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Am Him­mel von Bak­hal­la gin­gen all­mäh­lich die Ster­ne auf, als Cle­tus und Me­lis­sa im Ma­ri­ne­ha­fen ein­tra­fen und von ei­nem Mit­glied aus We­fer Li­nets Stab emp­fan­gen wur­den. Ihr Be­glei­ter führ­te sie an die Ram­pe, wo ei­nes der mas­si­ven, schwar­zen, zwei­stö­cki­gen Boo­te des Typs Mark V über den gol­de­nen Wel­len des Ha­fens von Bak­hal­le schau­kel­te. Cle­tus hat­te We­fer so­fort an­ge­ru­fen, nach­dem er sich von Eachan und Me­lis­sa ge­trennt hat­te, um Vor­sor­ge für den nächt­li­chen Aus­flug zu tref­fen.

We­fer war be­geis­tert. Die Ma­ri­ne­vor­schrif­ten, wie er Cle­tus wis­sen ließ, ver­bo­ten zwar strikt die An­we­sen­heit ei­ner Zi­vil­per­son wie Me­lis­sa an Bord ei­nes Kriegs­schif­fes wie der Mark V. Was ihn be­traf, so mach­te er sich dar­über je­doch kei­ne Ge­dan­ken. Nach Cle­tus’ An­ruf trug er ins Log­buch le­dig­lich die Be­zeich­nun­gen „Dor­sai“ und „Khan“ ein – und die Ein­tra­gung hät­te nicht bes­ser pas­sen kön­nen als auf die­sen Söld­ner­füh­rer, der of­fen­sicht­lich kein Zi­vi­list war. Al­so er­war­te­te er um 19.00 Uhr Oberst Gra­ha­me und Oberst Khan an Bord der Mark V.

Er war­te­te al­so ge­spannt auf das Ein­tref­fen sei­ner Gäs­te. Gleich­zei­tig schi­en aber der klei­ne Scherz, den er sich ge­leis­tet hat­te, in­dem er die Ma­ri­ne­vor­schrif­ten ge­schickt um­ging, auch auf Of­fi­zie­re und Mann­schaft über­ge­grif­fen zu ha­ben. Der Leut­nant, der Cle­tus und Me­lis­sa an der Re­ling er­war­te­te, re­de­te die jun­ge Da­me mit „Oberst“ an, und kaum wa­ren sie an Bord der Mark V, hat­ten auch die drei an­de­ren Ma­tro­sen Ge­le­gen­heit, mit brei­tem Grin­sen den glei­chen Scherz zu ma­chen.

Doch ge­ra­de die­ser harm­lo­se Scherz war da­zu an­ge­tan, bei Me­lis­sa das Eis zu bre­chen. Als sie zum vier­ten­mal mit „Oberst“ an­ge­re­det wur­de, muß­te sie herz­lich la­chen – und von die­sem Au­gen­blick an be­gann sie der Aus­flug auf­rich­tig zu in­ter­es­sie­ren.

„Ha­ben Sie ir­gend­ei­nen be­son­de­ren Wunsch, wo Sie hin­fah­ren möch­ten?“ frag­te We­fer, als sich die Mark V in Be­we­gung setz­te und lang­sam über die Ram­pe in die Bucht glitt.

„Fah­ren wir fluß­auf­wärts“, sag­te Cle­tus.

„Fluß­auf­wärts al­so, Leut­nant.“

„Aye, Sir“, sag­te der Leut­nant, der sie an der Re­ling emp­fan­gen hat­te. „Al­le Tanks vorn und ach­tern ab­glei­chen!“ Er stand am Ru­der, et­was wei­ter links von We­fer, Cle­tus und Me­lis­sa, un­mit­tel­bar vor dem großen, ge­bo­ge­nen, halb­run­den Schirm, der sich vor und über ih­nen wölb­te und durch den man hin­durch­se­hen konn­te, als sei er aus Glas, um dann im trü­ben Was­ser die Um­ris­se von Schiffs­bö­den und sons­ti­gen fes­ten Ge­gen­stän­den un­ter der Was­sero­ber­flä­che des Ha­fens zu er­bli­cken.

Über­all um sie her­um war ein lei­ses Zi­schen und Rum­peln. Die Schwin­gun­gen und das Ge­räusch der schwe­ren Lauf­rä­der auf der Ram­pe ver­stumm­ten plötz­lich, und die Was­ser­li­nie auf dem Schirm glitt bis zur Ho­ri­zont­mar­ke hin­auf, wäh­rend das schwe­re Fahr­zeug sei­nen Bal­last aus­ba­lan­cier­te, das Was­ser, wo nö­tig, durch Druck­luft er­setz­te und um­ge­kehrt, bis schließ­lich das Boot je­ne Was­ser­men­ge ver­drängt hat­te, die sei­nem Ge­wicht auf dem Tro­ckenen ent­sprach, und leicht wie ein Blatt im Wind auf den schlam­mi­gen Bo­den des Ha­fen­be­ckens sech­zig Fuß tief hin­ab­schweb­te.

„Al­le Kraft vor­aus, Kurs drei­ßig Grad waa­ge­recht“, be­fahl der Leut­nant. Da­mit be­gann die Un­ter­was­ser­fahrt von Bak­hal­la strom­auf­wärts.

