24

Pohaku, Kono und das Militär-Team sahen ein wenig gereizt aus, als ich schließlich an Bord der Merlin kletterte, aber ich hatte nicht vor, ihnen zu erklären, was mich aufgehalten hatte. Was das betraf, so schien auch Akaku'akanene ziemlich reizbar zu sein, aber ich war auch nicht richtig in Stimmung, mit ihr zu reden.

Die Merlin war wie ein normaler Truppentransporter ausgerüstet, also mit einfachen, nach innen weisenden Sitzen auf beiden Seiten der Wandung. Als ich die Leiter emporkletterte, sah ich einen leeren Sitz vorne - als Dreingabe auch noch neben Alana Kono also zwängte ich mich an den Soldaten vorbei und ließ mich auf das kevlarverstärkte Material sinken. Ich befestigte den Vier-punkt-Sicherheitsgurt und verstaute dann das Sturmgewehr unter meinen Füßen, wobei ich den Tragriemen an einem Arretierbolzen festhakte. Aus dem Augenwinkel sah ich, daß mich Akaku'akanene mit einer soliden Portion Stinkeblick bedachte, während sie sich zum Heck des Flugzeugs begab, aber ich vermied es sorgsam, Augenkontakt mit ihr herzustellen.

Jemand draußen faltete die Leiter ein, bevor er die Einstiegluke zuknallte und verschloß. Die Motoren heulten auf, ein schrilles Turbinen-Jaulen, das direkt durch die Wandimg drang und wie Eispickel in meine Ohren stach. Die Merlin erbebte und erzitterte und hob dann ab.

Natürlich war ich schon in einer Merlin und vergleichbaren Maschinen geflogen. Wer nicht? Also erwartete ich keine Probleme mit Flugkrankheit. Natürlich war ich nur mit der zivilen Version der Kipprotormaschine vertraut, die bequeme, nach vorn ausgerichtete Sitze und einen Haufen Fenster hatte. Die militärische Version? Sie hatte die unbequemsten Sitze, die ich je ausprobiert hatte, und überhaupt keine Fenster.

Keine Fenster. Haben Sie sich mal überlegt, was das bedeutet? Ein Kipprotor-Senkrechtstarter wie die Federa-ted-Boeing Commuter oder eine Merlin startet und steigt wie ein Hubschrauber... was bedeutet, daß sie im Steigflug grundsätzlich mit der Nase ziemlich steil nach unten zeigt. Wie wird das aber vom guten alten Sensorium interpretiert? Der Boden ist waagerecht, Chummer - das sagen die Augen, und das sagt auch das Gehirn, weil Böden immer waagerecht sind. Aber die Bogengänge im Ohr sagen, daß der Boden um mindestens 20 Grad geneigt ist. Und diese Diskrepanz zwischen dem, was das Hirn weiß, und dem, was die Bogengänge im Ohr sagen, ist es, die ernstliche Luftkrankheit verursacht. Typischerweise kann man sich davon befreien, indem man aus dem Fenster sieht und an Hand des Horizonts eine Wirklichkeitsüberprüfung vornimmt...

Keine Fenster in einem Militärtransporter, Chummer. Ich fühlte mich ziemlich grün um die Kiemen, als Alana Kono zu meiner Rettung eilte. Zuerst glaubte ich, sie würde nur meinen Nacken massierem, aber dann nahm sie die Hand weg, und mir wurde klar, daß sie mir eines dieser Neoscopolamin-Narkosepflaster auf eine größere Arterie geklatscht hatte. Ich wollte ihr danken... und die Wirkung des Neoskopolamins im Pflaster hatte schon so weit eingesetzt, daß sich mein dankbares Lächeln in ein lüsternes Schlafzimmergrinsen verwandelte. Die Messerklaue besaß den Anstand, zu erröten und sich abzuwenden.

Ich war echt froh über das Narkosepflaster, als die Merlin von den Steigflug in den Vorwärtsflug überging. Die Turbulenz war schon schlimm genug, aber noch schlimmer war das Wissen, daß Kipprotormaschinen wie Merlins während des Kippvorgangs ziemlich anfällig für Triebwerksaussetzer sind. Wenn die Triebwerke dabei ganz abgewürgt werden, gibt es keine Rettung mehr. Kein Gleitflug - die Tragflächen sind noch angestellt und geben keinen Auftrieb - und keine Autorota-tion - dasselbe gilt für die Rotoren/Propeller. Aber offensichtlich enthielt mein Narkosepflaster soviel Sorgenfrei, daß ich den Kippvorgang als ›ganz normale Angelegenheit betrachten konnte.

Plötzlich wurde mir etwas klar, und ich wandte mich an Alana Kono. »Wissen Sie«, sagte ich irgendwie verlegen, »ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo der Halea-kala ist.«

Damit handelte ich mir ein weiteres höhnisches Grinsen von Pohaku ein - keine Überraschung von dieser Seite - und ein weiteres Lächeln von Kono. Aus ihrer gepanzerten Jacke zog sie einen Palmtop, klappte den Bildschirm auf und arbeitete einen Augenblick mit dem Stift. Dann gab sie ihn mir. »Hier«, sagte sie, indem sie auf die Karte zeigte.

