11.

Und nun zum irokesischen Langhaus. Länge: zwischen dreißig und fünfzig Metern. Höhe und Breite: jeweils knapp zehn Meter. Die Querbalken tragen ein Dach aus großen Rindenstücken, und zwar Zeder, Esche, Ulme oder Kiefer. Es gab weder Fenster noch einen Kamin, nur Türen an beiden Enden. Licht drang durch die Löcher im Dach, und Rauch quoll heraus. In jeder Hütte brannten mehrere Feuer, denen jeweils vier Familien zugeordnet waren. Sie waren so angeordnet, dass immer ein Durchgang frei blieb. »La manière dont les familles se groupent dans les cabanes n’ est pas pour entraver le libertinage«, notierte Le P. Edouard Lecompte, S. J., im Jahr 1630. Die Gesellschaft Jesu hatte schon immer ein Talent dafür, unsere sexuellen Bedürfnisse anzuregen. Tatsache ist, dass zügelloses Verhalten durch die Bauweise der Langhäuser in keiner Weise behindert wurde. Was war da los in diesem dunklen Tunnel? Was haben deine geschwollenen Augen gesehen, Catherine Tekakwitha? Was ergoss sich auf die Bärenfelle? Schlimmer als im Kino? F. hat immer gesagt: Das Kino ist die nächtliche Vereinigung eines Männergefängnisses mit einem Frauengefängnis. Die Gefangenen bekommen es überhaupt nicht mit, aber Wände und die Tore, die finden zusammen. Die geheimnisvolle Vereinigung wird in den Ventilationsschächten vollzogen, wo sich ihre Gerüche durchdringen. F.s extravagante Beschreibung deckt sich mit etwas, das mir einmal ein Mann der Kirche erzählt hat. Am Sonntagmorgen, hat er berichtet, wenn sich die Männer im Bordeaux-Gefängnis zur Messe versammeln, hängt über ihren Köpfen ein Samengestank wie eine Dampfwolke. Das moderne Programmkino aus Beton und Velours ist ein Witz dagegen, und ein Witz, meint F., ist nichts anderes als ein sterbendes Gefühl. Hier in den kalten Gemäuern findet keine Vereinigung statt, alle sitzen nur brav auf ihren Weichteilen, denn: die Genitalien prangen ja silbern auf der Leinwand! Ich will den verborgenen Sex wiederhaben! Damit die Schwänze sich wieder erheben und wie Efeu um die goldenen Strahlen des Projektors ranken und die Mösen unter Handschuhen und weißen Bonbontüten gähnen, und keine nackten Brüste unsere schmutzige Alltagswäsche in die Filmpaläste locken, die uns wie ein tödlicher Radar treffen kann. Wir wollen keinen neorealistischen Gebrauchssex, der wie ein undurchdringlicher Vorhang aus Möglichkeiten zwischen den Kinobesuchern hängt! Lass mir den Wunsch, im düsteren Langhaus meiner Träume so lange die Frauen zu tauschen, bis ich auf dich treffe, Catherine Tekakwitha, du mit deinen dreihundert Lenzen. Was auch immer die Priester und die Pest dir angetan haben, für mich duftest du wie ein frischer Birkensetzling.

Beautiful Losers
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