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„Ih­re Prei­se“, sag­te Ja­mes Arm-des-Herrn, Äl­tes­ter der Ers­ten Mi­li­tan­ten Kir­che auf den bei­den Nach­bar­wel­ten Har­mo­nie und Ver­ei­ni­gung, die man auch die „Freund­li­chen“ nann­te, „sind ein­fach em­pö­rend.“

Ja­mes Arm-des-Herrn war ein ha­ge­rer, zer­brech­li­cher Mann in mitt­le­ren Jah­ren mit dün­nem grau­en Haar, der in sei­ner schwar­zen, eng­an­lie­gen­den Ja­cke und den en­gen Ho­sen viel­leicht noch zer­brech­li­cher wirk­te. Dies war die Uni­form ei­ner fa­na­ti­schen Sek­te, de­ren An­hän­ger die­se Wel­ten zu­nächst ko­lo­ni­siert, sich dann auf Har­mo­nie und Ver­ei­ni­gung aus­ge­brei­tet und ver­mehrt hat­ten. Auf den ers­ten Blick sah Ja­mes wie ein klei­ner, harm­lo­ser Mann aus, doch ein Blick aus sei­nen dunklen Au­gen oder ein laut ge­spro­che­nes Wort ge­nüg­te, um die­se Il­lu­si­on zu zer­streu­en. Er ge­hör­te zu den sel­te­nen Men­schen, in de­nen ein in­ne­res Feu­er brann­te – doch die­ses Feu­er, das in Ja­mes Arm-des-Herrn nie­mals er­losch, war wie ei­ne lo­dern­de Fa­ckel des Schmer­zes und des Schre­ckens ge­gen die Un­ge­rech­ten, zu de­nen nach Ja­mes’ Mei­nung al­le die­je­ni­gen ge­hör­ten, de­ren An­schau­ung in ir­gend­ei­ner Wei­se von der sei­nen ab­wich. Jetzt saß er in sei­nem Bü­ro im Re­gie­rungs­ge­bäu­de auf Har­mo­nie und schau­te über die nack­te, un­po­lier­te Tisch­plat­te auf Cle­tus, der ihm ge­gen­über­saß.

„Ich weiß, daß un­se­re Prei­se Ih­re Mit­tel über­stei­gen“, sag­te Cle­tus. „Ich bin auch nicht ge­kom­men, um Ih­nen die Diens­te mei­ner Dor­sai an­zu­bie­ten. Ich möch­te Ih­nen le­dig­lich mit­tei­len, daß wir mög­li­cher­wei­se ei­ni­ge Ih­rer jun­gen Män­ner an­wer­ben möch­ten.“

„Sie wol­len al­so die Mit­glie­der un­se­rer Kir­che an­wer­ben, um Blut und Le­ben in die­sen sün­di­gen Krie­gern zwi­schen Kon­fes­si­ons­lo­sen und Un­gläu­bi­gen zu op­fern?“ sag­te Ja­mes. „Un­vor­stell­bar!“

„Kei­ne Ih­rer Ko­lo­ni­en auf Har­mo­nie oder Ver­ei­ni­gung hat in punk­to Tech­no­lo­gie et­was zu mel­den“, sag­te Cle­tus. „Ih­re Mi­li­tan­te Kir­che mag un­ter den Kir­chen die­ser bei­den Wel­ten die meis­ten Mit­glie­der zäh­len, aber den­noch sind Sie auf einen hand­fes­ten Kre­dit aus – einen Kre­dit, den Sie im Zwi­schen­wel­ten­han­del ver­wen­den kön­nen, um je­ne Pro­duk­ti­ons­an­la­gen zu bau­en, die Ih­re Leu­te brau­chen. Sie könn­ten sich die­sen Kre­dit bei uns ver­schaf­fen, in­dem Sie, wie ge­sagt, uns ei­ni­ge Ih­rer jun­gen Män­ner zur Ver­fü­gung stel­len.“

Ja­mes’ Au­gen glit­zer­ten wie die Au­gen ei­ner sich krin­geln­den Schlan­ge im Wi­der­schein des Lichts. „Wie­viel?“ schnapp­te er.

