26.
Irgendwann bin ich bei meinen Nachforschungen auf Tekakwithas Frühling gestoßen. Es war ein Jesuit, der liebevoll in einem Schulbuch davon schrieb. Il y a longtemps que je t’aime. Das wird mir zu denken gegeben haben in der Bibliothek. Ich stand dort im Staub, ich summte ein altes Lied, das mir nicht aus dem Kopf ging. Ich dachte an eisige Ströme und klare Seen. Einen halben Abschnitt lang spricht Christus durch den Priester. Er spricht über einen Frühling, den er als Tekakwithas Frühling bezeichnet. Der Priester ist Edouard Lecompte, und wegen dieses einen Abschnitts bin ich überzeugt, dass er sie geliebt hat. Er starb am 20. Dezember 1929, le 20 décembre 1929. Pater, Sie sind gestorben. Ich habe ihn längst in mein Herz geschlossen, diesen Priester, den ich anfangs überhaupt nicht mochte, weil er nur für die Kirche zu schreiben schien, nicht für die Lilie, Wie Sie Wächst. Der Frühling hat mir neue Kraft gegeben in jener Nacht, wie damals der Schnee einer anderen Nacht. Kristallklar war er, das habe ich gespürt. Ich habe die Schöpfung in meine Schreibstube geholt, die kalten, strahlenden Umrisse der Dinge, wie sie sein sollen. Entre le village, schreibt er, Entre le village et le ruisseau Cayudetta, zwischen dem Dorf und dem Bach Cayudetta, au creux d’un bosque solitaire, in der Tiefe eines freistehenden Hains, sortant de dessous un vieux tronc d’arbre couvert de mousse, trat unter einem alten, bemoosten Baumstamm hervor, chantait et chante encore de nos jours, sang und singt bis heute, une petite source limpide, eine kleine, saubere Quelle… Es war an dieser Stelle, wo das Mädchen Wasser holte, Tag für Tag, neun Jahre lang. Wie viel du gelernt haben musst, Katerine Tekakwitha! Wie nüchtern dieser Traum ist, welch herrliche Nüchternheit, herrlich, wie der Schein der Tatsachen herrlich ist, eine Hautberührung, welch ein Hunger nach Nüchternheit mich plötzlich überfällt, der ich hier zwischen Feuerwerksfetzen liege, ein selbstverliebt Verbrannter, ein Ausguss multipler Persönlichkeit. 3285 Mal bist du zu diesem alten Baum gekommen. Lang lebe die Geschichte, die uns davon erzählt. Ich möchte dich kennen, wie du deinen Pfad gekannt hast. Wie unfassbar schmal die Spur deiner Rehlederschuhe. Waldduft durchdringt die Welt und bleibt in unserer Lederkleidung hängen, wohin wir auch gehen, selbst an der Peitsche, die wir im Gepäck versteckt haben. Ich glaube an Gregors Himmel, in dem sich Heilige drängeln, jawohl, Papst, du Ungebildeter. Auf dem Pfad drängen sich Tatsachen. Den kühlen Tannenbach gibt es noch. Ich wünschte, die Tatsachen würden mich aus meiner Küche hervorlocken, dass ich aufhöre, mich wie ein Rouletterad zu manipulieren. Wie gut, etwas zu erfahren, was sie getan hat.