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Das konnte nicht Barnards Ernst sein.
Oder doch? Ich saß auf dem Torquemada-Bett in meiner Bude und starrte die Wand an.
Es konnte nicht sein Ernst sein...
Warum, zum Teufel, hatte er es dann gesagt? Es gab nur eine Möglichkeit, wie ich seine Worte interpretieren konnte, und bei allen Geistern, Barnard mußte das gewußt haben. Adrian Skyhill...
Erinnerungen stiegen in mir auf - an das Entsetzen und die Schmerzen und die Tode und das Chaos unter Fort Lewis vor vier Jahren. Fragmente Des Traums. O Gott.
Insektengeister. Was konnte er anderes gemeint haben? Dr. Adrian Skyhill - ehemals leitender Manager von Ya-matetsus Anlage für Integrierte Systemprodukte in Fort Lewis - war ein Schamane gewesen. Ein Insektenschamane. Er, oder jemand wie er, hatte die Königin der Wespengeister beschworen. Dieselbe Königin, die Toshi, Hawk, Rodney und viele andere getötet hatte. Dieselbe Königin, die meinen linken Arm weggebrannt hatte. Dieselbe Königin, die über das... das Nest, ist wohl das richtige Wort, herrschte, das versucht hatte, meine Schwester Theresa zu assimilieren. Jesus im Himmel. Wie, zum Teufel, waren Insektengeister in diese Sache verwickelt?
Verdammt noch mal, hatten die Wanzen im Moment nicht genug andere Dinge um die Fühler? Die Pogrome. Die ›Säuberung‹ der Universellen Bruderschaft in ganz Nordamerika. Und - um Himmels willen - die Übernahme Chicagos...
Meine einzige Begegnung mit Insektengeistern hatte mich zum Krüppel gemacht. Ich hatte nur überlebt, weil andere ihr Leben geopfert hatten, um die Königin zu vernichten. Mit übermenschlicher Anstrengung bezwang ich meine Furcht, drängte sie zurück. Barnards Worte waren etwas, das ich besser nicht vergaß, das ich mir zu Herzen nahm...
Aber erst später. Einstweilen waren keine Insektengeister oder Insektenschamanen in der Nähe (nicht wahr?). Ich steckte immer noch bis zum Hals im Drek, aber in diesem Augenblick machte die mutmaßliche Beteiligung von Insektengeistern den Drek nicht tiefer. Ich ließ mich aufs Bett zurückfallen und richtete mein blickloses Starren von der Wand auf die Decke.
Also wollte Barnard, daß ich Kontakt zu dem Ali'i aufnahm. Wie, zum Teufel, sollte ich das anstellen? Bei all dem Honig, den Barnard mir um den Bart geschmiert hatte, regte sich in mir das unangenehme Gefühl, daß er im Moment mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten hatte als ich. Ich konnte hoffen, daß seine Einschätzung besser war als meine, aber das half meiner lausigen Selbstachtung nicht im geringsten.
Wie sollte ich König Kamehameha V. kontaktieren... ohne dabei gegeekt zu werden? Ich brauchte Hilfsmittel. Vielleicht Kat und diese anderen Shadowrunner...
Bei diesem Gedanken heulten plötzlich alle möglichen Alarmsirenen in meinen Eingeweiden auf. Ich hielt inne und durchdachte es. Was war es nur, das mich so sehr störte? Zum Teil etwas, das Barnard gesagt hatte, aber es spielten auch noch andere Elemente hinein. Ich ließ das Telekomgespräch noch einmal vor meinem geistigen Auge Revue passieren.
Es waren Barnards Bemerkungen über ALOHA, die mich störten, das wurde mir sofort klar. Warum? Er hatte gesagt, einer der Unterbosse von ALOHA sei Kane alias Jonathan Bridge. Der wahre Oberbonze sei eine gefiederte Schlange, die ein Vasall des Großdrachen Ryumyo war oder auch nicht war.
›Der Hosengurt‹. ›Der große Wurm‹. Eine ziemlich anständige Beschreibung Ryumyos, neh? Was implizierte, wenn man das alles für bare Münze nahm, daß Kat und ihre kleinen Freunde...
