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Cle­tus flog mit der ers­ten Wel­le der sechs Trans­port­flug­zeu­ge, die acht Mei­len fluß­auf­wärts von Zwei­strom kreis­ten und ih­re Luft­lan­de­trup­pen bei­der­seits der bei­den Fluß­tä­ler ab­setz­ten. Ein Auf­klä­rungs­flug­zeug, das vor zwei Stun­den in der Dun­kel­heit nach Mond­un­ter­gang tief über dem Dschun­gel kreis­te, hat­te mit der In­fra­rot­ka­me­ra zwei große An­samm­lun­gen von Neu­län­der­trup­pen fo­to­gra­fiert, die in den bei­den Fluß­tä­lern fünf Mei­len ober­halb der Stadt auf die Mor­gen­däm­me­rung war­te­ten. Ei­ne klei­ne­re Re­ser­ve­trup­pe kam­pier­te di­rekt un­ter­halb der Mün­dung des Et­ter-Pas­ses – doch ih­re Zahl war ge­ring, so daß die Dor­sai aus die­ser Rich­tung kaum mit ei­nem Ge­gen­an­griff zu rech­nen brauch­ten. Cle­tus be­ob­ach­te­te den Feu­er­strahl, der aus den Dü­sen ih­rer Sprung­gür­tel schoß, wäh­rend sie nach un­ten schweb­ten, dann wies er den Pi­lo­ten sei­nes Trans­port­schif­fes an, den Fluß zu über­flie­gen und fluß­ab­wärts auf Kurs zu ge­hen.

Ei­ne Vier­tel­mei­le un­ter­halb der Stadt mach­te der Fluß ei­ne Rechts­bie­gung, und ge­nau hin­ter die­ser Bie­gung mel­de­ten sich die M5 zum ers­ten Mal. Das Trans­port­schiff kam her­un­ter und schweb­te über dem Was­ser, wäh­rend der Turm ei­nes der ge­wal­ti­gen Fahr­zeu­ge schwarz aus dem dunklen Was­ser rag­te.

Cle­tus ließ sich an ei­nem Hub­seil zum Turm hin­un­ter, die Turm­lu­ke ging auf, und We­fer kam her­aus. Sie stan­den ne­ben­ein­an­der auf dem leicht ab­schüs­si­gen, feuch­ten Me­tall­ge­häu­se un­ter­halb des Turms.

„Da wä­ren wir al­so“, sag­te We­fer. „Zu dritt, ge­nau, wie es der Dok­tor ver­ord­net hat.“ Sein freund­li­ches, kampf­lus­ti­ges Ge­sicht un­ter dem schwar­zen Haar war von Er­re­gung ge­rötet. „Was ha­ben wir zu tun?“

„Die Trup­pen der Neu­län­der – und zwar ih­re re­gu­lä­ren Trup­pen“, sag­te Cle­tus, „sind in den bei­den Fluß­tä­lern ei­ni­ge Mei­len ober­halb der Stadt zu­sam­men­ge­zo­gen. Sie wer­den durch die bei­den Tä­ler mar­schie­ren und durch das Flach­land un­ter den Steilufern in die Stadt ein­drin­gen. Aber ich glau­be nicht, daß sie ver­su­chen wer­den, sich von die­ser fluß­ab­wärts lie­gen­den Sei­te der Stadt zu nä­hern. Sie wer­den al­so ope­rie­ren kön­nen, oh­ne ge­se­hen zu wer­den.“

„Si­cher, si­cher“, sag­te We­fer und schnüf­fel­te wie ein Jagd­hund in die küh­le Mor­gen­luft. „Aber was ha­ben Sie mit uns vor?“

„Kön­nen Sie das Fluß­bett um­pflü­gen, und zwar dicht un­ter­halb der Stadt, so daß der Was­ser­pe­gel in­ner­halb und ober­halb der Stadt an­steigt?“

„In die­sem arm­se­li­gen Wäs­ser­chen?“ er­wi­der­te We­fer. „Über­haupt kein Pro­blem. Wir wer­den ein­fach an ir­gend­ei­nem Punkt einen Wall un­ter Was­ser er­rich­ten, wo die Ufer an bei­den Sei­ten di­rekt zum Was­ser ab­fal­len. Das Was­ser muß so hoch stei­gen, daß es über die Ufer tritt. Wie hoch soll der Damm sein? Wie weit soll der Was­ser­spie­gel stei­gen?“

„Die Was­ser­tie­fe soll ei­ne Mei­le ober­halb der Stadt sechs Fuß be­tra­gen“, sag­te Cle­tus.

