18

 

Nach sechs Mo­na­ten war Cle­tus nicht nur völ­lig ge­ne­sen, son­dern auch kräf­tig ge­nug, um ans Werk zu ge­hen und das Ziel zu ver­fol­gen, das er im Au­ge hat­te, als er zu den Dor­sai emi­griert war.

Von sei­nem täg­li­chen Dau­er­lauf von fünf­zehn Mei­len wa­ren jetzt nur noch zwei Mei­len zu­rück­zu­le­gen. Er stemm­te sich ge­gen den lan­gen Hü­gel­hang, der wie­der zum Ufer des Athan-Sees führ­te, zu Eachan Khans Haus im Au­ßen­be­zirk der Stadt Fo­ra­lie auf der Dor­sai-Welt. Sei­ne Schrit­te wur­den kür­zer, und er at­me­te tiefer, aber sonst war es wie vor­her. Er hat­te sein Tem­po nicht ge­dros­selt.

Es war jetzt fast fünf Mo­na­te her, seit man den Gips von sei­nen Bei­nen ent­fernt hat­te, wo­bei sich her­aus­stell­te, daß sein lin­kes Knie voll­kom­men ge­sund und wie­der­her­ge­stellt war. Das ört­li­che Ärz­te­kol­le­gi­um war na­tür­lich dar­auf er­picht, ihn ei­ner Rei­he von Tests zu un­ter­zie­hen, um die­ses me­di­zi­ni­sche Wun­der zu stu­die­ren, aber Cle­tus war mit an­de­ren Din­gen be­schäf­tigt. In­ner­halb ei­ner Wo­che ging er auf schwan­ken­den Bei­nen, die ge­ra­de erst wie­der das Lau­fen ge­lernt hat­ten, zu­sam­men mit Me­lis­sa und Eachan Khan an Bord ei­nes Raum­schif­fes, um zur Dor­sai-Welt zu flie­gen. Seit­dem lo­gier­te er als Gast in Eachans Haus, galt als Me­lis­sas Ver­lob­ter und ver­brach­te die Zeit mit gna­den­lo­sem phy­si­schen Selbst­trai­ning.

Die Trai­nings­me­tho­den wa­ren ein­fach und bis auf einen ge­wis­sen Aspekt or­tho­dox. Im Grun­de ge­nom­men war sein Tag mit Spa­zier­gän­gen, Lau­fen, Schwim­men und Klet­tern aus­ge­füllt, wo­bei das Klet­tern die ein­zi­ge un­or­tho­do­xe Trai­nings­me­tho­de dar­stell­te. Cle­tus hat­te näm­lich ei­ne Art Klet­ter­ge­rüst für Er­wach­se­ne bau­en las­sen, ein Ge­wirr von Stahl­roh­ren, die in ver­schie­de­nen Hö­hen und Win­keln mit­ein­an­der ver­bun­den wa­ren. Das Ge­rüst war in­zwi­schen zehn Me­ter hoch, sechs Me­ter breit und mehr als zwan­zig Me­ter lang.

Jetzt, sechs Mo­na­te nach­dem er das Kran­ken­haus in Kul­tis ver­las­sen hat­te, be­gann Cle­tus’ Tag mit ei­ner stei­len Klet­ter­tour, in­dem er sich oh­ne Pau­se vom Bo­den an ei­nem Tau hin­auf­han­gel­te, das zwan­zig Me­ter über dem Bo­den an ei­nem Bau­mast be­fes­tigt war. So­bald er oben an­ge­kom­men war, han­gel­te er sich drei bis vier Me­ter an die­sem Ast ent­lang, klet­ter­te über ein kur­z­es, nur et­wa fünf­zehn Me­ter lan­ges Seil hin­ab und be­gann dann an die­sem Seil zu schau­keln, bis er sich an der obers­ten Stan­ge des Klet­ter­ge­rüsts fest­hal­ten konn­te. Die nächs­ten drei­ßig Mi­nu­ten ver­gin­gen, in­dem er im Klet­ter­ge­rüst einen Weg durch­stieg, der stu­fen­wei­se im­mer kom­pli­zier­ter und schwie­ri­ger wur­de, wo­bei man das Ge­rüst Cle­tus’ Kon­di­ti­on ent­spre­chend im­mer wei­ter aus­bau­te.

So­bald er das Ge­rüst hin­ter sich hat­te, be­gann er mit sei­nem Mor­gen­lauf – der jetzt, wie ge­sagt, be­reits fünf­zehn Mei­len be­trug. Die Stre­cke führ­te zu­nächst quer­feld­ein über ziem­lich fla­ches Ge­län­de, dann aber hü­gel­auf und hü­gel­ab durch die ber­gi­ge Land­schaft. Die­se Ge­gend lag ein­tau­send­fünf­hun­dert Me­ter über dem Mee­res­s­pie­gel, ein Um­stand, der sich be­mer­kens­wert auf Cle­tus’ ro­te Blut­kör­per­chen und auf sei­nen Kreis­lauf aus­wirk­te.

Die letz­te Weg­stre­cke ging dann zwei Mei­len stän­dig berg­auf. Gleich oben am Hang ging er dann wie­der et­wa fünf­zig Me­ter un­ter pi­ni­en­ähn­li­chen Bäu­men bergab, bis Cle­tus schließ­lich am Ufer des Athan-Sees an­ge­kom­men war.

Doch Cle­tus ver­lang­sam­te sein Tem­po nicht, wäh­rend er sich dem Ufer nä­her­te, son­dern wa­te­te durch das seich­te Was­ser di­rekt in den See. Dann be­gann er zu schwim­men, um die hal­be Mei­le bis zum an­de­ren Ufer zu­rück­zu­le­gen, über dem das lang­ge­streck­te Land­haus Eachans zwi­schen den Bäu­men her­vor­lug­te.

Das Was­ser des Berg­sees war kalt, aber Cle­tus ließ sich nicht ab­schre­cken. Sein vom Lau­fen er­hitz­ter Kör­per emp­fand das küh­le Naß eher wohl­tu­end. Er schwamm in vol­ler Trai­nings­klei­dung, an­ge­tan mit Lauf­schu­hen, So­cken, Shorts und Hemd, und hat­te sich so sehr an das Ge­wicht sei­ner durch­näß­ten Schu­he und Klei­dung ge­wöhnt, daß er gar kei­ne No­tiz da­von nahm.

Er schwamm zü­gig mit weit aus­ho­len­den Arm­be­we­gun­gen da­hin, wäh­rend er den Kopf rhyth­misch die rech­te Schul­ter ent­lang­glei­ten ließ, um die fri­sche Ber­g­luft ein­zuat­men, wäh­rend sei­ne Bei­ne ei­ne lan­ge Spur durch das Was­ser zo­gen. Kaum hat­te er sich an den gleich­mä­ßi­gen Rhyth­mus sei­ner Schwimm­be­we­gun­gen ge­wöhnt, als das Was­ser auch schon wie­der seicht wur­de und sei­ne Fü­ße den Bo­den be­rühr­ten.