„Wir bie­ten den Stan­dard­sold für kon­ven­tio­nel­le Söld­ner“, er­wi­der­te Cle­tus.

„Wie­so? Das ist kaum ein Drit­tel des­sen, was Sie für Ih­re Dor­sai ver­langt ha­ben!“ Ja­mes’ Stim­me wur­de lau­ter. „Sie wol­len zu ei­nem be­stimm­ten Preis ver­kau­fen und zu ei­nem an­de­ren bei uns ein­kau­fen?“

„Es geht um den Ver­kauf be­zie­hungs­wei­se um den Ver­kauf zwei­er ver­schie­de­ner Pro­duk­te“, sag­te Cle­tus un­ge­rührt. „Die Dor­sai sind we­gen ih­rer Aus­bil­dung und Qua­li­fi­ka­ti­on und auch we­gen ih­res An­se­hens, das sie sich mitt­ler­wei­le er­wor­ben ha­ben, den Preis wert, den ich für sie ver­lan­ge. Ih­re Leu­te da­ge­gen kön­nen we­der ei­ne sol­che Aus­bil­dung noch einen sol­chen Ruf auf­wei­sen. Sie sind nur das wert, was ich für sie zu zah­len be­reit bin. An­de­rer­seits wür­de man nicht viel von ih­nen ver­lan­gen. Sie soll­ten mehr als Ab­lenk­kräf­te ein­ge­setzt wer­den, wie et­wa un­se­re Luft­lan­de­trup­pen, die erst vor kur­z­em bei der Er­obe­rung von Mar­ga­re­tha auf Frei­land zum Ein­satz ka­men.“

Die Er­obe­rung von Mar­ga­re­tha auf Frei­land war ei­ner der letz­ten er­folg­rei­chen Ein­sät­ze in ei­ner lan­gen Rei­he, bei de­nen sich die neu­aus­ge­bil­de­ten Dor­sai-Söld­ner un­ter Cle­tus’ Kom­man­do be­währt hat­ten. Seit der Er­obe­rung der Stib­nit­mi­nen auf New­ton war mehr als ein Jahr ver­gan­gen, und in die­ser Zeit hat­ten die Dor­sai ei­ne Rei­he von eben­so ein­deu­ti­gen wie na­he­zu un­blu­ti­gen Sie­gen da­von­ge­tra­gen, et­wa auf den Wel­ten von New­tons Schwes­tern­pla­ne­ten Cas­si­da, auf St. Ma­rie, ne­ben Ma­ra und Kul­tis, ei­ner klei­ne­ren Welt un­ter der Son­ne Pro­cy­on, und kürz­lich auf Frei­land, ne­ben der Neu­en Er­de ein wei­te­rer be­wohn­ter Pla­net des Si­ri­us.

Mar­ga­re­tha war ei­ne große, von Ozea­nen um­gür­te­te In­sel, et­wa drei­hun­dert Mei­len von der nörd­lichs­ten Küs­te der Haupt­kon­ti­nen­tal­mas­se Frei­lands ent­fernt. Ei­ne In­va­si­on der nächst­lie­gen­den Ko­lo­nie auf dem Fest­land hat­te schließ­lich zur Er­obe­rung der In­sel ge­führt, wo­bei die Exil­re­gie­rung die Mit­tel auf­ge­bracht hat­te, um die Dor­sai zu ver­pflich­ten und ihr Hei­mat­land zu­rück­zu­ge­win­nen.

Cle­tus hat­te einen Schein­an­griff mit un­ge­schul­ten Luft­lan­de­trup­pen sei­ner Dor­sai über der Haupt­stadt von Mar­ga­re­tha ge­st­ar­tet. In der Zwi­schen­zeit schick­te er meh­re­re tau­send aus­ge­bil­de­ter Leu­te zur In­sel, die bei Nacht schwim­mend die Küs­te der In­sel an zahl­rei­chen Punk­ten er­reich­ten. Die­se In­fil­tra­to­ren schür­ten und ko­or­di­nier­ten die ver­schie­de­nen spon­ta­nen Auf­stän­de der In­sel­be­woh­ner, die sich er­ho­ben, so­bald sich die Nach­richt von der Lan­dung der Dor­sai ver­brei­te­te.