We­fer run­zel­te erst­mals die Stirn. „Sechs Fuß? Ein gan­zer Fa­den? Da wird ja auch die Stadt über­schwemmt. Die­ses fla­che Ge­biet, auf dem die Stadt zwi­schen den Flüs­sen er­baut ist, dürf­te auf bei­den Sei­ten nicht mehr als sechs oder acht Fuß über dem Was­ser­spie­gel lie­gen. Der Was­ser­stand in den Stra­ßen könn­te vier bis sechs Fuß be­tra­gen. Wol­len Sie das wirk­lich?“

„Ge­nau das will ich“, sag­te Cle­tus.

„Nun ja … es gibt al­ler­dings ge­nug fes­te Häu­ser im Ein­kaufs­zen­trum, wo die Leu­te un­ter­kom­men kön­nen“, mein­te We­fer. „Ich möch­te nur nicht, daß die Ma­ri­ne we­gen Hoch­was­ser­schä­den ver­klagt wird …“

„Das wird nicht der Fall sein“, er­wi­der­te Cle­tus. „Ich bin im­mer noch un­ter dem di­rek­ten Be­fehl des Ge­ne­ral Tray­nor als Be­fehls­ha­ber ab­kom­man­diert. Ich über­neh­me die Ver­ant­wor­tung.“

Im zu­neh­men­den Licht der Mor­gen­däm­me­rung ris­kier­te We­fer einen Blick auf Cle­tus, schüt­tel­te den Kopf und ließ einen be­wun­dern­den Pfiff er­tö­nen. „Al­so dann ran an die Bu­let­ten“, sag­te er. „In et­wa vier Stun­den wird der ge­wünsch­te Was­ser­stand ober­halb der Stadt er­reicht sein.“

„Gut“, sag­te Cle­tus. Er setz­te den Fuß in die Seil­sch­lin­ge und wink­te zum Trans­port­schiff hin­auf, da­mit man ihn hoch­zog. „Viel Glück.“

„Viel Glück auch Ih­nen und Ih­ren Dor­sai!“ er­wi­der­te We­fer. „Sie wer­den es eher brau­chen als wir. Wir ha­ben nur un­se­re täg­li­che Ar­beit zu ver­rich­ten.“

So­bald Cle­tus wie­der an Bord war, be­fahl er dem Pi­lo­ten, das Schiff wie­der auf die Sicht­li­nie von Zwei­strom zu brin­gen. Der Him­mel er­hell­te sich jetzt rasch, und die ein­zel­nen Ge­bäu­de von Zwei­strom wa­ren jetzt leicht zu er­ken­nen. Cle­tus sand­te einen Strahl hin­un­ter zu dem Hohl­spie­gel auf dem Dach des La­ger­hau­ses, wo die Dor­sai wäh­rend ih­rer Übun­gen ihr Haupt­quar­tier ein­ge­rich­tet hat­ten. Er sand­te einen Ruf über den Licht­strahl, und Eachan rea­gier­te um­ge­hend.

„Oberst?“ Eachans Stim­me kam wie aus wei­ter Fer­ne, aber kurz und deut­lich. „Ich ha­be schon dar­auf­ge­war­tet, et­was von Ih­nen zu hö­ren. Seit gut drei Stun­den ha­be ich von mei­nen Scouts im Dschun­gel kei­nen Be­richt mehr er­hal­ten. Sie sind ent­we­der in Ge­fan­gen­schaft ge­ra­ten oder lie­gen ir­gend­wo auf der Na­se. Im­mer­hin weiß ich, daß die Neu­län­der in den bei­den Fluß­tä­lern ober­halb der Stadt ste­cken. Hier sind al­le wich­ti­gen Punk­te be­setzt und ein­satz­be­reit.“

„Groß­ar­tig, Oberst“, sag­te Cle­tus. „Ich woll­te Ih­nen ge­ra­de sa­gen, daß Sie wahr­schein­lich nas­se Fü­ße be­kom­men wer­den. War­nen Sie die Zi­vi­lis­ten in der Stadt und sa­gen Sie ih­nen, sie soll­ten sich im Ein­kaufs­zen­trum im zwei­ten Stock­werk in Si­cher­heit brin­gen.“