Er schau­te auf sei­ne Arm­band­uhr und trot­te­te ge­müt­lich den Ab­hang bis zu dem Schie­be­fens­ter im Par­terre hin­auf, das di­rekt in sein Schlaf­zim­mer führ­te. Zehn Mi­nu­ten spä­ter, nach­dem er ge­duscht und sich um­ge­zo­gen hat­te, be­trat er das son­ni­ge Spei­se­zim­mer des Lang­hau­ses, um Eachan und Me­lis­sa beim Lunch Ge­sell­schaft zu leis­ten.

„Wie lief es heu­te?“ frag­te Me­lis­sa. Sie schenk­te ihm ein spon­ta­nes, war­mes Lä­cheln, das einen Strom von Mit­ge­fühl und Ver­ständ­nis zwi­schen den bei­den auf­kom­men ließ. Die­se sechs Mo­na­te des Zu­sam­men­le­bens un­ter ei­nem Dach hat­ten al­le Schran­ken zwi­schen ih­nen ab­ge­baut. Cle­tus war zu lie­bens­wür­dig und Me­lis­sa zu an­zie­hend, als daß ein so en­ges Bei­ein­an­der­sein kei­ne ge­gen­sei­ti­gen Sym­pa­thi­en ge­weckt hät­te. Sie hat­ten be­reits je­nen Zu­stand er­reicht, wo das Un­aus­ge­spro­che­ne wich­ti­ger war als das, was sie sich zu sa­gen hat­ten.

„Im Durch­schnitt sechs Mi­nu­ten un­ter der Zeit für die fünf­zehn Mei­len“, er­wi­der­te er. „Et­was mehr als zehn Mi­nu­ten, um durch den See zu schwim­men.“ Er schau­te zu Eachan hin­über. „Ich glau­be, es ist an der Zeit für die De­mons­tra­ti­on, die ich vor­ha­be. Wir kön­nen die Aschen­bahn im Sta­di­on von Fo­ra­lie zu die­sem Zweck be­nut­zen.“

„Ich wer­de mich dar­um küm­mern“, sag­te Eachan.

 

Drei Ta­ge spä­ter fand die De­mons­tra­ti­on statt. Im Sta­di­on von Fo­ra­lie hat­ten sich un­ter der war­men Au­gust­son­ne je­ne acht­zig ho­hen Of­fi­zie­re der Dor­sai ver­sam­melt, die Eachan zu die­sem An­laß ein­ge­la­den hat­te. Die gan­ze Grup­pe saß auf der Tri­bü­ne vor ei­nem großen Bild­schirm, der durch ein gan­zes Ar­se­nal von phy­sio­lo­gi­schen Mo­ni­to­ren ge­füt­tert wur­de. Die­se Mo­ni­to­ren wa­ren ih­rer­seits draht­los mit ver­schie­de­nen Sen­so­ren und Meß­ge­rä­ten ver­bun­den, die an und in­ner­halb von Cle­tus’ Kör­per an­ge­bracht wa­ren.

Cle­tus trug die üb­li­che Sportaus­rüs­tung. Hier war we­der ein Klet­ter­ge­rüst noch ein Schwimm­be­cken vor­han­den, da es sich dies­mal le­dig­lich um die De­mons­tra­ti­on des Durch­hal­te­ver­mö­gens han­del­te. So­bald die Of­fi­zie­re Platz ge­nom­men hat­ten, stell­te sich Eachan ne­ben den Bild­schirm und ver­ge­wis­ser­te sich, daß die Über­tra­gung der ver­schie­de­nen Meß­er­geb­nis­se auf den Bild­schirm funk­tio­nier­te und für al­le An­we­sen­den sicht­bar war. Und dann be­gann Cle­tus zu lau­fen.

Al­le an­we­sen­den Söld­ner­of­fi­zie­re wa­ren mit Cle­tus’ Ge­schich­te ver­traut, ins­be­son­de­re mit den Er­eig­nis­sen auf Kul­tis und der schier an ein Wun­der gren­zen­den Re­ge­ne­ra­ti­on sei­nes ver­wun­de­ten Knies. Sie schau­ten in­ter­es­siert zu, wäh­rend Cle­tus mit ei­ner Ge­schwin­dig­keit von fast zehn Mei­len pro Stun­de sei­ne Run­den auf der Aschen­bahn dreh­te, de­ren Län­ge ei­ne hal­be Mei­le be­trug. Nach der ers­ten Mei­le fiel er auf et­was mehr als acht Mei­len pro Stun­de zu­rück. Sein Puls, der auf 170 ge­stie­gen war, ging auf 140 zu­rück und sta­bi­li­sier­te sich bei die­sem Wert.

Er lief leicht und at­me­te re­gel­mä­ßig, wäh­rend er sich der Vier-Mei­len-Mar­kie­rung nä­her­te. Dann aber, ob­wohl sei­ne Ge­schwin­dig­keit nicht ab­nahm, be­gann sein Puls all­mäh­lich wie­der zu stei­gen und hat­te nach sechs Mei­len fast wie­der 180 er­reicht. Nach­dem die­ser Hö­he­punkt er­reicht war, be­gann er all­mäh­lich an Ge­schwin­dig­keit zu ver­lie­ren. Nach acht Mei­len be­trug sie we­ni­ger als sie­ben Mei­len in der Stun­de, und nach der neun­ten Mei­le wa­ren es nur noch sechs.

Of­fen­sicht­lich nä­her­te er sich dem Er­schöp­fungs­punkt, aber er zwang sich da­zu, noch zwei wei­te­re Run­den zu dre­hen. Die zehn­te Mei­le leg­te er nur noch im Lauf­schritt zu­rück. Er war am En­de sei­ner Kräf­te. Den­noch war es ei­ne ge­wal­ti­ge Leis­tung, be­son­ders für einen ehe­ma­li­gen Krüp­pel mit Knie­pro­the­se, der er noch bis vor ei­nem hal­b­en Jahr ge­we­sen war, und die Zu­schau­er spar­ten nicht mit Bei­fall.

Ei­ni­ge von ih­nen er­ho­ben sich von ih­ren Plät­zen, be­reit, in die Are­na hin­un­ter­zu­stei­gen und Cle­tus zu gra­tu­lie­ren, wäh­rend er der Zehn-Mei­len-Mar­kie­rung zu­streb­te, dem End­ziel sei­ner ath­le­ti­schen Leis­tung.

„Nur einen Au­gen­blick, mei­ne Her­ren“, sag­te Eachan Khan. „Wenn Sie bit­te noch et­was war­ten wür­den …“

Er dreh­te sich um und nick­te Cle­tus zu, der jetzt die Zehn-Mei­len-Mar­ke di­rekt vor den Au­gen der Zu­schau­er pas­sier­te. Cle­tus nick­te zu­rück und lief wei­ter.

Dann pas­sier­te zum größ­ten Er­stau­nen der Zu­schau­er et­was Merk­wür­di­ges. Wäh­rend Cle­tus auf der Bahn wei­ter­lief, wur­den sein Schritt fes­ter und sein Atem leich­ter. Zwar kam er nicht so­fort wie­der auf Tou­ren, aber sein Puls ging zu­rück, wie auf den Bild­schir­men deut­lich zu er­ken­nen war.

Zu­nächst sank sein Puls ruck­ar­tig ab, Stu­fe für Stu­fe, wäh­rend er sich im­mer wie­der auf einen Zwi­schen­wert ein­pen­del­te. Dann be­gann er lang­sam und gleich­mä­ßig zu sin­ken, bis er schließ­lich wie­der 150 be­trug, als Cle­tus er­neut im Ge­sichts­feld der Of­fi­zie­re auf­tauch­te.

