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Fredericksburg, Virginia,
United States of America, Sol III
0014 EDI, 10. Oktober 2009
Kenallai, Kessentai Oolt’ondai vom Gamalada Oolt’ondar’ Po’os, fand, dass die bescheidenen Lehen, die das Netz einem Spürmeister zugeteilt hatten, jetzt nach der Eroberung von fünf Welten, nach so vielen Jahren, angefüllt mit Schlachten, in den letzten Stadien einer Orna’adar waren, er hatte das schließlich alles schon erlebt.
»Aarnadaha hat wie viele Oolt’os verloren?«, schnaubte er überrascht und ließ seinen Tenar geistesabwesend über den mit Gras bewachsenen Mittelstreifen der U.S. 1 hin und her schweben. Aus dem Norden hallte Artilleriefeuer, und es roch verbrannt. Das Haus auf der anderen Straßenseite war ein Krater, der aussah, als ob ein Riese ihn mit der Hand aus dem Boden gegraben hatte.
»Er hat nur noch ein einziges Oolt«, berichtete Ardan’aath, sein nächster Kessentai. Sie waren seit vielen Jahren zusammen, und er vertraute dem Rat des alten Oolt’ondai.
Kenallais Kamm sträubte sich angesichts dieser Unmöglichkeit. »Er ist doch mit einem vollen Oolt’ Po’os gelandet, oder nicht?«
»Ja, Oolt’ondai. Und sie sind auch auf der reichsten Beute der Region gelandet, den Lagerhäusern dieser Thresh. Aber so wie es jetzt steht, haben wir nur ganz wenige ihrer Wohnquartiere eingenommen. Die bis jetzt eingesammelten Thresh werden nicht einmal unseren Bedarf für den nächsten Tag decken. Außerdem sind viele der Wohnquartiere entweder schon zerstört worden, bevor unsere Oolt’os sie betreten haben, oder während sie das taten. Viele davon sind ihnen buchstäblich in die Schnauze geflogen. Von den Thresh haben sich nur wenige einsammeln lassen, und ein Großteil der Thresh und der zurückgelassenen Beute ist entweder beschädigt oder zerstört.«
»Ich werde ihn rufen müssen.« Der Senior-Schlachtenmeister sträubte bösartig den Kamm. »Dieses dreimal verdammte Füllen kann etwas erleben, noch dazu, wo er uns bei der Landung einfach beiseite geschoben hat!«
»Sag es dem Netz«, brummte Ardan’aath. »Er ist aus dem Pfad entfernt worden, als er seinen Oolt’ Po’os verließ. Ein Schuss in den Kamm!«
»Was für ein Alld’nt-Planet ist das eigentlich?«, fragte sich Kenallai laut.
»Darauf habe ich vielleicht eine Antwort, mein Edas’antai«, antwortete einer der anderen Gottkönige in dem spontan einberufenen Kriegsrat.
Er wandte sich an Kenallurial, seinen Eson’antai. Bis jetzt hatte Ardan’aath noch kein Vertrauen zu ihm gefasst. Er war erst vor kurzem vom Spürmeister in die unterste Rangstufe des Schlachtenmeisters befördert worden und voll seltsamer neuer Vorstellungen. Ein Kessentai mochte zwar eine Gruppe vertrauter Bündnisgenossen um sich herum aufbauen, so wie Kenallai das mit Ardan’aath getan hatte, doch der Pfad war ein Pfad der Wut. Der einzige Ruf, auf den in der Hitze Verlass war, war der Ruf des Blutes. Einem Edas’antai zu vertrauen war eine Sache, aber eine Gruppe ähnlich denkender Kessentai zu sammeln und daraus ein lockeres Bündnis zu bilden und zu empfehlen »wie der Feind zu denken«, war nicht die Art des Pfades.
Die meisten anderen Schlachtenmeister schlugen vor, ihn in den Rang eines Spürmeisters zurückzuversetzen, bis er mehr Erfahrung gewonnen hatte. Mehr Zeit an vorderster Front, wo sich seine schwachen Bündnisse in der Hitze des Edan lösten, wo seine »Verbündeten« sämtlich bestrebt waren, als Erste auf bestem Territorium zu landen und damit das Ergebnis ihrer Lehen zu steigern – wenn er das erlebte, würde ihm in den Augen der älteren Kessentai klar werden, wie irrig seine Gedanken waren.