... Zu ALOHA gehörten. Und plötzlich fielen auch ein paar andere verwirrende Puzzleteile an ihren Platz. Zacks Reaktion, als er von Scotts Tod gehört hatte - seine Interpretation vom Tod durch eine Bauchbombe als aufrechtes Sterbens Das paßte gewiß in das Schema ideologisch motivierter Terroristen, nicht wahr? Hinzu kam die Tatsache - die ich schon fast vergessen hatte -, daß Kat und die anderen, die mir angeblich nur deshalb halfen, weil ich ein Freund Te Purewas war, nicht sonderlich viel über Te Purewa zu wissen schienen. Sie nannten ihn ›Marky‹, nicht bei dem neuen polynesischen Namen, den er angenommen hatte. Wenn sie wirklich enge Chummer von ihm waren, was sie hatten durchblicken lassen, würden sie dann nicht seine ziemlich ernsthaften Wünsche respektieren und ihn Te Purewa nennen (und ihm vielleicht von Zeit zu Zeit die Zunge herausstrecken).
Alles nur Spekulationen, Montgomery, sagte ich mir entschlossen, reine Spekulationen. Es gab nicht eine Sache, auf die ich den Finger legen und sagen konnte: ›Beweis‹. Interessante Hinweise, vielleicht. Indizien - nun, noch nicht einmal das. Wer weiß - vielleicht zog Te Purewa seine Mehr-Maori-als-die-Maoris-Schau nur bei neuen Bekanntschaften ab und hatte nichts dagegen, wenn enge Chummer ihn mit dem vertrauten ›Marky‹ anredeten. Und selbst wenn es sich bei dem Ausdruck, den Beta benutzt hatte, tatsächlich um ›der große Wurm‹ -und nicht ›der Hosengurt‹ - handelte, war es dann gerechtfertigt, den logischen Sprung zu machen und Ryumyo dahinter zu vermuten? Genau, Chummer.
Dennoch war es eine Möglichkeit, die ich berücksichtigen mußte. Also keinen Kontakt mehr mit Kat und ihrer Truppe. Und dann jagte mit ein jäher Gedanke einen kalten Schauer über den Rücken: Ich mußte schleunigst aus dieser Bude verschwinden und eine andere Bleibe finden. Kat hatte Zack gesagt, er solle mein Motorrad fertig machen. Was, wenn seine Wartungsarbeiten auch die Anbringung eines Senders beinhaltet hatten? Also mußte ich nicht nur diese Bude aufgeben, sondern auch die Suzuki, wenn ich schon einmal dabei war. Mit einer allgemeinen Verwünschimg, die sich gegen Konzerne, Yaks, Terroristen, Könige und das ganze verdammte Königreich Hawai'i richtete, sprang ich auf und ging zur Tür.
Ich durfte mich wiederum bei Chummer Quincy bedanken. Ein weiteres seiner reizenden kleinen Spielzeuge, mit denen er meinen Taschencompi aufgepeppt hatte, war die Software, die mir gestattete, in Null Komma nichts gleich das nach beglaubigten Kredstäben Beste anzufertigen. Man schiebt einen echten Kredstab - die Art mit persönlichen Daten und dem ganzen Drek darauf - in einen Eingabeschlitz und einen ›leeren‹ Kredstab in den anderen. Die Software transferiert Kreds von dem persönlichen Kredstab auf den leeren. (Okay, schon gut, ich weiß, daß das jeder Compi kann. Das Merkmal, das Quincys Code von der üblichen Software unterscheidet, ist die Tatsache, daß er dabei alle ›Überweisungsbelege‹ löscht. Bei einem Kredtransfer archivieren normalerweise sowohl der ›Spen-der‹-Stab als auch der ›Empfänger‹-Stab die Einzelheiten der Transaktion. Jeder mit dem richtigen Werkzeug -hauptsächlich Cops - kann diese Art Transfer mühelos zurückverfolgen. Mit Quincys Spielzeug glauben beide Stäbe, daß sie die entsprechenden Daten archivieren... aber keiner tut es. Sucht man später nach Überweisungsbelegen, findet man keine. Und, nein, die Software ist nicht gut genug, um Kreds auf einen leeren Stab zu transferieren, ohne dem anderen die entsprechende Summe abzuziehen. Selbst Quincy kann keine Wunder wirken.)
Und genau das tat ich. Ich verbarg mich wie ein Penner im Eingang eines mit Brettern vernagelten Hauses und transferierte ein paar hundert Nuyen von ›Brian To-zers‹ Kredstab auf einen jungfräulich leeren. Zuversicht-lieh, daß ich keine breite, grell leuchtende elektronische Spur hinterlassen würde, der Yaks, ALOHA und andere Schurken folgen konnten, machte ich mich daran, eine neue Bleibe zu finden.
