8
Alle schauten ihn an.
„Sir?“ sagte Jarnki nach einem Augenblick.
„Ja, Korporal?“ fragte Cletus.
„Sir … Ich verstehe nicht, was Sie meinen“, brachte Jarnki nach einigem Zögern hervor.
„Ich meine, Sie werden eine Menge Neuländer einfangen“, gab Cletus zurück, „ohne dabei auch nur eine Schramme davonzutragen.“ Er wartete, während Jarnki den Mund öffnete und dann langsam wieder schloß.
„Nun? Ist das die Antwort auf Ihre Frage, Korporal?“
„Jawohl, Sir.“
Jarnki drang nicht weiter in ihn. Doch seine Augen und die Augen seiner Leute ruhten argwöhnisch auf Cletus, mit einem Argwohn, der fast schon an Furcht grenzte.
„Dann wollen wir mal“, sagte Cletus.
Nun begann er, seine Leute zu postieren – einen bei der seichten Furt des Flusses, der hier einen großen, trägen Bogen um die Lichtung machte, zwei Mann unten am Ufer auf beiden Seiten der Lichtung und die übrigen vier hoch über dem Fluß in den Bäumen bergauf in jener Richtung, aus der die Guerillas erwartet wurden, die den Fluß überqueren wollten.
Der letzte, dem er seinen Posten anwies, war Jarnki.
„Keine Sorge, Korporal“, sagte er, rittlings auf seinem Flugesel in der Luft schwebend, unweit der Stelle, wo Jarnki im Baum saß, das Gewehr an sich gedrückt. „Die Neuländer werden nicht lange auf sich warten lassen. Sobald Sie sie erblickt haben, feuern Sie ein paar Salven ab und klettern dann runter, um nicht getroffen zu werden. Sie haben doch schon mal so was gemacht, nicht wahr?“
Jarnki nickte. Sein Gesicht war etwas blaß, und wie er da in der Eiche hockte, die mit ihrer glatten Rinde den Eichen auf der Erde ziemlich ähnelte, war seine Stellung viel zu verkrampft und alles andere als bequem.
„Jawohl, Sir“, sagte er. Doch in seiner Stimme schwang einiges mit, was unausgesprochen blieb.
„Wahrscheinlich aber unter tragbareren Umständen und inmitten Ihrer Kompanie oder Abteilung, nicht wahr?“ meinte Cletus. „Lassen Sie sich durch den Unterschied nicht verwirren, Korporal. In dem Augenblick, wo das Geballere losgeht, dürfte es auch ziemlich egal sein. Ich werde jetzt die beiden anderen Furten überprüfen. Bin bald zurück.“
Er lenkte den Flugesel vom Baum weg und flog flußabwärts … Der Flugapparat, auf dem er saß, arbeitete fast lautlos und machte nicht mehr Geräusche als ein Ventilator. Normalerweise war das Motorengeräusch vielleicht fünfzehn Meter weit zu hören. Doch dieser Urwald im Oberland von Kultis war von Vogel- und Tierstimmen erfüllt. Da war ein Laut, der sich anhörte wie das Geräusch einer Axt, die auf Holz trifft und der in Abständen erklang, und ein weiterer Laut, der wie heftiges Schnarchen klang und sekundenlang aussetzte, um dann wieder anzuheben. Doch alles andere war nichts weiter als lautes Schreien und Krächzen in den verschiedensten Tonlagen und Lautstärken, ein Stimmengewirr, dem allerdings ein gewisser melodischer Charakter nicht abzusprechen war.
All diese Stimmen vereinigten sich zu einer Kakophonie, die das leise Summen des Flugesels übertönte und für ungeschulte Ohren fast unhörbar machten – so zum Beispiel für die Guerillas von Neuland, die ein solches Geräusch nicht kannten und daher vermutlich auch nicht achteten.
Cletus flog flußabwärts und überprüfte die beiden Furten, konnte aber keine Menschenseele entdecken. Bei der untersten Furt drehte er ab und flog wieder auf den Dschungel zu, bergauf in Richtung des Passes. Wahrscheinlich habe ich Glück, dachte er, da der Gegner den längeren Weg zurücklegen muß, wenn er gleichzeitig an mehreren Stellen übersetzen will. Zweifellos war aber für alle Gruppen irgendwo am anderen Flußufer ein Treffpunkt zu einer bestimmten Zeit vorgesehen.
