VIER

Was gefunden?« Damen rubbelt sich mit einem Handtuch durch die nassen Haare, ehe er das Tuch beiseitewirft und sich rasch mit den Fingern die Strähnen glattstreicht.

Ich stoße mich vom Schreibtisch ab, fahre ein Stück auf Damen zu und rolle mit dem Stuhl hin und her, während ich antworte. »Ich habe ein paar Suchanfragen ausprobiert. Zuerst hab ich die Zahlen eingegeben, die sie erwähnt hat, da ich dachte, es könnte ein Datum oder ein Code oder ein Link zu einer wichtigen Textpassage sein oder zu einem Kirchenlied, einem Psalm oder einem Gedicht oder … irgendwas.« Ich zucke die Achseln. »Ich habe sogar den Namen eingegeben, den sie genannt hat, Adelina. Aber nichts gefunden. Dann hab ich die Zahlen und den Namen gemeinsam eingegeben, aber wieder Fehlanzeige. Oder zumindest nichts, was auch nur im Entferntesten mit uns zu tun haben könnte.«

Er nickt und verschwindet für einen Moment in seinem begehbaren Kleiderschrank, dann kehrt er in einer frischen Jeans und einem schwarzen Wollpullover zurück. Während ich mich für den wesentlich einfacheren und auch fauleren Ansatz entscheide, mir meine Klamotten zu manifestieren, die im Endeffekt ziemlich ähnlich ausfallen.

Außer dass mein Pullover blau ist. Er mag mich in Blau. Es bringt das Blau meiner Augen zur Geltung, sagt er.

»Also, wo fangen wir an?« Er lässt sich auf das Ledersofa sinken und schlüpft in ein Paar Schuhe – schwarze TOMS-Slipper, einer der wenigen Artikel, die er sich noch kauft –, aber nur, weil ein Teil der Einnahmen an wohltätige Zwecke geht.

Dahin sind die handgenähten italienischen Motorradstiefel, die er trug, als wir uns kennen lernten. Jetzt trägt er im Sommer billige Gummi-Flipflops und im Winter TOMS. Abgesehen von seiner protzigen, überdimensionierten Villa im Wert von vielen Millionen Dollar und dem glänzenden schwarzen BMW-M6-Coupé in seiner Garage – einem Auto, das zu remanifestieren und zu behalten ich ihn mehr oder weniger gezwungen habe – scheint er sich an seinen jüngsten Entschluss halten zu wollen, von jetzt an einfacher, weniger extravagant, dafür aber bewusster und weniger materialistisch zu leben.

»Für die nächste Woche bin ich ganz dein.« Er erhebt sich, schüttelt kurz die Beine aus und zieht seine Jeans zurecht.

»Nur für die nächste Woche?« Ich stehe vor dem hohen gerahmten Spiegel, der an der Wand lehnt, und versuche, mein Haar dazu zu überreden, etwas anderes zu tun, als nur flach auf meinem Kopf zu liegen. Doch nachdem ich ein paar Locken und Wellen manifestiert habe, die mir einfach nicht stehen, style ich es wieder so, wie es war, ergänzt nur durch einen Pferdeschwanz.

»Auch wenn du und ich kein Ablaufdatum haben, dein kleines Projekt hat ja wohl eines – wie du schon gesagt hast. Also sag, wo fangen wir an?« Er sieht mich an und wartet auf weitere Anweisungen.

Ich mustere mein Profil und streiche die vereinzelten Strähnen glatt, die seitlich noch abstehen. Irgendwie sollte ich mir etwas anderes einfallen lassen, da ich mit meinem Spiegelbild nicht ganz zufrieden bin, doch ich hole nur tief Luft und zwinge mich, es zu akzeptieren.

Wann immer ich mich ansehe, sehe ich nur Dinge, die ich ändern möchte.

Wann immer Damen mich ansieht, sieht er nur ein herrliches Geschenk des Universums.

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen.

»Komm schon.« Ihm zuliebe wende ich mich von meinem Spiegelbild ab, da ich weiß, dass wir keine Zeit zu verlieren haben. Eine Woche voller Arbeit, wie ich sie geplant habe, kann einem hinterher vorkommen wie ein, zwei Minuten.

Mit verschlungenen Händen stehen wir nebeneinander da und stellen uns den weichen goldenen Schleier aus schimmerndem Licht vor, der uns ins Sommerland führt.