„Wie sie be­merkt ha­ben“, er­läu­ter­te We­fer im Ton ei­nes stol­zen Va­ters, der die Be­ga­bung sei­nes ers­ten Stamm­hal­ters ins rech­te Licht rückt, „hat das Fahr­ge­stell hier kei­nen Kon­takt mit dem Bo­den. Un­ter uns lie­gen min­des­tens zehn Fuß lo­cke­rer Schlamm und Schlick, erst dann kommt fes­ter Grund, über den die Mark V rol­len kann. Na­tür­lich könn­ten wir hin­ab­tau­chen und den Bo­den be­rüh­ren, wenn wir es wünsch­ten. Aber warum ei­gent­lich? Wir kom­men im Was­ser eben­so­gut vor­an und sind be­deu­tend be­weg­li­cher, wenn wir un­ser Fahr­ge­stell als ei­ne Art Ru­der be­nut­zen … Schau­en Sie her …“

Er zeig­te auf den Bild­schirm. Et­wa zwei­hun­dert Me­ter vor­aus fiel der Bo­den plötz­lich ab. Es ent­stand ei­ne Lücke von min­des­tens fünf­zig Me­ter, be­vor der Bo­den wie­der sicht­bar wur­de.

„Das hier ist der Haupt­ka­nal – die di­rek­te Zu­fahrt zum Meer“, sag­te We­fer. „Sie wird täg­lich ge­rei­nigt – nicht weil hier Schif­fe ver­keh­ren wür­den, de­ren Tief­gang ei­ne Was­ser­tie­fe von et­wa ein­hun­dert­und­zehn Fuß er­for­dert, son­dern weil da­durch ein Ka­nal für die Strö­mung ge­schaf­fen wird, der den Ha­fen vor dem Ver­schlam­men be­wahrt. Ein Groß­teil un­se­rer Auf­ga­be be­steht dar­in, die vor­han­de­nen Strö­mungs­bil­der des Was­sers zu er­for­schen und zu nut­zen. In­dem wir die­sen Ka­nal sau­ber­hal­ten, spa­ren wir uns die Hälf­te der Ent­schlam­mungs­ar­bei­ten. Nicht daß wir dies nö­tig hät­ten, aber bei der Ma­ri­ne ist es nun ein­mal Brauch, da­für zu sor­gen, daß al­les mög­lichst sau­ber und wir­kungs­voll ver­läuft.“

„Soll das hei­ßen, daß Sie ge­nü­gend Ein­hei­ten vom Typ Mark V zur Ver­fü­gung ha­ben, um den Ha­fen sau­ber­zu­hal­ten, selbst wenn der Ka­nal nicht vor­han­den wä­re?“

We­fer schnauf­te gut ge­launt. „Durch­aus …“ gab er zu­rück. „Sie ha­ben kei­ne Ah­nung, zu wel­chen Din­gen ei­ne sol­che Mark V fä­hig ist! Ich könn­te mit die­ser Ma­schi­ne al­lein den Ha­fen sau­ber­hal­ten, selbst wenn der Strö­mungs­ka­nal nicht vor­han­den wä­re! – Ich möch­te Ih­nen das Boot ein­mal zei­gen.“

Er führ­te Cle­tus und Me­lis­sa durch das Boot, von der Tau­cher-Flucht­kam­mer im mas­si­ven Fahr­ge­stell bis hin­auf zum Ge­schütz­turm, von wo aus die Mark V ih­re bei­den schwe­ren Ener­gie­ge­schüt­ze oder den Un­ter­was­ser-La­ser ab­feu­ern konn­te.

„Jetzt wis­sen Sie auch, warum Tray­nor die­se Mark V für den Dschun­ge­lein­satz ha­ben woll­te“, schloß We­fer, als sie ih­re Tour be­en­det hat­ten und wie­der im Kon­troll­raum vor dem halb­run­den Bild­schirm stan­den. „Die­ses Fahr­zeug ver­fügt zwar nicht über die Feu­er­kraft, die Ur­wald­pan­zer der Ar­mee be­sit­zen, doch in fast je­der an­de­ren Hin­sicht, von der Ge­schwin­dig­keit an Land ein­mal ab­ge­se­hen, ist sie je­dem an­de­ren Fahr­zeug die­ser Art bei­spiels­los über­le­gen …“

„Sir“, un­ter­brach ihn der Leut­nant, der hin­ter ihm stand. „Ein Schiff mit großem Tief­gang nä­hert sich auf dem Ka­nal. Wir müs­sen tau­chen und uns auf un­se­re Rä­der set­zen.“

„In Ord­nung. Tun Sie, was Sie für rich­tig hal­ten, Leut­nant“, er­wi­der­te We­fer. Er wand­te sich dem Bild­schirm zu und zeig­te auf das V-för­mi­ge Ob­jekt, das die Fluß­o­ber­flä­che in et­wa zwei­hun­dert Me­tern Ent­fer­nung vor ih­nen durch­pflüg­te. „Me­lis­sa, Cle­tus …

Se­hen Sie das? Das ist ein Schiff mit ei­nem Tief­gang von neun oder zehn Fuß. Der Ka­nal ist knapp fünf­zig Fuß tief, al­so müs­sen wir bis zum Bo­den tau­chen, um si­cher­zu­ge­hen, daß die­ses Schiff in ei­ni­gen Fa­den Ab­stand an uns vor­bei­schwimmt.“

Er warf noch ein­mal einen Blick auf die­ses V-för­mi­ge Et­was, das auf dem Bild­schirm im­mer grö­ßer wur­de, dann lach­te er. „Dacht’ ich’s mir doch!“ sag­te er. „Es ist ei­nes der Fluß­pa­trouil­len­boo­te, Cle­tus. Wol­len Sie’s mal von oben se­hen?“

„Viel­leicht mit ei­nem Schwim­mer­sen­sor?“ frag­te Cle­tus ru­hig.