Dennoch behielt ihn Kenallai an seiner Seite, und keiner wusste, ob er dies wegen der Blutsbande tat oder weil er tief im Kern der Philosophie des jungen Schlachtenmeisters Nützliches ahnte.
Andere Oolt’ondai wandten sich ab, als der junge Schlachtenmeister von seinem Netz-Interface aufblickte. »Ich habe einen Hinweis auf diese Thresh gefunden.«
»Ich habe nach Daten über diese Welt gesucht«, schnaubte Ardan’aath. »Da war nichts. Nur eine Menge Berichte, dass dies eine fruchtbare Welt mit niedriger Technologie sei, reif, gepflückt zu werden. Wir können uns glücklich preisen, dass wir vor den Hauptwellen eingetroffen sind. Wir werden reiche Beute machen!« Die versammelten Gottkönige grinsten raubtierhaft.
»Keine Berichte von den Thresh von dieser Welt. Im letzten Tar gab es Meldungen, dass sie auf zwei anderen Welten aufgetaucht sind, Edas’antai«, fuhr er fort und berührte eine Schaltfläche, um die Daten auf den Bildschirm des Älteren zu schicken. »Äußerst beunruhigende Meldungen.«
Das Posleen-Datennetz war ein Morast schlecht sortierter Informationen. Ohne zentrale Steuerung, ohne Informationsroboter oder irgendwelche korrelierten Indizes hatten Daten, die Jahrtausende alt waren, identische Priorität mit neueren, authentischeren Daten. Nur wenigen Kessentai machte es Freude, zwischen den Felsen und Untiefen dieses Meeres zu navigieren, und die meisten nützten es deshalb so wenig wie möglich. Das Netz ermöglichte Kommunikation innerhalb des lokalen Bereichs, verteilte nach der Eroberung die Ressourcen und forderte gelegentlich Verstärkungen an, aber als Quelle für nachrichtendienstliche Erkenntnisse fanden es die meisten Posleen unbefriedigend.
»Im letzten Tar sind ähnlich aussehende Thresh in kleinen Zahlen aufgetreten. Auf Aradan 5 ist die Invasion erfolgreich zurückgeschlagen worden.«
»Was?«, schimpfte Ardan’aath. »Die Po’oslena’ar sind nie besiegt worden!«
»Auf Aradan 5 schon«, stellte Kenallai ruhig fest. »Viele sind bereits abgezogen. Die wenigen, die zurückgeblieben sind, werden Tag für Tag weiter zurückgedrängt.«
»Ich weise auf die Daten über ihre Physiologie hin«, fuhr Kenallurial fort. »Sie sind ganz eindeutig keine Modifikation der Grünen, trotz aller oberflächlichen Ähnlichkeit, und auch nicht der Dünnen. Dies ist eine neue Spezies und die erste mit dem Willen zur Schlacht, die ich in der ganzen Historie gefunden habe.«
Die anderen Kessentai sahen sich jetzt die Daten an, die der junge Schlachtenmeister aufgespürt hatte, und murmelten halblaut.
»Aber diese Berichte erwähnen keine Wohnungen dieser Thresh«, stellte der Oolt’pos Kessentai fest. Der Brigadekommandeur schüttelte wütend den Kopf. Die Daten von den anderen Planeten verhießen Unheil.
»Nein, Edas’antai, das tun sie nicht.«
»Deine Analyse?«
»Ich glaube, wir sind auf ihrer Heimatwelt gelandet«, antwortete der junge Offizier.
»Dann haben wir unseren Esonal also wirklich in ein Grat’s Nest gesteckt«, sagte der Brigadekommandeur.
»Wir werden sie beiseite fegen wie Abat«, sagte Ardan’aath und schnaubte selbstbewusst, so dass seine Spucke über das Gras des Mittelstreifens flog. »Was sind schon ein paar Thresh?«
»Das musst du Aarnadaha fragen«, meinte Kenallai grimmig. »Nun, unsere Kundschafter arbeiten sich von Süden aus vor. Bald werden wir sie zwischen uns, Sammadar und den restlichen Einheiten Aarnadahas haben.« Er blickte auf die Gefechtsdarstellung, die das Vorrücken der Posleen auf die ungeschützte Stadt zeigte. Das dreidimensionale Bild zeigte die Flecken georteter Feinde und die relativen Positionen der Posleen Verbände. Aber das Bild war keine Landkarte; es gab keine Symbole für Straßen, Gebäude oder Terrain. Wie Ameisen brauchten die Posleen die Wege von Kundschaftern, um sich zurechtzufinden. Vage während der Landungsphase aufgezeichnete Bilder, die bebautes Gebiet und schwere Verteidigungsanlagen zeigten, waren das Beste, was sie hatten. Neues Territorium, wenn nicht ein Gottkönig und seine Sensoren darauf saßen, war gewöhnlich für sie unbekanntes Land.