Erster Punkt auf der Tagesordnung war mein Abgang aus Ewa. Ich hätte nur zu gerne die kleine Suzuki genommen - mittlerweile war sie mir richtig ans Herz gewachsen -, aber ich konnte nicht absolut sicher sein, sie von allen etwaigen Sendern befreit zu haben. Also nahm ich Den Bus - das stand jedenfalls in gelber Leuchtschrift auf der Seite, Der Bus, falls ihn jemand mit, sagen wir, Der Kunstgalerie oder irgendwas verwechselte -und fuhr nach Waipahu. Offensichtlich handelte es sich dabei um eine weitere nicht mehr als eigenständige Stadt existierende Gemeinde wie Ewa, die kürzlich vom Moloch Honolulu geschluckt worden war.
Wenn ich nicht auf die Straßenschilder geachtet und den Fahrer Des Busses mit idiotischen Fragen genervt hätte, wäre mir gar nicht aufgefallen, daß ich Ewa verlassen hatte. Waipahu sah genauso aus, wie Renton an einem Tag mit guter Luft, und das bewirkte, daß ich mich gleich heimisch fühlte.
Ich zog in ein Hotel namens Ilima Joy. Auf einem Schild draußen standen die Übernachtungsgebühren pro Tag, Woche oder Monat, aber den spärlich gekleideten Individuen nach zu urteilen, die mich auf dem Weg dorthin liebebedürftig ansprachen, würde der Laden wahrscheinlich bestens floriert haben, hätte er seine Zimmer stundenweise vermietet. Ich nahm mir eine ›Wohlbehagen-Suite‹ - mit anderen Worten, ein Zimmer mit eigenem Klo, Telekom und Kochplatte - und gab meinen ›blinden‹ Kredstab ab, um eine Woche im Voraus zu bezahlen (für 350 Nuyen geradezu spottbillig). In den meisten Teilen der Welt ist es gesetzlich vorgeschrieben, daß Hotelgäste irgendeine Art Ausweis vorlegen. Ich hielt einen meiner unwichtigeren Falschausweise bereit - nicht gut genug, um damit einen Kredstab zu bekommen oder durch den Zoll zu gelangen, aber mit Sicherheit gut genug, um mich im Ilima Joy einzutragen. Die Mühe hätte ich mir sparen können. Der gelangweilt aussehende Mann am Empfang gab mir lediglich einen Schreibstift und sagte mir, ich solle auf dem druckempfindlichen Schirm des ziemlich mitgenommen aussehenden Gästebuch-Computers unterschreiben. Ich widerstand dem Drang, mich unter ›A. Lias‹ oder einem ähnlichen Namen einzutragen, sorgte aber dafür, daß meine Unterschrift selbst mit Computerunterstützung völlig unleserlich war. Ich nahm die schmuddelige Magnetkarte von dem Burschen entgegen, ging die zwei Treppen hinauf und fand schließlich Zimmer 301.
Wenn das eine Wohlbehagen-Suite war, fragte ich mich sofort, wessen Wohlbehagen sollte sie dann steigern? Nicht meines, Chummer, das war mal sicher. Das Klo war privat und nur für mich - wahrscheinlich deshalb, weil niemand anderer eines wollte, das nicht funktionierte und die Tür zu seinem Kabuff fehlte. Die Kochplatte funktionierte dagegen offensichtlich, nach den Brandflecken an der Wand und auf der Arbeitsplatte zu urteilen. Ich konnte mir nicht vorstellen, sie auszuprobieren. Und das Telekom funktionierte ebenfalls, auch wenn es auf hinausgehende Anrufe beschränkt war (die zweifellos unten am Empfang registriert und in Rechnung gestellt wurden). Trotzdem war es alles, was ich im Augenblick brauchte.
Erster Punkt auf der Tagesordnung war, die legalen Möglichkeiten in Erfahrung zu bringen, an den Ali'i heranzutreten ...
Nein, erster Punkt auf der Tagesordnung war, ein wenig Schlaf zu bekommen. Gejagt zu werden, zehrt an einem, Chummer, das können Sie mir glauben. Es war weniger mein Körper, der müde war, sondern vielmehr mein Geist, meine Seele. Schlaf ist eine Waffe - jemand (Argent vielleicht?) hatte mir das mal gesagt -, und ich kam zu dem Schluß, daß es an der Zeit war, sich dieser Waffe zu bedienen.