We­fers Kinn­la­de fiel her­un­ter. „Wo­her wis­sen Sie das?“ frag­te er und starr­te Cle­tus an.

„Da war vor knapp zwei Jah­ren ein Ar­ti­kel im Ma­ri­ne Jour­nal“, er­wi­der­te Cle­tus. „Das ist je­ne Art von Ge­rät, das je­der ei­ni­ger­ma­ßen ver­nünf­ti­ge See­mann an Bord ha­ben möch­te.“

We­fer schau­te ihn im­mer noch fast an­kla­gend an. „Wirk­lich?“ frag­te er. „Was wis­sen Sie sonst noch über die Mark V, wo­von ich nichts weiß?“

„Ich mei­ne, daß Sie mit et­was Glück in der La­ge sind, ei­ne Boots­la­dung Neu­län­der-Sa­bo­teu­re nebst Nach­schub zu ka­pern, die für Bak­hal­la be­stimmt ist, wenn Sie sich nur ein biß­chen be­mü­hen. Ha­ben Sie ei­ne Fluß­kar­te?“

„Ei­ne Kar­te?“ We­fers Ge­sicht leuch­te­te auf. Er lehn­te sich vor und drück­te ein paar Knöp­fe un­ter dem Bild­schirm. Das Bild auf dem Schirm er­losch. Da­für er­schi­en ei­ne Kar­te, die das Fluß­bett und sei­ne Ne­ben­ar­me von der Ha­fen­mün­dung bei Bak­hal­la bis et­wa drei­ßig Mei­len fluß­auf­wärts zeig­te. Ein ro­ter Fleck, ei­ne Drauf­sicht der Mark V, der das Boot dar­stel­len soll­te, be­weg­te sich lang­sam den Fluß hin­auf. „Was für Gue­ril­las? Und wo?“

„Et­wa sechs Ki­lo­me­ter fluß­auf­wärts von hier“, er­wi­der­te Cle­tus. Er streck­te die Hand aus und wies mit dem Zei­ge­fin­ger auf einen Punkt vor dem sich be­we­gen­den ro­ten Fleck der Mark V, wo ein Ne­ben­arm, fast so groß wie der Haupt­fluß, in die­sen ein­mün­de­te. Ober­halb die­ser Stel­le teil­te sich der Ne­ben­arm in zahl­rei­che klei­ne Strö­me auf, dann kam wei­ter nichts als Marsch­land.

„Wie Sie wis­sen, ist die Ti­de heu­te un­ge­wöhn­lich hoch“, sag­te Cle­tus. „Al­so führt der Fluß ab die­ser Stel­le Hoch­was­ser, so daß der Pe­gel hier im Haupt­ka­nal et­wa acht Fuß hö­her liegt als sonst. Die­se Was­ser­tie­fe reicht aus, um zu er­mög­li­chen, daß ein klei­ner Schlep­per den Ha­fen von Bak­hal­la er­reicht, mit Vor­rä­ten, ja so­gar Leu­ten auf ei­nem Un­ter­was­ser­fahr­zeug im Schlepp­tau. Na­tür­lich ist dies nur ei­ne Ver­mu­tung mei­ner­seits, aber ich kann mir nicht vor­stel­len, daß die Gue­ril­las ei­ne sol­che Ge­le­gen­heit aus­las­sen wür­den, um ih­re Leu­te in der Stadt mit Nach­schub und Ver­stär­kung zu ver­sor­gen.“

We­fer starr­te auf die Kar­te und klopf­te sich ver­gnügt auf die Schen­kel. „Sie ha­ben recht!“ brach es aus ihm her­vor. „Leut­nant, neh­men Sie Kurs auf die Stel­le, die uns Oberst Gra­ha­me so­eben ge­zeigt hat. Dros­seln sie al­le Ge­räusche und las­sen Sie den Ge­schütz­turm klar­ma­chen.“

„Aye, Sir“, er­wi­der­te der Leut­nant.

Sie er­reich­ten die Stel­le zwi­schen Ne­ben­arm und Haupt­bett, die Cle­tus be­zeich­net hat­te. Die Mark V kroch aus dem Ka­nal und glitt in das ziem­lich seich­te Was­ser in Ufer­nä­he ge­gen­über der Ne­ben­fluß­mün­dung. Hier mach­ten sie halt, wo­bei der Ge­schütz­turm kaum fünf Fuß un­ter der Was­sero­ber­flä­che lag. Der Schwimm­sen­sor am Ober­teil des Rump­fes wur­de aus­ge­klinkt und tauch­te über der Was­ser­flä­che auf – ein klei­ner, schwimm­fä­hi­ger, recht­e­cki­ger Kas­ten mit ei­nem dün­nen Me­tall­füh­ler, der et­wa einen Me­ter her­aus­rag­te. Das Ge­rät war durch einen dün­nen Draht mit der Kom­mu­ni­ka­ti­ons­an­la­ge der Mark V ver­bun­den. Die­ser Füh­ler hat­te die Auf­ga­be, die Ge­gend nur mit Hil­fe des vor­han­de­nen Lichts ab­zu­tas­ten, doch sei­ne Leis­tung war be­acht­lich. Das Bild, das auf dem halb­run­den Bild­schirm auf der Brücke der Mark V er­schi­en, war fast so klar wie bei Ta­ges­licht, ob­wohl die Fluß­mün­dung nur von schwa­chem Mond­licht er­leuch­tet wur­de.

