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Die Raum­fäh­re mit dem Son­nenem­blem an der me­tal­le­nen Au­ßen­haut durf­te oh­ne wei­te­res im Raum­ha­fen von Fo­ra­lie auf Dor­sai lan­den. Doch so­bald Cle­tus und Mon­dar die Fäh­re ver­lie­ßen, wur­de Cle­tus so­fort ent­waff­net. Die Leu­te, die die Uni­form der Ko­ali­ti­on mit dem Ab­zei­chen der ver­ei­nig­ten Streit­kräf­te von Ko­ali­ti­on und Al­li­anz am rech­ten Är­mel tru­gen, of­fen­sicht­lich al­les alt­ge­dien­te Sol­da­ten, nah­men ihm Gür­tel und Pis­to­le ab. Die glei­chen Sol­da­ten wa­ren es auch, die ihn durch ein Fo­ra­lie führ­ten, wo au­ßer den Be­sat­zern kei­ne Men­schen­see­le auf den Stra­ßen zu er­bli­cken war. Sie er­reich­ten ein Mi­li­tär­flug­zeug, das sie zum Gra­ha­me-Haus brach­te.

Of­fen­sicht­lich war ih­re An­kunft be­reits an­ge­kün­digt wor­den. Sie wur­den zum Ein­gang der großen Hal­le ge­führt, ins Haus ge­bracht, und die Tür hin­ter ih­nen fest ver­schlos­sen. In der Hal­le sa­ßen Me­lis­sa und Eachan vor ei­ni­gen Drinks, an de­nen sie of­fen­bar we­nig In­ter­es­se be­kun­de­ten, steif und un­na­tür­lich wie Kom­par­sen, ge­wis­ser­ma­ßen als Rah­men und Ku­lis­se für Dow de­Ca­stries, der sich in sei­ner schnei­di­gen grau­wei­ßen Ko­ali­ti­ons­uni­form ge­gen die Bar am an­de­ren En­de des Raum­es lehn­te, eben­falls ein Glas in der Hand.

In ei­ner Ecke stand Swa­hi­li, eben­falls in der Uni­form der Ko­ali­ti­on, mit ei­ner schwe­ren Ener­gie­waf­fe in der Hand.

„Hal­lo, Cle­tus“, sag­te Dow. „Ich hat­te ge­hofft, Sie hier nach mei­ner Lan­dung an­zu­tref­fen. Ich bin über­rascht, daß Sie ge­kom­men sind, ob­wohl Sie mei­ne Trup­pen­trans­por­ter auf der Kreis­bahn ge­se­hen ha­ben. Oder wa­ren Sie viel­leicht der Mei­nung, daß wir Dor­sai noch nicht ganz be­setzt ha­ben?“

„Ich wuß­te es“, sag­te Cle­tus.

„Und Sie sind den­noch ge­kom­men? Ich an Ih­rer Stel­le hät­te es lie­ber ge­las­sen“, mein­te Dow. Er hob sein Glas und nipp­te dar­an. „Oder sind Sie ge­kom­men, um sich zu stel­len, wenn ich Dor­sai frei­ge­be? Das war sehr un­klug. Ich wer­de es so­wie­so tun. Im­mer­hin ha­ben Sie mir die Mü­he er­spart, Sie in ir­gend­ei­ner an­de­ren Welt auf­zu­stö­bern. Sie wis­sen, daß ich vor­ha­be, Sie auf die Er­de zu­rück­zu­brin­gen.“

„Da­mit Sie ganz si­cher­ge­hen“, sag­te Cle­tus. „Man wird mich vor ein Ge­richt stel­len und zum To­de ver­ur­tei­len, und Sie wer­den die To­dess­tra­fe in ei­ne le­bens­läng­li­che Haft­stra­fe um­wan­deln. Dann wer­de ich an ir­gend­ei­nem ge­hei­men Ort ein­ge­ker­kert und ir­gend­wann schließ­lich spur­los ver­schwin­den.“

„Sie ha­ben’s er­ra­ten“, mein­te Dow.