An­ge­sichts die­ser Auf­stän­de und in Er­war­tung ei­nes An­griffs hiel­ten es die Be­sat­zer für klü­ger, sich zu­rück­zu­zie­hen und die In­sel vor­erst auf­zu­ge­ben. Als sie zu Hau­se an­ka­men, merk­ten sie erst, wie ge­ring je­ne Trup­pen­ver­bän­de ge­we­sen wa­ren, die sie ver­trie­ben hat­ten. Al­so mach­ten sie auf dem Ab­satz kehrt und be­ga­ben sich schleu­nigst zu­rück nach Mar­ga­re­tha.

Als sie dies­mal die In­sel er­reich­ten, hat­te man in al­len Buch­ten be­reits Feu­er an­ge­zün­det, die Be­völ­ke­rung hat­te sich er­ho­ben, war be­waff­net und dies­mal be­reit, lie­ber am Ufer zu ster­ben als zu­zu­las­sen, daß auch nur ein ein­zi­ger Fest­län­der den Fuß an Land setz­te.

Wie bei an­de­ren mi­li­tä­ri­schen Er­fol­gen, die Cle­tus er­zielt hat­te, war auch die­ser Sieg je­ner sorg­fäl­ti­gen Mi­schung aus Phan­ta­sie und Psy­cho­lo­gie zu ver­dan­ken, die all­mäh­lich auch in den an­de­ren ko­lo­ni­sier­ten Wel­ten den schier über­mensch­li­chen Fä­hig­kei­ten der Dor­sai zu­ge­schrie­ben wur­de. Ob­wohl Ja­mes nur wi­der­wil­lig Cle­tus’ An­ge­bot ent­ge­gen­ge­nom­men hat­te, war er sich der nack­ten Tat­sa­chen und der Vor­ur­tei­le die­ses An­ge­bots durch­aus be­wußt. Für Leu­te wie Ja­mes war es ty­pisch, daß sie ent­we­der für oder ent­schie­den ge­gen ei­ne Sa­che wa­ren, je­doch nie­mals ih­re Un­schlüs­sig­keit ein­ge­stan­den.

Cle­tus nahm Ur­laub, nach­dem er den Sa­men ei­ner Idee in ei­ne güns­ti­ge Ge­sin­nung ge­pflanzt hat­te. Er war so­weit zu­frie­den und be­reit ab­zu­war­ten, bis die Zeit die­se Idee rei­fen ließ.

Er be­stieg ein Raum­schiff zur Neu­en Er­de, je­nem Schwes­ter­pla­ne­ten von Frei­land, wo sein Dor­sai-Kom­man­do und ei­ne neue mi­li­tä­ri­sche Auf­ga­be auf ihn war­te­ten. Mar­cus Dodds, Eachans al­ter Stell­ver­tre­ter, stieß im Dor­sai-La­ger zu ihm, dicht am Stadt­rand von Ad­onyer, der Haupt­stadt der Brea­tha-Ko­lo­nie, ih­res Auf­trag­ge­bers auf der Neu­en Er­de. Trotz der zwei neu­en Ster­ne auf sei­nen Schul­ter­stücken, die ihn als Feld­kom­man­deur ei­ner kom­plet­ten Söld­ner­di­vi­si­on aus­wie­sen, die un­ter sei­nem Kom­man­do stand, mach­te er einen erns­ten und ir­gend­wie be­sorg­ten Ein­druck.

„Spa­nier­stadt hat mit vier der an­de­ren fünf Stadt­staa­ten der in­ne­ren Ebe­nen ein Bünd­nis ge­schlos­sen“, sag­te er zu Cle­tus, so­bald sie in Mar­cus’ Bü­ro al­lein wa­ren. „Sie nen­nen es Zen­tral­ring und ha­ben ei­ne kom­bi­nier­te Ar­mee von gut zwan­zig­tau­send Mann als re­gu­lä­re Trup­pen an­ge­mus­tert. Da­mit nicht ge­nug ste­hen sie be­reit und er­war­ten uns. Dies­mal kön­nen wir al­so kei­ne Über­ra­schungs­tak­tik an­wen­den, und die­se knap­pe Di­vi­si­on, die Sie mir zur Ver­fü­gung ge­stellt ha­ben, zählt we­ni­ger als fünf­tau­send Mann.“