Er flog dicht unter den Baumwipfeln dahin, etwa vierzig bis sechzig Meter über dem Boden, mit einer Geschwindigkeit von knapp sechs Stundenkilometern. Unter ihm war die Hochlandflora weniger von Rankenwerk durchsetzt als das Blattwerk unten an der Landestelle der Raumfähre, doch diese merkwürdigen roten Fäden und Streifen waren überall vorhanden und überzogen sogar die übergroßen Blätter der vielgestaltigen Erdenbäume – Eichen, Ahorn und Eberesche –, die vor zwanzig Jahren auf Kultis geplanzt worden waren.
Die irdische Flora gedieh in diesen Höhen prächtig, doch immer noch überwogen die einheimischen Pflanzen in Form von farnartigen Büschen, die zehn Meter in den Himmel ragten, bis hin zu einem baumartigen Gebilde mit purpurfarbenen Früchten, die zwar eßbar waren, doch einen leisen, betäubenden Duft verbreiteten, sobald ihre Schale aufbrach.
Cletus war etwa achthundert Meter von der Furt entfernt, als er das erste Anzeichen für eine Bewegung wahrnahm – nichts weiter als ein leises Wehen der Farnspitzen unter ihm. Er drosselte die Fahrt und ging tiefer hinunter.
Eine Sekunde später erblickte er die Umrisse eines Mannes in einem braun und grün gesprenkelten Tarnanzug, der unter einem Farnbusch hervorlugte.
Der Mann trug nichts weiter bei sich außer einen Rucksack, einer Art Tarnkappe und einer Sportwaffe über der Schulter. Das war bei Guerillas zu erwarten. Dies hing mit dem Gewohnheitsrecht zusammen, das sich während der letzten fünfzig Jahre kolonialer Auseinandersetzungen durchgesetzt hatte – daß nämlich ein Mann, der keine militärischen Waffen oder Geräte bei sich trug, lediglich der zivilen Gerichtsbarkeit unterstand, wobei der Beweis für Sachbeschädigung, Gefahr an Leib und Leben zu erbringen war, bevor man gegen einen Bewaffneten einschreiten konnte, selbst wenn er aus einer anderen Kolonie stammte. Ein Guerilla, den man nur mit einer Sportwaffe erwischte, wurde gewöhnlich lediglich deportiert oder interniert. Jeder aber, der militärische Ausrüstung irgendwelcher Art bei sich trug – und sei es eine Nagelfeile aus Armeebeständen –, wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und zur Haft oder sogar zum Tode verurteilt. War also dieser Mann dort unten typisch für seine Gruppe, dann hatten Jarki und seine Leute einen massiven Vorteil dank ihrer Ausrüstung.
Cletus beobachtete den Mann ein paar Minuten lang. Er bahnte sich seinen Weg durch den Dschungel, ohne besonders auf Lautlosigkeit oder Deckung zu achten. Sobald Cletus die Marschroute dieses Mannes einigermaßen festgelegt hatte, wandte er sich ab, um die anderen Leute dieses Guerillatrupps zu lokalisieren.
Die schnell aufsteigende Sonne, die durch das spärliche Laub der Baumwipfel brannte, sandte ihre sengenden Strahlen auf Cletus’ Nacken. Der schwitzte unter den Achseln, der Schweiß rann ihm unter seiner Dschungelmontur über Rücken und Brust, und sein Knie begann wieder zu schmerzen. Er setzte für einen Moment aus, um sich zu entspannen und die Schmerzen in seinem Knie zu überwinden. Für so was hatte er jetzt keine Zeit – noch nicht. Und er konzentrierte sich darauf, den Urwald nach weiteren Guerillas abzusuchen.
Fast unmittelbar danach entdeckte er den zweiten Mann, der sich in einer Entfernung von etwa dreißig Meter parallel zu jenem Eindringling bewegte, den Cletus als ersten ausgemacht hatte. Cletus suchte weiter, und innerhalb der nächsten zwanzig Minuten erblickte er bereits den Stoßtrupp von etwa zwanzig Mann, der über eine Frontlinie von etwa dreihundert Meter Breite vorstieß. Wenn die Neuländer ihre Leute gleichmäßig auf die drei Furten verteilen, dann wären es insgesamt sechzig Mann. Würden sie bei dem Versuch, durch den Urwald zur Küste vorzudringen zwanzig Prozent Verluste haben, so hätten sie immer noch achtundvierzig Mann für einen Vorstoß ganz gleich welcher Art zur Verfügung, um deCastries’ Besuch auf ihre Weise einen würdigen Rahmen zu geben.
