnete Tauno. »Doch gefährlich ist er. Es ist kein Kinderspiel, das Schiff anzugreifen, entweder mit den Delphinen oder indem wir uns von unten von Planke zu Planke vorarbeiten. Andererseits mag es unmöglich sein, es zu entern. Trotzdem müssen wir es versuchen, für Yria, Ingeborg und Niels. Komm, wir müssen essen – unsere Vettern werden uns etwas fangen – und uns ausruhen. Wir haben unsere Kräfte verbraucht.«

Kurz nach Mitternacht erwachte Tauno erquickt. Die Trauer hatte ihn nicht verlassen, aber seine Gedanken kreisten vor allem um Rettung und Rache.

Eyjan schlief noch, eingehüllt in eine Wolke ihres Haars. Seltsam, wie unschuldig, beinahe kindlich ihr Gesicht geworden war mit den leicht geöffneten Lippen und den langen Wimpern auf den Wangenknochen. Um sie schwammen die Wache haltenden Delphine. Tauno küßte sie auf die Einbuchtung, wo die Kehle in die Brust überging, und schwamm leise davon.

Es war eine helle Nacht des nordischen Sommers. Oben glühte der Himmel, und in dem Zwielicht sahen die Sterne klein und schwach aus. Das schimmernde Wasser bewegte sich kaum. Über dem tieferen, kaum spürbaren Zug der Gezeiten glucksten die Weilchen. Die Luft war still, kühl und feucht.

Tauno schwamm zur Herning. Er umkreiste sie so verstohlen wie ein Hai. Niemand schien am Ruder zu stehen, aber auf beiden Seiten des Hauptdecks hielt je ein Mann Wache – die Piken schimmerten – und ein dritter war im Krähennest. Die Laternen waren nicht angezündet, damit sie ihre Augen nicht blendeten. Das bedeutete, drei waren unten. Sie wachten ununterbrochen. Ranild war vor seinen Feinden auf der Hut.

Doch genügte, was er tat? Die Reling lag mitschiffs kaum einen Faden über dem Wasser. Es war möglich hinaufzuklettern ...

Und vielleicht einen Mann oder zwei zu töten, bevor der Lärm alle übrigen herbeirief. Das hatte keinen Sinn. Vanimens Kinder hatten schon einmal die ganze Mannschaft geschlagen, aber damals hatte kein Seemann eine andere Waffe als sein Messer gehabt, und einen richtigen Kampf hatte im Grund niemand gewollt. Es war ja auch – sobald Oluv aus dem Weg geschafft war – kein Kampf auf Leben und Tod gewesen.

Außerdem war Kennin nicht mehr.

Tauno ließ nur den Kopf bis zu den Augen aus dem Wasser sehen und wartete darauf, daß irgend etwas geschah.

Endlich hörte er Schritte, und der Mann, der an Steuerbord dunkel vor dem Himmel aufragte, rief: »Sieh an, lechzt du schon nach uns?«

»Du bist auf Wache, denke daran«, antwortete Ingeborgs Stimme – so schleppend, so ganz und gar leer! »Ich würde die Zähne zusammenbeißen und dich verführen, wenn ich glaubte, der Skipper ließe dich auspeitschen, weil du deinen Posten verlassen hast. Aber soviel Glück werde ich nicht haben. Nein, ich habe den Schweinestall im Frachtraum verlassen, um einen Atemzug frische Luft zu schöpfen und dabei zu vergessen, daß auch hier widerwärtige Schweine sind.«

»Sei vorsichtig, du Hure. Du weißt, wir können keine Zeugen am Leben lassen – auch dich nicht. Aber es gibt verschiedene Todesarten.

»Und wenn du zu frech wirst, warten wir mit dir nicht bis zu der letzten Nacht auf See«, fiel der Mann auf der Backbordseite ein. »Mit dem Gold kann ich mir mehr Huren kaufen, als ich bedienen kann, was kommt es da noch auf Stockfisch-Ingeborg an?«

»Aye, piß auf sie«, rief der Mann im Krähennest und versuchte, es zu tun. Sie floh weinend unter das Achterdeck. Gelächter heftete sich ihr an die Fersen.