Cle­tus schau­te auf sei­ne Arm­band­uhr. „Wann ha­ben Ih­re Ra­dar­schir­me mein Raum­schiff zum ers­ten Mal er­faßt?“ frag­te er.

„Vor et­wa sechs Stun­den.“ Dow stell­te sein Glas hin und rich­te­te sich auf. „Sie wol­len doch nicht be­haup­ten, daß Sie in der Hoff­nung ge­kom­men sind, be­freit zu wer­den? Viel­leicht ver­fügt die Hand­voll Of­fi­zie­re, die Sie hier zu­rück­ge­las­sen ha­ben, über einen Ra­dar­schirm, der Ihr Schiff eben­falls er­faßt hat. Mag auch sein, sie wuß­ten, daß Sie an Bord wa­ren. Aber, Cle­tus, wir ja­gen sie rund um die Uhr, seit­dem ich mei­ne Trup­pen hier­her­ge­bracht ha­be. Und sie sind viel zu sehr da­mit be­schäf­tigt, sich vor uns in Si­cher­heit zu brin­gen, als daß sie sich den Kopf über Sie zer­bre­chen, selbst wenn sie ge­nü­gend Leu­te und Waf­fen hät­ten, um et­was zu un­ter­neh­men.“

Er starr­te Cle­tus ei­ne Se­kun­de lang an. „Wie dem auch sei“, sag­te er, Swa­hi­li zu­ge­wandt, „wir wol­len kei­ne Even­tua­li­tät au­ßer Be­tracht las­sen. Ge­hen Sie und über­brin­gen Sie dem lo­ka­len Kom­man­deur mei­nen Be­fehl: Er soll einen Si­cher­heits­kor­don um das Raum­fäh­ren­lan­de­feld in Fo­ra­lie zie­hen und ei­ne Raum­fäh­re von ei­nem der Trans­por­ter dort­hin be­stel­len. Wir wol­len Gra­ha­me so bald wie mög­lich an Bord brin­gen.“ Sein Blick kehr­te zu Cle­tus zu­rück. „Ich möch­te kei­nes­falls da­mit be­gin­nen, Sie zu un­ter­schät­zen.“

Swa­hi­li reich­te Dow sei­ne Waf­fe, ging hin­aus und schloß die Tür sorg­fäl­tig hin­ter sich.

„Sie ha­ben nie­mals auf­ge­hört, mich zu un­ter­schät­zen“, sag­te Cle­tus. „Dar­um sind Sie jetzt hier.“

Dow lä­chel­te.

„Nein. Was ich sa­ge, ent­spricht der Wahr­heit“, mein­te Cle­tus.

„Ich ha­be einen He­bel ge­braucht, um die Ge­schich­te zu än­dern, und ich ha­be mir Sie aus­ge­sucht. Von dem Zeit­punkt an, als ich mich an Ih­ren Tisch auf dem Raum­schiff nach Kul­tis setz­te, war ich be­müht, Sie in die­se Si­tua­ti­on hin­ein­zu­ma­nö­vrie­ren.“

Dow stütz­te den El­len­bo­gen auf die Bar, den Lauf der schwe­ren Waf­fe auf Cle­tus ge­rich­tet.

„Rücken Sie ein paar Schrit­te von ihm ab, Mon­dar“, sag­te er zu dem Exo­ten, der die gan­ze Zeit ne­ben und et­was hin­ter Cle­tus ge­stan­den hat­te. „Ich kann mir zwar nicht vor­stel­len, daß Sie sich selbst op­fern wür­den, um ihm ei­ne Chan­ce zur Flucht zu bie­ten, aber ich möch­te lie­ber nichts ris­kie­ren.“

Mon­dar rück­te von Cle­tus ab.