»Wir werden sie unter unseren Krallen zerdrücken und zu dem größeren Preis im Norden vorrücken. Dies hier ist ein Nebenschauplatz. Man soll Verbände zu der größeren Straße hinter dem Oolt Aarnadahas schicken«, fuhr Kenallai fort. »Damit können wir die Lehen beanspruchen, die er sonst genommen hätte. Dort ist reichliche Beute zu holen.«
»Meine Kundschafter berichten, dass sie unmittelbar vor dem Kontakt mit organisierten Streitkräften stehen«, stellte einer der Oolt’ondai fest.
»Dann sollten wir vorrücken, um die Thresh zu beobachten. Und hoffen, dass es keine Threshkreen sind.«
»Ganz besonders, dass sie keine Metall-Threshkreen sind«, murmelte Kenallurial und warf einen Blick auf die Daten von der Welt, die von den Menschen Diess genannt wurde, tat das aber in aller Stille, damit Aardan’aath es nicht bemerkte. Doch Kenallai sträubte zustimmend seinen Kamm.
»Wird das funktionieren, Sarge?«, fragte Lieutenant Kevin Ray und schaltete eine letzte Claymore-Mine scharf.
»Das hängt natürlich davon ab, was Sie unter funktionieren verstehen, Sir«, erwiderte Staff Sergeant Arthur Van Tri. Seine eurasischen Züge verzogen sich zu einem Grinsen, als er den Lieutenant musterte, der sich erst vor einer Woche bei ihrer Einheit gemeldet hatte. »Wenn Sie damit meinen, ob wir unser Leben damit retten, dann nein. Wenn Sie meinen, ob wir einen ganzen Pisspott voll Posleen damit ins Jenseits schicken, dann mit allem Nachdruck ja.«
Die Gruppe aus Pionieren und Zivilisten drängte sich erschöpft im Erdgeschoss der Assembly of God-Kirche von Fredericksburg. Oben an der Wand hatte man ein Loch ins Mauerwerk geschlagen, durch das Staff Sergeant Tri, der auf der obersten Sprosse einer Leiter stand, von Zeit zu Zeit hinaussehen konnte.
»Ich hoffe nur, denen ist nicht bewusst, dass an Zaunpfosten gewöhnlich Zäune hängen«, fuhr er fort und spähte durch ein Nachtsichtteleskop in die Dunkelheit hinaus.
»Und ich hoffe nur, denen ist nicht bewusst, dass an Zaunpfosten oben gewöhnlich keine Bomben angebracht sind«, schmunzelte einer der Zivilisten und spielte mit den Blasen an seinen Händen. »Mir ist das scheißegal, solange ihr Pioniere bloß den Bunker rechtzeitig fertig bekommt.«
»Keine Sorge, Mr. Sunday«, beruhigte ihn Lieutenant Ray. »Das schaffen wir schon. Zuerst schaufeln wir die Gräben, und dann sterben wir in ihnen, stimmt’s, Sergeant Tri?«
»Behaupten zumindest unsere Marine-Pioniere, die Seabees, Sir«, seufzte der Sergeant.
»Sollten wir uns nicht zurückziehen, Sergeant?«, fuhr der Lieutenant ohne eine Spur von Reue fort. »Wir könnten noch einen weiteren Hinterhalt legen.« Er strich liebkosend über die Claymore. Der Clacker lag daneben und war bereits an einem Zünder angeschlossen.