Achtundvierzig Mann würden ausreichen, um den kleinen Fischerort an der Küste einzunehmen und zu halten. Doch die doppelte Anzahl wäre besser. Vielleicht folgte auch dem ersten ein zweiter Trupp auf den Fersen.
Cletus wendete den Flugesel und steuerte ihn unterhalb der Baumwipfel hinter den Mann, den er soeben ausgemacht hatte. Und tatsächlich entdeckte er etwa achtzig Meter weiter hinten eine zweite Kampflinie – diesmal waren es fünfzehn Mann, von denen mindestens zwei nach Offizieren aussahen, weil sie Sprechgeräte und ähnliche Ausrüstungsgegenstände bei sich hatten und Seitengewehre statt Karabiner trugen. Cletus drehte bei, glitt lautlos durch die Luft direkt unterhalb der Baumwipfel und flog zum äußeren unteren Ende der heranrückenden Linie zurück. Schließlich hatte er sein Ziel erreicht und sah – wie erwartet –, daß die Guerillas bereits aufzuschließen begannen, um sich an der Furt zu treffen. Nachdem er die Linie geschätzt hatte, an der die Truppen aufmarschieren würden, flog er weiter und hielt von Zeit zu Zeit an, um Minen an den kaum zehn Zentimeter dicken Baumstämmen im Abstand von jeweils zwanzig Metern zu befestigen. Die letzte Mine legte er direkt am Wasser etwas zwanzig Meter unterhalb der Furt. Dann flog er zurück, um mit dem Ende der zweiten Linie Kontakt aufzunehmen.
Das Ende der Reihe war bereits in Höhe der ersten Mine angekommen, wobei der letzte Mann im Dschungel etwa zehn Meter davon entfernt war. Cletus flog einen Bogen und schwebte dann ziemlich genau in der Mitte hinter der Kampflinie. Er hielt den Flugesel vorsichtig an, um nicht näher als auf zwanzig Meter heranzukommen, nahm das Gewehr von der Schulter und feuerte eine lange Salve über einen Winkel von etwa sechzig Grand entlang der ganzen Linie.
Der Knall einer solchen Waffe war kaum zu überhören. Die kleinen Geschosse mit Selbstantrieb, die mit verhältnismäßig geringer Geschwindigkeit aus der Gewehrmündung traten, dann aber sehr schnell beschleunigten, flogen pfeifend durch die Luft, bis sie ans Ziel gelangten und durch den Aufprall abrupt verstummten. Menschen, die keine kugelsichere Weste trugen, was bei diesen Guerillas der Fall war, konnten durch eine solche Explosion in Stücke gerissen werden – kein Wunder also, daß im Dschungel plötzlich Totenstille herrschte, nachdem die Schüsse verklungen waren. Selbst die Vögel und Raubtiere schwiegen. Zögernd zwar, doch mutig begannen direkt vor Cletus entlang der ganzen unsichtbaren Linie die Sportwaffen das Feuer zu erwidern, wie ein Chor von zuschnappenden Mausefallen.
Das Feuer war ziellos. Die Kugeln, die durch das Laub wie Hagelkörner auf Cletus’ Haupt niederprasselten, erreichten zwar nicht ihr Ziel, aber ihre Anzahl war besorgniserregend. Cletus hatte den Flugesel bereits herumgerissen, um von den feuernden Guerillas Abstand zu gewinnen. Fünfzig Meter weiter drehte er über dem auf den Fluß gerichteten Ende der Kampflinie noch einmal bei und streckte die Hand nach der Fernzündung für die erste Mine aus.
Vor ihm und zu seiner Linken gab es eine einzige Explosion. Ein Baum – jener Baum, an dem die Landmine befestigt war – lehnte wie ein angeschlagener Riese unter seinen Brüdern, glitt dann langsam ab und stürzte dann immer schneller, bis er schließlich kopfüber im Busch landete.