Okay, da war die Kette der Hawai'i-Inseln, die auf dem Bildschirm plasmarot umrandet waren. Nicht, daß mir das viel geholfen hätte. »Und Honolulu ist...?« murmelte ich.

»Hier.« Sie berührte die Karte, und eine der Inseln -die zweite größere Insel am nordwestlichen Ende der Kette - leuchtete heller. »Das ist Oahu. Und das« - eine weitere Berührung mit dem Stift, und eine Insel, die ein wenig wie eine asymmetrische Hantel aussah, verdoppelte die Intensität ihrer Leuchtkraft - »ist Maui. Der Haleakala ist hier.« Sie zeigte auf die Mitte des größeren, unteren ›Tellers‹ der Insel.

»Und das ist... wie weit entfernt?«

Sie zuckte die Achseln. »Vielleicht zweihundert Kilometer?« Sie stieß mir sanft den Ellbogen in die Rippen. »Nicht weit.«

Ich nickte verdrossen. Neoscopolamin oder nicht, meine Eingeweide würden sich freuen, aus diesem Vögel herauszukommen, aber mein Verstand wäre wesentlich glücklicher gewesen, wenn ich gewußt hätte, was uns bei unserer Ankunft dort erwartete.

Durch die Flugzeugwandung konnte ich die beiden Triebwerke der Merlin angestrengt arbeiten hören. Wir schienen immer noch zu steigen - zumindest waren meine Bogengänge davon überzeugt, daß die Nase leicht aufwärts gerichtet war -, aber den Triebwerken schien das nicht im geringsten zu gefallen. Warum? fragte ich mich grimmig. Gegenwind? Als ich zuletzt aus dem Fenster des New Foster Tower geschaut hatte, waren im Südosten Wolken aufgezogen, nicht wahr? Und laut Konos Karte war das die Richtung, in die wir flogen. Direkt in ein Gewitter? Ich schloß die Augen und versuchte zu horchen, ob Regen gegen das Flugzeug klatschte, aber das gequälte Heulen der Triebwerke machte mir das unmöglich.

Einfach toll, dachte ich. Hätte König Kam uns keinen Vogel mit zwei ordentlichen Triebwerken besorgen können? Dann fiel mir etwas ein, das ich während des Fluges zu den Inseln vor mittlerweile ach so langer Zeit gelesen hatte. Der Haleakala war ein ziemlicher Brocken von einem Berg, nicht wahr? Dreitausend Meter oder noch höher. Kein Wunder, daß die Merlin Mühe hatte. Sie war für Kurzstreckenflüge in geringer Höhe konzipiert, hatte mir mal jemand gesagt. Für diesen kleinen Vogel mußte es eine eisenharte Angelegenheit sein, sich auf eine derartige Höhe zu schrauben. Kein Wunder, daß sich die Triebwerke wie gequälte Seelen anhörten. Ich lehnte mich zurück und seufzte. Ich wußte nicht so genau, ob ich mich dadurch besser fühlte oder nicht.

Ich versuchte abzuschalten, dann, als das nicht klappte, bemühte ich mich, über etwas anderes nachzudenken, über irgend etwas, so daß ich mir keine Sorgen wegen der Triebwerke und des Gewitters machen konnte. Haleakala, dachte ich. ›Haus der Sonne‹. Ich erinnerte mich, auch das während des Hinflugs gelesen zu haben. Haie - ›Haus‹. A - ›von‹. Ka - ›der‹. La - ›Sonne‹. Simpel, neh?

Und überaus interessant. Es war mir im Gedächtnis haften geblieben wie so viele andere völlig irrelevante Nebensächlichkeiten, weil mir etwas aufgefallen war, als ich es gelesen hatte. Das hawai'ianische Wort für Sonne lautete La. Und lautete das altägyptische Wort für Sonne nicht Ra? La-Ra. Ziemlich ähnlich, vor allem dann, wenn man die Möglichkeit ›phonetischer Lautverschiebung‹ berücksichtigte. War das nur Zufall? Schließlich gab es nicht so viele einsilbige Wörter, die die menschliche Kehle aussprechen konnte. Oder steckte noch mehr dahinter?

Ich fragte mich plötzlich, ob Chantal Monot diese Frage wohl beantworten konnte. Chantal mit ihren abgedrehten Vorstellungen von Lemuria und versunkenen Kontinenten und ihren Andrew-Annen-irgendwas-Gemälden. (Jetzt, wo ich daran dachte, fiel mir wieder ein, daß auf einigen von ihnen Pyramiden zu sehen gewesen waren. Pyramiden auf dem Grund eines tropischen Meeres...)

Mit einem verächtlichen Schnauben schüttelte ich den Kopf und verdrängte all diese verrückten Vorstellungen. Manchmal ist es schlimmer, seine Gedanken ziellos umherstreifen zu lassen, als über Dinge nachzugrübeln, die einen zu Tode ängstigen.