Und jetzt nahm auch sei­ne Lauf­ge­schwin­dig­keit wie­der zu, zwar nicht über­mä­ßig stark, doch im­mer­hin stei­ger­te sie sich auf fast sechs Mei­len pro Stun­de. Und die­ses Tem­po hielt er kon­stant durch, wäh­rend er wei­ter sei­ne Run­den dreh­te.

Er leg­te die Stre­cke noch sechs­mal zu­rück – al­so ins­ge­samt drei Mei­len – und am En­de der drit­ten Mei­le wa­ren Ge­schwin­dig­keit und Puls im­mer noch kon­stant.

Am En­de die­ser zu­sätz­li­chen drei Mei­len an­ge­langt, hör­te er auf zu lau­fen, dreh­te noch ge­mäch­lich und im Spa­zier­schritt un­be­küm­mert ei­ne wei­te­re Run­de und hielt dann vor der Tri­bü­ne an. Sein Atem ging nor­mal, er war zwar ver­schwitzt, aber sein Puls lag nur knapp über sieb­zig.

„Das war’s, mei­ne Her­ren“, sag­te er, an sei­ne Zu­schau­er ge­wandt. „Jetzt brau­che ich ein paar Mi­nu­ten, um mich zu wa­schen. Be­ge­ben Sie sich bit­te in der Zwi­schen­zeit zu Eachans Haus, wo wir uns dann in ei­ner be­que­me­ren und pri­va­te­ren Um­ge­bung un­ter­hal­ten kön­nen. Ich wer­de in et­wa zwan­zig Mi­nu­ten bei Ih­nen sein. Es liegt nun bei Ih­nen, sich al­les zu über­le­gen, was Sie ge­se­hen und er­lebt ha­ben. Ich ha­be zwar mei­ne Kräf­te bis zum Rand er­schöpft, doch wie Sie se­hen, war es einen Ver­such wert, und ei­ne sol­che Leis­tung ist in der Pra­xis durch­aus mög­lich.“

Da­mit wand­te er sich den Um­klei­deräu­men zu, die an die­sem En­de des Sta­di­ons la­gen. Die Zu­schau­er gin­gen in­des­sen zu dem Luft­bus, den Eachan ge­mie­tet hat­te, und wur­den zu Eachans Haus ge­flo­gen. Die Fens­ter­wand an der einen Sei­te des Hau­ses stand of­fen, so daß Wohn­zim­mer und Pa­tio zu ei­ner ein­zi­gen großen Emp­fangs­hal­le ge­wor­den wa­ren. Spei­sen und Ge­trän­ke stan­den be­reit, und et­was spä­ter ge­sell­te sich auch Cle­tus zu ih­nen.

„Wie Sie wis­sen“, sag­te er, zu sei­nen Zu­hö­rern ge­wandt, die in ei­nem lo­cke­ren Halb­kreis vor ihm Platz ge­nom­men hat­ten, „sind al­le An­we­sen­den Of­fi­zie­re, die wir ein­ge­la­den ha­ben, weil wir hof­fen, daß Sie dar­an in­ter­es­siert sind, zu­sam­men mit mir ei­ne mi­li­tä­ri­sche Ein­heit be­son­de­rer Art zu grün­den, ei­ne Ein­heit, de­ren Kom­man­do ich zu über­neh­men be­ab­sich­ti­ge. Wäh­rend ei­ner Aus­bil­dungs­zeit von ei­ni­gen Mo­na­ten er­hal­ten Of­fi­zie­re und Mann­schaf­ten zwar nur einen mi­ni­ma­len Sold, doch spä­ter wer­den sie das Dop­pel­te von dem ver­die­nen, das sie zur Zeit er­hal­ten. Es ver­steht sich von selbst, daß ich nur die al­ler­bes­ten Leu­te ha­ben möch­te, und ich wün­sche, daß sie nicht nur ih­re Zeit op­fern, son­dern mit großem En­thu­si­as­mus an die Sa­che her­an­ge­hen und sich voll für die­se neue Or­ga­ni­sa­ti­on ein­set­zen, die mir vor­schwebt.“

Cle­tus leg­te ei­ne Pau­se ein und fuhr dann fort: „Das war ei­ner der Grün­de für die De­mons­tra­ti­on, die Sie so­eben mit­er­lebt ha­ben. Was Sie ge­se­hen ha­ben war, um mich ein­fach aus­zu­drücken, die De­mons­tra­ti­on ei­ner Leis­tung, der mei­ne phy­si­ka­li­sche Ener­gie und mei­ne Kon­di­ti­on kaum zur Hälf­te ge­wach­sen wa­ren. Kurz­um, ich ha­be Ih­nen ge­zeigt, auf wel­che Wei­se ein Mensch aus sich einen an­der­halb­fa­chen Men­schen ma­chen kann.“

Er leg­te wie­der ei­ne Pau­se ein, und dies­mal ließ er den Blick über je­des ein­zel­ne Ge­sicht sei­ner Zu­hö­rer glei­ten, faß­te je­den ein­zeln ins Au­ge, be­vor er fort­fuhr.

„Ich er­war­te“, sag­te er lang­sam und ein­dring­lich, „daß je­der Mann und je­der Of­fi­zier, der die­ser Ein­heit bei­tritt, nach der Aus­bil­dung in der La­ge sein wird, ei­ne sol­che oder zu­min­dest ei­ne ähn­li­che Leis­tung zu er­brin­gen. Mei­ne Her­ren, dies ist die ers­te Vor­aus­set­zung für je­den, der den Wunsch hat, sich an die­sem Un­ter­neh­men zu be­tei­li­gen.“

Dann lä­chel­te er plötz­lich und un­er­war­tet. „Und nun, mei­ne Her­ren, ent­span­nen und amü­sie­ren Sie sich. Schau­en Sie sich um, be­trach­ten Sie mei­ne haus­ge­mach­te Trai­nings­aus­rüs­tung und stel­len Sie uns so vie­le Fra­gen, wie Sie wol­len, ob Sie sich nun an Eachan, an Me­lis­sa Khan oder an mich selbst wen­den. In ei­ni­gen Ta­gen wer­den wir hier für al­le die­je­ni­gen ein Tref­fen ver­an­stal­ten, die be­schlos­sen ha­ben, un­se­rer Or­ga­ni­sa­ti­on bei­zu­tre­ten. Das ist al­les.“

Da­mit trat er aus ih­rem Kreis und be­gab sich zum kal­ten Buf­fet, wo al­ler­lei Spei­sen und Ge­trän­ke auf die Gäs­te war­te­ten. Die Ver­samm­lung lös­te sich in klei­ne Grup­pen auf, wo­bei sich ein Stim­men­ge­wirr er­hob. Bis zum spä­ten Nach­mit­tag wa­ren die meis­ten Be­su­cher ge­gan­gen, nach­dem sich knapp zwei Dut­zend vor­her bei Cle­tus hat­ten ein­tra­gen las­sen. Mehr als wei­te­re zwei Dut­zend ver­spra­chen, sich die Sa­che noch ein­mal zu über­le­gen und ihm in­ner­halb der nächs­ten zwei Ta­ge Be­scheid zu ge­ben. Ei­ne klei­ne Grup­pe, die sich be­reits vor der De­mons­tra­ti­on für Cle­tus ent­schlos­sen hat­te, blieb zu­rück und be­gab sich nach dem Abendes­sen zu ei­ner Pri­vat­kon­fe­renz in die Wohn­hal­le, de­ren Fens­ter jetzt wie­der ge­schlos­sen wa­ren.