Jetzt war der Urwald plötzlich von Stimmen erfüllt. Die Guerillas feuerten ziellos in alle Richtungen, weil ihnen der Dschungel nun unheimlich vorkam. Cletus drehte noch einmal bei, feuerte eine weitere Salve auf das Ende der Linie ab und zog dann den Flugesel rasch auf die gleiche Höhe mit seiner zweiten Mine.
In der dichten Vegetation des Dschungels waren die Aktionen der einzelnen Guerillas kaum zu erkennen, doch jetzt verständigten sie sich allmählich durch Zurufe. Und dieser Umstand im Verein mit dem Stimmengewirr ließ Cletus immerhin ahnen, was dort vor sich ging. Wahrscheinlich würden sie tun, was ihnen ihr Instinkt befahl und was nicht unbedingt militärisch richtig sein mußte. Sie begannen damit, sich zusammenzufinden, um sich gegenseitig zu helfen. Cletus gab ihnen fünf Minuten, bis sie alle auf einem Haufen waren und die beiden Linien sich aufgelöst hatten. Dort saßen sie nun, eine einzige Gruppe von etwa fünfunddreißig Leuten in einem Dschungelstück, das einen Durchmesser von knapp fünfzig Metern haben mochte.
Nun machte er noch einmal die Runde, flog wieder nach hinten, zündete die zweite Mine direkt vor ihrer Nase und gab von hinten noch einmal eine Salve ab.
Diesmal löste er einen wahren Hagelsturm aus – und das Geprassel hörte sich an, als würden alle verbliebenen Gewehre aus allen Richtungen auf ihn schießen. Die Wildnis von Kultas antwortete diesmal mit einer wilden Kakophonie des Protestes. Gleichzeitig barst wieder ein Baumwipfel unter der Explosion einer dritten Mine und trug zum allgemeinen Aufruhr bei, während das Gewehrfeuer nachließ. Da aber befand sich Cletus schon wieder hinter dem noch nicht gezündeten Minengürtel flußabwärts von den Guerillas und wartete.
Nach wenigen Minuten ertönten Kommandorufe, und die Guerillas stellten das Feuer ein. Cletus hatte es nicht nötig, Einblick in den etwa hundert Meter breiten Raum zu gewinnen. Er wußte auch so, daß die Offiziere der Eindringlinge eine Lagebesprechung abhielten. Sie mußten sich fragen, ob die Explosionen und der Beschuß irgendeiner kleinen Patrouille zu verdanken war, die sich zufällig eingefunden hatte oder ob sie – entgegen jeder Erwartung und allen dagegen sprechenden Gründen zum Trotz – auf größere militärische Einheiten gestoßen waren, die man hier aufgestellt hatte, um ihnen den Weg zur Küste abzuschneiden. Cletus ließ ihnen Zeit, sich alles reiflich zu überlegen.
Eine Guerillagruppe wie diese mußte logischerweise dicht beieinander bleiben und einen Spähtrupp aussenden. Die Guerillas waren zu diesem Zeitpunkt kaum achthundert Meter vom Ufer und von der Lichtung entfernt, und ein Spähtrupp konnte unschwer feststellen, daß die Anlegestelle an der Furt praktisch schutzlos war – ein Umstand, der nicht so recht in Cletus’ Überlegungen passen wollte. Cletus zündete noch ein paar Minen und nahm das von den Guerillas besetzte Gebiet auf der flußabwärts liegenden Seite erneut unter Beschuß. Die Guerillas erwiderten das Feuer sofort.
Doch auch dieses Feuer ließ nach, erstarb und wurde mehr und mehr sporadisch, bis schließlich nur noch der Knall einer einzigen Büchse von Zeit zu Zeit zu hören war. Als dann schließlich auch diese Waffe verstummte, zog Cletus den Flugesel hoch, machte einen weiten Bogen, und drehte vom Fluß in eine Position etwa fünfhundert Meter flußabwärts ab. Er schwebte über dieser Stelle und wartete ab.
Nach wenigen Minuten schon merkte er, daß sich im Urwald etwas rührte. Aus dem Dickicht tauchten vorsichtig ein paar Männer auf und schwärmten wieder zu einer Kampflinie aus. Die Neuländer, die gemerkt haben mußten, daß sie hier keinen Blumentopf gewinnen konnten, waren wahrscheinlich zu dem Schluß gekommen, daß Vorsicht die Mutter der Porzellankiste war. Sie zogen sich zu der nächsthöheren Furt zurück, wo sie entweder nicht am Übersetzen gehindert wurden oder sich mit der anderen Gruppe vereinigen konnten, die zur mittleren Furt entsandt worden war.
