Wahre Geschichten II
C. berichtet bei einem netten Nachmittag auf einem Balkon von einem Heilpraktiker, der ihr ein Baumharz zur Wundheilung verkauft hat. Ihr macht das Sinn, denn der Baum benutzt das Harz ja auch zur Heilung seiner Wunden, daher ist es sicher für sie auch geeignet. Ich entgegne, daß ich neulich einen wissenschaftlichen Artikel gelesen habe, in dem der Wundheilungsprozeß der Pflanzen als grundsätzlich verschieden von dem der Tiere dargestellt wird. Der Hauptunterschied besteht nach Aussage des Artikels darin, daß Bäume ihre Wunden überhaupt nicht wirklich heilen, sondern sie lediglich isolieren und mit anderem, gesundem Gewebe umzingeln, wohingegen Tiere immer versuchen, erkranktes oder verletztes Gewebe abzustoßen und durch neues, gesundes zu ersetzen. Sie entgegnet in leicht aufgeregtem Tonfall, daß sie fest an die heilenden Kräfte der Natur glaubt. Ich überlege, ob ich sie darauf hinweise, daß ich die heilenden Kräfte der Natur nicht bestreite, sondern nur die Wirksamkeit des Baumharzes (wenn es denn wirksam ist) nicht auf die oberflächliche Strukturgleichheit zwischen Baumrinde und Menschenhaut gründen will. Ich lasse es aber bleiben.