An­we­send wa­ren Ar­vid, der sei­ne Schul­ter­wun­de be­reits aus­ku­riert hat­te, Ma­jor Swa­hi­li und Ma­jor Da­vid Ap Mor­gan, des­sen Fa­mi­lie eben­falls in der Nach­bar­schaft in Fo­ra­lie wohn­te. Eachans üb­ri­ge Of­fi­zie­re be­fan­den sich im­mer noch in Bak­hal­la, wo sie die Dor­sai-Trup­pen kom­man­dier­ten, die im Sold der Exo­ten dort sta­tio­niert wa­ren, nach­dem die Al­li­anz ih­re Trup­pen un­ter Ge­ne­ral Tray­nor zu­rück­ge­zo­gen hat­te. Fle­der­maus’ bö­se Ah­nun­gen wur­den vom Haupt­quar­tier der Al­li­anz auf der Er­de nicht ge­teilt. Dort war man heil­froh, ei­ne hal­be Di­vi­si­on ab­zie­hen zu kön­nen, die auf ei­nem Dut­zend an­de­rer neu­er Wel­ten ein­ge­setzt wer­den konn­ten, wo die mi­li­tä­ri­sche La­ge ziem­lich pre­kär war. Au­ßer Ar­vid, Ap Mor­gan, Swa­hi­li und Eachan selbst wa­ren noch zwei al­te Freun­de Eachans an­we­send – ein ge­wis­ser Oberst Le­der­le Dark und ein Bri­ga­de­ge­ne­ral Tos­ca Aras. Dark war ein schma­ler, kahl­köp­fi­ger Mann, der un­ter sei­ner dan­dy­haf­ten Klei­dung nur aus Kno­chen und Mus­keln zu be­ste­hen schi­en. Tos­ca Aras da­ge­gen war schlank, adrett, glat­tra­siert, ein Mann mit kla­ren, blau­en Au­gen und ei­nem Blick, der so un­er­schüt­ter­lich war wie ein schuß­be­rei­tes Ge­wehr.

„Je­der, der sich bis zum Wo­chen­en­de noch nicht ge­mel­det hat“, sag­te Cle­tus zu der Ver­samm­lung, „ist es nicht wert, daß wir mit ihm rech­nen. Aus dem Kreis je­ner, zu de­nen ich heu­te ge­spro­chen ha­be, wer­den wir wahr­schein­lich fünf­zig gu­te Of­fi­zie­re be­kom­men, wo­bei et­wa zehn beim Trai­ning aus­schei­den wer­den. Al­so brau­chen wir kei­ne Zeit zu ver­lie­ren. Wir kön­nen viel­mehr da­mit be­gin­nen, einen Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Aus­bil­dungs­plan auf­zu­stel­len. Wir wer­den die Of­fi­zie­re aus­bil­den, und die kön­nen dann ih­rer­seits spä­ter ih­re Mann­schaf­ten trai­nie­ren.“

„Wer wird die­ses Son­der-Ener­gie­trai­ning lei­ten?“ frag­te Le­der­le Dark.

„Das wer­de ich über­neh­men“, er­wi­der­te Cle­tus. „Im Au­gen­blick ist nie­mand sonst da­zu in der La­ge. Und Sie al­le müß­ten dann zu­sam­men mit den an­de­ren Of­fi­zie­ren an mei­nen Vor­trä­gen teil­neh­men. An­sons­ten kön­nen Sie al­le selb­stän­dig han­deln – es geht le­dig­lich dar­um, die Leu­te mit den phy­si­schen und prak­ti­schen Stan­dard­pro­ble­men im Fel­de ver­traut zu ma­chen, al­ler­dings im Hin­blick auf die neue Or­ga­ni­sa­ti­on.“

„Sir“, sag­te Ar­vid, „ent­schul­di­gen Sie, aber ich se­he im­mer noch nicht ein, warum wir den gan­zen Or­ga­ni­sa­ti­ons­plan auf den Kopf stel­len sol­len – es sei denn, sie wol­len den Leu­ten be­wußt die An­ders­ar­tig­keit der Aus­bil­dung vor Au­gen füh­ren.“

„Nein – ob­wohl es ganz be­stimmt nicht scha­den wür­de“, sag­te Cle­tus. „Das hät­te ich Ih­nen frü­her er­klä­ren müs­sen. Es geht ein­fach dar­um, daß ei­ne mi­li­tä­ri­sche Ein­heit, die in Trupps, Zü­ge, Kom­pa­ni­en, Ba­tail­lio­ne und so wei­ter un­ter­teilt ist, für die kon­ven­tio­nel­le Kriegs­füh­rung be­stimmt ist, für ei­ne Kriegs­art, die auf den neu­en Wel­ten gar nicht zur An­wen­dung kom­men kann. Un­se­re Kampf­grup­pen müs­sen eher ei­nem Sport­ler­team von Ath­le­ten ähn­lich sein als ei­ner Kampfein­heit al­ten Typs. Die Tak­tik – mei­ne Tak­tik –, die an­zu­wen­den es gilt, ist nicht für straff ge­glie­der­te Ar­meen und hand­fes­te Kon­fron­ta­tio­nen ge­dacht. Sie zielt viel­mehr auf ei­ne lo­se Grup­pe von Ein­hei­ten ab, die so gut wie un­ab­hän­gig von­ein­an­der agie­ren und de­ren Ak­tio­nen nicht von ei­ner Be­fehls­hier­ar­chie ko­or­di­niert wer­den, son­dern viel­mehr durch die Tat­sa­che, daß sie wie gu­te Mit­glie­der ei­nes Teams mit­ein­an­der ver­traut sind und da­her ge­nau wis­sen, wie ih­re Ka­me­ra­den auf ih­re ei­ge­nen Ak­tio­nen und an­ge­sichts der all­ge­mei­nen Si­tua­ti­on rea­gie­ren.“

Cle­tus hielt in­ne und schau­te sich um. „Ha­ben Sie so­weit al­les mit­be­kom­men?“ frag­te er.

Eachan räus­per­te sich. „Wir al­le ha­ben be­grif­fen, was Sie mei­nen, Cle­tus“, sag­te er. „Doch die Theo­rie be­darf wei­te­rer Er­klä­run­gen, be­vor sie greif­bar wird. Ein Trupp soll aus sechs Mann be­ste­hen und in zwei Teams von je drei Mann auf­ge­teilt wer­den. Vier Trupps er­ge­ben ei­ne Grup­pe mit je ei­nem Grup­pen­füh­rer, und zwei Grup­pen er­ge­ben ei­ne Kampfein­heit. Ziem­lich ein­fach. Aber wie soll man denn wis­sen, wie das funk­tio­niert, be­vor man es nicht in der Pra­xis ge­se­hen hat?“

„Das ist frei­lich kaum mög­lich“, er­wi­der­te Cle­tus. „Doch zu­nächst soll­te die Sa­che theo­re­tisch er­faßt wer­den, be­vor wir einen Be­weis an­tre­ten. Soll ich’s noch mal wie­der­ho­len?“

Einen Au­gen­blick herrsch­te Stil­le.

