Spieglein, Spieglein
Seltsam sektenhafter Charakter der Sektenfeinde und Antiklerikalen. Das betrifft nicht nur öffentliche Kommissionen, die derart mit Sektenanhängern und bekennenden Irrationahsten durchsetzt sind, daß sich ihr Auftrag in das Gegenteil verwandelt. Es betrifft genauso Antiklerikale, die sich in abgeschotteten Gruppen zusammenfinden und ihre Antikreuzzüge gegen Kirche und Religion in einer Weise zurüsten, daß sie selbst als Sektenjünger betrachtet werden müssen. Eiferer schreiben gewichtige Werke über die Verbrechen der Kirchen und wirken in ihrer manischen Fixierung auf den Feind wie das, was sie nicht sein wollen: Missionare. Die Glaubenslosen schließen sich zu Vereinigungen zusammen, lassen ihre Gründungsversammlungen fotografieren und wirken wie die Kirchen eines nicht anwesenden Gurus. Verschwörungsparanoiker sehen in jedem Verkehrsunfall die Psychokulte am Werk. Es ist, als wirkten Geisteshaltung und Organisationsformen ihrer tatsächlichen oder angeblichen Feinde in ihrer eigenen Arbeit weiter; wie unter einem dialektischen Fluch müssen sie immer noch einmal den Beweis für Adornos Aussage antreten, daß die Extreme sich berühren. Ruhig und gelassen den Finger auf die wunden Punkte des Feindes zu legen und sich zurückzuziehen, wenn man im Moment nicht durchdringt, ist eine schwer erlernbare Tugend. Die subtilen Verlockungen der Rechthaberei können jederzeit mit dem wahnhaften Glaubensdünkel von Sekten, Kirchen und Kulten mithalten, wenn es sein muß. Es ist durchaus richtig, von einer Kriminalgeschichte der Religiosität zu sprechen, sie pausenlos herauszugeifern macht keinen Sinn.