Wir überspringen das weite, duftende Feld aus glitzernden Blumen und pulsierenden Bäumen und landen stattdessen am Fuß der breiten Treppe, die zu den Großen Hallen des Wissens führt. Einen Moment lang halten wir inne, stoppen unsere Gedanken und blicken mit großen Augen und solcher Ehrfurcht auf das Gebäude, dass uns regelrecht der Atem stockt.

Wir betrachten die herrlichen Steinornamente, das weite, geneigte Dach, die imposanten Säulen und die wuchtigen Portale – all die prächtigen Gebäudeteile, die sich permanent verändern und Bilder von den Pyramiden von Gizeh heraufbeschwören, ehe sie in den Lotustempel und dann ins Tadsch Mahal übergehen. Das Gebäude ist im steten Wandel begriffen, der sich fortsetzt, bis die größten Weltwunder in seiner bestaunenswerten Fassade abgebildet worden sind. Es lässt nur diejenigen ein, die es als das erkennen können, was es wirklich ist – ein Ehrfurcht gebietender Ort, geschaffen aus Liebe und Wissen und allem Guten.

Die Türen springen vor uns auf, und wir eilen die Treppe hinauf und betreten die weitläufige Eingangshalle, die von einem absolut strahlenden, warmen Licht erfüllt ist, ein allumfassendes Leuchten, das wie auch sonst im Sommerland jede Ecke, jeden Winkel und jeden Raum durchdringt und nirgends dunkle Schatten oder finstere Stellen gestattet – abgesehen von denen, für die ich selbst verantwortlich bin – und aus dem Nichts zu kommen scheint.

Wir wandeln zwischen weißen Marmorsäulen, die direkt aus dem alten Griechenland stammen könnten, an Reihen langer, mit Schnitzereien verzierter Holztische und Bänke entlang, an denen Priester, Rabbis, Schamanen und Suchende aller Art sitzen, darunter auch: Jude?

Sowie sein Name in meinen Gedanken erscheint, hebt er den Kopf und sieht mich unverwandt an. Gedanken sind Dinge, die aus Energie der reinsten Art bestehen, und hier im Sommerland kann jeder sie hören.

»Ever …« Er hebt eine Hand an die Stirn und streicht die Stelle direkt über seiner gespaltenen Braue glatt, bevor er sich das Gewirr aus langen, bronzefarbenen Dreadlocks aus dem Gesicht schiebt. »Und Damen …« Seine Miene bleibt unergründlich, undurchschaubar, auch wenn auf der Hand liegt, dass ihn das reichlich Mühe kostet.

Er erhebt sich, für mein Gefühl ein wenig widerwillig. Doch als Damen mit einem Grinsen, das seine Miene aufleuchten lässt, auf ihn zugeht, bemüht sich Jude nach Kräften, es mit einem ebensolchen zu erwidern, und lässt seine Grübchen aufblitzen.

Ich halte mich im Hintergrund und sehe zu, wie die beiden das übliche männliche Begrüßungsritual mit Abklatschen und Schulterklopfen absolvieren. Dabei versuche ich, hinter die Fassade von Judes geröteten Wangen zu blicken und den Hauch von Kummer in seinen ozeangrünen Augen zu ergründen.

Also, auch wenn er und Damen Waffenstillstand geschlossen haben, auch wenn er jetzt so ziemlich in alle unsere größten Geheimnisse eingeweiht ist und nicht vorhat, sie auszuplaudern, auch wenn ich mir absolut sicher bin, dass seine unheimliche Fähigkeit, meine besten Pläne zu durchkreuzen, auf keinerlei Berechnung seinerseits zurückzuführen ist, sondern ihn etwas anderes, eine höhere Macht, dazu treibt, stets im absolut ungünstigsten Moment dazwischenzufunken, zögere ich einfach unwillkürlich und kann meinen Widerwillen, ihn zu begrüßen, nur mühsam überwinden.

Doch es dauert nur einen Moment, bis ich mein Zögern als das erkenne, was es wirklich ist.

Schuldgefühle.

Schöne, altmodische Schuldgefühle.

Nicht mehr und nicht weniger.

Die Art von Schuldgefühlen, die dann entstehen, wenn man eine lange, mehr oder weniger verwickelte und manchmal auch romantische Vergangenheit mit jemandem teilt und sich am Ende dann doch für jemand anders entscheidet.