„Viel­leicht wä­re es bes­ser“, mein­te Eachan.

„Al­so gut“, sag­te Cle­tus. „Wie ge­sagt, das Grund­prin­zip be­steht dar­in, daß, an­ge­fan­gen von der kleins­ten Ein­heit bis hin­auf zur obers­ten Lei­tung des Dor­sai-Mi­li­tär­kom­man­dos, je­de Ein­heit für sich in der La­ge sein muß, wie ein ein­zel­nes Mit­glied ei­nes Teams zu rea­gie­ren, das die glei­che Struk­tur auf­weist und die glei­che Wich­tig­keit und Be­deu­tung be­sitzt. Das heißt, daß je­der Sol­dat ei­nes be­lie­bi­gen Halb­trupps in der La­ge sein soll­te, in per­fek­ter Über­ein­stim­mung mit den bei­den an­de­ren Mit­glie­dern sei­ner Grup­pe zu ope­rie­ren, und das nur mit Hil­fe von ei­ni­gen we­ni­gen Co­de­wör­tern oder Si­gna­len, die die an­de­ren zu Stan­dar­dak­tio­nen oder Re­ak­tio­nen in ei­ner be­stimm­ten Si­tua­ti­on ver­an­las­sen. Gleich­zei­tig aber müs­sen die bei­den Teams in ei­nem Trupp auch in Part­ner­schaft zu­sam­men­ar­bei­ten kön­nen, und dies eben­falls nur mit Hil­fe von Co­de­wör­tern oder Si­gna­len. Eben­so müs­sen die vier Trupps als Team in­ner­halb ei­ner Grup­pe ope­rie­ren kön­nen, wo­bei je­der Trupp sei­ne Rol­le bei hun­dert oder mehr Grup­pen­ak­tio­nen ken­nen muß, die durch Co­de­wort oder Si­gnal iden­ti­fi­zier­bar sind, so wie die zwei Grup­pen in der La­ge sein müs­sen, fast in­stink­tiv als ein ein­zi­ges Kom­man­do auf­ein­an­der zu rea­gie­ren. Der Kom­man­dant muß so aus­ge­bil­det sein, daß er sche­ma­tisch mit den Kom­man­dan­ten der an­de­ren Kom­man­dos zu­sam­men­ar­bei­ten kann, de­nen er zu­ge­teilt wird.“

Cle­tus hielt in­ne, und wie­der herrsch­te kur­z­es Schwei­gen.

„Sie sa­gen, Sie wer­den all die­se Sche­ma­ta oder Ver­hal­tens­mus­ter lie­fern?“ frag­te Tos­ca Aras. „Ich mei­ne, wer­den Sie all die­se Tea­mak­tio­nen aus­ar­bei­ten, die durch Co­de­wör­ter oder Si­gna­le ab­ge­ru­fen wer­den kön­nen?“

„Ich ha­be sie be­reits fer­tig aus­ge­ar­bei­tet“, er­wi­der­te Cle­tus.

„Was? Sie ha­ben den gan­zen Plan schon fer­tig?“ Aras’ Stim­me klang skep­tisch. „Das müs­sen doch Tau­sen­de und aber Tau­sen­de von Si­gna­len sein.“

Cle­tus schüt­tel­te den Kopf. „Et­was mehr als drei­und­zwan­zig­tau­send, um ge­nau zu sein“, sag­te er. „Aber ich glau­be, Sie ha­ben et­was über­se­hen. Die Ak­tio­nen ei­nes Teams sind in den Ak­tio­nen ei­nes Trupps in­be­grif­fen, und das­sel­be gilt für einen Trupp in­ner­halb der Grup­pe. Kurz ge­sagt, es ist wie bei ei­ner Spra­che mit drei­und­zwan­zig­tau­send Wör­tern. So­bald man ein­mal die Struk­tur ge­meis­tert hat, ist die Wort­aus­wahl im Satz ziem­lich ein­ge­schränkt. In der Tat gibt es stets nur ei­ne ein­zi­ge idea­le Wahl.“

„Warum dann die­ser kom­pli­zier­te Auf­wand?“ frag­te Da­vid Ap Mor­gan.

Cle­tus dreh­te sich um und schau­te den jun­gen Ma­jor an. „Der Wert des Sys­tems“, sag­te er, „ent­springt nicht so sehr der Tat­sa­che, daß es ei­ne große An­zahl von tak­ti­schen Mög­lich­kei­ten gibt, die vom Team bis hin zum Kom­man­do rei­chen, son­dern eher dem Um­stand, daß ein wei­tes Spek­trum von Ak­tio­nen auch für die nied­ri­ge­ren Char­gen zur Aus­wahl steht, so daß der ein­zel­ne Sol­dat, der das ent­spre­chen­de Co­de­wort hört, so­fort weiß, in­ner­halb wel­cher Gren­zen die Ak­tio­nen al­ler Grup­pen, Trupps und sei­nes ei­ge­nen Teams lie­gen.“

Cle­tus hielt in­ne, dann fuhr er fort: „Kurz ge­sagt, kei­ner, von der kleins­ten Char­ge bis hin­auf zum Kom­man­deur der gan­zen mi­li­tä­ri­schen Ein­heit, ist ein simp­ler Be­fehls­emp­fän­ger. Im Ge­gen­teil, al­le, bis hin zum letz­ten Sol­da­ten, rea­gie­ren als Mit­glie­der ei­nes Teams, die ei­ne Auf­ga­be zu er­le­di­gen ha­ben. Das heißt, daß Un­ter­bre­chun­gen in der Be­fehls­ket­te, Miß­ver­ständ­nis­se oder falsche Be­feh­le, die einen Schlacht­plan ge­fähr­den könn­ten, auf die­se Wei­se um­gan­gen wer­den. Au­ßer­dem wä­re dann je­der in der La­ge, die Stel­le sei­nes Vor­ge­setz­ten im Be­darfs­fall ein­zu­neh­men, und zwar mit et­wa neun­zig Pro­zent je­ner Kennt­nis­se, über die der be­tref­fen­de Vor­ge­setz­te in je­nem Au­gen­blick ver­füg­te, als er nicht mehr ein­satz­fä­hig war.“

Ar­vid pfiff lei­se und be­wun­dernd vor sich hin, und die an­de­ren Of­fi­zie­re schau­ten ihn an. Ne­ben Cle­tus war er der ein­zi­ge in der Run­de, der noch nie­mals ein prak­ti­zie­ren­der Fel­d­of­fi­zier der Dor­sai ge­we­sen war. Ar­vid schau­te ver­le­gen vor sich hin.

