Fragment 37
»Olsson kann mich mal. Ich will wissen, was dieses Weibsstück mit Gottlieb angestellt hat.«
»Wir haben strikte Anweisungen, Sie sofort zu töten …«
»Sie vielleicht. Ich nicht!«, fauchte Blome den Assistenzarzt an. »Wenn es Ihnen nicht passt, dann verschwinden Sie einfach. Ich werde hier weitermachen, egal, was Olsson Ihnen befohlen hat.«
Der Assistenzarzt schien unschlüssig. Blome sah ihn wütend an.
»Haben Sie sich entschieden? Ich habe noch zu tun.«
»Es tut mir leid, ich …«
»Verschwinden Sie und lassen Sie sich hier nie wieder blicken.«
Blome ging zu einem der drei Operationstische im Raum. Ein Mann lag darauf. Er sah Blome angsterfüllt an, seine Hände zitterten. Als Blome das Skalpell vom Tisch nahm, fing er an zu schreien.
»Ja, schrei nur. Je lauter, umso besser. Wir wollen mal sehen, was deine Freundin dazu sagt. Vielleicht erzählt sie mir dann, was sie mit Gottlieb angestellt hat.«
Blome sah zu den Mädchen, beide keine 16 Jahre alt, die ebenso auf Operationstische geschnallt waren wie der Mann. Eines der Mädchen war Hoover. Die drei Tische waren so angeordnet, dass die Opfer sich gegenseitig in die Augen sehen konnten.
»Gut, ich bin heute gnädig und fange nicht mit dem Skalpell an. Ich nehme die Zange und … hm, einen Finger? Wo ist das Spezialwerkzeug?«
Blome griff nach einer Beißzange, holte weit aus, schlug zweimal mit aller Kraft auf die Hand, die der Mann zu einer Faust geballt hatte, dass man die Knochen brechen hörte. Dann legte er den kleinen Finger der gebrochenen Hand zwischen die Backen der Zange und drückte zu. Ein leises Knacken und der Finger fiel auf den Boden. Blut spritzte aus dem Stumpf an der Hand. Er hob den Finger auf und ging damit zum jüngeren der Mädchen.
»Willst du ihn?«
Er legte den Finger auf ihren Bauch. Jetzt war sie es, die schrie. Laut und schrill, der Mann jammerte nur noch kläglich.
»Ja, richtig erkannt, du bist die Nächste. Doch wenn deine Freundin endlich den Mund aufmachen würde, könnte ich es mir noch einmal überlegen.«
Er drehte sich zu Hoover.
»Also, ich warte. Was hast du mit Gottlieb angestellt?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich weiß es nicht. Das Letzte, an das ich mich erinnere, war die Salzsäure, die sich einen Weg durch meinen Körper fraß.«
»Salzsäure, gute Idee. Was meinst du?«
Er nahm eine Plastikflasche, öffnete sie und schüttete ein paar Tropfen auf die Hand des Mannes. Danach noch ein paar Tropfen in seinen Mund. Das Brüllen war kaum mehr zu ertragen. Blome steckte ihm einen Gummiball in den Rachen und klebte den Mund mit einem breiten Klebeband zu. Das Brüllen verwandelte sich in ein ersticktes Gurgeln.
»Ich schätze, er hat noch etwa zehn Minuten zu leiden; wenn es einen Gott gibt. Bei deiner Freundin wird es länger dauern, das verspreche ich dir.«
Blome ging zum Mädchen, das zu hyperventilieren begann, als er sich auf ihren Bauch setzte und die Flasche mit Salzsäure über ihr Gesicht hielt.
»Ganz ruhig mein Mädchen, wir beide wollen doch noch länger miteinander Spaß haben. Sandra will sicher nicht, dass du schnell stirbst, sie will dich leiden sehen. Hab ich recht?«
Ein Tropfen der Säure löste sich vom Rand der Flasche und fiel auf die Wange des Mädchens. Sie schrie wieder. Blome hielt ihr den Mund zu.
»Entschuldigung, das war nicht meine Absicht. Das hätte ins Auge gehen können. Sandra, Schätzchen, du willst doch nicht, dass ich ihre Augen damit verletze?«
Das Mädchen weinte laut. Ihr Körper bebte unter dem Schluchzen.
Hoover schrie ihn an.
»Verdammt! Ich weiß es nicht! Die Säure, die Injektion. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Als ich zu mir kam, lag ich auf dem Bauch, angeschnallt auf dem Tisch, mit deinem dreckigen Schwanz in meinem Arsch und deinem Stöhnen im Ohr.«
»Ich verstehe, dass du gereizt bist, aber dein Ton gefällt mir nicht. Denk doch einmal nicht nur an dich, denk an dieses hübsche Mädchen. Sie wäre der Star im Lagerbordell, ich kann sie jedem nur empfehlen. Doch wenn ich ihr jetzt die Augen und das Gehirn herausätze, ist ihre Karriere zu Ende, bevor sie begonnen hat. Willst du das?«
Hoover hob ihren Kopf, so weit es die Fesseln zuließen.
»Blome, du Arschloch, lass sie in Ruhe, oder du wirst so enden, wie Gottlieb«, zischte sie ihn an.