„Los, Cle­tus“, sag­te Dow. „Wir müs­sen so­wie­so noch ein paar Mi­nu­ten war­ten. Ich glau­be zwar kein Wort von dem, was Sie da be­haup­ten, aber wenn auch nur ein Körn­chen Wahr­heit dar­in ver­steckt ist, möch­te ich es doch gern wis­sen.“

„Da gibt es nicht viel zu er­zäh­len“, sag­te Cle­tus. „Ich ha­be da­mit be­gon­nen, Ih­re Auf­merk­sam­keit auf mich zu len­ken. Dann ha­be ich Ih­nen ge­zeigt, daß ich einen mi­li­tä­ri­schen In­stinkt be­sit­ze. Als nächs­tes be­gann ich mir auf den neu­en Wel­ten einen Na­men zu ma­chen, um Sie auf ei­ne be­stimm­te Idee zu brin­gen – näm­lich auf die Idee, daß al­les das, was ich tue, Ih­nen als Ent­schul­di­gung da­für die­nen könn­te, Ih­re ei­ge­nen In­ter­es­sen wahr­zu­neh­men.“

„Und was soll das ge­we­sen sein?“ Der Lauf der Waf­fe in Dows Hand ziel­te im­mer noch auf Cle­tus.

„Per­sön­li­che Kon­trol­le so­wohl über Al­li­anz als auch über die Ko­ali­ti­on – und da­durch die Kon­trol­le über die neu­en Wel­ten“, er­wi­der­te Cle­tus. „Sie ha­ben mei­ne Er­fol­ge in den neu­en Wel­ten als Ver­rat an der Al­li­anz und an der Ko­ali­ti­on hin­ge­stellt, bis man schließ­lich be­reit war, die au­ßer­ir­di­schen Streit­kräf­te zu ver­ei­ni­gen und Sie zum Ober­be­fehls­ha­ber zu ma­chen. So­bald Sie das Kom­man­do hat­ten, so mein­ten Sie, wür­de es ge­nü­gen, die Dor­sai so weit aus­ein­an­der­zu­zie­hen, daß es nicht schwer­fal­len wür­de, sie in die Knie zu zwin­gen. Dann woll­ten Sie mich ge­fan­gen­set­zen und Ih­re Be­liebt­heit so­wie Ih­re Mi­li­tär­macht da­zu ver­wen­den, die po­li­ti­sche Füh­rung auf der Er­de – so­wohl bei der Al­li­anz als auch bei der Ko­ali­ti­on – durch ei­ne Mi­li­tär­jun­ta ab­zu­lö­sen. Die Ge­nerä­le der Mi­li­tär­jun­ta soll­ten na­tür­lich Ih­re Leu­te sein – und mit der Zeit soll­ten sie die Re­gie­rung der Er­de auf sie über­tra­gen.“

Swa­hi­li war zu­rück­ge­kehrt und hat­te das Zim­mer be­tre­ten. Dow reich­te ihm die Waf­fe, und Swa­hi­li nahm sei­nen Pos­ten in der an­de­ren Ecke des Zim­mers wie­der ein, wo­bei er Cle­tus sorg­fäl­tig be­ob­ach­te­te.

„Wie lan­ge noch?“ frag­te Dow.

„Zwan­zig Mi­nu­ten“, er­wi­der­te Swa­hi­li. Dows Blick wan­der­te wie­der nach­denk­lich zu Cle­tus zu­rück.

„Viel­leicht wä­re ei­ne Ge­richts­ver­hand­lung tat­säch­lich zu ris­kant …“ Dann brach er ab.

Drau­ßen er­klan­gen Ru­fe, ge­folgt von dem schar­fen Pfei­fen von Ko­nus­ge­weh­ren und vom schwe­ren Zi­schen ei­ner Ener­gie­waf­fe. Swa­hi­li lief auf die Tür zu.

