Fragment 19

Olsson las die Personendaten auf dem Protokoll.

»Weshalb, zum Teufel noch mal, wurde S04051902 in das Programm aufgenommen?«

Karl Gottlieb grinste spöttisch.

»Sie stand eines Tages in meinem Büro und hat gesagt, sie wolle getestet werden. Und Wünsche dieser Art erfülle ich gerne. Besonders, wenn es ein solches Prachtexemplar, wie dieses ist. Diese Personen teste ich auch gleich höchstpersönlich, damit keine Fehler passieren.«

Das kann ich mir gut vorstellen. Dreckskerl.

»Sie ist 16!«

»Laut ihren Angaben. Ich schätze sie auf mindestens 19. Und sie wollte unbedingt in die Liste aufgenommen werden. Alles ganz legal.«

Legal, als ob irgendetwas an diesem Projekt legal wäre.

»… und sie wird niemandem abgehen. Wir haben nachgeforscht. Gescheiterte Existenz. Waisenhaus, acht Gastfamilien vergrault. Ihr letzter bekannter Aufenthaltsort war eine leer stehende Wohnung in einem heruntergekommenen Viertel. Danach verliert sich die Spur der Polizei. Kein Wunder, sie ist ja bei uns gelandet.«

Gottlieb humpelte zu Olsson und warf einen Stapel Fotos auf den Tisch. Gottlieb war Chemiker, DER Chemiker; bei einem misslungenen Experiment während seines Studiums hatte er sich seine linke Seite, vom Brustkorb abwärts, verätzt. Sein Bein würde wohl nie mehr richtig arbeiten.

Wäre besser gewesen, wenn auch sein Schwanz weggeätzt worden wäre.

»Sie hat sich zuletzt durch Prostitution und Drogenverkäufe über Wasser gehalten. Sie ist kein großer Verlust für die Menschheit. Wahrscheinlich hat sie gedacht, sie würde an illegalen Experimenten mit nicht erforschten Medikamenten teilnehmen und dafür ein paar Scheine einstreichen.«

»Tja, mit den Experimenten hat sie wohl ins Schwarze getroffen …«

Olsson sah ihn abschätzig an.

»Sie verstehen wohl immer noch nicht?«

Gottlieb machte eine Fratze, die alles bedeuten konnte. Von »Ich weiß nicht, was Sie meinen« bis hin zu »Ist mir doch scheißegal.«

»Ich erklär es Ihnen: Wir haben ein Sicherheitsproblem. Woher hat ein 16-jähriges Mädchen Ihre Adresse? Und woher weiß sie von diesem Projekt? Und verdammt noch mal …«, Olsson knallte die Mappe mit den Protokollen des letzten Tages auf den Tisch, »… wie hat sie es geschafft, unbeobachtet, vorbei an den vielen Sicherheitssperren, direkt in Ihr Büro zu marschieren?«

Gottlieb sah ihn verwirrt an.

»Daran … habe ich noch gar nicht gedacht …«

»Klar nicht, Sie Idiot. Sie und Ihresgleichen denken ja auch nicht mit dem Gehirn.«

Gottlieb holte tief Luft.

»Ich verbitte mir …«

»Halten Sie Ihre Schnauze, sonst werde ich dafür sorgen, dass Sie ins Programm aufgenommen werden, als Testperson. Sie mögen zwar eine Koryphäe auf Ihrem Gebiet sein, aber wenn es um die Geheimhaltung und Sicherheit des Projekts geht, kennt die Garde keine Gnade. Ich hoffe für Sie, dass die Überwachungsbänder Antworten parat haben. Gute Antworten.«

Gottlieb starrte ihn hasserfüllt an.

»Sie sollten mir besser nicht drohen, Sie haben ja keine Ahnung …«

»Und ob ich Ahnung habe. Und gleich werde ich noch mehr Ahnung haben …«

In diesem Augenblick betrat Blome das Büro.

»Meinungsverschiedenheiten?«

»Nein, nur ein paar Idioten, die ihre Triebe nicht unter Kontrolle haben und so unser Projekt gefährden.«

Olsson zeigte auf die Protokolle.

»Oder können Sie mir erklären, wie eine 16-Jährige unbehelligt bis in Gottliebs Büro marschieren kann?«

Blomes Augenbrauen gingen nach oben.

»Sie meinen die kleine Schlampe von gestern? Ich dachte, die hat uns die Garde geschickt?«

»Nein, sonst wüsste ich davon. Und zeigen Sie ein bisschen mehr Wertschätzung dem Leben gegenüber.«

»Wertschätzung? Was sind Sie doch für ein nobles Arschloch! Das ist nicht unser Revier! Untersuchen Sie diesen Vorfall und lassen Sie uns endlich mit ihrer Moralscheiße in Ruhe. Wir haben hier einen Job zu erledigen und es war von Anfang an klar, dass dabei Menschen sterben werden. Lassen Sie uns unsere Arbeit machen, so wie wir es für richtig halten, dann wird es so wenige Opfer geben, wie nötig. Haben wir uns verstanden?«

Olsson hatte verstanden, doch das würde er nicht so einfach hinnehmen, das würde Konsequenzen haben. Blome würde für diese Respektlosigkeit ihm gegenüber büßen müssen.

Und Gottlieb … um Gottlieb werde ich mich persönlich kümmern.

»Sie hören von mir. Ich muss mich jetzt um wichtigere Dinge kümmern. Guten Tag!«

Blome lachte verächtlich, als sich die automatischen Türen hinter Olsson schlossen.

Der hat tatsächlich keine Ahnung, was hier gerade passiert.