„Das stimmt“, sag­te Cle­tus nach­denk­lich. „Was schla­gen Sie vor?“

„Bre­chen Sie den Ver­trag mit Brea­tha“, sag­te Mar­cus fest. „Wenn wir nicht mehr Leu­te zur Ver­fü­gung ha­ben, wer­den wir wahr­schein­lich mit die­sem Zen­tral­ring nicht fer­tig. Wie vie­le um­ge­schul­te Dor­sai ha­ben wir hier? Si­cher­lich nicht mehr als ein paar hun­dert. Wir ha­ben kei­ne an­de­re Wahl, als den Kon­trakt zu bre­chen. Sie kön­nen viel­leicht an­füh­ren, daß sich die Si­tua­ti­on in der Zwi­schen­zeit ge­än­dert hat. Mag sein, daß Brea­tha pro­tes­tie­ren wird, doch die Ver­ant­wort­li­chen in an­de­ren Ko­lo­ni­en, die uns ver­pflich­ten wol­len, wer­den es be­grei­fen. Wenn wir kei­ne Trup­pen ha­ben, dann ha­ben wir eben kei­ne – das ist al­les.“

„Nein“, sag­te Cle­tus. Er stand von sei­nem Stuhl auf, der an Mar­cus’ Schreib­tisch stand, und trat an ei­ne Kar­te, die die Ebe­ne im In­nern des Kon­tin­ents dar­stell­te, den Brea­tha mit ih­ren Ri­va­len, fünf wei­te­ren Ko­lo­ni­en, teil­te, al­le­samt Bau­ern, die sich um ei­ne Groß­stadt schar­ten – da­her die Be­zeich­nung Stadt­staat. „Ich möch­te nicht da­mit an­fan­gen, Ver­trä­ge zu bre­chen, selbst dann nicht, wenn ein sol­cher Schritt ge­recht­fer­tigt wä­re.“

Dann wand­te er sich wie­der der Kar­te zu und be­trach­te­te sie ei­ne Wei­le. Brea­tha hat­te einen schma­len Kor­ri­dor, der bis an die Küs­te reich­te, und war auf vier ih­rer fünf Sei­ten von den Stadt­staa­ten des Bin­nen­lan­des um­ge­ben. Ur­sprüng­lich war es das In­dus­trie­zen­trum, das die Stadt­staa­ten ge­gen Na­tu­ra­li­en mit sei­nen Pro­duk­ten be­lie­fer­te. Doch dann war Spa­nier­stadt, der größ­te un­ter den Stadt­staa­ten, da­zu über­ge­gan­gen, ei­ne ei­ge­ne Pro­duk­ti­on auf­zu­bau­en. Die­se Ak­ti­vi­tät wur­de dann auch von den an­de­ren Stadt­staa­ten auf­ge­grif­fen, wo­bei die Stadt Ar­moy be­schloß, einen Raum­ha­fen als Kon­kur­renz zu dem Raum­ha­fen in der Ko­lo­nie Brea­tha zu bau­en.

Jetzt, nach­dem die wirt­schaft­li­chen Be­mü­hun­gen in den frü­he­ren Agrar­ge­bie­ten der Zen­tral­ebe­ne um sich ge­grif­fen hat­ten, be­an­spruch­te der Staat Spa­nier­stadt, der an den Kor­ri­dor zur See an­grenz­te, die­sen Zu­gang zum Meer und droh­te, ihn mit Ge­walt zu er­obern, so­fern Brea­tha nicht be­reit war, den Kor­ri­dor ab­zu­tre­ten. Das war der Grund, warum Brea­tha die Dor­sai ver­pflich­tet hat­te.

„An­de­rer­seits …“ sag­te Cle­tus, in­dem er sich wie­der Mar­cus zu­wand­te, „wenn sie an­neh­men, daß wir Ver­stär­kung be­kom­men, wä­re dies fast so gut, als wenn wir die­se Trup­pen tat­säch­lich zur Ver­fü­gung hät­ten.“

„Wie wol­len Sie das fer­tig­brin­gen?“ woll­te Mar­cus wis­sen.