Ganz egal, wie sehr sich Jude auch bemüht hat, ich habe Damen immer ihm vorgezogen. Und erst in jüngster Zeit wieder.

Doch obwohl ich weiß, dass ich die beste Wahl getroffen habe, die richtige und einzige Wahl, obwohl ich instinktiv weiß, dass irgendwo eine andere herumläuft, ein Mädchen, das viel besser zu ihm passt als ich, sieht Jude das etwas anders.

Er blickt zwischen uns hin und her und heftet den Blick schließlich in einer Weise auf mich, die eine unverkennbare Welle kühler, gelassener Ruhe durch meinen Körper fließen lässt – ein Phänomen, das ich sowohl in diesem als auch in meinen früheren Leben nur bei ihm erlebt habe. Und auch wenn er sich noch so darum bemüht, distanziert und neutral zu bleiben, ist es unmöglich, das Aufblitzen der Sehnsucht in seinem Blick zu übersehen – ein kleiner Samen der Hoffnung, den er noch immer nicht ganz begraben hat. Obwohl es in einer Sekunde vorbei ist, obwohl er es rasch durch etwas anderes ersetzt, etwas mit weit weniger Schmerz, etwas wesentlich Wohlwollenderes, nehme ich mir die Zeit, um einen hell leuchtenden Stern über seinem Kopf zu manifestieren, in der Hoffnung, dass er bald die eine Person im Universum findet, die für ihn bestimmt ist und viel besser zu ihm passt, als ich es je könnte.

Und dann lasse ich den Stern wieder verschwinden, ehe die beiden ihn sehen.

»Was führt dich hierher?« Ich ringe mir ein Lächeln ab und behalte es bei, bis es sich echt anfühlt.

Er scharrt mit den Füßen, wiegt sich vor und zurück und fummelt an den Gürtelschlaufen seiner Jeans herum. Dabei sortiert er seine Gedanken, wägt zwischen vollständiger und teilweiser Aufrichtigkeit ab und entscheidet sich für vollständige. »Mir gefällt’s einfach hier«, sagt er. »Ich kann nichts dagegen tun. Ava hat mich zwar gewarnt, dass ich es nicht übertreiben soll, aber ich kann es mir einfach nicht abgewöhnen.«

»So ist das Sommerland eben.« Damen nickt, als würde er ihn voll und ganz verstehen, als hätte er allen Ernstes selbst mit der gleichen Versuchung zu kämpfen gehabt. Und wer weiß, vielleicht hatte er das ja, und wir sind nur noch nicht dazu gekommen, darüber zu sprechen. »Die Anziehungskraft ist ziemlich stark«, fügt er hinzu. »Schwer zu widerstehen.«

»Recherchierst du irgendwas Bestimmtes?« Ich bemühe mich um einen lockeren Plauderton, obwohl ich mich zugleich auf die Zehenspitzen stelle, um einen Blick auf das zu werfen, was er gerade studiert hat, als wir hereinkamen. Doch er ist zu klug dafür und löscht schnell alles, sowie er meine Absicht erkennt.

Deshalb bin ich auch so schockiert, als er sagt: »Offen gestanden, hab ich ein bisschen über dich recherchiert.« Sein Blick brennt sich in meinen, woraufhin Damen ihn aus schmalen Augen anfunkelt und versucht herauszufinden, was das heißen soll. Ich sehe erst den einen und dann den anderen an und überlege fieberhaft, was ich sagen könnte, doch Jude kommt mir zuvor. »Ich wollte herausfinden, warum ich dir irgendwie andauernd in die Quere komme.«

Ich sage nichts, da meine Kehle auf einmal wie ausgedörrt ist und ich mich räuspern muss, ehe ich sprechen kann. »Und, bist du zu irgendwelchen Schlussfolgerungen gelangt?«, frage ich, während so ziemlich alles an mir – meine Stimme, meine Haltung, meine Miene und mein Verhalten – unterstreicht, dass mein Interesse an diesem Thema praktisch keine Grenzen kennt.

Er schüttelt den Kopf, und auf seinem Gesicht zeichnet sich eine Entschuldigung ab, die Worte nicht ausdrücken können. »Nein, oder zumindest nichts Konkretes«, antwortet er.

Meine Schultern sacken nach unten, während mir ein Seufzer entwischt, und mir kommt zwangsläufig in den Sinn, wie schön es gewesen wäre, wenn Jude meine ganzen Hausaufgaben für mich gemacht hätte, doch so einfach ist es nie.