„Nein!“ schnapp­te Dow. Swa­hi­li blieb ste­hen und wir­bel­te her­um. Dow zeig­te auf Cle­tus. „Schie­ßen Sie ihn nie­der!“

Swa­hi­li riß die Ener­gie­pis­to­le hoch, doch dann gab es einen Laut, der sich wie das Schnap­pen ei­nes klei­nen Bol­zens an­hör­te. Swa­hi­li hielt ab­rupt in­ne und wand­te sich Eachan zu, der im­mer noch in sei­nem Ses­sel saß, jetzt aber mit je­ner fla­chen, klei­nen Pis­to­le in der Hand, die er sei­ner­zeit be­nutzt hat­te, als Me­lis­sa, Mon­dar und Cle­tus auf dem Weg nach Bak­hal­la un­ter dem um­ge­stürz­ten Wa­gen fest­sa­ßen.

Swa­hi­li sank auf dem Tep­pich plötz­lich schwer auf die Knie, die Ener­gie­pis­to­le glitt aus sei­ner Hand. Er fiel auf die Sei­te und blieb lie­gen. Dow mach­te ein paar ra­sche Schrit­te auf die Waf­fe zu, die am Bo­den lag.

„Las­sen sie das!“ sag­te Eachan. Dow blieb ab­rupt ste­hen. Drau­ßen vor dem Haus er­klan­gen im­mer mehr Stim­men.

Eachan er­hob sich und ging durch den Raum auf die Ener­gie­pis­to­le zu, wäh­rend er die ei­ge­ne Pis­to­le im­mer noch in der Hand hielt. Er hob die Waf­fe auf und beug­te sich über Swa­hi­li, des­sen Atem stoß­wei­se ging.

„Tut mir leid, Raoul“, sag­te Eachan lei­se.

Swa­hi­li blick­te mit dem An­flug ei­nes Lä­cheln zu ihm auf, und die­ses Lä­cheln er­starr­te auf sei­nem Ge­sicht. Eachan streck­te die Hand mit ei­ner al­ter­tüm­li­chen Ges­te aus und streif­te die Li­der über die star­ren Au­gen. Dann rich­te­te er sich wie­der auf, als die Tür auf­ge­ris­sen wur­de und Ar­vid, ein Ko­nus­ge­wehr in der Hand, ins Zim­mer stürm­te, ge­folgt von Bill Athyer.

„Al­les in Ord­nung hier?“ frag­te Ar­vid mit ei­nem Blick auf Cle­tus.

„Al­les bes­tens, Arv“, er­wi­der­te Cle­tus. „Wie schaut’s drau­ßen aus?“

„Wir ha­ben al­le er­wi­scht“, ant­wor­te­te Ar­vid.

„Dann soll­ten Sie sich schleu­nigst auf die So­cken ma­chen“, mein­te Dow tro­cken. „Al­le mei­ne Trup­pen ste­hen stän­dig mit­ein­an­der in Ver­bin­dung. In­ner­halb we­ni­ger Mi­nu­ten wer­den wei­te­re Trup­pen an­rücken. Wo wol­len Sie dann hin­lau­fen?“

„Wir wer­den über­haupt nicht weg­lau­fen“, mein­te Ar­vid und schau­te ihn an. „Al­le Ih­re Trup­pen auf Dor­sai sind ge­fan­gen.“

Dow starr­te ihn an, der Blick sei­ner schwar­zen Au­gen senk­te sich in die hell­blau­en Au­gen des Of­fi­ziers.