„Das muß man sich über­le­gen“, lä­chel­te Cle­tus. „Ich wer­de ei­ne kur­ze Rei­se zu den Dor­sai an­tre­ten, als woll­te ich zu­sätz­lich Leu­te an­heu­ern, und will zu­se­hen, ob mir un­ter­wegs et­was ein­fällt.“

Nach­dem Cle­tus sei­ne Ab­sicht klar­ge­legt hat­te, ver­lor er kei­ne Zeit mehr. Am spä­ten Abend, nach ei­ner aben­teu­er­li­chen Rei­se, die ihn in ei­nem At­mo­sphä­ren­schiff um den hal­b­en Glo­bus der Neu­en Er­de führ­te, saß er an Bord ei­nes Raum­schiffs, das die Dor­sai auf dem nächs­ten Raum­ha­fen zur Ver­fü­gung hat­ten. Drei Ta­ge spä­ter war er wie­der in Fo­ra­lie. Me­lis­sa emp­fing ihn an der Tür des Gra­ha­me-Hau­ses mit ei­ner Wär­me, die ihn über­rasch­te. Seit ih­rer Hei­rat hat­te sie sich Cle­tus im­mer mehr zu­ge­wandt, und seit der Ge­burt ih­res Soh­nes, der vor drei Mo­na­ten auf die Welt ge­kom­men war, war sie ihm mehr denn je ge­neigt, ob­wohl es den An­schein hat­te, daß sich an­sons­ten die eins­ti­gen Freun­de von Cle­tus im­mer mehr von ihm ab­wand­ten.

Selbst Eachan, der Cle­tus so re­ser­viert be­grüß­te, als sei er ein Frem­der schi­en ins glei­che Horn zu bla­sen. Bei der ers­ten Ge­le­gen­heit nahm er Cle­tus bei­sei­te, ent­führ­te ihn von Me­lis­sa und dem Kind, um mit sei­nem Schwie­ger­sohn ein of­fe­nes Wort zu spre­chen.

„Hast du das schon ge­se­hen?“ frag­te er und brei­te­te ei­ne Aus­wahl von Zei­tungs­aus­schnit­ten auf dem Tisch vor Cle­tus aus. Sie stan­den im Ar­beits­zim­mer von Cle­tus im West­flü­gel des Gra­ha­me-Hau­ses. „Sie stam­men al­le von den Pres­se­diens­ten auf der Er­de, und zwar so­wohl von Sei­ten der Al­li­anz wie von der Ko­ali­ti­on.“

Cle­tus über­flog die Aus­schnit­te. Al­le Ar­ti­kel be­schäf­tig­ten sich in we­nig schmei­chel­haf­ter Wei­se mit den Dor­sai und mit sei­ner Per­son. Aber nicht nur das. Ihr schmäh­li­cher Ton­fall und ih­re Dik­ti­on wa­ren ein­an­der so ähn­lich, als stamm­ten sie aus ein und der­sel­ben Quel­le.

„Da hast du’s“, sag­te Eachan, als Cle­tus schließ­lich von den Zei­tungs­aus­schnit­ten auf­blick­te. „Zu­nächst war es der Pres­se­dienst der Ko­ali­ti­on, der dich nach der Af­fä­re in Bak­hal­la einen Pi­ra­ten nann­te. Doch jetzt hat auch die Al­li­anz das The­ma auf­ge­grif­fen. Die­se Stadt­staa­ten, ge­gen die du auf der Neu­en Er­de vor­ge­hen sollst, wer­den so­wohl von der Al­li­anz als auch von der Ko­ali­ti­on un­ter­stützt. Wenn du nicht auf­paßt, wirst du so­wohl die Al­li­anz als auch die Ko­ali­ti­on ge­gen dich auf­brin­gen. Da …“ – sein rech­ter brau­ner Zei­ge­fin­ger deu­te­te auf einen der Zei­tungs­aus­schnit­te – „… lies, was Dow de­Ca­stries in ei­ner Re­de in Del­hi ge­sagt hat: Zu­min­dest sind sich die Ko­ali­ti­on und die Al­li­anz dar­in ei­nig, daß sie das bru­ta­le und blu­ti­ge Han­deln des Ex-Al­li­anz­re­ne­ga­ten Gra­ha­me ver­ur­tei­len …“

Cle­tus lach­te.