Cletus flog noch einmal einen weiten Kreis, fing seinen Flugesel fern dem Fluß ab und nahm Kurs zur zweiten Furt, die flußaufwärts lag. Als er sich diesem Gebiet näherte, drosselte er sein Fluggerät, um das Geräusch der Rotoren auf ein Mindestmaß zu beschränken, und schlich dicht unter den Baumwipfeln dahin.
Schon bald erblickte er eine zweite Guerilla-Gruppe, ebenfalls in zwei Reihen aufgeteilt, die noch gute neunhundert Meter vom Mittelpunkt zwischen den drei Furten entfernt war. Er hielt an, um eine weitere Reihe von Minen zu legen, diesmal unterhalb der Furt.
Als er das Ufergelände an der obersten Furt des Blauen Flusses erreicht hatte, wo Jarnki und die anderen warteten, stellte er fest, daß die dritte Gruppe der Guerillas, die sich dieser Furt näherte, bereits viel weiter vorgedrungen war als die beiden anderen. Sie hatte die Furt schon fast erreicht, war keine hundertfünfzig Meter mehr von ihr entfernt.
Hier blieb nun keine Zeit mehr, die Lage gründlich auszukundschaften, bevor er etwas unternahm. Cletus flog etwa dreißig Meter vor den vordersten Linien die Front entlang und feuerte eine lange Salve ab, als er meinte, sich ungefähr in der Mitte der Frontlinie zu befinden.
Am Ende der Linie angekommen, wo er einigermaßen in Sicherheit war, wartete er, bis sich das Gegenfeuer der Guerillas gelegt hatte. Dann flog er noch einmal an der Front entlang, legte vier Minen und eröffnete wieder das Feuer.
Der Erfolg war zufriedenstellend. Die Linien der Guerillas gerieten ins Wanken. Obendrein begannen die Leute, die er an der Furt zurückgelassen hatte, zum Glück instinktiv das Feuer zu erwidern. Soweit es sich akustisch feststellen ließ, hörte sich das Ganze wie das Feuergefecht zweier gut bestückter Gruppen an.
In diesem Konzert war nur ein einziger Mißton, den Cletus heraushören konnte, und er stammte von seinen eigenen Leuten. Eines der am lautesten ballernden Gewehre gehörte Jarnki. Und aus der Richtung, aus der die Schüsse zu hören waren, schloß Cletus, daß sich der Korporal am Boden etwa fünfzehn Meter von der vordersten Linie der Guerillas befand, ein Umstand, der ihm leicht zum Verhängnis werden konnte.
Cletus hätte am liebsten geflucht, aber er versuchte sich zu beherrschen. Er sandte einen kurzen Befehl über sein Kehlkopfmikrofon an Jarnki, sich augenblicklich abzusetzen. Aber er bekam keine Antwort, und Jamkis Waffe bellte weiter. Diesmal konnte Cletus einen Fluch nicht unterdrücken. Er drückte seinen Flugesel fast bis auf den Boden und lenkte ihn im Schutz des Urwalds ganz nahe an die Stelle heran, wo Jarnki stand, indem er dem Krachen seiner Waffe folgte.
Der junge Soldat lag lang ausgestreckt da, die Beine gespreizt, den Lauf seiner Waffe auf einen faulenden Baumstrunk gestützt, und feuerte aus allen Rohren. Sein Gesicht war so blaß wie das Gesicht eines Menschen, der bereits die Hälfte seines Blutes verloren hatte, aber er schien unverletzt zu sein. Cletus mußte absteigen und seine schmalen Schultern über dem pfeifenden Gewehr rütteln, bevor Jarnki überhaupt merkte, daß jemand neben ihm stand.
Als er sich Cletus’ Anwesenheit bewußt wurde, bestand seine erste konvulsive Reaktion darin zu versuchen, sich hochzurappeln wie eine erschrockene Katze. Cletus drückte ihn mit der einen Hand zu Boden und deutete mit dem Daumen der anderen auf die Furt hinter ihrem Rücken.