»Allerdings war da etwas …«

Jetzt hat er meine volle Aufmerksamkeit, und die von Damen ebenfalls, soweit ich es beurteilen kann.

»Es ist nichts, was ich konkret gesehen hätte, sondern eher ein Gedanke, der mir immer wieder in den Sinn kam. Den ich nicht vertreiben konnte.«

»So funktioniert das Sommerland.« Ich nicke ein bisschen zu heftig. »Oder zumindest die Großen Hallen des Wissens. Es ist nicht immer konkret, weißt du. Es ist nicht immer etwas, was du liest oder wahrnimmst. Manchmal ist es auch nur ein hartnäckiger Gedanke, der nicht verschwinden will, bis du ihn beachtest.«

Er nickt, hakt die Daumen in die Gürtelschlaufen und sieht zwischen Damen und mir hin und her. »Also, das klingt jetzt wahrscheinlich ziemlich wertend, aber ihr wisst sicher mittlerweile, dass ich es nicht so meine, bloß – na ja, irgendwie drängt sich mir der Gedanke auf, dass alle eure … Schwierigkeiten … na ja … ich hab eben das dumpfe Gefühl, als käme das alles von eurer Unsterblichkeit.«

Er wirft einen hastigen Blick auf Damen, und ich tue es ihm gleich. Wir wissen beide, dass Damen verantwortlich für den Zustand ist, in dem wir uns befinden – und uns ist beiden klar, dass ihm das nur allzu bewusst ist.

»Damit meine ich, dass die ganze Sache mit dem Elixier und, na ja, allem anderen, was dazugehört, schließlich weiß ich ja nicht über sämtliche Einzelheiten Bescheid, aber ich finde einfach, dass es nicht natürlich ist, wisst ihr? Es ist uns nicht bestimmt, körperliche Unsterblichkeit zu erlangen – das steht nur der Seele zu. Die Seele ist unser unsterblicher Teil. Nach allem, was ich weiß, recycelt sie sich immer wieder, aber sie stirbt nie. Wir sind dazu bestimmt, über die rein körperliche Welt hinauszustreben, nicht dazu, uns in ihr festzusetzen und nur in ihr …« Es ist ihm sichtlich unangenehm, doch nun, da er einmal begonnen hat, weiß er, dass er keine andere Wahl hat, als zu Ende zu sprechen. Außerdem können wir ohnehin in seinen Kopf hineinhorchen, wir hören die Worte, die auf uns zukommen, als er weiterspricht. »Man soll sich die materielle Welt nicht so zu eigen machen, als wäre sie die letzte Station – als wäre sie alles, was es gibt.«

Ich schweige. Damen auch. Wir staunen alle beide darüber, wie sehr Judes Worte ein allzu vertrautes, irgendwie auch unheimliches Echo dessen darstellen, was Damen vor Kurzem in seinem Zimmer zu mir gesagt hat.

Und ich frage mich einfach zwangsläufig, ob es einen Grund dafür gibt – und ob ich ihn erfahren soll. Ihn offen und ehrlich erfahre und dann vielleicht sogar danach handeln kann.

Vielleicht sollte ich ernsthaft darauf hören. Nicht einfach nur alles abtun, wie es meiner Neigung am ehesten entspräche.

Jude verzieht das Gesicht, bis seine Augen nur noch zwei schmale Schlitze des strahlendsten Blaugrüns sind – ein Ausschnitt eines verführerischen Tropenmeers, in das man so einfach eintauchen könnte. »Und ich glaube … na ja, möglicherweise hindert euch das Karma, das ihr aufgrund dieser Entscheidung angesammelt habt, daran zu erleben …« Er gestikuliert herum, bis er sich endlich genug gefasst hat, um weiterzureden. »Nun ja, ich glaube, das hindert euch daran, wahres Glück zu erleben. Echte Glückseligkeit. Falls ihr wisst, was ich meine.«

Oh, ich glaube, ich weiß, was du meinst.

Ich seufze. Damen seufzt auch. Wir klingen wie ein Chor aus Frust und Unzufriedenheit.