»Leider haben wir kaum noch Sprengstoff, Sir. Wir hätten alles hier einsetzen sollen.«
»Hey, Sergeant, es ist ganz so wie früher. Immer den letzten Schuss für sich selbst aufheben!«
»Echo 39, hier Tango 39, Ende.«
Sergeant Tri griff nach dem Hörer des Funkgeräts. Das PRC-77 war eine Antiquität, aber immer noch zu gebrauchen. »Tango 39, hier Echo 39, Ende.«
»Echo 39, wir fangen jetzt an. Posrep Lafayette und Old Greemvich, Ende.«
»Roger, Tango 39, verstanden, Posrep Lafayette und Old Greenwich, Ende. Aktivität hier immer noch negativ.«
»Roger, Echo 39. Also, hier Tango 39, war nett, dich gekannt zu haben, alter Chinese.«
Sergeant Tri schluckte und merkte, wie seine Augen feucht wurden. »Verstanden, Tango 39. Wir sehen uns in der Hölle wieder, Hillbilly. Hier Echo 39, Ende.«
Sergeant Tri wischte sich die Augen und spähte wieder durch das Loch in der Wand nach draußen.
»Anscheinend habe ich zu früh geredet«, sagte er. »Sie sollten jetzt Ihre Waffen bereit machen.« Hinter ihm griffen Soldaten wie Zivilisten nach ihren Gewehren und traten hinter weitere Schlitze in der Wand.
Eine Phalanx von Zentauren trottete die Straße herunter auf sie zu, ganz wie man es ihm gesagt hatte. Ihre Krokodilköpfe wanderten ständig hin und her, schnüffelten in der kühlen Nachtluft nach Beute. Ein gutes Stück hinter den vordersten Reihen schwebte in seinem Untertassenfahrzeug ein Gottkönig, erkennbar an seiner größeren Gestalt und dem Kamm, der seinen Schädel zierte.
Sergeant Tri verstand durchaus mit einem AIW umzugehen, aber unter den Zivilisten gab es ein paar erstklassige Schützen, die bereits zum Dach unterwegs waren, um sich der Gottkönige anzunehmen. Sie hatten klare Anweisung, wann sie nicht schießen sollten.
Obwohl die Zielerfassungssysteme der Posleen jeden auch noch so gut versteckten Scharfschützen ausmachen konnten, versagten sie gewöhnlich in der Hitze des Gefechts, und deshalb warteten kluge Scharfschützen, bis ein Gefecht in vollem Gang war, ehe sie feuerten. Sergeant Tri rechnete nicht damit, dass das mit dem ersten oder auch dem zweiten Gottkönig ein Problem sein würde, weil er und die in der Kirche Anwesenden gerade eine höchst produktive Stunde damit verbracht hatten, den Angreifern einen heißen Empfang zu bereiten.
Der Jeff Davis Highway verlief von der Kreuzung mit der Interstate 95 im Süden der Stadt praktisch schnurgerade bis zur Brücke über den Rappahanock River nördlich der Stadt. Von der Walker-Grant-Mittelschule bis zur Kirche war im Wesentlichen freies Gelände. Jetzt säumten Zaunpfosten aus Eichenholz die sonst völlig leere Straße.
Auch wenn für die Verteidigung der Stadt keine Grabenbagger eingesetzt werden konnten, war der Pfostengräberansatz, den einer der Zivilisten mitgebracht hatte, aus der Sicht Sergeant Tris ein Geschenk des Himmels. Das Bataillon verfügte zwar kaum über Minen, dafür reichlich über Sprengstoff, aber dafür gab es eine einfache Abhilfe. Während der Fahrt aus der Stadt hielten sie an einem Baumarkt an und beluden dort einen Pick-up-Truck mit Kisten voll Nägeln und Isolierband und nahmen zusätzlich dazu noch ein paar Kartons Munition mit.
Isolierband war etwas Herrliches. Nur eine kleine Bewegung mit dem Handgelenk, und schon war eine kleine Ladung Composition Four an einer Schachtel mit hundert Nägeln befestigt. Eine weitere kleine Handbewegung, und das Paket klebte am Oberteil eines Zaunpfostens, eines Baums, einer Verkehrstafel, eines Briefkastens, einer Autotür oder buchstäblich jedem anderem Gegenstand. Obwohl die meisten Behörden in solchen Situationen nach dem legendären 10-Penny-Nagel riefen, fand Sergeant Tri, dass sie wirklich phantasielos waren. Natürlich konnte man die meisten Arbeiten mit gewöhnlichen Drahtstiften erledigen, doch sein Favorit waren Dachnägel, wie man sie zum Aufnageln von Dachpappe benutzt, Nägel mit breitem Kopf, die meist mit der Spitze nach oben landeten, wenn man sie auf den Boden warf. Selbst wenn ein solcher Nagel keinen Posleen traf, würde er dem nächsten, der darauftrat, Schmerzen bereiten.