„Kein Schiff in Sicht“, mur­mel­te We­fer, wäh­rend er das Bild auf dem Schirm jus­tier­te, um den gan­zen Be­reich von 180 Grad her­ein­zu­be­kom­men, den der Füh­ler ab­tas­te­te. „Ich glau­be, wir kön­nen nichts wei­ter tun, als hier Pos­ten zu be­zie­hen und auf sie zu war­ten.“

„Sie könn­ten in­zwi­schen ein paar Vor­sichts­maß­nah­men tref­fen“, schlug Cle­tus vor.

We­fer schau­te ihn von der Sei­te an. „Wel­che Art Maß­nah­men?“

„Da­mit sie nicht fluß­ab­wärts fah­ren kön­nen, so­fern es ih­nen ge­lin­gen soll­te, sich an uns vor­bei­zu­schlei­chen“, sag­te Cle­tus. „Gibt es et­was, was Sie da­von ab­hält, den Ka­nal fluß­ab­wärts zu bar­ri­ka­die­ren, so­bald sie kom­men, so daß sie ge­nau un­ter uns auf Grund lau­fen müs­sen?“

We­fer schau­te ihn er­staunt an, doch dann wich sein Er­stau­nen ei­ner plötz­li­chen Hei­ter­keit. „Na­tür­lich!“ rief er aus. „Leut­nant, Kurs fluß­ab­wärts!“

Die Mark V rum­pel­te et­wa hun­dert Me­ter fluß­ab­wärts. Die mas­si­ven Schau­feln am Bug wur­den aus­ge­fah­ren, und das Boot be­gann in großen Men­gen Sand und Schlick in den Haupt­ka­nal hin­ein­zu­schau­feln. Ei­ne Vier­tel­stun­de spä­ter war der Ka­nal fast voll­stän­dig blo­ckiert. We­fer neig­te da­zu, an die­sem Punkt an­zu­hal­ten, doch Cle­tus schlug vor, einen Wall in Form ei­ner brei­ten, ab­schüs­si­gen Ram­pe auf­zu­bau­en, die all­mäh­lich et­wa sechs Fuß hoch un­ter der Ober­flä­che em­por­rag­te. Dann, eben­falls auf Cle­tus’ Vor­schlag hin, mach­te die Mark V kehrt und schwamm in den Sei­ten­arm zu ei­ner Stel­le, die et­wa fünf­zig Me­ter hin­ter je­nem Punkt lag, wo der Sei­ten­ka­nal in den Haupt­fluß ein­mün­de­te.

Hier war das Was­ser so seicht, daß der Ge­schütz­turm der Mark V über die Ober­flä­che hin­aus­rag­te. Doch der Bull­do­zer­teil des Boo­tes brauch­te nur we­ni­ge Mi­nu­ten, um ei­ne fla­che Mul­de zu schaf­fen, in der das Boot un­ter Was­ser in War­te­stel­lung ge­hen konn­te.

Und dann war­te­ten sie. Es dau­er­te drei Stun­den – fast bis Mit­ter­nacht –, be­vor der Sen­sor, der über dem Was­ser schweb­te, im das Ufer des Ne­ben­arms säu­men­den Laub­werk das Bild ei­nes Schlep­pers ver­mit­tel­te, der über den Ne­ben­arm her­ab­tu­cker­te, bei ei­ner Ge­schwin­dig­keit, die ge­ra­de aus­reich­te, um ei­ne Last un­ter Was­ser hin­ter sich her­zu­schlep­pen.

Sie hiel­ten den Atem an und war­te­ten, bis der Schlep­per vor­über­ge­zo­gen war. Dann sprang We­fer auf und rann­te zum Ma­schi­nen­te­le­graf, an dem er vor Stun­den sei­nen Leut­nant ab­ge­löst hat­te.

„War­ten Sie“, sag­te Cle­tus.

We­fer zö­ger­te, in­dem er Cle­tus an­blick­te. „War­ten?“ sag­te er. „Wor­auf denn?“

„Sie wis­sen, daß die­ser Schlepp­zug die Bar­rie­re nicht pas­sie­ren kann, die Sie fluß­ab­wärts auf­ge­baut ha­ben“, er­wi­der­te Cle­tus. „Warum al­so soll­ten wir hier nicht ei­ne Wei­le war­ten und zu­se­hen, ob viel­leicht ein zwei­tes Boot da­her­kommt?“

We­fer zö­ger­te im­mer noch, dann ent­fern­te er sich vom Ma­schi­nen­te­le­gra­fen. „Mei­nen Sie wirk­lich, daß hier noch ein wei­te­res Boot vor­bei­kom­men könn­te?“ frag­te er nach­denk­lich.

„Es wür­de mich nicht son­der­lich über­ra­schen“, sag­te Cle­tus freund­lich.

