Fragment 26

»Subjekt 04051902 zeigt typische Anzeichen von Autoregeneration.«

Blome legte das Skalpell zurück auf den Tisch und betrachtete die Brüste der Frau. Er hatte sie von der Haut befreit und Teile vom Fettgewebe herausgeschnitten. Hilflos lag sie da, mit jeweils vier Metallklammern an den Händen und Beinen auf den Operationstisch geschnallt. Die Bauchhöhle war geöffnet worden, zwei Schläuche führten von dort in einen Eimer auf dem Boden. Ihr Unterkiefer war gebrochen, mehrere Zähne fehlten.

»Das Subjekt kommt wieder zu Bewusstsein. Wir können weitermachen.«

Gottlieb zog eine 20-ml-Spritze mit einer gelblichen Flüssigkeit auf und injizierte das Präparat in ihre Brust. Die Frau wollte schreien, doch es kam nur ein ersticktes Röcheln aus ihrem Mund. Sie spuckte Blut. Hustete, spuckte wieder Blut, erstickte fast am Blut.

»Intubieren?«

Blome überlegte kurz.

»Nein, das dauert zu lange. Sie soll sich selbst retten, deshalb machen wir das ja.«

Er nahm ein Skalpell, öffnete die Luftröhre auf Höhe des Kehlkopfs und steckte eine Kanüle hinein.

»Das sollte reichen.«

»Verabreichen Sie ihr noch eine zweite Dosis. Ich möchte den Prozess beschleunigen.«

»Das könnte ihren Tod bedeuten, ihr Metabolismus ist stark geschwächt. Die Nieren versagen schon, ich werde sie entfernen. Hoffen wir, dass sie die Organe ersetzen kann. Ich würde ungern auf ihre Dienste verzichten wollen.«

»In Lager 96 gibt es Hunderte Mädchen, es sind auch viele Zwillinge und Drillinge darunter. Sie werden schon einen entsprechenden Ersatz für Ihre perversen Spielchen finden. Hier geht es um mehr, als um die Befriedigung Ihrer sadistischen Triebe.«

»Ja, Sie Klugscheißer. Ich weiß, dass uns das Wasser bis zum Hals steht und wir dringend Ergebnisse benötigen.«

Gottlieb griff in den Bauchraum, bekam die linke Niere zu fassen, riss sie mit einem Ruck heraus und warf sie in den Eimer.

»Warten Sie, das Subjekt zeigt eine Reaktion. Die zweite Injektion, schnell.«

Blome deutete auf ihr Gesicht. Es verformte sich, fiel binnen Sekunden in sich zusammen. Auch der restliche Körper zeigte Auflösungserscheinungen. Die Haut wurde durchsichtig. Man konnte das Blut in den Adern fließen und das Herz pulsieren sehen. Das Fleisch fiel von den Knochen, als würde der Körper in rasendem Tempo verwesen. Bald war nur noch durchsichtiges, rohes Muskelfleisch zu sehen. Das Skelett war deutlich sichtbar, ebenso die inneren Organe.

Gottlieb rammte ihr eine Kanüle ins Herz und injizierte die gelbliche Flüssigkeit. Die Frau bäumte sich auf, riss mit aller Gewalt an den Stahlfesseln. Ein alles durchdringender Schrei schnitt durch die Gehörgänge der anwesenden Personen. Sie pressten ihre Hände auf die Ohren, um ihre Trommelfelle vor der Zerstörung zu schützen. Mehrere Reagenzgläser und einige Petrischalen zerbrachen. Die Frau verstummte.

»Verdammt, was war das jetzt?«

Gottlieb zog die Kanüle aus der Brust und die Schläuche aus dem Bauch. Binnen Sekunden bildete sich eine neue Niere. Die Schnittwunde im Bauch schloss sich. Die Haut wurde weiß, nahm langsam ihre ursprüngliche Färbung an. Die Wunden waren verheilt, nichts deutete mehr darauf hin, dass die Frau vor Sekunden noch ausgesehen hatte, als wäre sie unter einen Zug gekommen. Ihr Atem ging gleichmäßig. Sie sah Gottlieb direkt in die Augen. Ihm schauderte. Ihre Augen waren schwarz, tiefschwarz.

»Du bist so gut wie tot«, sagte sie leise. Ihre Stimme hatte etwas Bedrohliches, Kaltes, nicht Fassbares und sie ging durch Mark und Bein.

»Und dein Tod wird ein schneller, aber qualvoller sein.«

Sie schloss ihre Augen.

Blome setzte sich verblüfft auf einen Stuhl. Es war totenstill im Raum. Gottlieb legte zitternd die Spritze auf den Tisch.

»Das werden wir sehen, du Dreckstück. Freue dich auf heute Nacht«, sagte er voller Hass.

»Ihr da«, er deutete auf die Assistenzärzte, »steht nicht so dumm in der Gegend herum, räumt den Dreck weg und dann verschwindet. Und niemand rührt sie an. Lasst sie da liegen. Ich werde mich später selbst um sie kümmern.«

Die drei Männer taten schleunigst, was ihnen befohlen worden war und begannen eifrig, Blut-, Haut-, Fleisch-und Organreste zu entfernen. Niemand von ihnen wollte das Risiko eingehen, vielleicht schon morgen selbst als Versuchskaninchen auf diesem Tisch zu liegen. Gottlieb verließ den Raum.

Blome ging zu Subjekt 04051902. Er betastete ihre Haut, ihre Brüste, öffnete vorsichtig ihren Mund, betrachtete die strahlend weißen Zähne. Seine Finger fuhren über den Bauch. Keine Narben. Er lächelte zufrieden. Sie hatten das Wunder vollbracht. Diese junge Frau würde diese Tortur noch ein paarmal überstehen müssen, bis sie das optimale Mischungsverhältnis und die richtige Dosis herausgefunden hätten. Doch das war nur noch eine Frage von Tagen oder Wochen. Das Mädchen war ein Geschenk Gottes.