„Das glau­be ich ein­fach nicht“, sag­te Dow flach. „Auf die­ser Welt sind nur Frau­en, Kin­der und Grei­se zu­rück­ge­blie­ben.“

„Was macht das schon?“ frag­te Cle­tus. Dow dreh­te sich um und schau­te ihn an. Cle­tus fuhr fort: „Glau­ben Sie wirk­lich, daß man ei­ni­ge tau­send Eli­te­sol­da­ten der Ko­ali­ti­on nicht durch ei­ne Welt vol­ler Frau­en, Kin­der und Grei­se be­sie­gen kann?“

Dow schau­te ihn se­kun­den­lang wort­los an. „Doch“, sag­te er schließ­lich. „Sie, Cle­tus … Ich glau­be, Sie hät­ten es fer­tig­ge­bracht. Aber Sie wa­ren nicht hier.“ Er hob die rech­te Hand und deu­te­te mit dem Zei­ge­fin­ger auf Cle­tus. „Sie ha­ben et­was über­se­hen …“

Aus sei­nem Ja­cken­är­mel stieg laut­los ei­ne klei­ne wei­ße Dampf­wol­ke auf, und Cle­tus mein­te, den Schlag ei­nes schwe­ren Ham­mers auf der rech­ten Brust­sei­te zu spü­ren. Er tau­mel­te zu­rück, und nur ei­ne Tisch­kan­te hin­der­te ihn dar­an, daß er der Län­ge nach hin­fiel.

Ar­vid tat einen ra­schen, lan­gen Schritt auf Dow zu und hob die Hand, wäh­rend die Hand­kan­te dro­hend über ihm schweb­te.

„Bring ihn nicht um!“ schnapp­te Cle­tus, nach Luft rin­gend.

Ar­vids Hand än­der­te die Rich­tung in der Luft und lan­de­te auf Dows aus­ge­streck­tem Arm. Er schob den Är­mel zu­rück und ent­hüll­te ein Rohr, das an Dows Hand­ge­lenk be­fes­tigt war. Ar­vid zer­riß den Hal­te­gurt und warf das Rohr in ei­ne Ecke. Dann schnapp­te er sich den an­de­ren Arm und streif­te den Är­mel zu­rück, aber dies­mal konn­te er nichts fin­den.

„Kei­ne Be­we­gung!“ sag­te er und trat zu­rück. Me­lis­sa war be­reits an Cle­tus’ Sei­te.

„Du mußt schön lie­gen­blei­ben“, sag­te sie.

„Nein.“ Er schüt­tel­te den Kopf und schob ih­re Hän­de bei­sei­te. Die Wun­de, die der Bol­zen in sei­ner Brust ge­schla­gen hat­te, schmerz­te kaum, aber sein rech­ter Ober­kör­per war ge­fühl­los, und Schwä­che und Schwin­del­ge­fühl über­ka­men ihn. Mit al­ler zur Ver­fü­gung ste­hen­den Kraft sei­ner phy­sio­lo­gi­schen Dis­zi­plin kämpf­te er das Un­wohl­sein nie­der. „Ich ha­be ihm noch et­was zu sa­gen.“

Er lehn­te sich ge­gen die Tisch­kan­te.

„Hö­ren Sie gut zu, Dow“, sag­te er. „Ich wer­de sie zur Er­de zu­rück­be­för­dern. Wir wer­den Sie nicht tö­ten.“

Dow schau­te ihn furcht­los, fast neu­gie­rig an.

„Wenn dem so ist, tut es mir leid, daß ich Sie nie­der­ge­schos­sen ha­be“, mein­te er. „Ich glaub­te, mein Ziel er­reicht zu ha­ben und Sie mit­neh­men zu kön­nen. Aber warum wol­len Sie mich auf die Er­de zu­rück­schi­cken? Sie wis­sen ge­nau, daß ich ei­ne wei­te­re Ar­mee auf die Bei­ne stel­len und zu­rück­keh­ren wer­de. Und das nächs­te Mal wer­de ich Sie be­sie­gen.“