Wir waren fast eine Stunde unterwegs, als die Turbulenzen ernsthaft begannen und mir die Grenzen von Neo-scopolamin aufgezeigt wurden. Die Merlin hüpfte in Hundertmetersätzen auf und nieder wie eine aufge-peppte Achterbahn, und wenn ich geglaubt hatte, die Triebwerke hätten sich zuvor mächtig angestrengt, hatte ich noch keinen Triebwerkslärm gehört. Über das mechanische Kreischen hinweg konnte ich jetzt tatsächlich das Prasseln des Regens hören, der von mächtigen Windböen gegen die Wandung getrieben wurde. (Oder, Drek, vielleicht war es auch Hagel. Wie auch immer, es klang wie ein Schuß aus einem Roomsweeper mit einer Steinsalzladung.)

Die Soldaten in ihren Militärklamotten hatten keinen Spaß an dem Flug. Natürlich hätten sie es vor einem Hao/e-Zivilisten wie mir nie zugegeben - Drek, wahr scheinlich hätten sie es nicht einmal untereinander zugegeben aber ich sah, wie ihre Kiefermuskeln hervortraten. Sie bissen die Zähne zusammen, um sich Klagen zu verkneifen, oder vielleicht auch, um ihr Abendbrot bei sich zu behalten. Sogar Pohaku sah jetzt so aus, als fühle er sich ein klein wenig unwohl. Mein eigenes Unbehagen war fast so etwas wie ein angemessener Preis dafür, den Beweis zu sehen, daß er tatsächlich ebenso menschlich war wie der Rest von uns. Alana Kono neben mir sah entschieden blaß aus. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sie ein weiteres Neoskopolamin-Pflaster herausholte und es sich auf den eigenen Nacken klatschte. Ich bedachte sie mit einem, wie ich glaubte, aufmunternden Grinsen, aber dem Ausdruck ihrer Augen nach zu urteilen, bekam ich es nicht ganz hin.

Und in diesem Augenblick sackte die Merlin durch. Ein oder zwei Sekunden lang schienen wir uns im freien Fall zu befinden. Kono stieß einen Schrei aus, und einer der Soldaten grunzte alarmiert. Der einzige Grund, warum ich nicht laut aufschrie, war der, daß ich mir so heftig auf die Zunge biß, daß ich salziges Blut schmeckte. Die Triebwerke jaulten wie Banshees, als die Merlin den Sturzflug abfing. Wir wurden ein paarmal ziemlich hart durchgeschüttelt, als würden wir von irgendwo über uns beschossen.

Drek, ich konnte nicht einfach sitzen bleiben. Ich griff nach unten, um meinen Vierpunktgurt zu lösen. Kono packte meine Hand und schüttelte den Kopf - offenbar traute sie sich nicht zu reden -, aber ich schob ihre Hand sanft, aber bestimmt weg und versuchte es noch einmal mit einem Lächeln, diesmal mit einem beruhigenden. Offensichtlich gelang es mir jetzt besser, weil sie nickte und wieder die Augen schloß.

Ich kam schwankend hoch, wobei ich nach allem griff, was mir unter die Finger kam, um mich nicht sofort auf den Hintern zu setzen - die Lehne meines Sitzes, den Helm eines grüngesichtigen Soldaten... und ich schaffte es irgendwie, auf den Beinen zu bleiben und mich sogar, nachdem ich Halt am durchgängigen Gepäcknetz über meinem Kopf gefunden hatte, nach vorn zu arbeiten. Eine leichte Schiebetür war alles, was den Transportraum von der Pilotenkanzel trennte, also öffnete ich sie.

Die Pilotenkanzel lag in völliger Dunkelheit. (Ich schätze, ich hätte damit rechnen müssen, aber es versetzte mir trotzdem einen Schock. Brauchte man keine Instrumente, um diesen Piloten-Drek durchzuziehen?) Einen Moment lang konnte ich nicht das Geringste erkennen, dann hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und ich machte vor mir zwei Silhouetten aus - dunkleres Schwarz vor dem Schwarz draußen. »Was ist los, zum Teufel?« wollte ich wissen.

Die Silhouette auf dem Sitz zur Rechten drehte den Kopf, und ich sah zwei kleine rote Stecknadelköpfe, wo sich Augen hätten befinden sollen.

Okay, auch das schockierte mich einen Moment lang, bis mir klar wurde, daß es sich bei den beiden Lichtpunkten um die Cyberaugen des Copiloten handelte. Reststrahlung seines aktiven Infrarot-Systems oder irgendwelcher Technodrek. »Hele pela!« fauchte mich der Copilot an. »Mach, daß du hier raus kommst, Ule!«

Ich ignorierte ihn und packte die Schulter der Gestalt auf dem linken Sitz. (Das mußte der Pilot sein, richtig?) »Was ist los, zum Henker?« fragte ich. Und gewissermaßen als Nachsatz: »Wie wär's mit etwas Licht in dieser Hütte?«

Einen Moment lang glaubte ich, der Pilot würde mir ebenfalls raten, mich zum Teufel zu scheren, aber dann nickte er. An den Steuerkonsolen leuchteten plötzlich überall Lämpchen, Anzeigen, Radarbilder und der übrige Kram auf, den (Meta-)Menschen brauchen, um Vögel zu spielen. In dem grellen plasmatischen Licht sah ich die Glasfaserkabel, die Pilot und Copilot mit den Kontrollen verbanden.