Kaum hat­te er dies ge­sagt, mel­de­te auch schon der Sen­sor einen wei­te­ren Schlepp­zug, der auf sie zu­kam. Und kaum war die­ser Zug im Haupt­fluß an­ge­langt, als ein wei­te­rer Zug auf­tauch­te. Und wäh­rend We­fer noch mit un­glaub­li­chem Stau­nen und Ent­zücken auf den großen Bild­schirm starr­te, zo­gen nach­ein­an­der zwan­zig Schlepp­zü­ge nur knapp drei­ßig Yards an der un­ter­ge­tauch­ten Mark V vor­bei.

Nach­dem sie ei­ni­ge Mi­nu­ten den vor­bei­zie­hen­den Boo­ten zu­ge­schaut hat­ten, mein­te Cle­tus, daß es jetzt an der Zeit sei, ein­mal nach­zu­se­hen, was sich wei­ter fluß­ab­wärts tat. We­fer setz­te die Mark V in Be­we­gung. Das Boot lös­te sich aus sei­ner seich­ten Mul­de, tauch­te wie­der bis dicht un­ter die Ober­flä­che auf und schwamm fluß­ab­wärts.

Sie er­reich­ten den Mit­tel­ka­nal des Haupt­stro­mes und fuh­ren bergab. Das Licht ih­rer In­fra­rot­schein­wer­fer so­wie der Sen­sor, der über ih­nen schweb­te, ent­hüll­ten ein chao­ti­sches Bild dicht vor ih­ren Au­gen. Von den zwan­zig Zü­gen, die an ih­nen vor­bei­ge­schwom­men wa­ren, saß min­des­tens die Hälf­te im Fluß­bett vor je­ner Ram­pe fest, die die Mark V er­rich­tet hat­te. Die an­de­ren aber, die noch be­we­gungs­fä­hig wa­ren, ver­such­ten ver­zwei­felt, ih­re ge­stran­de­ten Last­käh­ne, die hilf­los an der Was­ser­flä­che düm­pel­ten, wie­der frei­zu­schlep­pen.

We­fer be­fahl, die Mark V an­zu­hal­ten, und starr­te mit ge­misch­ten Ge­füh­len auf den Bild­schirm.

„Was nun?“ sag­te er zu Cle­tus. „Wenn ich sie hier an­grei­fe, wer­den die Boo­te, die da­zu noch in der La­ge sind, um­keh­ren, fluß­auf­wärts fah­ren und uns ent­wi­schen. Na­tür­lich steht mir der Ge­schütz­turm zur Ver­fü­gung. Den­noch könn­ten es ei­ni­ge Boo­te schaf­fen, an uns vor­bei­zu­zie­hen und zu ent­kom­men.“

„Es ist nur ein Vor­schlag“, mein­te Cle­tus. „Könn­te die Mark V nicht ein paar Wel­len pro­du­zie­ren?“

We­fer starr­te ihn an. „Wel­len?“ sag­te er – und dann, plötz­lich ganz fröh­lich: „Wel­len! Das ist es!“ Er brüll­te ein paar Kom­man­dos ins Bord­te­le­fon. Die Mark V fuhr et­wa hun­dert Me­ter im Ka­nal zu­rück und stopp­te. Die bei­den Bag­ger­flü­gel, die ein­ge­zo­gen wor­den wa­ren, um den Wi­der­stand wäh­rend der Fahrt zu ver­rin­gern, wur­den aus­ge­fah­ren und ent­fal­te­ten sich in ih­rer vol­len Grö­ße von zehn mal zwan­zig Me­tern. We­fer hob den Bug der Mark V vor­sich­tig an, bis die obe­re Hälf­te der Bag­ger­flü­gel durch die Was­sero­ber­flä­che drang und das Lauf­werk frei im Was­ser schweb­te. Dann stell­te er die Ma­schi­nen auf vol­le Kraft vor­aus.

Die Mark V rausch­te den Fluß ent­lang, wo­bei sie das Was­ser auf­wühl­te, steu­er­te ge­gen und sank auf den Bo­den des Ka­nals, kei­ne fünf­zig Me­ter von den im­mer noch schwim­men­den Zug­boo­ten ent­fernt. Einen Au­gen­blick lang ver­deck­te ei­ne Rie­sen­wel­le die Sicht nach vorn, dann leg­te sie sich all­mäh­lich, wäh­rend sich die Was­sero­ber­flä­che vor dem Kiel kräu­sel­te.

Die Fol­ge die­ses Ma­nö­vers war ein un­be­schreib­li­ches Durch­ein­an­der.

Ei­ni­ge Boo­te, die be­reits auf Grund ge­lau­fen wa­ren, wur­den von den Wel­len über­spült, die die Mark V er­zeugt hat­te, an­de­re wie­der­um be­ka­men Schlag­sei­te oder ken­ter­ten. Doch die größ­te Wir­kung zeig­te sich bei je­nen Schlep­pern, die noch Was­ser un­ter dem Kiel hat­ten und ver­such­ten, die auf­ge­lau­fe­nen Boo­te wie­der flottz­u­ma­chen.

Al­le die­se Boo­te wa­ren eben­falls auf Grund ge­lau­fen, oft wur­den sie re­gel­recht in den wei­chen Bo­den des Fluß­betts ge­rammt. Ei­nes der Boo­te rag­te, den Bug sechs Fuß tief in Sand und Schlamm ge­bohrt, mit dem Heck nach oben.