„Zurück!“ flüsterte Cletus barsch.
Jarnki starrte ihn an, nickte und begann auf allen vieren auf die Furt zuzurobben. Cletus bestieg wieder den Flugesel. Er flog einen großen Bogen und näherte sich den Guerillas von der anderen Seite, um ihre Reaktion auf diesen unerwarteten Widerstand zu prüfen.
Schließlich war er gezwungen abzusteigen und etwa zehn Meter auf dem Bauch zu robben, damit er nahe genug herankam, um zu verstehen, was gesprochen wurde. Was er zu hören bekam, war zum Glück das, was er hören wollte. Diese Gruppe hatte wie die andere flußabwärts beschlossen, eine Pause einzulegen und die Situation zu besprechen.
Cletus robbte keuchend zum Flugesel zurück, stieg auf und flog erneut im weiten Bogen zur Furt zurück. Er erreichte die Stelle zusammen mit Jarnki, der sich wieder aufgerappelt hatte und einigermaßen fest auf den Beinen stand. Jarnkis Gesicht hatte etwas Farbe angenommen, aber er blickte Cletus besorgt an, als würde er eine Gardinenpredigt erwarten. Statt dessen schenkte ihm Cletus ein breites Lächeln.
„Sie sind ein tapferer Mann, Korporal“, sagte Cletus. „Nur dürfen Sie nicht vergessen, daß wir unsere tapferen Leute gern am Leben erhalten möchten, weil sie uns dann mehr nützen.“
Jarnki blinzelte und lächelte unsicher.
Cletus ging zum Flugesel, nahm eine Schachtel Minen heraus und reichte sie Jarnki.
„Legen Sie diese Minen in einem Abstand von fünfzig bis achtzig Metern aus“, sagte Cletus. „Passen Sie aber auf, daß Sie dabei nicht abgeknallt werden. Dann hängen Sie sich an diese Neuländer, sobald sie vorstoßen, und halten Sie sie mit Ihren Minen und mit Ihrer Waffe in Schach. Ihre Aufgabe besteht darin, die Neuländer aufzuhalten, bis ich zurückkomme und Ihnen helfen kann. Das dürfte schätzungsweise fünfundvierzig Minuten bis anderthalb Stunden dauern. Glauben Sie, daß Sie durchhalten können?“
„Wir werden es schon schaffen“, meinte Jarnki.
„Also gut, dann ist das jetzt Ihr Bier.“
Er bestieg sein Fluggerät, zog einen Kreis über dem Fluß und flog dann geradeaus, um auf jene Guerillatruppe zu treffen, die sich auf die mittlere Furt zubewegte.
Und genau das taten sie, als er auf sie stieß. Die Neuländer waren der mittleren Furt bereits ziemlich nahe und mitten in seinem Minenfeld. Die Gelegenheit war günstig – und Cletus ergriff sie, indem er von hinten an die Neuländer heranflog und ziellos ein paar Salven auf sie abfeuerte.
Sie erwiderten das Feuer sofort, doch kurz darauf wurden die Schüsse sporadischer und hörten dann ganz auf. Die Stille, die auf dieses Feuergefecht folgte, schien sich endlos auszudehnen. Als fünf Minuten vergangen waren und kein Schuß mehr gefallen war, lenkte Cletus den Flugesel flußabwärts und erreichte die Stelle, von wo aus die mittlere Gruppe auf ihn geschossen hatte.
Doch dort war niemand mehr zu sehen. Cletus flog vorsichtig dicht unter den Baumwipfeln dahin und hatte die Gruppe bald eingeholt. Sie bewegten sich flußaufwärts, und ihre Zahl schien sich verdoppelt zu haben. Offensichtlich war die Gruppe von der unteren Furt zu ihnen gestoßen, und nun marschierten sie mit vereinten Kräften zur obersten Furt, um sich mit der dortigen Gruppe zu vereinigen.
Alles lief so, wie er es erwartet hatte. Diese Eindringlinge waren Saboteure und keine Soldaten. Wahrscheinlich hatte man ihnen streng verboten, militärische Aktionen durchzuführen, sofern dies irgendwie zu vermeiden war. Er folgte ihnen vorsichtig, bis sie schon fast Kontakt mit ihren Kameraden aufgenommen hatten, die an der obersten Furt stationiert waren, dann flog er über den Fluß hinaus, um die Situation an dieser Stelle zu erkunden.
