67 Epilog

Giftige Rußwolken verdunkelten die Sonne. Der einst glasklare See war längst ein stinkender Tümpel, in dem sich höchstens methan-oder schwefelfressende Bakterien wohlfühlten. Auch der Rest der Landschaft hatte sich verändert. Anstelle endloser Fichtenwälder wuchs hier gar nichts mehr. Nur am Rande der Gewässer gab es noch Spuren von Moosen und Flechten.

Nicht weit entfernt in südöstlicher Richtung lagen die Überreste einer einstigen Millionenstadt. Auch dort hatte die aggressive Atmosphäre ihre Spuren hinterlassen. Es gab kaum noch ein Gebäude, das in den letzten 500 Jahren nicht fast völlig vom Schwefelsäureregen zerfressen worden war.

Sie hatte überlebt. Sie und weniger als 1000 ihrer Artgenossen hatten sich an die neuen Bedingungen anpassen können. Mehr war nicht übrig von der einst so üppigen Fauna und Flora auf diesem Planeten. Vielleicht warteten tief unter der Erde noch mehr von ihrer Art auf einen Neubeginn, doch das würde sie wohl erst erfahren, wenn der Planet wieder für höhere Lebensformen bewohnbar geworden war.

Allerdings sah es nicht danach aus, dass es jemals wieder etwas Vergleichbares wie die Cronodonts, Hadreos oder den Menschen geben würde. Zu viel Biomasse war vernichtet worden. Mehr als je zuvor in der Geschichte der Erde. Viele Lebewesen starben einfach aus, weil sie sich nicht an die sich schnell verändernden Lebensbedingungen anpassen konnten. Die durchschnittliche Temperatur der Atmosphäre stieg innerhalb von 3 Jahrhunderten um 5 Grad an, die Meerestemperatur um 10; was der Biosphäre das Genick brach. Noch nie zuvor war auch nur annähernd eine ähnliche Menge an Methan freigesetzt worden, wie in diesen 300 Jahren. Und Methan als hochwirksames Treibhausgas setzte eine Kettenreaktion in Gang, die niemand mehr aufhalten konnte; und auch nicht wollte.

Wäre die Geschichte anders verlaufen, dann wäre die Garde endlich an ihrem Ziel angelangt. Niemand hätte ihnen den Titel »Herrscher der Welt« noch nehmen können. Doch zwei Dinge hatten auch sie nicht voraussagen können: erstens, dass es jemand schaffen würde, sie zu täuschen und zweitens, dass die Natur manchmal unberechenbar war.

Angefangen hatte alles mit dem Kreuzzug der Garde, der jedes Geschöpf von der Erde getilgt hatte, das größer als eine Ameise war. Darunter auch all jene Menschen, die noch nicht vollständig mutiert waren; zu diesem Zeitpunkt waren das immer noch knapp 100 Prozent aller Menschen gewesen.

Der Mensch war zwar, wie vorausgesehen, innerhalb von drei Generationen in einem Maße degeneriert, dass er kaum noch in der Lage war, selbstständig überlebenswichtige Entscheidungen zu treffen. Abstraktes und vorausplanendes Denken war ihm von Tag zu Tag fremder geworden. Es hatte nur noch eine Konstante in seinem Leben gegeben: gedankenloser Konsum und die daraus resultierende kurzfristige Befriedigung seiner Gelüste.

Als man nach 30 Jahren des geduldigen Wartens die Dosis der Chemikalie erhöht hatte, um die Mutationsrate zu steigern und den Umformungsprozess zu beschleunigen, hatte man eine böse Überraschung erlebt: Die Droge hatte keinerlei Wirkung gezeigt.

Der lange Zeitraum, über den die Experimente in den Folterlagern durchgeführt worden waren, hatte die Ergebnisse verfälscht. Die bei den Versuchspersonen vereinzelt aufgetretenen Veränderungen waren natürlichen Ursprungs gewesen. Es waren nichts weiter, als statistische Ausreißer gewesen. Pandoras Gral hatte versagt.

Nicht die Droge war schuld am Niedergang der Menschheit gewesen, sondern der simple Umstand, dass wohlhabende Menschen dazu neigten, träge zu werden und sich im Müßiggang zu üben. Und da die Elite mehr Zeit damit verbracht hatte, ihren Reichtum zu vergrößern und weniger damit, sich schwierigen politischen Entscheidungen zu stellen, hatten auch die sozialen Strukturen sehr bald akute Auflösungserscheinungen gezeigt. Der Mensch Carruaca hatte diesen geistigen und moralischen Verfall vorausgeahnt und die Garde auf eine falsche Fährte gelockt.

Die Schere zwischen Arm und Reich hatte sich rasant vergrößert, eine Verteilungsgerechtigkeit war nicht mehr vorhanden gewesen. Schon das alte Rom war aus ähnlichen Gründen untergegangen. Unruhen waren die Folge gewesen, der Ruf nach Kriegen immer lauter. Ein Thema, das die Garde dankend aufgriff und in nie da gewesener Perfektion in die Tat umsetzte.

Doch was viel schlimmer wog, nicht nur die Menschheit war beinahe ausgerottet worden, auch die Garde fand bald keinen geeigneten Wirt mehr, denn weniger als 100 Jahre später zeigte die Natur, wer der wahre Herrscher auf dem Planeten war. Ein vergessener Supervulkan unter Neapel war ausgebrochen und hatte den Planeten in ein Leichentuch aus Säurewolken und Asche gehüllt. Damit nicht genug, riss diese Eruption auch den längst für tot erklärten Vulkan von Santorin aus dem Schlaf und gemeinsam besiegelten sie den oft heraufbeschworenen Untergang der Welt.

Die Erde kühlte binnen drei Jahren um 10 Grad ab, Pflanzen starben ab, die ohnehin kaum noch vorhandene Tierwelt wurde weiter dezimiert. Dieser vulkanische Winter dauerte zwar nur wenige Jahre, doch reichte er aus, den Menschen zur Liste der ausgestorbenen Arten hinzuzufügen.

Die Ascheregen versiegten, die Schwefelwolken blieben, und vermischten sich mit der immer dichter werdenden Methanatmosphäre. Es war das Ende aller sauerstoffabhängigen Lebewesen.

Sie sandte ihre Sporen aus und hoffte auf eine neuerliche Auferstehung des Lebens. Auch wenn es diesmal sehr lange dauern würde, länger als es bis zum ersten Licht gedauert hatte, eines wusste sie mit Sicherheit: Es würde die letzte Chance werden, bevor die Erde in der sterbenden Sonne verglühte, und diese durfte sie nicht verpassen. Sonst wäre alles vergebens, alle Opfer umsonst gewesen, würde alles gespeicherte Wissen für dieses Universum für immer verloren sein.

Ein letzter Gedanke drängte sich in ihr Bewusstsein, bevor es sich auflöste und einen ganzen Planeten für eine sehr lange Zeit schweigend zurückließ.

Re wurde zum Inbegriff des Bösen und verhalf dem Guten zum Sieg.

Der ewige Kampf Gut gegen Böse ist zu Ende. Das Gute hatte gesiegt. Nicht, weil es mächtiger war, als das Böse, sondern weil ein einzelner Mensch erkannt hatte, wie man diesen Kreislauf durchbrechen konnte. Das Gute konnte das Böse nicht besiegen, nur das Böse selbst ist dem Bösen ebenbürtig. Re hatte das erkannt und sich für uns geopfert. Er wird für immer einer von uns sein, er ist der Ursprung einer neuen Welt.