„Ich glau­be, die sind jetzt reif“, sag­te Cle­tus zu We­fer.

Was end­gül­tig zur De­mo­ra­li­sie­rung der Gue­ril­las an Bord der Schlep­per bei­trug, war der An­blick der dunklen Um­ris­se der Mark V, die aus den Tie­fen des Flus­ses auf­tauch­te, wäh­rend ih­re zwei schwe­ren Ge­schüt­ze im Turm hin und her schwan­gen. Fast al­le, de­nen es ge­lun­gen war, auf ih­re ha­va­rier­ten Boo­te zu klet­tern, spran­gen ins Was­ser und ver­such­ten ver­zwei­felt, das Ufer schwim­mend zu er­rei­chen.

„Ge­schütz­turm …“ setz­te We­fer er­regt an, doch Cle­tus leg­te die Hand auf das Sprech­ge­rät.

„Las­sen Sie sie lau­fen“, sag­te er. „Die Leu­te, auf die es an­kommt, sit­zen im­mer noch in den Boo­ten fest. Se­hen wir zu, daß wir sie krie­gen, be­vor sie sich von ih­rem Schre­cken er­holt ha­ben und einen Aus­bruch wa­gen.“

Es war ein gu­ter Rat. Die Neu­län­der, die in ih­ren Boo­ten ein­ge­schlos­sen wa­ren und durch die Schau­ke­lei vor­über­ge­hend die Ner­ven ver­lo­ren hat­ten, be­gan­nen jetzt, sich zu be­sin­nen. Zwar wa­ren sie im­mer noch mit ih­ren Last­käh­nen ver­täut, die hilf­los an der Ober­flä­che düm­pel­ten, doch über­all schie­nen die Decks zu bers­ten, als die Lu­ken nach­ein­an­der auf­gin­gen und die Be­sat­zung ih­re Not­aus­gän­ge spreng­te. We­fer lenk­te die Mark V mit­ten in das Cha­os und schick­te sei­nen Of­fi­zier mit drei Ma­tro­sen durch die Deck­lu­ke nach oben, um die Neu­län­der mit Hand­feu­er­waf­fen in Schach zu hal­ten, so­bald sie an Deck auf­tauch­ten. Man be­fahl ih­nen, zur Mark V zu schwim­men, wo man sie dann durch­such­te, ih­nen Hand­schel­len an­leg­te und sie durch die Lu­ke un­ter Deck führ­te, wo sie in den vor­de­ren La­ger­raum des Boo­tes ge­sperrt wur­den. Cle­tus und Me­lis­sa hiel­ten sich dis­kret au­ßer Sicht­wei­te.

Den La­ger­raum mit Ge­fan­ge­nen voll­ge­pfropft und die Ver­sor­gungs­schif­fe im Schlepp­tau, kehr­te die Mark V zu ih­rer Ba­sis im Ha­fen von Bak­hal­la zu­rück. Nach­dem sie ih­re Ge­fan­ge­nen und ihr Ma­te­ri­al ab­ge­lie­fert hat­ten, be­ga­ben sich Cle­tus, Me­lis­sa und We­fer zu je­nem spä­ten Abendes­sen, das sie sich vor­ge­nom­men hat­ten und das sich jetzt schon fast als ein sehr zei­ti­ges Früh­stück ent­pupp­te. Es war fast vier Uhr mor­gens, als Cle­tus ei­ne er­schöpf­te, aber glück­li­che Me­lis­sa in der Woh­nung ih­res Va­ters ab­lie­fer­te. Je mehr sie sich aber dem Haus nä­her­ten, de­sto stil­ler und schweig­sa­mer wur­de Me­lis­sa. Und als sie vor dem Haus an­ge­langt wa­ren, das die Exo­ten Me­lis­sa und Eachan zur Ver­fü­gung ge­stellt hat­ten, mach­te sie kei­ne An­stal­ten, aus dem Wa­gen zu stei­gen.

„Wis­sen Sie“, sag­te sie, an Cle­tus ge­wandt, „Sie sind schon ein be­mer­kens­wer­ter jun­ger Mann. Zu­erst die­se Gue­ril­las auf un­se­rem Weg nach Bak­hal­la, dann je­ne, die Sie am Et­ter-Paß er­wi­scht ha­ben, und jetzt dies.“

„Dan­ke“, sag­te er. „Aber ich ha­be nichts wei­ter ge­tan, als die op­ti­ma­le La­ge im Hin­blick auf de­Ca­stries ein­zu­schät­zen und dann zur Stel­le zu sein, wenn sich mei­ne Vor­her­sa­gen als rich­tig er­wei­sen soll­ten.“

„Warum spre­chen Sie von Dow, als hät­te er per­sön­lich ein Hühn­chen mit Ih­nen zu rup­fen?“

„Weil es so ist“, sag­te Cle­tus.