„Wirk­lich ein re­vo­lu­tio­näres Kon­zept“, sag­te Tos­ca Aras. „Mehr als re­vo­lu­tio­när, wenn es sich in der Pra­xis be­währt.“

„Es muß funk­tio­nie­ren“, ver­setz­te Cle­tus. „Das Ge­samt­sche­ma mei­ner Stra­te­gie und Tak­tik grün­det sich auf Trup­pen, die auf die­se Wei­se ope­rie­ren kön­nen.“

„Nun gut, wir wer­den se­hen.“ Ar­vid nahm das di­cke Hand­buch, das Cle­tus gleich nach dem Abendes­sen an al­le ver­teilt und das bis­her in sei­nem Schoß ge­le­gen hat­te. Dann stand er auf. „Mir geht es wie ei­nem al­ten Hund, der neue Tricks ler­nen muß, und das ist so­gar noch ei­ne Un­ter­trei­bung. Wenn die Her­ren nichts da­ge­gen ha­ben, wer­de ich mich an mei­ne Haus­auf­ga­ben ma­chen.“

Er ver­ab­schie­de­te sich und ging hin­aus, und sein Ab­schied war das Zei­chen für den all­ge­mei­nen Auf­bruch. Eachan blieb zu­rück, und Ar­vid hat­te das Be­dürf­nis, sich für den Pfiff von vor­hin zu ent­schul­di­gen.

„Wis­sen Sie, Sir“, sag­te er in erns­tem Ton­fall zu Cle­tus, „mir ist ganz plötz­lich ein Licht auf­ge­gan­gen. Jetzt weiß ich, wie die Din­ge lie­gen und wie al­les zu­sam­men­paßt.“

„Gut“, ver­setz­te Cle­tus. „Da­mit ha­ben Sie schon fast die Hälf­te ge­lernt.“

Ar­vid folg­te den an­de­ren, die den Wohn­raum ver­lie­ßen, dann wa­ren Eachan und Cle­tus al­lein. Cle­tus schau­te Eachan an.

„Kön­nen Sie die Zu­sam­men­hän­ge er­ken­nen?“ frag­te er.

„Ich glau­be schon“, mein­te Eachan. „Aber ver­ges­sen Sie nicht, daß ich im letz­ten hal­b­en Jahr mit Ih­nen un­ter ei­nem Dach ge­lebt ha­be – und daß ich die meis­ten Sche­ma­ta Ih­res Hand­bu­ches be­reits ken­ne.“

Er streck­te die Hand nach der Ka­raf­fe aus, die hin­ter ei­ner Rei­he von Glä­sern auf ei­nem klei­nen Tisch ne­ben sei­nem Ses­sel stand und schenk­te sich nach­denk­lich et­was Whis­ky ein.

„Ich wür­de nicht zu bald zu­viel er­war­ten“, sag­te er, wäh­rend er an sei­nem Glas nipp­te, „al­le Mi­li­tärs sind näm­lich ein biß­chen kon­ser­va­tiv. Das liegt in un­se­rer Na­tur. Aber sie wer­den sich durch­bei­ßen, Cle­tus. Es wird sich zei­gen, daß Dor­sai mehr ist als nur ein Na­me.“

Eachan soll­te recht be­hal­ten. Als das Trai­nings­pro­gramm der Of­fi­zie­re ei­ne Wo­che spä­ter be­gann, kann­ten al­le, die an je­nem Abend mit Cle­tus im Wohn­zim­mer ge­we­sen wa­ren, ihr Hand­buch aus­wen­dig – so­fern sie nicht schon in­stink­tiv mit dem In­halt ver­traut wa­ren. Cle­tus teil­te die Aus­zu­bil­den­den in Zeh­ner­grup­pen un­ter sei­nen sechs Aus­bil­dern auf, und das Trai­ning be­gann.

Cle­tus re­ser­vier­te sich die Grup­pe, die schlicht als „Lo­cke­rungs­grup­pe“ be­zeich­net wur­de. In die­ser Grup­pe soll­te den Of­fi­zie­ren bei­ge­bracht wer­den, je­ne be­son­de­ren Ener­gie­quel­len so an­zu­zap­fen, wie er es ih­nen im Sta­di­um von Fo­ra­lie de­mons­triert hat­te, nach­dem er sei­ne nor­ma­len Ener­gie­re­ser­ven durch sei­nen Par­for­ce­lauf bis zur Nei­ge aus­ge­schöpft hat­te. Sei­ne ers­te Klas­se be­stand aus den sechs Of­fi­zie­ren, die sei­ner­zeit im Wohn­zim­mer ge­we­sen wa­ren. Auch Eachan ge­hör­te da­zu, ob­wohl er mehr als nur ei­ne Ah­nung von die­ser Tech­nik hat­te. Wäh­rend der letz­ten Mo­na­te hat­te Cle­tus ihm und Me­lis­sa Pri­vat­un­ter­richt in die­ser Dis­zi­plin er­teilt, wo­bei bei­de be­acht­li­che Er­geb­nis­se er­ziel­ten. Eachan hat­te je­doch vor­ge­schla­gen – und Cle­tus fand den Vor­schlag gut –, in die Klas­se auf­ge­nom­men zu wer­den, sei­ner Mei­nung nach ein gu­tes Bei­spiel für die an­de­ren, daß au­ßer Cle­tus auch an­de­re au­ßer­ge­wöhn­li­che Fäl­lig­kei­ten er­wer­ben und un­ge­wöhn­li­che phy­sio­lo­gi­sche Er­geb­nis­se er­zie­len konn­ten.

Cle­tus be­gann sei­nen Vor­trag kurz vor dem Mit­tages­sen, nach­dem sei­ne Schü­ler das phy­si­sche Trai­ning des gan­zen Ta­ges ab­sol­viert hat­ten, ein Pro­gramm, das aus Übun­gen im Klet­ter­ge­rüst so­wie aus Lau­fen und Schwim­men be­stand. Sie wa­ren durch die kör­per­li­che An­stren­gung et­was er­schöpft und hat­ten seit dem Früh­stück auch nichts mehr zu sich ge­nom­men, be­fan­den sich al­so in ei­nem Zu­stand, wo die Auf­nah­me­fä­hig­keit ih­ren Hö­he­punkt er­reicht.

Cle­tus stell­te sie hin­ter ei­ner lan­gen Stahl­stan­ge in Reih und Glied auf. Die Stan­ge ruh­te in Schulter­hö­he auf zwei Pfos­ten.

„Schön“, sag­te er. „Stel­len Sie sich auf Ihr rech­tes Bein, und he­ben Sie das lin­ke Bein hoch. Sie kön­nen mit der Fin­ger­spit­ze die Stan­ge be­rüh­ren, um das Gleich­ge­wicht zu hal­ten, aber Sie dür­fen das lin­ke Bein erst wie­der zu Hil­fe neh­men, wenn ich es Ih­nen sa­ge.“

Man folg­te sei­ner Auf­for­de­rung. Zu­nächst war die Si­tua­ti­on et­was lä­cher­lich, und so man­ches ver­le­ge­ne oder spöt­ti­sche Lä­cheln kam auf, bis dann das Stand­bein zu er­lah­men be­gann. Als die Mus­kel­span­nung schmerz­lich zu wer­den be­gann, be­fahl Cle­tus, das Bein zu wech­seln und das Ge­wicht zu ver­la­gern, bis die Bein­mus­keln un­ter ih­rem Kör­per­ge­wicht zu zit­tern be­gan­nen. Dann wur­de das Stand­bein wie­der ge­wech­selt, rechts, links, rechts, links, in im­mer kür­ze­ren Ab­stän­den, dem Er­mü­dungs­grad der Bein­mus­kel ent­spre­chend. Nach kur­z­er Zeit schon stan­den ein paar schwan­ken­de Ge­stal­ten vor ihm, die aus­sa­hen wie Re­kon­va­les­zen­ten, die lan­ge Zeit bett­lä­ge­rig ge­we­sen wa­ren.