»Wird das ihren Vormarsch abbremsen?«, fragte Big Tom Sunday und wies in Richtung auf die heranziehenden Posleen. Tri hielt einiges von dem Mann; er war derjenige, der das Gerät zum Löchergraben mitgebracht hatte.
»Nee.«
»Warum in aller Welt haben wir das dann alles gemacht?«, fragte Big Tom.
»Das ist nicht dazu bestimmt, diese Typen langsamer zu machen, Mr. Sunday«, sagte Tri höflich, ohne dabei den Blick vom näher rückenden Feind abzuwenden. »Das soll sie töten.«
»Oh. Und die, die hinterher kommen?«
»Na ja, die werden eben etwas länger brauchen, über all die Leichenberge zu steigen.«
Big Tom Sunday lächelte und ging auf die Leiter zu.
Anarlaralta, Spürmeister der Po’oslena’ar, ließ seinen Kopf ständig wandern, achtete auf jede Kleinigkeit auf der Straße, während er seinen Tenar auf Zufallskurs hielt, ihn mit den Krallen hin und her lenkte. Er war gewarnt worden, dass die anderen Truppen schwere Verluste erlitten, aber – mit Ausnahme von Gebäuden, die wie es schien spontan in Flammen ausbrachen – war er bis jetzt nur auf geringen Widerstand gestoßen. Ein paar von den Thresh hatten Kampfgeist gezeigt, aber die waren schnell erledigt worden. Einige hatte man sogar gefangen. Es war leichter, wenn sie sich selbst zur Schlachtung transportierten, als wenn man sie schlachten und schleppen musste. Sie zeigten keinerlei Kampfbereitschaft; anscheinend waren es überwiegend Nestlinge. Wenn man all das in Betracht zog, hatte er Mühe, das Gefühl zu erklären, das er tief im Bauch empfand. Vielleicht hatte er sich nur noch nicht an die neuen Thresh gewöhnt.
Jetzt näherte sich sein Oolt einem Gebäude, in dem sich nach Anzeige seiner Sensoren eine Gruppe von Thresh zusammengedrängt hatte, einige davon bewaffnet. Er zog in Erwägung, sein Oolt ausschwärmen zu lassen, um das Gebäude zu umzingeln, entschied sich aber dann dafür, sich die Mühe zu sparen. Er würde nur ein paar Oolt’os nach vorne beordern, um die Verluste zu beschränken, falls das Gebäude explodierte, wie das bei anderen der Fall gewesen war. Der Rest seiner Truppe würde zwischen den vielen Markierungspfählen beiderseits der Straße zurückbleiben.
Diese Thresh hatten wirklich seltsame Gewohnheiten. Auf dieser Strecke gab es nicht nur Oberleitungen, an denen viele Gegenstände befestigt waren, sondern alle paar Schritte Markierungsstangen, und diese Stangen waren mit denselben seltsamen Gegenständen geschmückt wie die Leitungen oben …
Sergeant Tri sah zu, wie die ersten paar Posleen-Normalen sich der Kirchentür näherten, hob sein AIW, drehte sich um und nickte Lieutenant Lee bedeutsam zu.
Als Lee die Springerkabel mit der Autobatterie in Verbindung brachte, zuckte ein dicker, blauer Funken durch das Halbdunkel des Kirchenschiffs.
Gleichzeitig für menschliche Ohren detonierten auf einer Streckenlänge von etwa vierhundert Metern über dreihundert improvisierte Claymores. Jede Mine spie über hundert Geschosse von sich, die sich wesentlich schneller als eine Gewehrkugel bewegten. Die Minen waren beiderseits der Straße, an Seilen befestigt, die in so ziemlich jeder Höhe quer über die Straße gespannt waren. Tausende der tödlichen Geschosse schwärmten über die Straße und rissen die Posleen in Fetzen, zerrissen die Zentauren und ließen gelbes Blut, Fleischfetzen und Knochen durch die Luft fliegen. Hunderte von Geschossen detonierten, und die Untertasse des Gottkönigs in der Nachhut wurde von silbernem Feuer verschlungen, als ihre Energiezellen platzten. In jenem ersten Augenblick wurden über hundert Posleen vernichtet. Die Schlacht von Concord Heights hatte begonnen.