»Also, was ist los, zum Henker?« wiederholte ich meine Frage.

»Ino«, knurrte der Pilot. »Gewitter. Mächtiges Gewitter. Was haben Sie denn gedacht?«

Wie um zu betonen, was der Pilot gesagt hatte, vollführte die Merlin wieder einen ihrer Achterbahn-Durchhänger, so daß ich fast durch die Pilotenkanzel geschleudert worden wäre. Weder Pilot noch Copilot bewegten sich. Sie hatten die Arme locker vor der Brust verschränkt. Aber der plötzlichen Anspannung ihrer Gesichtsmuskeln konnte ich entnehmen, daß sie geistig ebenso hart arbeiteten, wie sie das körperlich getan hätten, wenn sie auf körperliche Kontrollen angewiesen gewesen wären.

»Sind so schlimme Gewitter normal?« fragte ich, als mein Herz wieder angefangen hatte zu schlagen.

»Auf keinen Fall, Bruder.« Diesmal antwortete mir der Copilot. »Sind nie so schlimm wie das hier, ja?«

»Aber was geht dann hier vor, zum Teufel?« hakte ich nach, obwohl ich befürchtete, die Antwort darauf bereits zu wissen.

»Etwas ganz Übles«, erwiderte der Pilot. »Direkt vor uns.«

»Wo sind wir überhaupt?«

»Passieren gerade Kihei, Flughöhe zwotausendneun-hundertfünfzig Meter. Fluggeschwindigkeit zweihundert, relativ zum Boden eher fünfzig.«

Auf dieses kleinen Juwel von einer Information reagierten meine Eingeweide nicht gerade mit einem Freudensprung. Fluggeschwindigkeit 200, Geschwindigkeit relativ zum Boden 50 - das bedeutete, die kleine Merlin kämpfte gegen einen Gegenwind von 150 Stundenkilometern an.

Ich versuchte es mit einem raschen Rundumblick durch die Kanzel. Nichts - buchstäblich Drek. Der Regen schlug schneller gegen die Windschutzscheibe, als die Wischer ihn entfernen konnten. Es war fast so, als würde das Flugzeug mit Kübeln überschüttet oder von einem Wasserwerfer unter Beschuß genommen. Dahinter war nur Schwärze. Kein Boden, kein Horizont, keine Sterne, nichts.

Ich deutete auf die Kanzel. »Habt ihr irgendein Instrument, das durch diesen Drek sehen kann?« fragte ich.

Niemand antwortete laut, aber die Anzeige auf einem der Konsolenbildschirme änderte sich. In computerverstärkten falschen Farben konnte ich die schroffen Hänge eines gewaltigen Berges sehen. Der Haleakala ragte vor uns auf - er mußte es sein.

Die Farben auf der Anzeige waren falsch, aber Kontrast und Konturen waren ebenfalls daneben. Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff. Ich sah den Berg nicht vermittels sichtbarem Licht. Diese Anzeige mußte von irgendeinem Infrarot-Sichtgerät erzeugt werden, das vermutlich unter dem Bauch der Merlin hing. Im wesentlichen sah ich Wärme.

Was dem Leuchten, das die Spitze des Berges auszustrahlen schien, eine bedrohliche Dimension verlieh. Auf dem Infrarotschirm blühte vor dem Hintergrund der Schwärze des Himmels eine amorphe Blume aus blassem Licht auf der Spitze des Haleakala. Das Licht waberte und schimmerte wie Global-Geographic-Tri-deos vom Nordlicht.

»Was, zum Teufel, ist das?« fragte ich, mit dem Finger auf die Anzeige deutend. »Ich dachte, der Haleakala sei ein untätiger Vulkan.«

»Ist er auch, Bruder«, sagte der Copilot. »Seit Zwan-zig-achtzehn. Keine Ahnung, was das ist.« Er drehte sich zu mir um, und seine Cyberaugen leuchteten wie glühende Kohlen. »Besser, wir fliegen zurück, ja?« fragte er hoffnungsvoll.

Verdammt gute Idee. Trotzdem sagte ich: »Sie haben Ihre Befehle.«

Er wandte sich ab und murmelte irgend etwas auf Hawai'ianisch vor sich hin. Ich brauchte keinen Übersetzer, um die Bedeutung zu verstehen: War besser, wenn den Haole der Schlag treffen würde... und zwar sofort!