Die Sonne ging gerade über den Wolkenkratzern der Innenstadt von Honolulu auf - oder zumindest nahm ich das an. Das Fenster meiner Wohlbehagen-Suite im Ilima Joy blickte auf eine ekelhafte Gasse und die Rückseite einer weiteren heruntergekommen Absteige.
jetzt war es an der Zeit, die legalen Möglichkeiten in Erfahrung zu bringen, an den Ali'i heranzutreten... und sei es auch nur zu dem Zweck, sie auszuschließen. Ich hatte irgendwie im Hinterkopf, daß einige Monarchien -ich weiß nicht, wo ich das aufgeschnappt habe - der Bevölkerung immer erlaubt haben, sich direkt mit ihrem Herrscher in Verbindung zu setzen - ›Harold rufen‹ oder wie, zum Teufel, der Fachausdruck hieß. Wer weiß, vielleicht gab es bei König Kamehameha V. eine ähnliche Sitte. Ich schaltete das Telekom ein und blätterte durch das Inhaltsverzeichnis.
Ich brauchte nicht lange, um die Nummer des Informationsschalters im Iolani-Palast zu finden. Ich wählte die Nummer und mußte mir dann eine Bandaufzeichnung anhören, die mir Anfangszeiten von Besichtigungen und anderen, ähnlich nutzlosen Drek nannte. Erst als die Durchsage beendet war, hatte ich die Möglichkeit, mit einer Person aus Fleisch und Blut aus der Information zu reden.
Tja, was soll ich Ihnen sagen - es gab tatsächlich eine einfache Prozedur, wie Bürger des Königreichs von Hawai'i eine Audienz bei ihrem Ali'i bekommen konnten. Das sagte mir jedenfalls der plastikgesichtige Mann von der Information durch sein Modepuppen-Lächeln hindurch. Ich brauche lediglich meinen Namen und meine SIN zu nennen und einen Termin zu vereinbaren. Auf dem Terminplan des Königs sei sogar noch eine freie Stelle... im Frühjahr '57. Falls ich diesen Termin wahrnehmen wolle, brauchte ich nur alle Vorbereitungen für die notwendigen Sicherheits- und Hintergrund-Überprüfungen zu treffen... natürlich legte ich auf.
Was nun? Fast eine Stunde lang zermarterte ich mir das Gehirn. Drek, wenn das hier Seattle gewesen wäre, hätte ich mit ziemlicher Sicherheit ein Treffen mit Gouverneur Schultz vereinbaren können. Aber das hätte einen ganzen Haufen Schattenkontakte und Hilfsquellen erfordert, über die ich hier auf den Inseln einfach nicht verfügte. Zurück zum Inhaltsverzeichnis, und diesmal schlug ich die Nummer des Verwaltungsbüros des Iolani-Palasts nach. Wiederum wählte ich die Nummer.
Mit demselben Ergebnis. Ein höflicher Funktionär verriet mir, daß es selbstverständlich möglich sei, dem Ali'i eine Nachricht zu übermitteln. Ich brauchte lediglich Name und SIN zu nennen, alle Vorbereitungen für die notwendige Hintergrund Überprüfung zu treffen... natürlich legte ich auf.
Der alte geistige Brunnen schien langsam auszutrocknen. Einer abwegigen Eingebung folgend, rief ich sogar die Einträge unter dem Namen ›Ho‹ auf. Als sich der erste von sieben Bildschirmen mit Namen und LTG-Nummern füllte, war ich der Verzweiflung nah. Natürlich legte ich auf.
Ich brauchte eine Pause, ich brauchte irgendwas, um meine Synapsen auf Trab zu bringen. Wenn ich wirklich strenge Sicherheitsmaßstäbe anlegen wollte, durfte ich das verdammte Zimmer nie verlassen, aber das würde einfach nicht klappen. Ich brauchte etwas zu essen, und - was noch wichtiger war - ich brauchte Kaffee. (Zufällig war das eine Sache, die mir hier wirklich gut gefiel. Niemand schien von Soykaf auch nur gehört zu haben. Sogar in Cafés wurde echter Kaffee serviert. Wohltat über Wohltat.) Also schlenderte ich nach unten und in das rattenverseuchte Café neben dem Ilima Joy.