„Nein.“ Cle­tus schüt­tel­te den Kopf. „Die Er­de hat ih­ren Ein­fluß auf den neu­en Wel­ten ein­ge­büßt. Das wer­den Sie be­rich­ten, so­bald Sie wie­der dort sind. Von jetzt an kann je­de Ko­lo­nie zah­len­mä­ßig et­wa die Hälf­te von Dor­sai-Trup­pen an­heu­ern, ent­spre­chend je­nem Kon­tin­gent, das die Al­li­anz oder die Ko­ali­ti­on ih­ren Fein­den zur Ver­fü­gung stellt – und auf die­se Wei­se die Trup­pen von der Er­de leicht be­sie­gen. Die Dor­sai wer­den stets sie­gen, und je­de Ko­lo­nie wird es sich fi­nan­zi­ell leis­ten kön­nen, sie an­zu­heu­ern.“

Dow run­zel­te die Stirn. „Sie sind es, der den Dor­sai die­se Macht ver­lie­hen hat“, be­merk­te er. „Und Sie wer­den nicht ewig le­ben.“

„Da ir­ren Sie sich aber ge­wal­tig.“ Cle­tus leg­te ei­ne Pau­se ein, um sein auf­kom­men­des Un­wohl­sein zu be­kämp­fen. Es ge­lang ihm auch dies­mal, und er fuhr fort. „Wie Sie rich­tig be­merkt ha­ben – ich war nicht hier, als Sie ge­lan­det sind. Aber Sie wur­den von ei­nem Pla­ne­ten vol­ler Frau­en, Kin­der und Grei­se be­siegt, weil ich eben so gut wie an­we­send war. Se­hen Sie die­se bei­den?“ Er deu­te­te schwach mit dem Kopf auf Ar­vid und Bill.

„Das sind die bei­den an­de­ren Tei­le mei­ner selbst“, sag­te er jetzt im Flüs­ter­ton. „Der Theo­re­ti­ker und der Ge­ne­ral im Feld. Der ein­zi­ge Be­fehl, den ich hin­ter­ließ, lau­te­te, Dor­sai zu ver­tei­di­gen. ’Und Sie ha­ben ih­re Auf­ga­be er­füllt, als ob ich selbst da­ge­we­sen wä­re, und ich wuß­te auch, daß sie mich aus Ih­rer Ge­walt be­frei­en wür­den. Kei­ne Macht der Er­de wird sie je­mals be­sie­gen kön­nen.“ Wie­der über­kam ihn ein Schwin­del­ge­fühl, das er mit al­ler Kraft nie­der­kämpf­te.

„… warum?“ hör­te er Dow sa­gen. Er schau­te auf und sah das ha­ge­re Ge­sicht un­ter dem schwar­zen Haar mit den grau­en Schlä­fen, das wie auf Wol­ken schweb­te.

„Es ist an der Zeit, daß die neu­en Wel­ten frei wer­den“, sag­te Cle­tus. „Sie muß­ten sich von der Al­li­anz, von der Ko­ali­ti­on – von der gan­zen Er­de – los­rei­ßen, um das zu wer­den, was sie sein woll­ten. Es war an der Zeit, und ich ha­be es fer­tig­ge­bracht.“

„… we­gen der Bü­cher, die Sie schrei­ben woll­ten.“ Dows Stim­me schwand, um dann plötz­lich wie­der laut an Cle­tus’ Ohr zu drin­gen.

„Auch … des­halb …“ Cle­tus klam­mer­te sich mit bei­den Hän­den an die Tisch­kan­te, weil der Bo­den un­ter sei­nen Fü­ßen sich auf­zu­lö­sen schi­en. „Die letz­ten sech­zehn Bän­de wer­den sich mit ei­ner Tak­tik be­fas­sen, die nur kom­men­de Dor­sai-Ge­ne­ra­tio­nen an­wen­den kön­nen … nicht aber die üb­li­chen Mi­li­tärs auf der Er­de. Nur mit Hil­fe ei­ner neu­en Art von Sol­da­ten … mit Be­herr­schung … Ver­pflich­tung … Ver­stand und Kör­per …“

Und dann kam nichts mehr.

