Aber ich hle es doch!

 

Das bloße Gefühl soll Authentizität verbürgen. Aber Erfahrung setzt nicht nur auf Gefühl, sondern auch auf seine Prüfung. Die Geschichte der Moderne ist die Geschichte der gesteuerten Erzeugung von Gefühlen. Auch das könnten sie aus der wachen Beobachtung der Medien lernen, wenn sie nur wollten. Gefühle allein beweisen nichts. Sie sind ein Spielball jeder nur denkbaren Psychotechnik, jedes Mummenschanzes, jeder Vernebelungstaktik, wenn sie auf Diskurs, Intersubjektivität und vor allem auf Überprüfung in der Zeit verzichten. Ein einmaliges Gefühl beweist nur sich selbst und ist daher noch keine Erfahrung. Das spricht nicht gegen die Intuition, wenn sie nicht verabsolutiert wird. Es kann durchaus sein, daß das Herz seine Gründe hat, die der Verstand nicht kennt, und an den Rändern des Bewußtseins kündigen sich Realitäten manchmal an, die sich für einen trägen Geist erst dann zur Gewheit verdichten, wenn es zu spät ist. Geistesgegenwart heißt nichts anderes, als unter anstrengungsloser Anwendung aller Ressourcen die Spreu der Intuition von ihrem Weizen zu trennen. Geistesgegenwart bedarf der Erfahrung. Etwas bloß zu fühlen und ihm deswegen eine höhere Form der Wahrheit zuzuschieben markiert hingegen die Abwesenheit des Geistes.