„Oh! Ist ein Sturm im An­zug?“

„Ich fürch­te, wir ha­ben nicht so­viel Glück“, mein­te Cle­tus. Ein schö­ner, schwe­rer Platz­re­gen wä­re für die gut trai­nier­ten Dor­sai von Vor­teil ge­we­sen, so­wohl für die Luft­lan­de­trup­pen, wie auch für die Leu­te, die in­ner­halb der Stadt in ih­ren Stel­lun­gen auf ih­ren Ein­satz war­te­ten. „Laut Wet­ter­be­richt soll es bei kla­rem Him­mel heiß wer­den. Doch der Fluß steigt an. Wie ge­sagt, das Was­ser wird in den Stra­ßen bis zu ei­ner Hö­he von sechs Fuß an­stei­gen.“

„Ver­stan­den. Ich wer­de mich dar­um küm­mern – um die Trup­pen und auch um die Zi­vil­be­völ­ke­rung …“ Eachan brach ab. „Wer­den wir hier in der Stadt Ver­stär­kung er­hal­ten?“

„Ich fürch­te, daß ich Ih­nen da­mit nicht die­nen kann“, sag­te Cle­tus. „Doch mit et­was Glück wird sich die Sa­che auf die­se oder je­ne Art er­le­digt ha­ben, be­vor es zu ei­nem Über­fall der Neu­län­der kommt. Ver­su­chen Sie mit den Leu­ten, die Sie ha­ben, das Bes­te dar­aus zu ma­chen.“

„Ich ver­ste­he“, sag­te Eachan. „Von mir aus wä­re das al­les, Oberst.“

„Ganz mei­ner­seits, Oberst, zu­min­dest für den Au­gen­blick“, er­wi­der­te Cle­tus. „Viel Glück.“

Er un­ter­brach den Licht­strahl­kon­takt und be­or­der­te das Trans­port­schiff nach Bak­hal­la zu­rück, um ei­ne neue La­dung Lan­de­trup­pen zu ho­len. Jetzt, da über Zwei­strom der Tag an­ge­bro­chen war und man nicht mehr heim­lich im Tief­flug über der Stadt ope­rie­ren muß­te, be­glei­te­te Cle­tus die nächs­te Wel­le von Lan­de­trup­pen in ei­ner Ku­rier­ma­schi­ne, die au­ßer­halb der Reich­wei­te von Hand­feu­er­waf­fen über dem Bo­den kreis­te.

Die zwei­te Wel­le der Dor­sai-Trup­pen, die mit ih­ren Gür­teln ab­sprin­gen soll­ten, wur­de hef­tig, aber er­folg­los von den Neu­län­dern be­schos­sen, die fluß­ab­wärts sta­tio­niert wa­ren.

„So weit, so gut“, mein­te Marc Dodds, der Cle­tus im Ku­rier­schiff be­glei­tet hat­te, wäh­rend Ma­jor Da­vid Ap Mor­gan die bei­den letz­ten Schü­be her­beihol­te und den letz­ten als des­sen kom­man­die­ren­der Of­fi­zier be­glei­te­te. „Die letz­te Wel­le wer­den sie wahr­schein­lich aus der Luft an­grei­fen. Ich kann mir nicht er­klä­ren, warum die Neu­län­der bis jetzt kei­ne Luft­schif­fe ge­st­ar­tet ha­ben.“

„Ein wei­te­rer Be­weis für zu kom­pli­zier­tes Den­ken“, sag­te Cle­tus. Marc schau­te ihn fra­gend an, und Cle­tus fuhr mit sei­ner Er­klä­rung fort. „Ich ha­be Eachan be­reits ges­tern Abend ge­sagt, daß zu­viel Schlau­heit oft zu Miß­ver­ständ­nis­sen führt. Die Neu­län­der wis­sen, daß die Al­li­anz die Exo­ten mit viel mehr und be­deu­tend bes­se­ren Kampf­ma­schi­nen be­lie­fert hat, als dies die Ko­ali­ti­on bei ih­nen ge­tan hat. Al­so ha­ben sie au­to­ma­tisch die falsche Schluß­fol­ge­rung ge­zo­gen. Sie glau­ben, daß un­se­re Luft­waf­fe nur schein­bar man­gel­haft ist – daß wir ge­wis­ser­ma­ßen einen Kö­der aus­ge­legt ha­ben, da­mit sie ih­re Schif­fe star­ten und wir sie ein­fach ab­schie­ßen kön­nen. Sie wis­sen auch, daß nur die Dor­sai als Luft­lan­de­trup­pen aus­ge­bil­det sind und mut­ma­ßen, daß des­halb auch nur die Dor­sai ge­gen sie ins Feld ge­führt wer­den. Sie wis­sen, daß sie uns am Bo­den im Ver­hält­nis zwei oder so­gar drei zu eins über­le­gen sind, ein Um­stand, der sie mit Selbst­zu­frie­den­heit er­füllt.“