»Colonel«, sagte der S-3, »Lieutenant Ray berichtet, dass sie mit den Posleen in Berührung sind. Die vordersten Reihen sind mitten in die Falle gelaufen, und die Überlebenden haben sie ziemlich schnell erledigt, aber jetzt drängt die Nachhut nach, und er glaubt, dass er seine Position nicht mehr lange wird halten können.«
»Richtig. Gut.« Colonel Robertson sah sich um, musterte die Gestalten, die in dem Arsenal ein- und ausgingen. Der Haufen mitten im Raum war inzwischen zu respektabler Größe angewachsen. »Wir müssen diesen Einsatz zurückziehen. Wie ist die Lage an der Interstate?«
»Der Haupttrupp der Posleen hat sich im Grunde genommen selbst ausgelöscht, aber jetzt rücken von Norden und Süden Verstärkungen nach. Die werden noch etwa eine Viertelstunde standhalten können.«
»Das ist besser, als wir erwarten durften. Und der Bunker?«
»Einigermaßen voll.«
»Dem Himmel sei Dank. Okay, sagen Sie dem Sergeant Major, dass das die letzte Ladung ist.«
»Und wer darf sich die Ehre geben?«
»Ich denke, das werde ich dem Sergeant Major überlassen. Sie und ich müssen in die Stadt.«
Als sie zum letzten Mal das Gebäude verließen, drehte der Colonel sich um, blickte auf die Tafel hinter der Tür und schnaubte grimmig. »Ich hoffe, unser Feind besitzt wenigstens genügend Intelligenz, um mit der Zeit Abzeichen zu erkennen.«
»Warum?«, fragte der S-3.
Der Colonel deutete auf die Burg mit den beiden Türmen. »Stellen Sie sich doch vor, wie sehr die mit der Zeit dieses Wappen hassen werden.«
»Ich hole mir die Brut dieser Alld’nt-Threshkreen zum Abendessen!« Kenallai stieg vorsichtig durch die blutigen Überreste seiner Truppen, die die Straße bedeckten. Er war aus seiner Untertasse gestiegen, um sich die Überreste des Gemetzels aus der Nähe anzusehen. Über dem Schlachtfeld hing immer noch eine Dunstglocke aus Rauch und Staub, und die zerfetzten Leichen der Posleen-Kompanien dampften in der kalten Nachtluft. »Was im Namen der neunzehn Fuscirt hat das hier angerichtet?«
»Dies, mein Eson’antai«, sagte Kenallurial und wies in das Gebäude, welches das Zentrum der Kämpfe gewesen war. Er deutete auf einen großen, grün gekleideten Thresh, dem fast der gesamte Oberkörper fehlte. Eine Explosion hatte den größten Teil der Masse des Thresh zerfetzt, so dass nur wenig Verpflegung übrig blieb. Wenn man die rings herum verstreuten Oolt’os betrachtete, war es eine Explosion gewesen, die dazu bestimmt gewesen war, die Oolt’os zu töten, ehe sie über ihn kamen. Kenallurial riss ein Stück des grünen Kleidungsstücks herunter.
»Die Markierung notieren. In den Berichten hieß es, dass all die grün und grau gekleideten Thresh Markierungen trugen. Viele müssen noch entziffert werden, aber die hier ist bekannt. Übersetzt bedeutet sie so etwas Ähnliches wie ›Anführer von Militärtechnikern‹. Es gibt andere, die Gewehre tragen und die Führer von Kriegern sind.«
»Militärtechniker?«, entsetzte sich Ardan’aath. »Welcher Unfug! Was hat Krieg mit Technikern zu tun? Krieg ist für die Krieger, nicht für Drückeberger, die Sprengstoff als Waffen benutzen! Man zeige mir die mit den Gewehren, dann bringe ich dir ihre Brut auf meiner Klinge!« Er riss seine Untertasse herum und schoss davon, seinem vorrückenden Oolt’ondar entgegen.
Kenallai nahm das Stück Stoff in die Hand und drehte das Symbol herum, so dass die Vorsprünge nach oben wiesen. »Das scheint ein Gebäude zu sein.«
»Ja, Eson’antai. Vielleicht ihr Hauptquartier. Und obwohl ihre Aufgabe das Bauen einschließt, sind sie auch primäre Künstler der explosiven Vernichtung«, er machte eine Geste in die Runde, »wie du sehen kannst.«
»Nun, haben dann diese Militärtechniker einen eigenen Namen?«
»Ja, die nennen sie ›Ingenieure‹ oder ›Sappeure‹.« Kenallurials Schnauze hatte Probleme mit der Aussprache des fremd artigen Begriffs.