„Fin­dest du das lus­tig?“ frag­te Eachan grim­mig.

„Das war doch vor­her­seh­bar“, er­wi­der­te Cle­tus. „Und Dows Ab­sich­ten er­kennt ein Blin­der mit dem Krück­stock.“

„Willst du da­mit sa­gen, du hät­test es er­war­tet – du hät­test er­war­tet, daß de­Ca­stries sol­che Re­den schwingt?“ woll­te Eachan wis­sen.

„Das und nichts an­de­res“, er­wi­der­te Cle­tus. Dann wech­sel­te er das The­ma. „Ver­giß es. Ich bin zu­rück­ge­kom­men, um den Trans­port ei­ner ima­gi­nären Son­der-Di­vi­si­on nach der Ko­lo­nie Brea­tha zu or­ga­ni­sie­ren. Ich brau­che min­des­tens zwei Raum­schif­fe. Viel­leicht kön­nen wir ir­gend­wel­che lee­ren Fracht­schif­fe mie­ten …“

„Zu­nächst soll­test du dir noch et­was an­de­res an­hö­ren“, un­ter­brach ihn Eachan. „Weißt du schon, daß du Swa­hi­li ver­lie­ren wirst?“

Cle­tus zog die Au­gen­brau­en hoch. „Nein“, mur­mel­te er. „Aber es über­rascht mich nicht.“

Eachan öff­ne­te ei­ne Schub­la­de von Cle­tus’ Schreib­tisch, hol­te ein Kün­di­gungs­for­mu­lar her­aus und leg­te es über die Zei­tungs­aus­schnit­te auf die Tisch­plat­te. Cle­tus warf einen Blick auf das Pa­pier. Es war zwei­fel­los von Swa­hi­li aus­ge­stellt und un­ter­zeich­net, Ein-Stern-Ge­ne­ral und Feld­kom­man­deur. Die Leu­te, die von An­fang an bei Cle­tus wa­ren, wur­den schnell und groß­zü­gig be­för­dert. Aus­nah­men wa­ren nur Ar­vid, jetzt im Fel­de, der im­mer noch Kom­man­dant war – ein Rang, der sei­nem frü­he­ren Haupt­manns­rang ent­sprach –, und Eachan, der die ein­zi­ge Be­för­de­rung ab­ge­lehnt hat­te, die ihm an­ge­tra­gen wor­den war. Da­ge­gen be­klei­de­te der einst in­ef­fek­ti­ve Bill Athyer als Ober­kom­man­deur einen Rang, der ei­ne Stu­fe über Ar­vid stand und nur zwei Stu­fen vom Feld­kom­man­deur ent­fernt war, der ei­nem Re­gi­ment vor­stand.

„Ich glau­be, ich muß mit ihm re­den“, sag­te Cle­tus.

„Als ob das was nüt­zen wür­de“, gab Eachan zu­rück.

Cle­tus bat Swa­hi­li, der jetzt im neu­en Aus­bil­dungs­zen­trum, das sich jetzt am an­de­ren Stadt­rand von Fo­ra­lie be­fand, tä­tig war, zu ei­ner Aus­spra­che. Am nächs­ten Tag tra­fen sie in je­nem Bü­ro zu­sam­men, wo Eachan Cle­tus kurz nach des­sen Heim­kehr die Zei­tungs­aus­schnit­te vor­ge­legt hat­te.

„Na­tür­lich tut es mir leid, Sie zu ver­lie­ren“, sag­te Cle­tus, als sie sich ge­gen­über­stan­den. Swa­hi­li, auf des­sen Schul­ter­stücken je ein gol­de­ner Stern glänz­te, mach­te in sei­ner blau­en Uni­form einen im­po­san­te­ren Ein­druck denn je. „Aber ich neh­me an, daß Sie es sich ge­nau über­legt ha­ben.“

„Ja“, mein­te Swa­hi­li. „Ich hof­fe, Sie wer­den es ver­ste­hen.“

„Ich glau­be schon“, sag­te Cle­tus.