Die Merlin hüpfte wieder auf und ab und schien in der Luft zu torkeln. Ich hielt mich an den Sitzlehnen der Besatzung fest und spreizte die Beine. Entweder ließ die Wirkung des Neoscopolamin in dem Narkosepflaster nach, oder die Angst drang jetzt durch das chemisch erzeugte Wohlbefinden. Es gefiel mir nicht, wo ich mich befand, Chummer, nicht im geringsten.

Wiederum torkelte die Maschine, und die linke Flügelspitze wurde tief nach unten gedrückt, bevor der Pilot gegensteuerte. In diesem Augenblick klatschte etwas gegen die Kanzel - es klang wie eine solide Wasserwand und nicht mehr wie einzelne Tropfen. Die Triebwerke heulten.

Und dann sah ich etwas, das nicht da sein durfte -konnte. Ein Gesicht, Chummer. Ein Gesicht, das sich gegen die Transpex-Kanzel preßte. Einen Moment lang da und dann wieder verschwunden, wobei es mit Augen in die Kanzel gestarrt hatte, die nicht menschlich waren, und dabei schauerlich grinste.

»Und was, zum Teufel, war das?« rief ich.

Einen kurzen Augenblick lang dachte ich - hoffte ich -, die Besatzung hätte nichts gesehen und meine Phantasie sei mit mir durchgegangen. Aber dann wurde diese Hoffnung zerstört, als sich der Copilot zu mir umdrehte, dessen Gesicht im Plasmalicht plötzlich aschfahl war. »Uhane, Hoa«, keuchte er. »Ein Geist. Ein Gewittergeist.«

Ach, einfach Sahne. Ich drehte mich um - wobei ich fast gestürzt wäre, als die Merlin wiederum einen wilden Hüpfer vollführte - und brüllte durch die Schiebetür. »Akaku'akanene! Schaff deinen gefiederten Hintern her, und zwar sofort!«

Die Neneschamanin brauchte nicht länger als fünfzehn Sekunden, um sich zu mir in die Pilotenkanzel zu gesellen, aber das war trotzdem genug Zeit für die Merlin, noch ein paar Dutzend Male zu schwanken und zu rucken und zu torkeln. Im Plasmalicht der Anzeigen glitzerten ihre Augen kalt wie Glasperlen. Sie sagte nichts, aber ihre Körpersprache vermittelte perfekt die verdrießliche Frage: »Was?«

Ich packte die Schulter des Copiloten. »Sagen Sie es ihr«, befahl ich.

Der Mann plapperte etwas auf Hawai'ianisch. Ich schnappte hier und da ein paar Worte auf - darunter auch Uhane, Haole und lolo -, aber das war es. Als er fertig war, nickte die vogelknochige Kahuna.

»Nene weist auf Gefahr hin«, sagte sie zu mir. »Ist viel Macht vor uns.«

Ohne Drek, Sherlock, konnte ich mir gerade noch verkneifen. »Was ist mit den Geistern?« wollte ich wissen.

»Ich spüre ihre Anwesenheit.« Sie sprach ganz ruhig, fast im Konversationston.

»Tja, Sahne für dich!« schnauzte ich. »Kannst du vielleicht auch eine Möglichkeit spüren, die loszuwerden?«

Sie zuckte ihre mageren Achseln. »Sie stehen Wache«, stellte sie fest.

»Das habe ich mir schon gedacht«, stellte ich trocken fest. »Kannst du sie nicht überreden, irgendwo anders Wache zu schieben?«

»Sie bewachen das Gefüge«, konterte die Kahuna mit plötzlich scharfer Stimme. »Sie bewachen die Struktur.«

Ich blinzelte. Wovon, zum Teufel, redete sie? Es sei denn... »Sie glauben, wir gehören zu dem Drek da?« ich zeigte wieder auf die geisterhafte Blume aus Licht auf der Infrarotanzeige. »Ist es das? Jesus, dann sag ihnen, daß wir dem ein Ende bereiten wollen, um Himmels willen!«

Akaku'akanene zuckte wiederum die Achseln. »Sie glauben mir nicht.«

Ich biß so fest auf die Zähne, daß meine Kiefermus-kein von einem stechenden Schmerz durchzuckt wurden. »Dann gib dir mehr Mühe«, knirschte ich.

Die Neneschamanin nickte und schloß die Augen. Die Merlin ruckte und bockte immer noch, aber irgendwie hielt sie perfekt das Gleichgewicht - als spüre sie jede Bewegung des kleinen Flugzeugs im voraus.

Ich wußte nicht, ob es meine Einbildung war, oder ob die Kahuna irgendwie mit ihrer Botschaft durchgedrungen war, aber nach ein paar Augenblicken hatte ich den Eindruck, als hätte das Rütteln nachgelassen. Die Zelle des Flugzeugs vibrierte immer noch, die Triebwerke heulten nach wie vor, aber zumindest schien jetzt das Rummelplatz-Auf-und-Ab unter Kontrolle zu sein. »Besser?« fragte ich den Piloten.