»›Sappeure‹«. Kenallai kostete das Wort aus. »Ich hoffe, dass diese Begegnung die letzte ist, die wir mit ihnen haben.«
»Verdammt«, murmelte Colonel Robertson halblaut, »es klappt.« Das Ende der Schlange aus Frauen und Kindern schlurfte wieder ein paar Schritte weiter nach vorn, als er unter der Eisenbahnbrücke die Sophia Street überquerte.
Während er sich dem Pumpenhaus näherte, sah er, wie Lieutenant Young sich mit einem Bauarbeiter in Zivil unterhielt. Die Stromversorgung der Stadt war inzwischen ausgefallen und damit auch die Straßenbeleuchtung, aber inzwischen hatte man bereits Bauscheinwerfer aufgebaut, und die Bulldozer und sonstigen Erdbewegungsmaschinen konnten ungehindert weiterarbeiten. Der Hügel gegenüber der Bahnstation, der die Frederick Street flankiert hatte, war eingeebnet worden, und die Straße war praktisch verschwunden. Von den Gebäuden, die einmal dort gestanden hatten, war keine Spur mehr zu sehen, auch nicht mehr von der Montessori-Schule an der Ecke. Stattdessen verfügte der Rappahanock jetzt über ein neues Steilufer. Die Gegend sah aus, als ob ein Rudel riesiger Maulwürfe über sie hergefallen wäre.
Das Pumpenhaus war ein flacher Betonbau von etwa fünfzehn Meter Länge und zehn Meter Breite gewesen, über dem man einen etwa sechs Meter hohen Silo errichtet hatte. Der untere Teil des Gebäudes war zum Teil von Schwemmland bedeckt, oben und an der Flussseite schützten es seine meterdicken Stahlbetonwände. Zu der Tür an der Oberseite des Silos hatte ein schmaler Steg geführt, dort gab es einen ringsum von Fenstern umgebenen Raum: den »wunderschönen Ausblick auf den Fluss«. Auf der Stegseite war eine weitere, größere Tür gewesen, über der ein Kran angebracht war. Als das Pumpenhaus noch im Einsatz gewesen war, hatte man mit Hilfe des Krans schweres Gerät durch diese Tür befördert.
Jetzt war das umliegende Areal bis fast zur Höhe der Tür mit Bauschutt aufgefüllt worden, um damit das untere Gebäude zu sichern, in dem man die Nicht-Kombattanten untergebracht hatte. Colonel Robertson beobachtete, wie Pioniere die Brücke bereits zur Sprengung vorbereiteten, während die letzten Nicht-Kombattanten langsam über die breite Stahlrampe strömten, die man anstelle des Steges errichtet hatte. Oben hatte man die Wand rings um die Tür aufgerissen, und weitere Pioniere und Bauarbeiter brachten dort Sprengstoff an. Die Schlange aus Frauen und Kindern, deren Atem in der kalten Nachtluft dampfte, verschwand in den Schlund der Bestie am oberen Teil der Rampe.
Während Colonel Robertson geduldig darauf wartete, dass der junge Lieutenant seine Besprechung beendete, spürte er, wie er einzunicken drohte. Er sah auf die Uhr und stellte fest, dass es ihnen gelungen war, die Posleen jetzt schon länger als sechs Stunden aufzuhalten. Aber jetzt, wo die Posleen die 95 überschritten und die Verteidigungsstellungen an der Jeff Davis durchbrochen hatten und den Tidewater Trail heraufrückten, war es vorbei, und das Geschrei würde gleich anfangen.
Lieutenant Young wandte sich von dem Bauarbeiter ab und wäre fast gegen den Colonel geprallt. Als der Lieutenant das Hindernis schließlich wahrnahm, schwankte er einen Augenblick und salutierte dann. Irgendwann im Laufe dieses Höllenabends hatte er seine Brille verloren und spähte jetzt seinen Vorgesetzten mit Eulenaugen an.
»Guten Abend, Sir.« Er sah sich um und schwankte wieder müde. »Ich freue mich berichten zu können, dass wir ausreichend Platz für alle noch übrigen Frauen und Kinder haben.« Er betrachtete die Schlange aus weinenden Kindern und abgehärmten Frauen, die als letzte von den Nicht-Kombattanten Fredericksburgs übrig geblieben waren.