Tauno war einen Augenblick wie erstarrt. Dann tauchte er geräuschlos unter und schwamm zum Ruder.

Es war mit rauhen Seepocken und schleimigen Algen besetzt und schlecht anzufassen. Tauno hob sich langsamer und vorsichtiger empor als beim Auskundschaften des Krakenlagers. Da das Schiff gierte, befand sich die Ruderpinne ungefähr acht Fuß über ihm, in der Höhle, die das obere Deck bildete. Tauno faßte die Achse mit beiden Händen, krümmte sich, zwängte die Zehen zwischen die Achse und Rumpf und legte sein Gewicht auf eine Planke. In einer fließenden Bewegung, ohne zusammenzuzucken, als die Bronze sich in sein Fleisch grub, schwang er sich so weit auf, daß er die Finger um die Reling am Achterdeck schließen konnte. Er hakte das Kinn nach und zog sich hoch.

»Was war das?« rief ein Seemann auf dem dämmerigen Hauptdeck.

Tauno wartete. Das Wasser, das von ihm abtropfte, machte kein lauteres Geräusch als die Weilchen, die an den Rumpf klatschten. Ihm war kalt.

»Ach, ein verdammter Delphin oder etwas Ähnliches«, ließ sich ein anderer Mann hören. »Bei Christi Bart, ich werde froh sein, wenn wir diesen unheimlichen Ort verlassen!«

»Was ist das zweite, was du an Land tun willst?« Die drei begannen ein zotiges Gespräch. Tauno schlich sich zu Ingeborg. Sie hatte einmal scharf Luft geholt, als sie ihn vor dem silberdunklen Himmel entdeckte. Danach hatte sie sich ganz ruhig verhalten, abgesehen davon, daß ihr Herz wild flatterte.

In der Finsternis unter dem Achterdeck zog er sie an sich. Selbst in diesem Augenblick spürte er ihre festen Rundungen, den warmen Duft, das Kitzeln ihres Haars an seinen Lippen, die er ihrem Ohr näherte. Aber er flüsterte nur: »Wie geht es an Bord? Lebt Niels?«

»Bis morgen.« Sie konnte nicht mit der gleichen Standfestigkeit antworten, die Eyjan gezeigt hätte, aber sie hielt sich gut. »Sie hatten uns beide gebunden und geknebelt, weißt du. Mich wollen sie noch eine Weile behalten – hast du es gehört? So lasterhaft sind sie nicht, daß Niels irgendeinen Nutzen für sie hätte. Er liegt jetzt gebunden unten. Sie sprachen vor seinen Ohren darüber, was sie mit ihm tun sollten. Schließlich meinten sie, am meisten Spaß würde es ihnen machen, wenn sie ihn morgen früh an der Rahnock zappeln sähen.« Ihre Fingernägel gruben sich in seinen Arm. »Wenn ich keine christliche Frau wäre, wie gut wäre es dann, über Bord in dein Meer zu springen!«

Er erfaßte die Bedeutung ihrer Worte nicht. »Tu es nicht. Ich könnte dir nicht helfen, und du würdest, wenn an nichts anderem, an Unterkühlung sterben ... Laß mich nachdenken, laß mich nachdenken ... Ah.«

»Was?« Er spürte, wie sie sich bemühte, nicht zu hoffen. »Kannst du Niels ein Wort zukommen lassen?«

»Vielleicht wenn sie ihn an Deck bringen. Sie werden mich bestimmt zwingen, dabei zuzusehen.«

»Nun ... wenn du sicher bist, daß niemand sonst es hören kann, sag ihm, er soll Mut fassen und sich zum Kampf bereithalten.« Tauno überlegte eine Minute lang. »Wir müssen dafür sorgen, daß ihre Augen vom Wasser abgelenkt werden. Wenn sie dabei sind, Niels den Strick um den Hals zu legen, soll er sich so heftig wehren, wie er kann. Und du läufst herbei und kratzt, beißt, trittst, schreist.«

»Meinst du ... glaubst du ... wirklich ... Alles, ich werde alles tun. Gott ist gnädig, daß Er ... Er läßt mich im Kampf an deiner Seite sterben, Tauno.«

»Das nicht! Setze dein Leben nicht aufs Spiel. Wenn ein Messer gegen dich gezückt wird, ergib dich, flehe um dein Leben. Und gehe in Deckung, sobald der Kampf losbricht. Ich brauche nicht deinen Leichnam, Ingeborg. Ich brauche dich.«

»Tauno, Tauno.« Ihr Mund suchte den seinen.