Er nickte. »Höhe dreitausendeinhundert. Fluggeschwindigkeit zwei-zehn, relativ zum Boden einhundert. Zehn Kilometer vor dem Ziel.« Er warf mir einen Schulterblick zu. »Irgendwelche Anweisungen für den Anflug?«

Ich gönnte ihm mein bestes Piraten-Grinsen. »Was nötig ist, um uns heil hinzubringen.«

»Das kannst du laut sagen, Bruder. Neun Kilometer.«

Auf der Infrarotanzeige ragte der Vulkan immer größer vor uns auf. Die Peripherie der Hitzeblume war immer noch amorph und an den Rändern ausgefranst. Aber zum erstenmal glaubte ich, eine Art innere Struktur ausmachen zu können. Sie schien von halbkreisförmigen Wellenfronten durchdrungen zu sein, die mich an das Kräuseln erinnerten, das ein ins Wasser geworfener Stein verursacht. Irgend etwas Bizarres ging in dem Krater vor, das stand fest.

Ich ging durch die Tür in die Passagierkabine zurück. »Wir sind noch acht Kilometer vom Ziel entfernt«, sagte ich zu ›meinen‹ Leuten. Einen Moment lang kam ich mir vor wie in einem alten 2D-Firm über Vietnam. »Ich glaube, es könnte das werden, was man eine ›heiße Lan-dezone‹ nennt«, fügte ich trocken hinzu.

Das Flugzeug hallte von metallischem Kastagnetten-Geklapper wider, als die Soldaten ihre Waffen durchluden. Ich dachte an meine eigene Waffe, das ach so tolle Sturmgewehr, auf dem Boden unter meinem leeren Sitz. Etwas Tödliches zu haben, um sich daran festzuklammern, hätte mich eine Spur aufgemuntert, aber es hätte auch bedeutet, einen meiner beiden Haltepunkte aufgeben zu müssen, die mich davor bewahrten, mich der Länge nach auf dem Kabinenboden auszustrecken. Alles in allem hielt ich es für besser, mein Spielzeug später aufzuheben.

Als ich mich wieder zur Steuerkonsole umdrehte, hatte der Pilot die Infrarotanzeige gelöscht und das Bild durch einen komplexen Mischmasch aus Anflugvektoren, Windrichtungen und anderen Pilotendrek ersetzt. Ich nahm es ihm jedoch nicht übel. Bei genauerem Hinsehen war mir lieber, er wußte, was los war, als ich.

Neben mir zog Akaku'akanene immer noch ihren Ba-lance-Akt ab. Sie hielt das Gleichgewicht besser als ich, obwohl sie sich nirgendwo festhielt. Ihre Augen waren immer noch geschlossen, und im Licht der Instrumententafeln konnte ich eine Schweißperle sehen, die ihr die Schläfe herunterlief. Gott, plötzlich wünschte ich mir, ich wüßte, was sie tat... natürlich auch, um zu begreifen, aber in erster Linie, um ihr zu helfen. Den Bewegungen der Merlin nach zu urteilen, hatte sie zumindest einige der Gewittergeister - oder worum es sich handelte -davon überzeugt, daß wir keine Gefahr für das ›Gefüge‹ oder die ›Struktur‹ darstellten. Wenn meine zusätzliche Konzentration dabei hätte helfen können, auch die übrigen zu überzeugen - oder diejenigen, die sie bereits überzeugt hatte, davon abzuhalten, ihre Meinung wieder zu ändern -, hätte ich sie ihr mit Freuden zur Verfügung gestellt.

Außerhalb der Kanzel, auf die der Regen immer noch unvermindert niederging, war die Schwärze ungebrochen. Wir befanden uns immer noch inmitten der Gewitterwolken, die sich vor ein paar Stunden zusammengeballt hatten. Im stillen dankte ich allen Göttern, die es geben mochte, daß es keine Blitze gab.

Ich hätte mich fast auf den Hintern gesetzt, als die Nase der Merlin steil aufwärts ruckte. Das Kreischen der Triebwerke hinter mir und zu beiden Seiten veränderte sich. Eine schematische Computerdarstellung auf der Steuerkonsole bestätigte, was ich mir bereits gedacht hatte: Die Flügel drehten sich wieder, und das Flugzeug wechselte von Vorwärtsflug auf Start/Lande-Modus. Wir befanden uns im Landeanflug. Ich holte Luft, um den Soldaten eine entsprechende Nachricht zuzurufen ...

Und hätte fast meine Zunge verschluckt. Ohne Warnung durchstieß die Merlin die Decke aus wallenden schwarzen Wolken. Zum erstenmal konnte ich den Gipfel und die Krater des Haleakala mit eigenen Augen und ohne die Hilfe dazwischengeschalteter Infrarot-Kameras sehen.

Erster Eindruck: Ihr Geister, was für ein gottverlassenes Höllenloch von einer Einöde. Nichts wuchs. Nichts lebte - nichts schien je hier gelebt zu haben. Nur kahle Felsen - zerklüftete, steile Hänge. Schlacke-Kegel. Erhebungen aus verfestigtem Magma. Abschüssige Hänge, senkrechte Klippen... Kilometer um Kilometer Mondlandschaft. Einen Augenblick lang wußte ich nicht, warum ich an die Mondoberfläche gedacht hatte, aber dann fiel es mir wieder ein. Vor fast einem Jahrhundert, als die NASA ihr Mondauto testete, hatte sie sich den Haleakala-Krater als Testgelände ausgesucht, weil er der zerklüfteten Einöde des Mondes auf diesem Planeten am nächsten kam.