„Der Ko­ali­ti­ons­mi­nis­ter für au­ßer­ir­di­sche An­ge­le­gen­hei­ten und ein na­men­lo­ser Oberst des Ex­pe­di­ti­ons­corps der Al­li­anz? Ist das wirk­lich ver­nünf­tig?“

„Warum ei­gent­lich nicht?“ mein­te Cle­tus. „Er hat be­deu­tend mehr zu ver­lie­ren als ein na­men­lo­ser klei­ner Oberst der Al­li­anz.“

„Aber das bil­den Sie sich doch nur ein!“

„Nein“, er­wi­der­te Cle­tus. „Er­in­nern Sie sich, wie ich ihn da­mals im Spei­se­saal an Bord des Raum­schif­fes mit den Zucker­wür­feln ir­re­ge­führt ha­be? Der Mi­nis­ter der Ko­ali­ti­on kann es nicht ver­win­den, daß ihn ein na­men­lo­ser Oberst der Al­li­anz an der Na­se her­um­ge­führt hat – ein klei­ner Oberst, wie Sie mich zu be­zeich­nen be­lie­ben. Kei­ner au­ßer Ih­nen weiß – und auch nur des­halb, weil ich es Ih­nen ge­sagt ha­be –, daß er einen Feh­ler ge­macht hat. Als­dann …“

„War das der Grund da­für, daß sie mir al­les er­zählt ha­ben?“ warf Me­lis­sa rasch ein. „Nur, da­mit ich es an Dow wei­ter­ge­ben soll?“

„Teils, teils“, sag­te Cle­tus. Er hör­te, wie sie in der Dun­kel­heit tief Atem hol­te. „Aber eben nur so. Es ist näm­lich wirk­lich gleich­gül­tig, ob Sie es ihm hin­ter­bracht ha­ben oder nicht. Es ging ihm ein­fach ge­gen den Strich, einen wie mich frei her­um­lau­fen las­sen, einen, bei dem stets die Mög­lich­keit be­steht, ihn zu über­run­den.“

„Ach so!“ Me­lis­sas Stim­me beb­te vor Zorn und Em­pö­rung. „Und des­we­gen ma­chen Sie so ein Thea­ter. Sie ha­ben nicht den Schim­mer ei­nes Be­wei­ses!“

„Viel­leicht doch“, ver­setz­te Cle­tus. „Sie wis­sen selbst, daß die Gue­ril­las auf un­se­rem Weg nach Bak­hal­la un­se­ren Wa­gen über­fal­len ha­ben und nicht den Bus, ein Um­stand, auf den Ihr Va­ter be­son­ders hin­ge­wie­sen hat – die­sen Bus, der ein weitaus loh­nen­de­res Ob­jekt für einen sol­chen Über­fall ab­ge­ge­ben hät­te. Und das, nach­dem Pa­ter Ten sämt­li­che Te­le­fon­lei­tun­gen be­schlag­nahmt hat­te und die Dräh­te nach Neu­land heiß­lau­fen ließ, be­vor wir von Bord gin­gen.“

„Das war Zu­fall – nichts als pu­rer Zu­fall“, gab sie zu­rück.

„Oh nein“, sag­te Cle­tus ru­hig. „Nichts an­de­res als das Ein­drin­gen über den Et­ter-Paß, ei­ne Mög­lich­keit für die Neu­län­der, einen Coup zu star­ten, hät­te mich als tak­ti­schen Ex­per­ten so sehr dis­kre­di­tie­ren kön­nen, be­vor ich über­haupt die Chan­ce ge­habt hät­te, mir ein Bild über die mi­li­tä­ri­sche Si­tua­ti­on hier­zu­lan­de zu ma­chen.“

„Das kann ich ein­fach nicht glau­ben“, sag­te Me­lis­sa hef­tig. „Sie bil­den sich das al­les nur ein!“

„Wenn dem so ist, dann lei­det de­Ca­stries eben­falls an Ver­fol­gungs­wahn“, er­wi­der­te Cle­tus. „Als ich der ers­ten Fal­le ent­schlüpft war, war er be­ein­druckt ge­nug, um mir einen Job an­zu­bie­ten – al­ler­dings ei­ne sub­al­ter­ne Po­si­ti­on, wo ich nach sei­ner Pfei­fe hät­te tan­zen müs­sen … Das war auf Mon­dars Par­ty, als Sie uns ver­lie­ßen, um mit Ih­rem Va­ter zu spre­chen, und de­Ca­stries und ich für einen Au­gen­blick al­lein blie­ben.“

Sie schau­te ihn durch die nächt­li­chen Schat­ten hin­durch an, die den In­nen­raum des Wa­gens er­füll­ten, als woll­te sie sei­nen Ge­sichts­aus­druck im schwa­chen Licht der Haus­lam­pe und im Däm­mer­licht des Him­mels er­grün­den, der sich über ih­nen wölb­te.

„Sie ha­ben ihn al­so aufs Kreuz ge­legt?“ frag­te sie nach län­ge­rem Schwei­gen.

