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No-Name-Key, Florida,

United States of America, Sol III

0832 EDT, 5. Oktober 2009

Mike stellte vorsichtig die letzte Kiste handgerollter Imperiais auf den Stapel. Die Zigarren waren in 50er-Bündeln mit Schnur zusammengebunden, jeweils ein Dutzend solcher Bündel füllte eine Kiste. Der Stapel aus Zigarrenkisten und Rumfässchen passte schlecht in den Laderaum des Offroaders.

Honest John rieb sich das Gesicht und grinste. »Herrgott, eigentlich müsste ich wissen, dass man nicht feilschen soll, wenn man besoffen ist.«

»Und auch nie mit ihr Poker spielen«, riet Mike. »Sharon nimmt Sie sonst aus wie eine Weihnachtsgans.«

»Das hat sie bereits«, beklagte sich der Händler.

»Ach, Unsinn«, wandte Karen ein. »Du weißt ganz genau, dass sich dieses mit Schnaps getränkte Wildbret in Havanna glänzend verkaufen wird. Ganz zu schweigen von dem Brandy. Du wirst dick verdienen.«

Der Händler schnaubte darauf bloß, lächelte dann aber. »War schön hier«, sagte er zu Mike und Sharon. »Passt auf, dass euch nichts passiert, Leute. Und baut mir keinen Unfall.«

Mike wandte sich von seinem Fahrzeug ab, auf dem er gerade den leeren Benzinkanister festgeschnallt hatte, und sah den Händler mit finsterer Miene an. »Wie war das gleich? Welche Rangstufe haben Sie bekleidet?«, fragte er.

»Petty Officer dritter Klasse«, antwortete John. Er lächelte und tastete über die Taschen seines blumengemusterten Hemds, bis er schließlich eine Panatela und Streichhölzer fand. »Warum?«

»Mhm«, machte Mike. »Und sagten Sie nicht, dass die Ihnen gerade einen Einberufungsbefehl geschickt haben?«

»So vor zwei Wochen, denke ich«, nickte John, plötzlich vorsichtig geworden. »Warum?«

»Oh«, machte Mike und lächelte, »bloß so. Die meisten Einberufungsbefehle sind letztes Jahr rausgegangen. Ich wüsste bloß eine Gruppe, die man in den letzten paar Monaten zurückgerufen hat.«

»Wovon redet ihr beiden eigentlich?«, fragte Sharon mit gerunzelter Stirn.

»Nichts«, sagte Mike und schloss die Rückwand des Tahoe.

»Leute«, sagte Harry und nahm Sharon in die Arme und drückte sie. »Passt gut auf euch auf, ja?«

»Das werden wir«, sagte Sharon.

»Und lasst von euch hören«, fügte Karen hinzu und lächelte. »Herman möchte über eure großen Abenteuer auf dem Laufenden bleiben.«

»Okay«, strahlte Cally und drückte die Frau an sich. »Ich schreib ihm ganz bestimmt.«

»Also«, machte John, »ich halt nicht viel von schlabberigen Abschiedsszenen, und außerdem muss ich aufpassen, dass ich die Flut erwische.« Er drückte Sharon und Cally an sich und winkte Mike zu. »Grüßen Sie diesen hässlichen Mistkerl Kidd von Poison.«

»Wird gemacht«, versprach Mike.

»Und sagen Sie Taylor, er soll mir den Buckel runterrutschen.«

»Okay.«

»Und immer die Beine schön zusammenhalten, Schlange«, schloss er und ging zum Landungssteg. Dort musste er erst einmal nach zwei fehlenden Mitgliedern seiner Mannschaft herumbrüllen. Als er dabei ein stechendes Gefühl im Kopf verspürte, das ihn an zu viel ›weißen Blitz‹ vom vergangenen Abend erinnerte, überlegte er es sich anders, hüpfte in das Schlauchboot, band es los und ruderte zur Hafenmündung hinüber.

Als er die Öffnung erreichte, kamen die beiden nur zur Hälfte bekleideten Zeitgenossen dicht gefolgt von zwei schimpfenden Frauen aus einem der verlassenen Bungalows und rannten zum Ufer hinunter, auf das sich entfernende Ruderboot zu.

»Was haben die beiden Frauen gesagt, Mom?«, fragte Cally unschuldig.

»›Bis später, Honey‹, denke ich«, antwortete Sharon und schob sie auf den Rücksitz.

»Oh«, machte Cally, »weißt du, es hat mehr wie ›Und was ist mit unserem Geld?‹ geklungen.«

Mike lachte und schüttelte Harry die Hand. »Danke, dass wir hier wohnen durften.«

»War mir ein Vergnügen«, antwortete Harry. »Wiedersehen.«

Mike nickte, lächelte und stieg dann in den Tahoe. Er drehte sich zu Sharon hinüber und zuckte die Achseln. »Bereit zu einer langen, anstrengenden Fahrt?«

»Sicher. Aber diesmal lassen wir meine Eltern links liegen.«

»Soll mir recht sein. Wenn wir über Mayport fahren, kriegst du dort vielleicht sogar einen Shuttle. Dann fahren Cally und ich zu Dad zurück. Ich kann in Atlanta oder Greenville ein Shuttle nehmen.«

»Okay«, antwortete sie mit einem traurigen Lächeln. »Und eine letzte Nacht?«

»Yeah«, antwortete er. »Eine letzte Nacht. Bis zum nächsten Mal.«

Sharon nickte. Natürlich würde es ein nächstes Mal geben. Diesmal hatten sich höchste Stellen einschalten müssen, um sie beide loszureißen. Und sie hatten beide mit Kampfhandlungen zu rechnen; trotzdem würde es ein nächstes Mal geben. Mike legte den Gang ein, und sie rollten, jeder mit den gleichen Gedanken beschäftigt, von dem Parkplatz, den mit zerstampften Muscheln belegten Weg hinunter.