„Ich glau­be es auch“, wie­der­hol­te Swa­hi­li sanft, „ob­wohl die Sa­che an­ders ver­läuft, als wie Sie es gern hät­ten. Sie ha­ben dem Krieg je­den Reiz ge­nom­men – das wis­sen Sie ge­nau.“

„Das ist die Art, wie es mir ge­fällt“, sag­te Cle­tus.

Swa­hi­lis Au­gen flamm­ten im mil­den Licht des Bü­ros auf. „Mir ge­fällt das we­ni­ger“, mein­te er. „Was mir liegt, ist das, was sonst fast je­der haßt – oder wo­von er zu­min­dest die Na­se voll hat. Und ge­nau das ist es, was Sie aus der gan­zen Sa­che aus­ge­spart ha­ben, und zwar für je­der­mann, der un­ter Ih­nen dient.“

„Sie mei­nen den Kampf an sich“, be­merk­te Cle­tus.

„Ge­nau“, sag­te Swa­hi­li sanft. „Ich mag es eben­so­we­nig, ver­wun­det zu wer­den und wo­chen­lang im La­za­rett her­um­zu­lie­gen, wie je­der an­de­re. Ich bin nicht dar­auf ver­ses­sen zu ster­ben. Aber ich neh­me al­les gern in Kauf – die Aus­bil­dung, die Het­ze und das War­ten, das Her­um­sit­zen zwi­schen zwei Ein­sät­zen – nur we­gen der we­ni­gen Stun­den, wo plötz­lich al­les greif­bar wird.“

„Sie sind ein Kil­ler. Oder wol­len Sie es sich selbst nicht ein­ge­ste­hen?“ frag­te Cle­tus.

„Nein“, sag­te Swa­hi­li. „Ich bin ein Kämp­fer be­son­de­rer Art, das ist al­les. Ich lie­be den Kampf. Tö­ten al­lein wür­de mir nichts brin­gen. Wie ich schon sag­te, möch­te ich we­der ver­wun­det noch um­ge­bracht wer­den, eben­so­we­nig wie je­der an­de­re. Ich füh­le die glei­che Lee­re in mir, wenn die Ener­gie­waf­fen über mei­nem Kopf Feu­er zu spei­en be­gin­nen. Trotz­dem möch­te ich es nicht miss­en, um nichts auf der Welt. Es ist ein dre­cki­ges, ver­damm­tes Uni­ver­sum, und ge­le­gent­lich ha­be ich die Chan­ce zu­rück­zu­schla­gen. Das ist al­les. Wenn ich am Mor­gen, wo ich hin­aus­zie­hen muß, wüß­te, daß ich an die­sem Tag um­käme, wür­de ich trotz­dem ge­hen – weil ich mir kei­nen schö­ne­ren Tod vor­stel­len könn­te, als die Mög­lich­keit zu ha­ben, noch im Fal­len zu­zu­schla­gen.“

Er brach plötz­lich ab und schau­te Cle­tus in der Stil­le des Raum­es wort­los an.

„Das ist es, was Sie dem Söld­ner­hand­werk ge­nom­men ha­ben“, sag­te er. „Al­so wer­de ich wo­an­ders hin­ge­hen, wo all das noch zu fin­den ist.“

Cle­tus streck­te die Hand aus. „Viel Glück“, sag­te er.

Die bei­den Män­ner schüt­tel­ten sich die Hand.

„Ich wün­sche Ih­nen das­sel­be“, mein­te Swa­hi­li. „Sie wer­den es brau­chen. Im End­ef­fekt ist der­je­ni­ge, der Samt­hand­schu­he an­hat, dem an­de­ren stets un­ter­le­gen, der mit blan­ken Fäus­ten kämpft.“

„Ich hof­fe, Sie wer­den die Mög­lich­keit ha­ben, dies nach­zu­prü­fen“, er­wi­der­te Cle­tus.