Zweiter Eindruck: Heiliger Drek, ich konnte Kilometer um Kilometer dieser Mondlandschaft sehen... und dazu hätte ich nicht in der Lage sein dürfen. Wir befanden uns auf dem Gipfel eines verdammten Berges in dreitausend Metern Höhe, und die Wolkendecke war so dicht, daß kein einziges Photon des Mondlichts eine Chance hatte, hierher durchzukommen. Und doch war die ganze verfluchte Gegend erleuchtet - nicht so hell wie der lichte Tag, aber ungefähr so wie bei Dämmerung.

Außerdem war die Beleuchtung ziemlich sonderbar: kalt, wesenlos, flackernd, abnehmend und zunehmend. Ich konnte den Ursprung des Lichts vor uns ausmachen - ein Gebiet, das wie das absolute Chaos aussah. Licht wogte und wallte in den Tiefen des Kraters, als sei es eine Flüssigkeit. Das Licht erstreckte sich in einer ätherischen Fächergestalt in den Himmel, und die Luft selbst schien in einem perlmuttartigen Glanz zu leuchten. Dies mußte die optische Entsprechung zu der Hitzeblume sein, die mir das Infrarot gezeigt hatte.

Inmitten des wallenden, wogenden Lichts befanden sich strahlend leuchtende Flecken, die sich nicht bewegten und viel heller waren als das wabernde Licht, das sie umgab... aber irgendwie auch steril, ja tot wirkten. Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, daß es sich bei diesen Flecken um künstliche Lichtquellen handelte, Bogenlampen, die von den Kahunas des Projekts ›Sonnen-feuer‹ aufgestellt worden waren, damit sie den Vorgang inszenieren konnten, der jetzt einen ziemlich fortgeschrittenen Eindruck machte.

Irgend etwas blitzte auf und raste mit unglaublicher Geschwindigkeit an der Kanzel der Merlin vorbei. Es schien sich um eine Masse aus reinem flüssigen Feuer von der Größe eines Männerkopfes zu handeln. Bevor ich irgendwelche Einzelheiten erkennen konnte, war es bereits vorbei und hinterließ einen blaugrünen Streifen blendender Helligkeit vor meinen Augen. Als hätte sich dadurch mein Sehvermögen an die Umgebung angepaßt, sah ich plötzlich, daß viele... Dinge... die zentrale Lichtmasse umschwirrten. Feuerbälle, unidentifizierbare Gestalten, die sich so schnell bewegten, daß mein Verstand nicht schlau daraus wurde. Sie schienen die zentrale Lichtmasse zu umkreisen, wie aufgepeppte Motten eine Fackel umtanzen würden. Und das schien ein treffender Vergleich zu sein. Ich wußte es natürlich nicht mit Sicherheit, aber ich wurde das Gefühl nicht los, daß es sich um ein Annäherungs-Ausweich-Verhalten handelte. Die Dinger - worum es sich dabei auch handelte wurden von dem Drek, der in der Mitte des Kraters abging, zugleich abgestoßen und angezogen.

Dem magischen Drek, der dort abging. Tief im Innersten, wo die Wahrheit ruht, wußte ich, daß es Magie war, bevor mein Verstand nachzog und sich das mit Logik zusammenreimte. Ich konnte die Magie spüren, tief in mir, in dem, was ich lächerlicherweise meine Seele nenne - wie ich auch gespürt hatte, als Scotts Fetisch aktiv geworden war, kurz bevor er Tokudaiji-san den Schädel weggepustet hatte. Es war so ähnlich wie ein Schwindel, wie der Salto, den der Magen vollführt, wenn ein Super-Expreß-Lift für kurze Zeit in den freien Fall übergeht. Es war so ähnlich, weil es nicht mein Magen war, der Saltos vollführte, sondern... etwas anderes. Es war so, als hätte ich plötzlich, vorübergehend, neue Sinne entdeckt, und als riefen die Informationen, mit denen mich diese Sinne fütterten, eine Reaktion von einem Körperteil hervor, von dessen Existenz ich bisher nichts gewußt hatte.

Einen Augenblick später war es vorbei, als sei es nie geschehen, als habe diese plötzliche Erweiterung der Perspektive nie stattgefunden...

Für mich war es einen Augenblick später vorbei Nicht so für Akaku'akanene.