In­zwi­schen war die drit­te Wel­le ein­ge­trof­fen und über dem Dschun­gel ab­ge­sprun­gen. Doch kein Neu­län­der-Schiff ließ sich bli­cken, um den An­sprung ab­zu­weh­ren, ein Zei­chen da­für, daß Cle­tus die La­ge rich­tig ein­ge­schätzt hat­te. So war es auch bei der vier­ten und letz­ten Wel­le. Nach­dem al­le vier Wel­len der Dor­sai-Trup­pen ge­lan­det wa­ren, wur­de Cle­tus’ Schlacht­plan all­mäh­lich spür­bar. Er hat­te sei­ne Dor­sai im Dschun­gel auf dem Kamm der Steilufer bei­der Flüs­se ober­halb je­ner Stel­le ab­ge­setzt, wo die Neu­län­der ih­re Trup­pen zu­sam­men­ge­zo­gen hat­ten. Jetzt be­gan­nen die Dor­sai aus­zu­schwär­men und sich in lo­cke­ren Ge­fechts­li­ni­en hin­ter den Neu­län­der-Trup­pen zu for­mie­ren. Die Neu­län­der nah­men den Kampf an, doch sie zo­gen sich stän­dig zu­rück, wo­bei sich ih­re Trup­pen durch die Fluß­tä­ler auf die Stadt zu­be­weg­ten. Sie schie­nen nicht ge­neigt, Front zu ma­chen und zu kämp­fen, und auch das Feu­er in ih­rem Rücken schi­en sie we­der zu ver­wir­ren noch in Pa­nik zu ver­set­zen. Cle­tus und Marc sa­ßen in ih­rem Flug­zeug, das über dem Bo­den kreis­te und hiel­ten mit ih­ren Bo­den­trup­pen über Sicht­li­ni­en­strah­len akus­ti­schen Kon­takt.

„Die las­sen sich so gut wie gar nicht auf­hal­ten“, sag­te Marc, den Mund zu ei­nem dün­nen Strich zu­sam­men­ge­preßt, wäh­rend er die Sze­ne am Bo­den über die Auf­klä­rungs­schir­me ver­folg­te, die vor ihm auf­ge­baut wa­ren.

„Das kommt noch“, er­wi­der­te Cle­tus.

Er war da­mit be­schäf­tigt, die Kampf­hand­lun­gen auf dem Bild­schirm zu ver­fol­gen, wäh­rend er den ein­zel­nen klei­nen Dor­sai-Ein­hei­ten lau­fend Be­feh­le er­teil­te.

Marc wur­de schweig­sam und wand­te sich wie­der den Bild­schir­men zu, um zu be­ob­ach­ten, wie sich die Si­tua­ti­on auf Cle­tus’ Be­feh­le hin ver­än­der­te. Die bei­den Haupt­tei­le der Neu­län­der-Trup­pen sa­hen aus wie große, fet­te Rau­pen, die durch die bei­den Fluß­tä­ler kro­chen und dem glei­chen Punkt wie die bei­den Flüs­se zu­streb­ten, wo sich die Stadt Zwei­strom be­fand. Von hin­ten aber, land­ein­wärts von den Flüs­sen, grif­fen die Dor­sai-Trup­pen die­se bei­den Rau­pen von hin­ten wie ei­ne Schar von Amei­sen an. Dies war na­tür­lich mit bloßem Au­ge un­ter der di­cken Ur­wald­de­cke nicht zu er­ken­nen, doch die In­stru­men­te und Cle­tus’ Lo­ka­li­sie­rung mach­ten die Er­eig­nis­se deut­lich. Un­ter die­sem Druck und dem dau­ern­den Be­schuß zo­gen sich die hin­te­ren En­den die­ser „Rau­pen“ all­mäh­lich auf ih­re Front­li­nie zu­rück, wo­bei sie im­mer wie­der von den „Amei­sen“ be­drängt wur­den, lie­ßen sich aber bei ih­rem Vor­drin­gen nicht wei­ter stö­ren.