Noch vor Stunden waren sie so relativ sorglos gewesen, wie das irgendeine Gruppe von Menschen im Angesicht einer bevorstehenden Invasion sein konnte: Mütter und ihre Kinder einer aufstrebenden Mittelklasse, die Blüte der amerikanischen Vororte. Jetzt fröstelten sie in der eisigen Nacht, und zu beiden Seiten rückten blutgierige Aliens heran, und zwischen ihnen und einem Ende im Bauch der Bestien stand nur eine schwache Hoffnung. »Ich kann nur hoffen, dass das funktioniert.«
»Das wird es«, versicherte der Colonel dem Mann, der den Plan entwickelt hatte. Er hatte selbst seine düsteren Zweifel am Gelingen ihres Plans, aber jetzt war es zu spät, diese Zweifel in Worte zu kleiden. Und schließlich hatten sie ja keine Wahl zwischen diesem Plan und einem besseren, nur die Wahl zwischen diesem und nichts.
»Nun, selbst wenn es das nicht tut, Sir, werden die das nie merken.«
»Sie werden alle unter Hiberzine setzen?«
»Alle, mit Ausnahme der letzten paar Mütter, die bei klarem Verstand sind. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass etwas schief geht, was man beheben könnte, wäre es doch schrecklich, wenn die ganze Gruppe sterben würde, weil niemand eingreifen kann.«
»So etwas wie ein Leck oder ein Feuer oder dergleichen?«
»Ja, oder jemand, der allergisch reagiert, was auch immer. Ich hielt es jedenfalls für eine gute Idee. Sir«, fügte er dann etwas verspätet hinzu.
»Ich glaube, auf militärisches Zeremoniell können wir an diesem Punkt mehr oder weniger verzichten, Kenny. Werden die nicht zu viel Luft brauchen? Ich dachte immer, das wäre der kritische Punkt.«
»Nun, die Leute vom Sicherheitsamt und von Quarles Gas hatten auch dazu eine Idee. Die hatten CO2-Reiniger für die Arbeit in engen Räumen. Wie auch immer, der Bunker wird genügend Energie und Licht für einen Aufenthalt von zwei Wochen haben, dann sollen sich auch die als Wachen bestimmten Mütter in Schlaf versetzen und das Beste hoffen. Wenn sie in zwei Wochen noch am Leben sind, werden die Posleen sie nicht gefunden haben, und das ist gut. Andererseits wird sie auch die Army nicht gefunden haben, und damit gleicht es sich aus.«
»Sir«, sagte Colonel Robertsons Funker, »der XO.«
»Uniform 51, hier Uniform 82 – Ende und Aus.«
»Hier Uniform 51, Ende, Aus.«
»Uniform 51, wir haben einen Einbruch bei Sunken Road und Kenmore House. Schätze Eintreffen Altstadt in fünf, wiederhole fünf Minuten. Ende.«
»Roger, Uniform 82. Bin bei Uniform 49 an Punkt Delta. Plan Jackson beinahe abgeschlossen. Koordinieren Sie mit …« Sein Verstand setzte plötzlich aus, als er versuchte, sich den Code für Charlie-Kompanie einfallen zu lassen. »Mit Charlie 6 koordinieren, Ende.«
»Roger, Uniform 51. Uniform 82.« Eine kurze Pause trat ein, und dann knisterte es ein letztes Mal aus dem Funkgerät. »War nett, Sie gekannt zu haben, Frank.«
»Ganz meinerseits, Ricky. Der Herrgott wird seine Leute kennen.«
»Roger dazu. Ende hier.«
Colonel Robertson reichte das Mikro dem Funker, schluckte dann und räusperte sich. »Trotz all der guten Arbeit, die Sie hier geleistet haben, müssen wir weiter«, sagte er und wies auf die immer kürzer werdende Schlange.
»Ja, Sir, ich hab’s gehört. Ich werde noch ein wenig Ballast geben, aber falls Sie noch ein paar Zivilisten herumschikanieren wollen, also, wir sind immer für Sie da.«
Der Colonel schmunzelte über den bescheidenen Witz. »Ich wünschte, wir könnten Unterstützung bekommen, irgendwelche. Etwas, womit man die Posties ablenken kann, wäre jetzt gut.«