»Und, noch was?« Ich ziehe die Brauen hoch, während ich registriere, dass meine Worte wesentlich harscher geklungen haben als beabsichtigt, und versuche, meinen Tonfall im Weiteren zu mäßigen, als ich hinzufüge: »Oder hast du vielleicht irgendwelche Ideen, wie wir all das lösen könnten?«

Jude kneift so grimmig den Mund zusammen, dass sein eigentlich gut gebräunter Teint zu einem weißen Streifen verblasst, der sich um seine Lippen legt – Lippen, die ich einmal geküsst habe oder auch zweimal, so genau weiß ich das nicht, nachdem wir alle drei so viele Leben miteinander geteilt haben. Mit ernster Miene antwortet er mir. »Tut mir leid. Weiter weiß ich nichts. Und jetzt … na ja, ich überlasse die Sache dann wohl lieber euch und …«

Er macht Anstalten davonzugehen, will das Ganze eindeutig hinter sich bringen und seinen Alltag weiterleben. Und während Damen nach wie vor in Gedanken versunken ist, abgedriftet in einer dunklen Wolke von Schuldgefühlen, strecke ich den Arm aus. Ich erwische Jude gerade noch am Bizeps und zerre ihn unter einem Aufgebot an brutaler Kraft zu mir zurück, wobei ich ihn flehend ansehe und mit alledem einem spontanen Impuls nachgebe, über den ich keine Sekunde lang nachgedacht habe.

Damen sieht mich an und konzentriert sich auf meine Gedanken, nachdem er aus seinen eigenen herausgerissen wurde. Das deutliche, irgendwie leicht aufgeschreckte und vor allem reichlich peinliche: Nein, geh nicht, das mir durch den Kopf schoss, hat sich durch den ganzen Raum verbreitet, bevor ich es aufhalten konnte.

»Ähm, also ich meine, du musst nicht unseretwegen verschwinden …«

Damen blinzelt und sieht mich überaus interessiert an, Jude desgleichen. Und so stehe ich zwei Paaren hochgezogener Brauen gegenüber, einer gespaltenen und einer in jeder Hinsicht perfekten, während die darunterliegenden Augenpaare mich fixieren.

Ich muss meinen Gedanken zu Ende bringen, ehe sie beide eine schreckliche Schlussfolgerung ziehen, die uns nur wieder zum Anfangspunkt zurückbringt. »Was ich gemeint habe, ist, ob du wirklich gehen musst. Jetzt«, frage ich. Puh. Ich rolle über mich selbst die Augen. Was zum Teufel ist nur los mit mir? Von einem Fettnäpfchen ins nächste ist noch untertrieben, und leider scheint Jude mir beizupflichten.

»Tja, ich dachte, ich lasse euch jetzt in Ruhe und sehe mich vielleicht noch ein bisschen um oder treffe mich mit Romy, Rayne und Ava.« Er zuckt die Achseln, und seine Geste macht das Unbehagen, in das ich ihn gestürzt habe, in vollem Ausmaß sichtbar.

»Sie sind hier?« Ich sehe mich um, obwohl ich gar nicht damit rechne, sie zu sehen. Es ist vielmehr ein Versuch, mich an irgendetwas festzuhalten.

Jude wirft mir einen seltsamen Blick zu. »Nein, sie sind wieder auf der Erdebene, warum?« Seine Brauen senken sich, und sein Mund wird wieder weich. »Ever – worum geht’s eigentlich?«

Damens Energie strahlt neben mir, und ich weiß, dass er das Gleiche denkt. Also hole ich tief Luft, sehe beide nacheinander aufmerksam an und zwinge mich dazu, die Worte auszusprechen. »Pass auf, ich habe da ein kleines … Forschungsprojekt, an dem ich arbeite. Und da ich nur eine Woche Zeit dafür habe«, ich werfe Damen einen bezeichnenden Blick zu, »dachte ich, wenn du nichts dagegen hast, dass ich, na ja, oder vielmehr dass wir …« Mein Blick bohrt sich in Damens Augen, während ich ihn praktisch anflehe, mir in diesem Punkt zu vertrauen. »Na ja, angesichts des engen Zeitrahmens und der Erkenntnisse, die du uns mitgeteilt hast, dachte ich, wir könnten deine Hilfe gut gebrauchen. Dein Blickwinkel könnte sich als sehr, sehr nützlich erweisen. Aber es ist natürlich deine Entscheidung …«

Jude sieht erst mich und dann Damen an, erwägt, überlegt und richtet seine Antwort schließlich an mich. »Gut«, sagt er. »Ich bin dabei. Das ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem ich die Sache mit Haven und so ziemlich alles andere in deinem Umfeld vermasselt habe. Also, wo fangen wir an?«