Nach ei­ner Zeit der Be­wußt­lo­sig­keit, die Jahr­hun­der­te zu dau­ern schi­en, kam er wie­der zu sich und sah, daß er auf ei­nem Bett lag. Ein jun­ger Of­fi­zier, der an sei­nen Schul­ter­klap­pen als Arzt zu er­ken­nen war, hat­te so­eben einen fri­schen Ver­band um sei­ne Brust ge­legt. Hin­ter ihm stan­den Me­lis­sa und Mon­dar.

„Al­so bin ich noch am Le­ben?“ flüs­ter­te er lei­se.

„Dow hat die falsche Waf­fe ge­gen Sie be­nutzt, Cle­tus“, sag­te Mon­dar. „Bol­zen die­ser Art, die einen phy­si­schen Schock und einen Zu­sam­men­bruch ver­ur­sa­chen, rei­chen aus um einen ge­wöhn­li­chen Men­schen zu tö­ten, aber nicht einen Mann wie Sie, der sei­ne phy­sio­lo­gi­schen Ab­läu­fe so weit ge­schult hat, daß sie au­to­ma­tisch sei­nem Wil­len ge­hor­chen. Sie wer­den le­ben – stimmt’s, Dok­tor?“

„Ab­so­lut.“ Der Arzt rich­te­te sich auf und trat vom Bett zu­rück. „Er hät­te ste­hen­den Fu­ßes ster­ben müs­sen, in­ner­halb der ers­ten Mi­nu­te, nach­dem ihn der Bol­zen traf. Als er aber die­sen Punkt über­wun­den hat­te, konn­te sein Kör­per nur noch der Ge­ne­sung ent­ge­gen­ge­hen.“

Er reich­te Me­lis­sa ei­ne Hy­po­spray-Man­schet­te. „Se­hen sie zu, daß er reich­lich Schlaf kriegt“, sag­te er. „Kom­men Sie, Mon­dar.“

Die Ge­stal­ten der bei­den Män­ner ver­schwan­den aus Cle­tus’ Ge­sichts­feld. Er hör­te von fern, wie ei­ne Tür zu­schlug. Me­lis­sa ließ sich in dem Ses­sel nie­der, wo der Arzt vor­her ge­ses­sen hat­te und leg­te die Man­schet­te um Cle­tus’ rech­ten Arm.

„Das brauchst du nicht“, flüs­ter­te er ihr zu. „Du kannst jetzt auf die Er­de ge­hen oder sonst­wo­hin, wo im­mer du hin­ge­hen möch­test. Es ist vor­bei.“

„Sei still“, sag­te sie. „Es ist al­les dum­mes Zeug. Hät­te ich ge­hen wol­len, so wä­re ich gleich ge­gan­gen, nach­dem du mich ge­zwun­gen hast, dich zu hei­ra­ten. Ich hät­te mir für Va­ter ir­gend­ei­ne Aus­re­de zu­recht­le­gen kön­nen. Du weißt, daß er al­les glaubt, was ich ihm sa­ge.“

Er starr­te sie an. „Und warum hast du dann nicht …“

„Weil du mir zu ver­ste­hen ge­ge­ben hast, daß du mich liebst“, sag­te sie. „Das war al­les, was ich wis­sen woll­te.“

Er ver­such­te den Kopf zu schüt­teln, aber er war zu schwach, und auch das Kis­sen hin­der­te ihn dar­an. „Ich sag­te …“

Nun hat­te sie die Man­schet­te an sei­nem Arm be­fes­tigt, beug­te sich zu ihm hin­un­ter und küß­te ihn.

„Du Dumm­kopf!“ sag­te sie, wü­tend und zärt­lich zu­gleich. „Du groß­ar­ti­ger, ge­nia­ler Dumm­kopf! Glaubst du, ich hät­te je dar­auf ge­ach­tet, was du ge­sagt hast?“