Nicht so gemeint

 

Vorher

 

Neu ist an dem esoterischen Humbug natürlich auch nichts. Was heute Esoterik genannt wird, hatte schon einmal eine Hochphase in Deutschland: nämlich in der Zeit zwischen dem I. und dem II. Weltkrieg. Als das Kaiserreich zerbrochen war und der Kapitalismus seine inszenierten Krisen feierte, wandten sich die Leute dem Übersinnlichen zu, um dort Trost, Zuspruch und Gewheit zu finden, die ihnen im Alltag von der gesellschaftlichen Situation vorenthalten wurden. Ein bunter Straan Ideologien blühte auf, die, wenn sie nicht selbst schon durchaus faschistischer Natur waren (Ariosophen, esoterische Germanenkulte etc.), so doch immerhin dem heraufziehenden Faschismus in die Hand arbeiteten: Kritik, Skepsis und Rationalität waren beim Publikum nicht mehr gefragt und wurden durch unbefragte Akzeptanz »höherer Wahrheiten« ersetzt. Vor diesem Hintergrund eines öffentlichen Ersungsbedürfnisses entstanden esoterische Kulte, die sich gerne mit dem Suffix »-sophie« schmückten, um den Ruf dessen zu erben, von dem sie sich abgewandt hatten: vom kritischen, aufgeklärten Denken nämlich, verrpert durch die Philosophie selbst. »Theosophie«, »Anthroposophie«, »Ariosophie«, und wie die Erbschleicher alle hießen (oder heißen), hatten und haben neben ihrem ausgeprägten Antirationalismus auch noch einige andere unangenehme Merkmale mit dem Faschismus gemeinsam: so z. B. den Rassismus (respektive Antisemitismus), den Glauben an die übernatürliche Sendung starker Führer, die Deszendenztheorie, den Antimodernismus usw. Bei dieser geistigen Nähe der Esoterik zum Faschismus ist es kein Wunder, daß sich die Führer des Nationalsozialismus weniger als Politiker denn als Initiierte verstanden, die einem mystischen Auftrag zur Rettung der »arischen Rasse« gehorchten. Einer der leider nur allzu fruchtbaren Schöße, aus dem der Faschismus immer wieder kriecht, ist nun einmal der Aberglaube.

 

 

 

Nachher

 

Die Frechheit, mit der heute einige Esoteriker das Hakenkreuz als wertneutrales Symbol für höhere Pfade zur Erkenntnis hoffähig machen wollen, ist schon beachtlich. Einige Opfer der faschistischen Raserei leben noch, und schon sagen die Kinder und Enkel der Täter: Schwamm drüber! Ist doch nur ein Sonnensymbol aus Indien! Was regt ihr euch so auf! So spielen die unbedarften bis dummdreisten Esoteriker denjenigen in die Hände, die mit der Schlauheit der Bestien genau wissen, daß sich im Symbol des Hakenkreuzes wie nirgendwo sonst die militante Inhumanität zusammendrängt. In einer analphabetischen Kultur bringt nichts so sehr die Dinge auf den Punkt wie das Hakenkreuz. Keine langen Reden, kein großes Getue, einfach nur das Brandmal der geilen Gewalt. Wenn das Pack auch nichts sonst versteht, das Versprechen, das im Hakenkreuz liegt, versteht es immer: Unter diesem Zeichen wirst du deine Angst, deinen Haß, deine Dummheit gegen jeden austoben dürfen, der sich nicht wehren kann. Das Versprechen wirkt um so glaubrdiger, als es bereits einmal eingest worden ist, daher auch seine ungebrochene Popularität. Es wirkt, weil es für den Massenmord steht. In dieser Hinsicht ist das Hakenkreuz das ultimative Zeichen. Und immer öfter bemerken Faschisten und Esoteriker, daß sie einander wohl schon immer grün gewesen sein müssen, wenn Figuren wie Himmler und Hitler selbst sich überhaupt nicht als Politiker, sondern als Seher begriffen haben. Man versteht sich. Nach außen hin die Harmlosigkeit selbst, stupft man sich untereinander in die Seiten und verbreitet Theorien wie die, daß die Juden den Holocaust selbst finanziert hätten.

Das Hakenkreuz, ein Archetyp? Gewiß. Ein historisch erzeugter.