Die schärfsten Kritiker der Elche …
Die Vollrationalen schlagen manchmal unversehens ins Gegenteil um. Gestern noch konsequente Materialisten, die nichts anderes gelten lassen wollen als die Physik, die kritische Theorie, den Marxismus-Leninismus, die Skinner-Box, beten sie heute dunkle Götter an. Der Grund ist meistens der, daß sie mit ihrer Vernunft an eine Grenze gestoßen sind, die sie nie wahrhaben wollten. Ein Todesfall, eine Krankheit, eine Trennung, und sie kippen um. Daß sich der Ersatz für die gedemütigten Strategien der Rechthaberei so mühelos einfindet, deutet darauf hin, daß es schon vorher mit dem rationalen Fundament ihrer Rationalität nicht so weit her gewesen sein kann. Die Fiktion der totalen Durchdringung, die dem abendländischen Rationalismus so lange Triebfeder war, kann überhaupt nur aufrechterhalten werden, indem die Ergebnisse rationaler Forschung ausgeblendet werden. Die Realität ist nicht so einfach. Der Laplacesche Dämon ist ein Popanz. In Wirklichkeit haben die Vollrationalen Rationalität als Angstabwehr mißbraucht: Die Gründe für alles zu wissen, auch wenn man sie nicht weiß, kann die Angst vor einer ungewissen Zukunft enorm besänftigen. Auf diese Weise gleichen sich die Rechtfertigungsstrategien der Theologen und der Rationalisten auf überraschende Weise. Für die Theologen hat alles einen Sinn, weil es Gottes Wille ist, für die eindimensionalen Rationalisten ist alles erklärbar oder wird in absehbarer Zukunft erklärbar sein. Die losen Sprüche der leichtfertigen Theologen erledigt die Geschichte, die losen Behauptungen der leichtfertigen Rationalisten die Wissenschaft selbst. Bemerkenswert die Sturheit der Vollrationalen, wenn es darum geht, ihr festgefügtes Weltbild neuen Ergebnissen ihrer eigenen Wissenschaft anzupassen. Es will und will nicht gehen, weil sie es sich nicht vorstellen können. Das genau ist ihr entscheidender Mangel: Sie haben keine Phantasie, genausowenig wie Humor, und auch darin gleichen sie religösen Dogmatikern. Wird die Ersatzreligion, zu der bei ihnen der Rationalismus verkommen ist, gründlich geschüttelt, kann sie schneller ausgetauscht werden, als man »Newton« sagen kann. Die Welt ist voll von Rationalisten, die zu glühenden Verehrern oder willigen Handlangern des Widersinns bekehrt wurden. Conan Doyle, der Sherlock Holmes als das Bild des Rationalisten schlechthin konstruierte, glaubte auch dann noch an Houdinis magische Fähigkeiten, als völlig klar war, daß er mit sehr feinen Instrumenten arbeitete, die zwischen seinen Zehen steckten. Eine der aktivsten Neonazibanden der USA, die »National Alliance«, ist von einem Physiker gegründet worden. 9 Daß einer wie Einstein vor einem religiösen Hintergrund forschte, während einer wie Heisenberg an Hitlers Atombombe bastelte, sagt in dieser Hinsicht viel.