24 Verschwörungen

Abarell blätterte im Polizeibericht.

»Hier steht nichts von irgendwelchen Drogen. Sagten Sie nicht, Sie hätten Hinweise …«

»Ja. Doch das steht weder in den offiziellen, noch in den inoffiziellen Dokumenten, es sind vielmehr die Ergebnisse meiner persönlichen Nachforschungen.«

Er griff abermals in die Tasche und legte ein Notizbuch auf den Tisch. Yanns Notizbuch.

»Viele dieser Hinweise findet man in seinen Aufzeichnungen.«

Carruaca überlegte einige Sekunden, als wäre er nicht sicher, wo er beginnen solle und ob Abarell die richtige Person wäre. Doch dann wurde ihm wohl klar, dass es für solche Überlegungen längst zu spät sei.

»Yann glaubte, dass viele dieser seltsamen Vorgänge während des Nazi-Regimes ihren Anfang nahmen.«

»Nazis?«, Abarell schüttelte ungläubig den Kopf. »Nazis sind schuld am Tod von Yann?«

Er hatte das Wort wohl ein wenig zu laut ausgesprochen. Die Gäste an den Nachbartischen sahen verdutzt zu ihnen herüber.

Welche Kraft das Wort Nazi auch heute noch besitzt. Schockierend und faszinierend zugleich.

Carruaca sah ihn vorwurfsvoll an.

»Entschuldigen Sie. Es klingt nur so … nach Verschwörung!? Erzählen Sie weiter.«

»Es klingt nicht nur so, in gewisser Weise ist es eine Verschwörung. Was wissen Sie von den Menschenversuchen in den Konzentrationslagern?«

»Was man so weiß, aus den Geschichtsbüchern. Die Erprobung neuer Operationstechniken zur Sterilisation und Kastration oder die Injektionen von Säure in weibliche Eileiter zu eben diesem Zweck. Gefangenen wurden die Bauchhöhle geöffnet und Nieren herausgeschnitten, ohne Narkose und Schmerzmittel.

Experimente an braunäugigen Kindern, denen man verschiedene Präparate in die Augen träufelte, um diese blau zu färben, sodass diese anschwollen und eiterten, oft wurden sie durch die Substanzen zur Gänze aus den Höhlen geätzt. Fast alle betroffenen Kinder waren nach den Behandlungen blind, viele starben.

Die Bäder in eiskaltem und kochend heißem Wasser, um Organfunktionen zu testen. Und nicht zu vergessen, die Untersuchungen an Zwillingen … das sind wohl ein paar der grausamsten Einzelheiten, die bekannt geworden sind.«

Carruaca nickte.

»Ja, die Details lesen sich manchmal wie ein Horror-Roman, trotzdem sind sie brutale Realität für viele der bemitleidenswerten Opfer gewesen. Die Lager waren nichts anderes als große Versuchslabors, die inhaftierten Menschen Versuchsobjekte. Sie wurden nach Belieben verstümmelt und getötet. «

»Und in einem dieser Lager stellte ein Arzt eines Tages eine merkwürdige Veränderung an einer operierten Gefangenen fest. Die Bauchhöhle, die gerade von einem auszubildenden Arzt geöffnet worden war, verheilte ohne Zutun von außen. Das Opfer war nach der Operation auf dem Tisch liegen gelassen worden, bereit für die Entnahme der Organe und des Gehirns für weitere Untersuchungen. Dreißig Minuten nach der Operation lebte es immer noch, die Narbe war fast zur Gänze verheilt. Der Arzt meldete diese Anomalie dem medizinischen Leiter des Lagers: Hans Blome. Zwei Tage später wurde eine neue Forschungszentrale installiert, die seit damals in der Verschwörungsszene unter dem Namen Pandoras Gral bekannt ist. Es war, als hätte man lange auf dieses Ereignis gewartet und nun war es eingetreten.«

»Pandoras Gral«, bemerkte Abarell. »Der Name wurde wohl eher nicht zufällig gewählt?«

»Nein. Wenn man um die Vorliebe des psychopathischen Führers für alles Mystische weiß, dann wahrscheinlich nicht.«

»Die Büchse der Pandora und die Legende um den Heiligen Gral … Erzählen Sie weiter. Für mich klingt das sehr stark nach Pseudowissenschaft, gepaart mit Größenwahn.«