»Ich muß gehen«, hauchte er ihr ins Ohr. »Bis morgen.«

Er kehrte ebenso vorsichtig ins Meer zurück, wie er es verlassen hatte. Da seine Umarmung ihr zerlumptes Kleid naßgemacht hatte, dachte Ingeborg, am besten bleibe sie, wo sie war, bis es trocknete. Schlafen würde sie sowieso nicht können. Sie fiel auf die Knie. »Ehre sei Gott in der Höhe«, stammelte sie. »Gegrüßt seist du, Maria, voll der Gnade ... oh, du bist eine Frau, du wirst es verstehen ... der Herr ist mit dir ...«

»He, da drinnen!« rief ein Seemann. »Hör auf mit dem Gewinsel! Hältst du dich für eine Nonne?«

»Wie gefalle ich dir als himmlischer Bräutigam?« grölte der Ausguck vom Mast herunter.

Ingeborgs Stimme verstummte, ihre Seele nicht. Und nach kurzer Zeit drehten die Wachtposten die Köpfe in eine andere Richtung. Delphine kamen an das Schiff, zwei Dutzend, und kreisten und kreisten. In der hellen Nacht hinterließen sie eine deutliche Schaumspur. Sie waren unheimlich ruhig; ihre Rückenflossen standen hoch wie scharfe Waffen, die Schnäbel grinsten, die kleinen Augen rollten in boshafter Lust.

Die Männer riefen Ranild aus seiner Koje. Mit finsterem Gesicht zupfte er sich am Bart. »Das gefällt mir nicht«, brummte er. »Hahn des Heiligen Petrus, wie wünschte ich, wir hätten die beiden letzten von dem Fischvolk aufgespießt! Sie planen Böses, davon bin ich überzeugt ... Allerdings bezweifele ich, daß sie versuchen werden, die Kogge zu versenken, denn wie sollten sie dann das Gold wegbringen? Ganz zu schweigen von ihrer Freundin, der Hure.«

»Sollten wir Niels vielleicht vorläufig auch noch am Leben lassen?« fragte Sivard.

»Hm-m-m ... nein. Zeigen wir den Bastarden, daß wir es ernst meinen. Ruft über das Wasser hin, daß Stockfisch-Ingeborg sich auf Schlimmeres als Hängen gefaßt machen kann, wenn sie uns noch länger belästigen.« Ranild benetzte einen Finger und hob ihn. »Ich fühle eine Spur von Wind. Wahrscheinlich können wir morgen früh lossegeln, sobald wir mit Niels fertig sind.« Er zog sein Kurzschwert und schwang es gegen die kreisenden Delphine. »Hört ihr? Schleicht euch zurück in eure Unterwasserhöhle, seelenlose Dinger! Ein christlicher Mann will nach Hause fahren!«

Die Nacht verging. Die Delphine taten nichts anderes, als daß sie rings um das Schiff schwammen. Schließlich gelangte Ranild zu der Überzeugung, mehr zu tun seien sie nicht fähig, seine Feinde hätten sie in der ohnmächtigen Hoffnung, sie könnten etwas erfahren oder in noch ohnmächtigerem Zorn geschickt.

Der Wind frischte auf. Die Wellen wurden kabbelig und schlugen lauter gegen den Schiffsrumpf, der zu schaukeln begann. An den blassen Sternen vorbei flog unerklärlicherweise ein Zug wilder Schwäne.