Und hätte fast einen Herzinfarkt erlitten, als ich ein Gesicht entdeckte, das ich kannte. Drüben in der hintersten Ecke an einem Tisch vor einer Tasse Kaffee, müßig das Kommen und Gehen der Gäste beobachtend. Es war dieselbe kleine vogelbeinige Frau, die ich im ›Cheese-burger im Paradies‹ gesehen hatte. Ihre Augen ruhten auf meinen, als ich hineinging, und mir wäre fast ein kindisches Mißgeschick passiert. Es dauerte einen Augenblick, bis ich mich wieder beruhigt hatte. Zufall, um Himmels willen, sagte ich mir eindringlich. Es mußte Zufall sein. Das hier war schließlich ein freies Land, oder? Kleine vogelbeinige Frauen konnten ihren Kaffee trinken, wo sie wollten. Gut, sie schien meinem Gesicht ein unangemessenes Maß an Aufmerksamkeit zu widmen, aber das war nur meine Paranoia, die verrückt spielte. »Die Schuldigen fliehen, wo es keine Verfolger gibt«, und so weiter. Drek, sie hatte zuvor nicht einmal mein Gesicht gesehen, oder? Sie war gestern nicht da gewesen, als ich ins ›Cheeseburger im Paradies‹ gegangen war, und ich selbst hatte sie nur auf dem Monitor der Überwachungskamera gesehen. Trotzdem kostete es mich viel mehr Überwindung, ihr den Rücken zuzudrehen und zur Theke zu schlendern, als dies wahrscheinlich hätte der Fall sein dürfen.
Ich blieb nicht sehr lange dort - nicht nur wegen der vogelbeinigen Frau, obwohl ihre Anwesenheit gewiß nicht half. Ich trank ein paar Tassen ausgezeichneten Kaffee, mampfte ein als Ono bezeichnetes Sandwich - offenbar eine Fischart, obwohl es sich der trockenen Konsistenz nach zu urteilen auch um irgendein styroporartiges Verpackungsmaterial gehandelt haben könnte - und ging dann. Auf dem Weg durch die Lobby und die Treppe herauf mühte ich mich nach allen mir zu Gebote stehenden Regeln der Kunst festzustellen, ob mir jemand folgte. Niemand, insbesondere nicht Mrs. Vögelbein. Den Geistern sei Dank für kleine Wohltaten. Ich kehrte auf mein Zimmer zurück und sperrte die Tür ab.
Falls ich gehofft hatte, der kleine Abstecher ins Café würde meinem Hirn etwas entlocken - zum Beispiel einen Einfall -, wurde ich gründlich enttäuscht. Ich setzte mich vor das Telekom - wo ich versuchte, Körper und Geist davon zu überzeugen, daß es an der Zeit war, sich wieder an die Arbeit zu machen -, aber dann starrte ich es lediglich gute fünf Minuten lang an. Sich mit einem König zu treffen... wie stellt man so etwas an? Und noch dazu schnell?
Das Telekom klingelte, und ich erschrak so sehr, daß ich fast mit dem Stuhl hintenüber gekippt wäre. Ich starrte auf den Bildschirm. Ja, das Icon verriet mir, daß ich einen Anruf empfing... trotz des Schildes an der Wand über dem Gerät, das besagte: keine eingehenden Gespräche. Ich blinzelte das Schild an.
Und dann drückte ich die entsprechende Taste, um den Anruf entgegenzunehmen. Was konnte ich sonst tun?
Es war nicht Barnard, wie ich halb und halb erwartet hatte. Es war auch nicht Kat oder Moko oder ein städtisch aussehender japanischer Killer, wie ich halb und halb befürchtet hatte. Nein, es war ein hübscher polyne-sischer Mann ungefähr meines Alters. Er hatte ausgeprägte Gesichtszüge mit der Art von Nase, die man als ›klassisch‹ bezeichnen konnte, und Augen so hart und dunkel wie Feuerstein. Er trug sein schwarzes Haar lang, schulterlang im Nacken, ein wenig kürzer an den Seiten, und war perfekt frisiert. Ich konnte nichts von seiner Kleidung erkennen, aber unter dem Kinn war etwas, bei dem es sich um einen Kragen im Konzernstil handeln mochte. Er lächelte mich an und zeigte dabei perfekte Zähne. »Mr. Montgomery«, sagte er mit einem schwachen Akzent, der irgendwie britisch klang, »bitte legen Sie nicht auf. Ich habe gehört, daß Sie mit mir reden wollen.«
»Und wer, zum Teufel, sind Sie?« fragte ich, wenngleich ich das unbestimmte Gefühl hatte, es bereits zu wissen.
»Mein Name ist Gordon Ho«, sagte der Mann gelassen. »Vielleicht kennen Sie mich auch als König Kame-hameha V.«