»Oh, du kannst dich also doch erinnern. Vielleicht hilft dir ja das auf die Sprünge.«
Blome stieg vom Mädchen und goss Säure in ihren Bauchnabel. Ihre Schreie gingen Hoover durch Mark und Bein. Der Mann röchelte, bäumte sich auf. Sein Körper verkrampfte sich, Schaum kam aus seinem Mund. Er drehte die Augen über, der Kopf fiel krachend auf den Tisch zurück. Sein Atem ging flach. Er war noch nicht tot, aber er würde es bald sein.
»Blome, noch einmal: Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich weiß, dass ich dich töten werde, wenn du nicht damit aufhörst!«
Blome lachte höhnisch.
»Drohungen? Du kleines Miststück willst mir drohen? Wir werden ja gleich sehen, wer hier wen umbringt.«
Blome goss Säure in die Augen des Mädchens, dann nahm er ein Skalpell und rammte es ihr in den Bauch. Ein Schnitt und die Bauchhöhle lag geöffnet vor ihm. Er goss den Rest der Säure hinein. Das Mädchen brüllte wie ein Schwein, das im Schlachthaus auf den Gnadenschuss wartete.
»Und nun zu dir. Zuerst deine tägliche Injektion. Ich habe einige neue Drogencocktails. Du kennst das ja schon.«
Er drehte sich nur kurz von ihr weg, um die vorbereiteten Spritzen vom Tisch zu nehmen. Als er sich wieder zu ihr umdrehte, war sie verschwunden.
»Was?«
Suchend sah er sich im Raum um. Doch sie blieb unauffindbar. Etwas tropfte von der Decke auf seinen kahlen Kopf. Er wischte sich die Flüssigkeit mit der Hand ab.
»Verdammt, was ist das?«
Er blickte nach oben und sah eine schwarze Wand auf sich zukommen. Eine Flüssigkeit hüllte ihn sofort vollständig ein. Sie war zäh wie Rohöl und floss in seine Nase, seinen Mund, seine Ohren. Sie war überall. Er fiel auf die Knie, erstarrte zu Stein.
Die Flüssigkeit zog sich zurück, formte einen Körper, formte ihren Körper. Die Oberfläche glänzte, der Raum spiegelte sich in ihr. Blome sah sein fahles Gesicht auf Hoovers Bauch. Sie beachtete ihn nicht weiter, ging zum Mädchen, das immer noch aus Leibeskräften schrie.
»Es tut mir leid!«
Sie umfloss den Körper des Mädchens, zersetzte ihn. Sekunden später war er verschwunden. Sie wiederholte die Prozedur bei dem Mann. Er war schon tot gewesen, als sie ihn auflöste und in sich aufnahm. Sie näherte sich Blome. Dieser wollte aufstehen, zurückweichen, sich hinter einem Operationstisch in Sicherheit bringen. Doch sein Körper gehorchte ihm nicht.
»Du bist dran, jetzt darfst du schreien.«
Hoover entriss ihm die Spritzen, die er in der linken Hand hielt, und brach seinen Unterarm mehrere Male.
Blome schrie.
Sie hielt seinen Kopf fest, stach die Nadeln langsam in sein linkes Auge und injizierte die Flüssigkeiten. Sie packte ihn am Hals, hob ihn auf die Beine und zertrümmerte seine Knie.
Blome schrie immer noch.
Als Hoover ihm gerade den Kehlkopf eindrücken wollte, kam Olsson durch die Tür. Er starrte auf Hoover, als wäre sie der Teufel persönlich. Sie zögerte, ließ von Blome ab und baute sich vor Olsson auf. Ihr Körper wurde gläsern. Das Licht brach sich in Tausenden Facetten, sie schillerte wie ein Diamant. Eine eiskalte Hand berührte Olsson. Er war gelähmt. Von einer Sekunde auf die andere war er gelähmt. Die Kälte in ihr kroch langsam in seinen Körper. Sein Blut gefror, sein Herzschlag setzte aus. Er fühlte die Angst, die Schmerzen.
Ihre Schmerzen, ihre Angst, die Angst und Schmerzen aller, die er je gefoltert und getötet hatte. Er wollte schreien, doch seine Stimme versagte. Wie eine Säure fraßen sich die Schmerzen einen Weg durch seinen Körper. Er fühlte jede einzelne Zelle in einer heißen Flamme verbrennen. Zuerst verbrannten die Beine, danach seine Arme, dann versagten die Organe nacheinander. Doch sein Gehirn arbeitete weiter, immer schneller. Ihre Stimme brach wie ein Donnerschlag in sein Bewusstsein.
»Woran glauben Sie?«
Er verstand nicht.
»Sie glauben an nichts. Sie sind ein Nichts. Sie sind es nicht einmal wert, dass ich Sie töte.«
Sie veränderte ihre Form, floss auseinander, bildete einen schwarzen Teppich, der immer dünner und durchsichtiger wurde. Und plötzlich war sie verschwunden.
Olsson stand minutenlang erstarrt wie eine Marmorstatue im Raum und wusste nicht, wer oder was er war. Er hörte nur einen einzigen Satz, der sich immerfort wiederholte: »Sie sind ein Nichts. Sie sind ein Nichts. Sie sind ein Nichts …«