Was bei genauerem Hinsehen auch logisch war Wenn der Grad magischer Aktivität dort unten im Krater reichte, um einem Normalsterblichen wie mir in die Eingeweide zu fahren, was würde er dann mit jemandem anstellen, der durch diesen ganzen Mana-Drek tatsächlich durchblickte? Neben mir war Akaku'akanene plötzlich totenblaß und hatte die Augen weit aufgerissen Sie öffnete den Mund, um zu stöhnen, und dann taumelte sie, als ihr außerordentlicher Gleichgewichtssinn plötzlich verschwunden zu sein schien. Ich hielt sie an der Schulter fest und zerrte sie wieder in eine aufrechte Stellung, einen Augenblick, bevor sie dem Piloten in den Schoß gefallen wäre. (Fahrzeugkontrollrig hin oder her, ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß ihn der unangemeldete Besuch einer kleinen alten Dame in seinem Schritt so aus der Fassung gebracht hatte, daß seine Kontrolle über das Flugzeug zumindest ein wenig litt.)

Akaku'akanenes geweitete Augen fixierten mich, und ich spürte ihre Angst und ihr Ensetzen. Sie krächzte irgendwas auf Hawai'ianisch. Ich hatte den Ausdruck noch nie zuvor gehört, aber ihr Tonfall machte die Übersetzung zu einem Kinderspiel: »O heiliger verdammter Drek...!«

Ich wußte, daß wir noch tiefer in der Tinte saßen, bevor es tatsächlich geschah. Wenn Akaku'akanene mit mir redete, bedeutete das, sie redete nicht mehr mit den Geistern, die uns offenbar geeken wollten. Die Merlin taumelte in der Luft, als irgend etwas gegen ihre rechte Tragfläche prallte. Das rechte Triebwerk kreischte wie eine aufgespießte Teufelsratte, und dann explodierte etwas. Aus dem Augenwinkel sah ich den flammenden Blitz zu meiner Rechten, dann rissen Splitter die Wandung des Flugzeugs auf. Hinten hörte ich jemanden schmerzerfüllt aufschreien.

Die rechte Tragfläche kippte augenblicklich nach unten, und diesmal konnte ich das Gleichgewicht nicht mehr halten. Ich knallte gegen die rechte Wandung und heulte auf, als etwas in meiner rechten Schulter knackte. Der Aufprall war so stark, daß mein Blickfeld verschwamm und sich meine Eingeweide in einem jähen Anfall von Übelkeit zusammenkrampften. An dieser Stelle hätte ich das Bewußtsein verlieren können, aber irgendwie klammerte ich mich daran fest und wehrte den Ansturm der Dunkelheit ab. Drek, wenn dies die letzten Augenblicke meines Lebens waren, wollte ich sie wachen Verstandes erleben.

Wir saßen ernsthaft in der Patsche, das war mir trotz meiner geistigen Desorientierung klar. Die Merlin verlor an Höhe, und zwar schnell. Irgendwie hatte es der Pilot geschafft, die rechte Flügelspitze wieder hochzuziehen, aber es war ihm einfach unmöglich, den angeschlagenen Vogel noch viel länger in der Luft zu halten.

Zum letztenmal funkelte mich der Copilot mit seinen glühenden Augen an und befahl: »Zurück nach hinten und anschnallen!«

Diesmal verspürte ich keinerlei Bedürfnis, mit ihm zu streiten. Ich rappelte mich auf und zog die federleichte Akaku'akanene mit mir. Dann taumelte ich durch die Tür in die Passagierkabine. Ich stieß die alte Frau in meinen alten Sitz neben Alana Kono. »Schnallen Sie sie an«, sagte ich zu der Messerklaue.

Die Merlin sackte durch, und mir war klar, daß ich selbst es nicht mehr bis zu einem freien Sitz schaffen würde, nicht mehr rechtzeitig. Akaku'akanenes Sitz befand sich ein ziemliches Stück weiter hinten. So, wie der Vogel in der Luft schwankte und taumelte, hatte ich nicht die geringste Chance, an den Beinen und Ausrüstungsgegenständen vorbeizukommen, die den Weg dorthin versperrten, und mich mit dem Vierpunktgurt anzuschnallen, bevor wir aufprallten. Instinktiv drehte ich mich um. Durch die Pilotenkanzel konnte ich den zerklüfteten, felsigen Boden sehen, der auf uns zurauschte. Drek, ich hatte noch weniger Zeit, als ich gedacht hatte...

Jemand anders erkannte es ebenfalls - einer der jungen, auf Hochglanz polierten Soldaten, der Bursche, der neben Louis Pohaku saß. Er hieb mit der Faust auf den Öffnungsmechanismus seines Vierpunktgurts und sprang auf. »Setzen!« schrie er mich an, dann verlieh er seinem Befehl Nachdruck, indem er mich auf den Sitz stieß. Meine Finger fummelten an dem Gurt herum und versuchten ihn richtig umzulegen und zu schließen. Entschlossene Hände stießen meine beiseite und bewältigten den Vorgang viel schneller, als ich dazu je in der Lage gewesen wäre. In dem matten Licht sah ich dem Soldaten ins Gesicht. Er war noch ein Junge, höchstens zwanzig. Schneidig und eifrig. Er lächelte, als ich ihm zu danken versuchte.

Und dann schlugen wir auf.