Die Sterne verblaßten im frühen Sommermorgen. Im Osten wurde der Himmel weiß. Im Westen blieb er silberblau und trug einen geisterhaften Mond. Die Kuppen der Wellen schmolzen unter dem Licht, die Täler waren purpurn und schwarz. Überall schimmerte und funkelte die See in einem Grün, das der Farbe bestimmter alchimistischer Flammen glich. Das Wasser brodelte und spritzte Schaum. Der Wind pfiff durch die Wanten.

Männer zwangen Niels mit den Spitzen ihrer Piken, die Bugleiter aus dem Frachtraum hinaufzusteigen. Seine Hände waren ihm auf den Rücken gebunden, was ihm das Klettern schwermachte. Zweimal fiel er, zu ihrem lauten Ergötzen. Seine Kleider waren blutbefleckt und stanken, aber sein flatterndes Haar und sein dauniger Bart fingen den Glanz der noch unsichtbaren Sonne ein. Er spreizte die Beine weit ge gen das Rollen des Schiffs und trank tief die feuchte, wilde Luft ein.

Torben und Palle hielten Wache an den Schanzkleidern. Lave und Tyge bewachten den Gefangenen. Ingeborg stand auf der Seite, das Gesicht ausdruckslos, ein Glosen in den Augen. Unerschrocken blickte Niels auf Ranild. Der Skipper hielt die Schlinge eines Taus in der Hand, das über die Rahnock lief. »Da wir keinen Priester haben«, sagte der Junge, »wirst du mich da noch ein Vaterunser sprechen lassen?«

»Warum?« fragte der Skipper mit Nachdruck.

Ingeborg trat näher. »Vielleicht kann ich dir die Beichte abnehmen.« »He?« Ranild war verblüfft. Gleich darauf begannen er und seine Männer zu wiehern. »Also, von mir aus ...«

Er winkte Lave und Tyge zurück und trat selbst an den Bug. Niels stand verletzt und erstaunt da. »Macht schon«, schrie Ranild durch, Wind und Wellenschlag. »Führt uns eine gute Pose vor! Du bleibst am Leben, solange du deine Rolle durchhältst, Niels.«

»Nein!« rief der Gefangene. »Ingeborg, wie konntest du?«

Sie faßte seine Stirnlocke, zog trotz seines Widerstands sein Gesicht nah an ihres heran und flüsterte ihm etwas zu. Sie sahen, wie sich sein, Körper spannte, sie sahen, daß er sich erregte. »Was hast du gesagt?« wollte Ranild wissen.

»Laßt mich leben, vielleicht erzähle ich es euch dann«, antwortete Ingeborg keck. Sie und Niels ahmten das Ritual nach, so gut sie konnten, und die Seeleute brüllten vor Gelächter.

»Pax vobiscum«, endete sie, die auch Kleriker gekannt hatte. »Dominus vobiscum.« Sie schlug über den knienden Jüngling das Kreuz. Es gab ihr die Gelegenheit, ihm zuzuflüstern: »Gott vergebe uns dies und vergebe mir, daß Er nicht der Herr ist, den ich gerufen habe Niels, wenn wir uns nach dem heutigen Tag nicht wiedersehen, le wohl.«

»Du auch, Ingeborg.« Er stellte sich auf die Füße. »Ich bin bereit«, sagte er.

Ranild – verwirrt, mit mehr als nur geringem Unbehagen – mit der Schlinge in der Hand auf ihn zu.

Und plötzlich kreischte Ingeborg. »Ha-a-a-a-ah!« Sie krallte die Fingernägel nach Laves Augen. Er sprang zur Seite. »Was zum Teufel ...?« würgte er hervor. Ingeborg hing an ihm, kratzend, beißend, schreiend. Tyge eilte zur Hilfe. Niels senke den Kopf, preschte vor und stieß ihn Ranild in den Magen. Der Kapitän setzte sich auf seinen Hintern. Niels trat ihm in die Rippen. Torben und Palle sprangen von den Schanzkleidern, um den Jungen zu ergreifen. Sivard sah von oben mit offenem Mund zu.

Die Delphine waren so viele Stunden im Kreis herumgeschwommen, um die Mannschaft davon zu überzeugen, aus dem Wasser sei keine Gefahr zu erwarten, daß sie es nicht weiter beobachteten. Zu spät rief der Mann im Krähennest eine Warnung hinunter.