„Das ha­be ich, und zwar in die­ser Nacht“, sag­te Cle­tus. „Nach dem Fias­ko am Et­ter-Paß war ihm klar, daß ich auf die Idee kom­men wür­de, daß die Neu­län­der den Vor­teil der ho­hen Ti­de nüt­zen könn­ten, um Nach­schub und Sa­bo­teu­re nach Bak­hal­la ein­zu­schleu­sen. Hät­te ich die Ak­ti­on zu­ge­las­sen, so hät­te ich ihm si­gna­li­siert, daß ich sein Mann bin.“

Sie schau­te ihn er­neut ver­wun­dert an. „Aber Sie …“ sag­te sie und brach dann ab. „Was er­hof­fen Sie sich von all­dem … von ei­ner sol­chen Ket­te von Er­eig­nis­sen?“

„Nichts wei­ter als das, was ich Ih­nen be­reits an Bord ge­sagt ha­be“, mein­te Cle­tus. „Ich möch­te de­Ca­stries zu ei­nem Du­ell her­aus­for­dern und ihn im­mer tiefer in ir­gend­wel­che Kon­flik­te ver­stri­cken – bis er sich ei­nes Ta­ges in sei­nem ei­ge­nen Netz falscher Ent­schei­dun­gen ge­fan­gen hat, aus dem er kei­nen Aus­weg mehr fin­det, und ich ihn ver­nich­ten kann.“

Ein­ge­taucht in die Schat­ten, die im­mer noch im In­nern des Wa­gens la­gen, schüt­tel­te sie lang­sam den Kopf. „Sie müs­sen ver­rückt sein“, sag­te sie.

„Oder viel­leicht auch ver­nünf­ti­ger denn je zu­vor“, er­wi­der­te er. „Wer weiß?“

„Aber …“ Es war, als such­te sie nach ei­nem Ar­gu­ment, das er viel­leicht ak­zep­tie­ren wür­de. „Was auch ge­sche­hen sein mag, Dow hat vor ab­zu­rei­sen. Was wird dann aus all Ih­ren Plä­nen? Er kann ein­fach zur Er­de zu­rück­keh­ren und Sie ver­ges­sen – und das wird er ver­mut­lich auch tun.“

„Nicht be­vor ich ihn bei ei­ner falschen Ent­schei­dung fest­ge­na­gelt ha­be, die ekla­tant ge­nug ist, daß er sich we­der di­stan­zie­ren noch ver­ste­cken kann“, sag­te Cle­tus. „Und das ist mei­ne nächs­te Auf­ga­be.“

„Und was ist, wenn ich ihm sa­ge, was Sie vor­ha­ben?“ frag­te sie. „Neh­men wir ein­mal an, daß an all die­sen wil­den Ge­rüch­ten et­was dran ist. Wenn ich mor­gen nach der Haupt­stadt von Neu­land fah­re und ihm al­les er­zäh­le – wür­de das dann Ih­re Plä­ne zu­nich­te ma­chen?“

„Nicht un­be­dingt“, sag­te Cle­tus. „Au­ßer­dem glau­be ich nicht, daß Sie das tun wür­den.“

„Warum ei­gent­lich nicht?“ neck­te sie ihn. „Ich ha­be Ih­nen schon sei­ner­zeit an Bord deut­lich ge­macht, daß ich sei­ne Hil­fe für mei­nen Va­ter und für mich brau­che. Warum soll­te ich ihm kei­ne Neu­ig­kei­ten brin­gen, die für uns vor­teil­haft sind?“

„Weil Sie mehr die Toch­ter Ih­res Va­ters sind als Sie glau­ben“, mein­te Cle­tus. „Üb­ri­gens wä­re es ei­ne ver­geb­li­che An­stren­gung. Ich bin näm­lich nicht be­reit zu­zu­las­sen, daß Sie sich an de­Ca­stries für ei­ne Sa­che weg­wer­fen, die Eachan und Ih­nen nur Nach­tei­le ein­brin­gen wür­de.“

Sie starr­te ihn einen Au­gen­blick lang an, wäh­rend sie den Atem an­hielt, dann brach es aus ihr her­aus wie ein Was­ser­fall.

„Sie ha­ben mir über­haupt nichts zu sa­gen“, fauch­te sie. „Wol­len Sie sich viel­leicht in mein Le­ben und in das Le­ben mei­nes Va­ters ein­mi­schen? Sie ha­ben kein Recht, un­ser Le­ben zu be­stim­men. Wo­her neh­men Sie über­haupt die Frech­heit zu be­haup­ten, Sie wüß­ten, was für an­de­re Men­schen zu­träg­lich oder ab­träg­lich ist? Wie­so spie­len Sie sich zum Rich­ter über Wohl und We­he der Be­völ­ke­rung auf? Wer hat Sie zu dem ge­macht was Sie sind … oder was Sie sich ein­bil­den … Sie Ger­ne­groß …“

Da­bei rüt­tel­te sie wü­tend am Tür­schloß, wäh­rend die Wor­te aus ihr her­aus­spru­del­ten. Dann hat­te sie es end­lich ge­schafft. Die Tür schwang auf. Sie sprang aus dem Wa­gen und wir­bel­te her­um, um den Wa­gen­schlag zu­zu­schmet­tern.

„Ge­hen Sie in Ihr Quar­tier zu­rück oder über­all­hin, wo es Ih­nen be­liebt?“ rief sie ihm durch das of­fe­ne Fens­ter zu. „Ich hat­te wahr­haf­tig kei­nen An­laß, mit Ih­nen aus­zu­ge­hen, aber mein Va­ter hat mich dar­um ge­be­ten. Ich hät­te es bes­ser wis­sen müs­sen. Gu­te Nacht!“

Sie wand­te sich ab und stürm­te die Trep­pe zum Haus hin­auf. Cle­tus blieb al­lein zu­rück in der Stil­le der Mor­gen­däm­me­rung, un­ter ei­nem ver­blas­sen­den Him­mel, der sich un­er­reich­bar über sei­nem Kopf wölb­te.