In der Zwi­schen­zeit ließ Cle­tus sei­ne Dor­sai-Trup­pen im­mer wei­ter ent­lang der Bin­nen­land­sei­te der ein­zel­nen feind­li­chen Trup­pen­ver­bän­de vor­drin­gen, bis sie mit den Feind­ver­bän­den, die sie stän­dig ver­folg­ten, fast auf glei­cher Hö­he stan­den. Ge­le­gent­lich stie­ßen sie hier und da auch in die Li­ni­en der Neu­län­der vor. So­bald es je­doch brenz­lig wur­de, zo­gen sich die Neu­län­der über die Steilufer zu­rück und ver­such­ten, die Dor­sai über die­sen na­tür­li­chen Schutz­wall ab­zu­drän­gen. Aber nicht nur das. Ih­re Ein­hei­ten, die ste­tig wei­ter vor­dran­gen, tauch­ten hin­ter den Steilufern un­ter und be­nutz­ten die­sen als Schutz­wall, so daß mehr als acht­zig Pro­zent der feind­li­chen Kräf­te au­ßer­halb der Reich­wei­te der Dor­sai-Waf­fen blie­ben.

Cle­tus un­ter­brach ab­rupt sei­ne Ar­beit an den Bild­schir­men und wand­te sich Marc zu.

„Sie sind kei­ne zwei Mei­len von der obe­ren Stadt­gren­ze ent­fernt“, sag­te er. „Über­neh­men Sie hier und hal­ten Sie die Neu­län­der auf der gan­zen Li­nie hin. Sor­gen Sie da­für, daß sie sich hin­ter dem Steilufer ver­ste­cken und auch dort blei­ben, ach­ten Sie aber dar­auf, daß Sie nicht mehr Leu­te ge­fähr­den als un­be­dingt not­wen­dig. Na­geln Sie sie fest, aber hal­ten Sie Ih­re Trup­pen zu­rück, bis Sie von mir hö­ren.“

„Wo wol­len Sie hin, Sir?“ frag­te Marc und run­zel­te die Stirn.

„Nach un­ten“, gab Cle­tus knapp zu­rück. Er streck­te die Hand nach ei­nem der Er­satz­gür­tel aus, die im Flug­zeug vor­han­den wa­ren und leg­te sich den Sprung­gür­tel um. „Brin­gen Sie ei­ne hal­be Kom­pa­nie über den Fluß, las­sen Sie sie ab­sprin­gen und auf der ge­gen­über­lie­gen­den Sei­te auf­mar­schie­ren. Sie sol­len über den Fluß hin­weg auf al­les schie­ßen, was sich be­wegt, aber den Feind an sei­nem Vor­marsch nicht hin­dern. Un­se­re Leu­te sol­len mög­lichst schnell vor­drin­gen, bis sie dort un­ten mit mir zu­sam­men­tref­fen.“

Er wand­te sich um und tipp­te mit dem Fin­ger­na­gel auf die Fluß­bie­gung un­ter­halb der Stadt, hin­ter der We­fer und sei­ne drei Mark V am Werk wa­ren. „Was mei­nen Sie, wann könn­ten wir uns da un­ten tref­fen?“ frag­te er.

„Mit et­was Glück in ei­ner Stun­de“, er­wi­der­te Marc. „Was ha­ben Sie vor, Sir – wenn ich fra­gen darf?“

„Ich möch­te, daß es so aus­sieht, als woll­ten wir Ver­stär­kung in die Stadt brin­gen“, sag­te Cle­tus. Er wand­te sich an den Pi­lo­ten im Bug des Auf­klä­rungs­schif­fes. „Hö­ren Sie auf zu krei­sen. Brin­gen Sie mich ge­nau zu die­sem Punkt un­ter­halb der Fluß­bie­gung – Plan­qua­drat H29 und R7.“

Das Schiff dreh­te von sei­nem Pos­ten über dem Kampf­platz ab und flog im großen Bo­gen in Rich­tung der Fluß­bie­gung. Cle­tus be­gab sich zur Notaus­stiegs­lu­ke und leg­te die Hand auf den Aus­lö­se­knopf. Marc folg­te ihm.