Eyjan stürmte unter dem Achterdeck hervor. Das Messer in ihrer Hand blitzte auf.

Aus der See kam Tauno. Er hatte seine Lungen geleert, während er sich an dem von Seepocken besetzten Rumpf festgehalten hatte, unter der Ausbauchung des Vordecks verborgen. Jetzt erhob sich ein Delphin neben ihm. Mit Fingen und Zehen faßte Tauno die Rückenflosse, und der Sprung trug ihn halbwegs vom Wasser bis zum Schanzdeck. Er faßte die Reling und schwang sich an Bord.

Palle wollte sich umdrehen. Der Sohn des Wassermanns faßte den Pikenschaft mit der linken Hand, die rechte stieß den Dolch in Palles Körper. Der Seemann schrie und blutete stark. Tauno rammte Torben das stumpfe Ende der Pike in die Rippen. Torben taumelte zurück.

Tauno durchschnitt das Tau, das Niels' Handgelenke fesselte. Er reichte ihm das zweite Messer, das er bei sich trug. »Hier, das hat Kennin gehört!« Niels stieß einen einzigen Dankesruf an den Herrn der Heerscharen aus und stürzte sich dann auf Torben.

Lave hatte immer noch Mühe, Ingeborg abzuwehren. Eyjan kam von hinten und trieb ihm die eigene Klinge in die Schädelbasis. Bevor sie den Stahl aus der Wunde ziehen konnte, stach Tyge mit der Pike nach ihr. Mit verächtlicher Mühelosigkeit duckte sie weg und unterlief seine Deckung. Was als nächstes geschah, braucht nicht erzählt zu werden. Das Seevolk führte keine Kriege, aber es wußte, wie man einen Feind auseinandernimmt.

Oben im Mastkorb beschmutzte Sivard sich und winselte um Gnade.

So angeschlagen Torben war, gelang es Niels doch nicht, ihn sofort zu töten. Er mußte mehrmals angreifen, ehe er ihm das Messer in den Bauch stoßen konnte, und dann starb Torben nicht daran. Er schlug blutend und heulend um sich, bis Eyjan Zeit fand, ihm dem Todesstoß zu versetzen. Niels erbrach sich. Inzwischen war Ranild wieder auf die Füße gekommen. Sein Schwert flog aus der Scheide; das kalte Licht lief die Klinge entlang. Er und Tauno umkreisten einander und suchten nach einer Blöße des Gegners.

»Was du auch tust«, sagte Tauno zu ihm, »du bist ein toter Mann.« »Wenn ich im Fleisch sterbe«, höhnte Ranild, »werde ich in Ewigkeit leben, doch aus dir wird nichts anderes als Dung.«

Tauno bliebt stehen und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich verstehe nicht, warum das so sein soll«, meinte er. »Doch vielleicht braucht eure Art die Ewigkeit notwendiger.«

Ranild glaubte, jetzt eine günstige Gelegenheit zu haben. Er machte einen Ausfall. So ging er Tauno in die Falle. Tauno war nicht mehr dort, wohin Ranilds Schwert zielte, er war einfach zur Seite getreten. Mit der Kante seiner linken Hand hieb Tauno auf Ranilds Handgelenk. Das Schwert fiel klirrend zu Boden. Taunos rechte Hand brachte das Messer ins Ziel. Ranild fiel auf das Deck. Die Sonne ging auf, und all das Blut leuchtete in einem unmöglichen Rot.

Ranilds Wunde war nicht tödlich. Er starrte zu Tauno hoch und röchelte: »Laß mich ... Gott meine Sünden gestehen ... laß mich der Hölle entrinnen.«

»Warum sollte ich?« erwiderte Tauno. »Ich habe keine Seele.« Er hob den sich schwach wehrenden Körper hoch und warf ihn für die Hundsfische über Bord. Eyjan flitzte die Webleinen hoch, um dem Lärm, den Sivard veranstaltete, ein Ende zu bereiten.