„Sehr gut“, mein­te Cle­tus freund­lich. „Und jetzt einen Hand­stand, wenn ich bit­ten darf, die Hand­flä­chen am Bo­den, die Ar­me aus­ge­streckt. Dies­mal dür­fen Sie sich mit den Bei­nen an der Stan­ge ab­stüt­zen.“

Sei­ne Leu­te ge­horch­ten, doch kaum wa­ren sie in Stel­lung ge­gan­gen, wur­den sie von Cle­tus’ nächs­tem Kom­man­do wie­der auf­ge­scheucht.

„Jetzt he­ben Sie ei­ne Hand hoch und ver­su­chen Sie, auf ei­nem Arm zu ste­hen.“

Dann folg­te die glei­che Pro­ze­dur wie mit den Bei­nen, nur daß dies­mal der Wech­sel in be­deu­tend kür­ze­ren Zeitab­stän­den er­folg­te. Die Übung war nach kur­z­er Zeit be­en­det, und al­le tau­mel­ten zu Bo­den und streck­ten al­le vie­re von sich.

„Le­gen Sie sich auf den Rücken“, be­fahl Cle­tus. „Bei­ne ge­streckt, Ar­me am Kör­per – aber kei­ne Ha­bacht­stel­lung, wenn ich bit­ten darf. Stre­cken Sie sich ein­fach be­quem auf dem Rücken aus, den Blick nach oben.“

Sie ge­horch­ten.

„Und jetzt“, sag­te Cle­tus, wäh­rend er vor ih­nen auf und ab ging, „blei­ben Sie ein­fach lie­gen und ent­span­nen Sie sich, wäh­rend ich zu Ih­nen spre­che. Schau­en Sie ein­fach zur De­cke … Bli­cken Sie him­mel­wärts …“ Über ih­ren Köp­fen wölb­te sich ein hel­ler, blau­er Him­mel, über den ein paar Wol­ken trä­ge da­hing­lit­ten. „Kon­zen­trie­ren Sie sich auf das Ge­fühl in Ar­men und Bei­nen, das sich jetzt ein­stellt, nach­dem die Last Ih­res Kör­pers von ih­nen ge­nom­men ist und sie nicht mehr ge­gen die Schwer­kraft an­kämp­fen müs­sen. Ver­su­chen Sie sich der Tat­sa­che be­wußt zu wer­den, daß nun­mehr der Bo­den Ih­re Glie­der und Ihr Ge­wicht trägt – und sei­en Sie dank­bar da­für. Emp­fin­den Sie die Schwe­re und die Schlaff­heit Ih­rer Ar­me und Bei­ne, jetzt, wo sie kei­ne Last mehr zu tra­gen ha­ben, jetzt, wo sie selbst von der Ober­flä­che des Bo­dens ge­tra­gen wer­den. Ma­chen Sie sich im stil­len mit ih­ren ei­ge­nen Wor­ten selbst klar, wie schwer und wie schlaff ih­re Glie­der sind. Sa­gen Sie das im­mer wie­der vor sich hin und schau­en Sie in den Him­mel. Spü­ren Sie, wie schwer und ent­spannt Ihr Kör­per ist, wie ihr Kör­per­ge­wicht vom Bo­den un­ter ih­rem Rücken ge­tra­gen wird. Füh­len Sie die Ent­span­nung in Ih­rem Nacken, in Ih­ren Kie­fer­mus­keln, in ih­rem Ge­sicht, selbst in Ih­rer Kopf­haut. Sa­gen Sie sich im­mer wie­der, wie ent­spannt und schwer al­le die­se Kör­per­tei­le sind und schau­en Sie zum Him­mel. Ich wer­de wei­ter­spre­chen, aber ach­ten Sie nicht auf mich. Kon­zen­trie­ren Sie Ih­re Auf­merk­sam­keit auf das, was Sie sich vor­sa­gen, was Sie füh­len und wie der Him­mel aus­sieht …“

Er sprach wei­ter und setz­te sei­nen Spa­zier­gang fort. Nach ei­ner Wei­le ach­te­te die Grup­pe, mü­de an Ar­men und Bei­nen, be­ru­higt durch ih­re ent­spann­te La­ge und die Wol­ken, die lang­sam über sie hin­weg­zo­gen, und ein­ge­lullt von dem be­harr­li­chen, an­ge­neh­men, mo­no­to­nen Ton­fall sei­ner Stim­me tat­säch­lich nicht mehr auf den Sinn sei­ner Wor­te. Ar­vid, der am En­de der Rei­he lag, hat­te den Ein­druck, als wür­de Cle­tus’ Stim­me im­mer lei­ser wer­den, als käme sie aus wei­ter Fer­ne, so wie al­les um ihn her­um in die Fer­ne ge­rückt zu sein schi­en. Er lag auf dem Rücken und sah nichts als den Him­mel über sich. Ihm war, als wür­de der Pla­net un­ter ihm gar nicht exis­tie­ren, ab­ge­se­hen von dem lei­sen Druck des Gra­ses, das ihn trug. Die Wol­ken zo­gen lang­sam durch das end­lo­se Blau da­hin, und ihm war, als wür­de er mit ih­nen se­geln.

Ein leich­ter Stoß an sei­nen Fü­ßen riß ihn plötz­lich und scharf ins Be­wußt­sein zu­rück. Es war Cle­tus, der zu ihm her­ablä­chel­te.

„Gut so“, sag­te Cle­tus im glei­chen lei­sen Ton­fall wie vor­hin. „Jetzt auf die Bei­ne und dort hin­über.“

Ar­vid ge­horch­te, rich­te­te sich auf und ging wei­ter, wie Cle­tus es ihm be­deu­tet hat­te. Die an­de­ren la­gen im­mer noch am Bo­den, wäh­rend Cle­tus wei­ter zu ih­nen sprach. Dann sah er, wie Cle­tus, der im­mer noch auf und ab ging, vor Da­vid Ap Mor­gans Fü­ßen ste­hen­blieb und ihn mit den Ze­hen leicht ge­gen die Soh­len stieß.

„In Ord­nung, Da­vid“, sag­te Cle­tus, in­dem er wei­ter­ging, oh­ne den Ton­fall sei­ner Stim­me zu än­dern. „Ste­hen Sie auf und ge­hen Sie zu Ar­vid hin­über.“

Da­vids ge­schlos­se­ne Au­gen­li­der klapp­ten plötz­lich auf. Er stand auf und stell­te sich ne­ben Ar­vid. Die bei­den schau­ten zu, wie ih­re Ka­me­ra­den ei­ner nach dem an­de­ren ein­d­ös­ten, sanft ge­weckt wur­den und aus­schie­den, bis nur noch Eachan mit weit ge­öff­ne­ten Au­gen im Gras lag.