„Sir“, sag­te er, „wenn Sie seit ei­ni­ger Zeit kei­nen Sprung­gür­tel mehr be­nutzt ha­ben …“

„Ich weiß“, un­ter­brach ihn Cle­tus freund­lich. „Man muß den Trick ken­nen, wie man die Fü­ße un­ten und den Kopf oben be­hält, ins­be­son­de­re wenn man zur Lan­dung an­setzt. Ma­chen Sie sich kei­ne Sor­gen …“ Er dreh­te sich um und rief dem Pi­lo­ten zu: „Dort, die­ser Dschun­gel­fleck in­mit­ten der Fluß­bie­gung. Ru­fen Sie ›Sprin­gen!‹, wenn es so­weit ist.“

„Ja­wohl, Sir“, rief der Pi­lot zu­rück. Es folg­te ei­ne kur­ze Pau­se, dann rief er: „Sprin­gen!“

„Ich sprin­ge!“ er­wi­der­te Cle­tus.

Er drück­te auf den Knopf. Die Not­lu­ke vor ihm sprang auf, und der Deckab­schnitt un­ter sei­nen Fü­ßen schleu­der­te ihn ab­rupt vom Schiff weg. Er stürz­te auf die Baum­wip­fel des Dschun­gels zu, die sechs­hun­dert Fuß un­ter ihm la­gen.

Er um­klam­mer­te die Hand­steue­rung in der Mit­te des Gür­tels an sei­ner Hüf­te, und die klei­nen Dü­sen, die aus sei­nem Schul­ter­tank her­aus­rag­ten, flamm­ten mit Donner­ge­tö­se auf. Es gab einen Ruck, daß er mein­te, sein Rück­grat sei ge­bro­chen. Für einen Au­gen­blick, be­vor er über­haupt Luft ho­len konn­te, be­gann er wirk­lich zu stei­gen. Dann be­gann er lang­sam zu sin­ken und stram­pel­te mit Ar­men und Bei­nen, um sich in senk­rech­te La­ge zu brin­gen, die Fü­ße nach un­ten.

Es war we­ni­ger ein Fal­len als ein Hin­ab­glei­ten in stei­lem Win­kel, in dem er sich dem Dschun­gel un­ter sei­nen Fü­ßen nä­her­te. Er ver­such­te, die Fall­ge­schwin­dig­keit zu dros­seln, doch die emp­find­li­chen, trick­rei­chen Re­ak­tio­nen des Gür­tels lie­ßen ihn so­fort wie­der stei­gen. Has­tig dreh­te er am Reg­ler und brach­te ihn in­stink­tiv in ei­ne Stel­lung zu­rück, die we­der ein Fal­len oder Sin­ken be­wirk­te.

Nun war er sehr na­he an den Wip­feln der hö­he­ren Bäu­me und muß­te zu­se­hen, wie er sich hin­durch­ma­nö­vrier­te, um nicht von ei­nem Ast auf­ge­spießt zu wer­den oder in den tod­brin­gen­den Dorn­bü­schen zu lan­den. Er dreh­te den Steu­er­he­bel hin und her, wäh­rend er es sorg­fäl­tig ver­mied, den Dros­sel­he­bel zu be­rüh­ren, und ver­such­te, die Si­cher­heits­gren­zen für ei­ne Rich­tungs­än­de­rung her­aus­zu­fin­den. Beim ers­ten Ver­such wä­re er fast um­ge­kippt, doch er fing den Schwung ab, und nach ei­ner Wei­le ge­lang es ihm, sich wie­der in ei­ne La­ge zu brin­gen, wo er auf­recht ste­hend nach un­ten sank. Rechts un­ten er­blick­te er ei­ne Art Lich­tung. Er leg­te den Steu­er­he­bel vor­sich­tig um und war er­leich­tert, als er merk­te, daß er all­mäh­lich auf die­se Stel­le zu­steu­er­te. Dann be­fand er sich plötz­lich zwi­schen und un­ter­halb der Baum­wip­fel.

Der Bo­den be­gann auf ihn zu­zu­ra­sen. Ein ho­her, ge­zack­ter Baum­stumpf, der Rest ei­nes vom Blitz ge­trof­fe­nen Bau­mes, den er vor­her nicht ge­se­hen hat­te, weil er teil­wei­se vom Grün der Klet­ter­pflan­zen, die mit dem Grün des Bo­dens ver­schmol­zen, ver­deckt wur­de, rag­te ihm wie ein Speer ent­ge­gen.

Ver­zwei­felt warf er den He­bel her­um. Die Dü­sen bock­ten. Er be­gann sich um die ei­ge­ne Ach­se zu dre­hen, prall­te im stei­len Win­kel auf den Baum­stumpf, fiel zu Bo­den und ver­sank in ei­ner Wel­le von Fins­ter­nis.