Er flog von oben ein und erkundete sorgfältig die Situation der oberen Guerillagruppe. Sie hatten sich in einem großen Halbkreis aufgestellt, dessen Enden etwa sechzig Meter oberhalb und dreißig Meter unterhalb der Furt nicht ganz bis ans Flußufer reichten. Sie feuerten zwar, machten aber keine Anstalten, sich den Weg über den Fluß zu erkämpfen – doch dann ließ das Gewehrfeuer nach, und Cletus hörte ihre Zurufe, als die beiden Gruppen, die von flußabwärts gekommen waren, zu ihnen stießen.
Cletus, dicht über dem Boden schwebend, nahm ein Abhörgerät von der Gerätestange des Flugesels und hielt den Hörer an sein rechtes Ohr. Dann suchte er das Unterholz ab, doch was er zu hören bekam, waren nur die Gespräche der einzelnen Guerillas. Gespräche unter Offizieren, in denen es um das nächste Unternehmen ging, konnte er nicht abhören. Dies war äußerst ungünstig. Er hätte sich selbst heranschleichen und die Lage erkunden müssen – aber das war nicht möglich. Er verwarf den Gedanken daran. Weitere Erkundungsflüge wurden jetzt immer riskanter. So blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in die Lage des Kommandanten der Guerillatruppe zu versetzen und die Gedanken dieses Mannes zu erraten. Cletus schloß halb die Augen und entspannte sich auf die gleiche Weise wie am Morgen, als er versuchte, seiner Schmerzen im Knie Herr zu werden. Allmählich sanken seine Lider über die Augen, er lehnte sich schlaff und entspannt im Sattel zurück und ließ seinen Gedanken freien Lauf.
Zunächst waren es nur flüchtige Gedankenfolgen, die die Oberfläche seines Bewußtseins streiften. Dann aber verdichteten sich die Gedanken, und allmählich begann sich ein Konzept abzuzeichnen. Er hatte das Gefühl, nicht mehr im Sattel zu sitzen, sondern auf dem weichen, schwammigen Urwaldboden zu stehen. Sein durchschwitzter Tarnanzug klebte an seinem Körper, während er in die Sonne blinzelte, die bereits den Zenit überschritten hatte und sich dem Nachmittag zuneigte. Frustration und Besorgnis stiegen wie ein irritierendes Gefühl in seinem Geist auf. Er warf einen Blick auf den Kreis der Guerilla-Unteroffiziere, die um ihn herumstanden, und erkannte, daß sie umgehend eine Entscheidung treffen mußten. Zwei der Trupps waren bereits daran gescheitert, den Blauen Fluß beizeiten an den vorgesehenen Stellen zu überqueren. Jetzt, schon im Verzug, blieb ihm nur eine einzige Möglichkeit übrig – gleichzeitig aber mußte er mit dem Widerstand feindlicher Kräfte in unbekannter Zahl rechnen.
Eines zumindest war sicher. Das Eindringen dieser Truppen, die er zu befehligen hatte, war nicht so unbemerkt geblieben, wie man es erwartet hatte. In diesem Sinne war die Mission schon fehlgeschlagen. Wenn die Exoten hier bereits aufmarschiert wären, welcher Widerstand würde dann erst auf dem Weg zur Küste zu erwarten sein?
Im Augenblick sah es so aus, als hätte diese Mission wenig oder gar keine Aussicht auf Erfolg, so daß man sie logischerweise abbrechen müßte. Konnte er aber jetzt umkehren, ohne seinen Vorgesetzten einen triftigen Grund nennen zu können, warum die Mission abgebrochen worden war?
Natürlich war das undenkbar. Er mußte versuchen, sich den Weg über den Fluß zu erkämpfen und darauf hoffen, daß ihm die Exoten genügend Widerstand leisten würden, um den Rückzug entschuldbar aussehen zu lassen …
Cletus kam wieder zu sich, öffnete die Augen und streckte sich in seinem Sattel. Er startete, ließ den Flugesel bis unter die Baumwipfel steigen, warf seine Minen aus verschiedenen Winkeln, um die Stellung der Guerillas einzukreisen, und ließ sie dann kurz hintereinander hochgehen.