Plötz­lich un­ter­brach Cle­tus sei­nen Ser­mon und lach­te. „Gut, Eachan“, sag­te er. „Es hat kei­nen Sinn zu ver­su­chen, Sie ein­zu­schlä­fern. Ste­hen Sie auf und ge­hen Sie zu den an­de­ren.“

Eachan er­hob sich. Dann stand die Grup­pe wie­der bei­ein­an­der und schau­te Cle­tus er­war­tungs­voll an.

„Es geht hier dar­um“, sag­te Cle­tus mit ei­nem Lä­cheln, „nicht ein­zu­schla­fen. Doch das soll uns vor­erst nicht küm­mern. Wer von Ih­nen hat­te das Ge­fühl zu schwe­ben, nach­dem er geis­tig weg­ge­tre­ten war?“

Ar­vid und drei wei­te­re ho­ben die Hand, dar­un­ter auch Eachan.

„Gut, das wär’s für heu­te“, sag­te Cle­tus. „Mor­gen wol­len wir es ein­mal oh­ne Mus­kel­trai­ning ver­su­chen. Aber ich möch­te, daß Sie jetzt al­le in Ihr Quar­tier ge­hen und die Übung bis mor­gen früh min­des­tens drei­mal wie­der­ho­len. Wenn Sie wol­len, kön­nen Sie ver­su­chen, sich heu­te Abend mit die­ser Übung zum Ein­schla­fen zu brin­gen. Mor­gen tref­fen wir uns wie­der, glei­cher Ort, glei­che Zeit.“

Wäh­rend der nächs­ten Sit­zun­gen ar­bei­te­te Cle­tus mit sei­ner Grup­pe, bis sie schließ­lich al­le den Schwe­be­zu­stand er­reich­ten, oh­ne ein­zu­schla­fen. Nach­dem die­ser Punkt er­reicht war, führ­te er sie schritt­wei­se in die Kunst ein, Schmer­zen und tief­grei­fen­de kör­per­li­che Emp­fin­dun­gen selbst zu steu­ern. So­bald sie mit die­ser Tech­nik ei­ni­ger­ma­ßen ver­traut wa­ren, wur­den Ent­span­nung und Be­we­gungs­lo­sig­keit all­mäh­lich in Be­we­gung um­ge­setzt – zu­nächst da­durch, in­dem er sei­ne Grup­pe da­zu brach­te, das schwe­ben­de Ge­fühl auf­recht ste­hend zu er­rei­chen, dann beim lang­sa­men und rhyth­mi­schen Vor­wärts­schrei­ten und schließ­lich bei je­der Art Tä­tig­keit oder Ak­ti­vi­tät, selbst bei den hef­tigs­ten Be­we­gun­gen. Nach­dem dies er­reicht war, blieb nur noch ei­nes, näm­lich von die­sem Tran­ce­zu­stand in ver­schie­de­nen Ver­sio­nen der Selbst­kon­trol­le un­ter al­len denk­ba­ren Be­din­gun­gen Ge­brauch zu ma­chen. Dann entließ er sie, da­mit sie ihr Wis­sen nun ih­rer­seits an den Mann brach­ten, so daß an­schlie­ßend die von ih­nen aus­ge­bil­de­ten Char­gen al­le Leu­te bis zum letz­ten Mann aus­bil­den konn­ten, die un­ter ih­rem Kom­man­do stan­den.

In­zwi­schen wa­ren fast drei Mo­na­te ver­gan­gen, und die Of­fi­zie­re wa­ren mit ih­ren Übun­gen und ih­rer Aus­bil­dung so weit vor­an­ge­kom­men, daß sie zu­min­dest den phy­si­schen Teil ih­res Trai­nings an die Trup­pen wei­ter­ge­ben konn­ten, die sie spä­ter ein­mal be­feh­li­gen wür­den. Die Dor­sai be­gan­nen mit der Re­kru­tie­rung, um ih­ren Be­darf zu de­cken und ei­ni­ge wei­te­re Dor­sai-Of­fi­zie­re an­stel­le je­ner an­zu­heu­ern, die beim Trai­ning aus­ge­fal­len wa­ren.

Zu die­ser Zeit er­hielt Cle­tus einen di­cken Um­schlag mit Zei­tungs­aus­schnit­ten, zu­ge­sandt von ei­nem Pres­se­dienst auf der Er­de, mit dem er sich in Ver­bin­dung ge­setzt hat­te, be­vor er Bak­hal­la ver­ließ. Al­lein in Eachans Ar­beits­zim­mer, öff­ne­te er den Um­schlag und ord­ne­te die Zei­tungs­aus­schnit­te chro­no­lo­gisch, um sie dann zu über­flie­gen.

Die Ge­schich­te war ziem­lich ein­fach. Die Ko­ali­ti­on, durch ei­ni­ge Re­den von Dow de­Ca­stries an­ge­feu­ert, ver­such­te, einen Pro­test­sturm ge­gen die Söld­ner­trup­pen auf den neu­en Wel­ten im all­ge­mei­nen und ge­gen die Dor­sai im be­son­de­ren zu ent­fes­seln.

Cle­tus steck­te die Zei­tungs­aus­schnit­te wie­der in den Um­schlag und leg­te ihn un­ter sei­ner Kor­re­spon­denz ab. Dann ging er auf die Ter­ras­se hin­aus, wo er Me­lis­sa le­send vor­fand.

Es war Hoch­som­mer in den Dor­sai-Ber­gen, und die Son­ne, die tief über den fer­nen Gip­feln stand, zeig­te die spä­te Nach­mit­tags­stun­de an. Er be­trach­te­te sie ei­ne Wei­le, wäh­rend sie ah­nungs­los in ih­rer Lek­tü­re fort­fuhr. Im hei­len Son­nen­licht wirk­te ihr Ge­sicht sor­gen­los und ent­spannt und et­was ge­reif­ter, als er es von Bak­hal­la her in Er­in­ne­rung hat­te.

Er trat auf die Ter­ras­se hin­aus, und beim Hal­len sei­ner Schrit­te blick­te sie von ih­rer Lek­tü­re auf. Ih­re Bli­cke tra­fen sich, und ih­re Au­gen wei­te­ten sich un­ter dem erns­ten Blick, den er ihr schenk­te.

„Wie ist es, Me­lis­sa, willst du mich hei­ra­ten?“ frag­te er.

Das Blau ih­rer Au­gen war so tief wie das Uni­ver­sum. Und wie­der ein­mal, wie da­mals im Kran­ken­haus in Bak­hal­la, schi­en der Schutz­wall der Ein­sam­keit, mit dem er sich nach all den Er­fah­run­gen sei­nes Le­bens um­ge­ben hat­te, un­ter ih­rem Blick zu schmel­zen.

„Wenn du mich wirk­lich ha­ben willst, Cle­tus“, sag­te sie.

„Ja, das will ich“, er­wi­der­te er.

Dies­mal mein­te er es auf­rich­tig. Doch so­bald sich der Schutz­wall in sei­nem In­nern wie­der auf­zu­rich­ten be­gann, stieg in ihm, ob­wohl ih­re Bli­cke im­mer noch in­ein­an­der ruh­ten, ein eis­kal­tes Ge­fühl auf, weil ihn sein Geist un­miß­ver­ständ­lich dar­an er­in­ner­te, daß er fort­an zwangs­läu­fig die Un­wahr­heit sa­gen muß­te.