Gleichzeitig eröffnete er unverzüglich das Feuer mit Karabiner und Seitengewehr, indem er die Büchse in der rechten Hand an sich preßte und das Seitengewehr in der Linken hielt.
Von der Furt her und von den beiden anderen Seiten der Guerillastellung eröffneten seine Leute das Feuer und deckten die Neuländer ein.
Innerhalb von Sekunden lagen die Guerillas am Boden und erwiderten das Feuer, und zum zweitenmal an diesem Tag wurden die Stimmen des Urwalds durch Kampfgeräusche übertönt. Cletus wartete, bis der Lärm etwas abgeklungen war, so daß man ihn hören konnte. Dann nahm er den Lautsprecher und stellte ihn an, und nun tönte seine Stimme über den Verstärker durch den Urwald:
„FEUER EINSTELLEN! FEUER EINSTELLEN! SÄMTLICHE EINHEITEN DER ALLIANZ SOFORT FEUER EINSTELLEN!“
Die Waffen der Truppe, die unter Cletus’ Kommando standen, verstummten. Allmählich ebbte auch das Feuer der Guerillas ab, und Schweigen senkte sich über den Urwald. Cletus aber nahm den Lautsprecher wieder zur Hand.
„ACHTUNG, NEULÄNDER! ACHTUNG, NEULÄNDER! DER EXPEDITIONSTRUPP DER ALLIANZ AUS BAKHALLA HAT EUCH UMZINGELT. JEDER WEITERE WIDERSTAND IST SINNLOS. ALLEN, DIE SICH ERGEBEN, WIRD BESTE BEHANDLUNG GEMÄSS DEN INTERNATIONALEN VEREINBARUNGEN FÜR KRIEGSGEFANGENE ZUGESICHERT. HIER SPRICHT DER KOMMANDEUR DER STREITKRÄFTE DER ALLIANZ. MEINE LEUTE WERDEN DAS FEUER FÜR DREI MINUTEN EINSTELLEN, UND WÄHREND DIESER ZEIT KÖNNEN SIE SICH ERGEBEN. ALLE DIEJENIGEN, DIE VON DIESEM ANGEBOT GEBRAUCH MACHEN WOLLEN, MÜSSEN IHRE WAFFEN ABLEGEN UND MIT ERHOBENEN HÄNDEN ZUR LICHTUNG AN DER FURT KOMMEN. ICH WIEDERHOLE: ALLE, DIE SICH ERGEBEN WOLLEN, MÜSSEN IHRE WAFFEN ABLEGEN UND MIT ERHOBENEN HÄNDEN AUF DIE LICHTUNG KOMMEN. SIE HABEN AUF MEIN KOMMANDO HIN DREI MINUTEN ZEIT, SICH ZU ERGEBEN.“
Cletus legte eine Pause ein, dann fuhr er fort:
„SÄMTLICHE ANGEHÖRIGEN DER INVASIONSTRUPPEN, DIE SICH NACH DREI MINUTEN NICHT ERGEBEN, GELTEN ALS FEINDE, DIE WEITER WIDERSTAND LEISTEN WOLLEN. DIE SOLDATEN DER ALLIANZ HABEN BEFEHL, AUF SOLCHE LEUTE ZU SCHIESSEN, SOBALD SIE SICH IRGENDWO ZEIGEN. DIE ZEIT LÄUFT. JETZT!“
Er schaltete den Lautsprecher aus, legte ihn auf die Gabel zurück und flog rasch wieder über den Fluß hinaus, von wo aus er die Lichtung beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. Eine Weile passierte gar nichts. Dann raschelte es im Busch, und ein Mann betrat die Lichtung. Er trug den Tarnanzug der Neuländer, hatte die Hände über dem Kopf gefaltet und ein paar Grashalme im buschigen Bart. Selbst von seinem Beobachtungsposten aus konnte Cletus das Weiß in den Augen der Guerillas erkennen, die ihn vorwurfsvoll anblickten. Er kam zögernd ein paar Schritte näher bis hin zur Mitte der Lichtung, blieb dann stehen, schaute sich suchend um, die Hände immer noch über dem Kopf gefaltet.
Einen Augenblick später erschien ein weiterer Mann auf der Lichtung, und dann kamen sie plötzlich aus allen Richtungen.
Cletus saß eine Weile da, beobachtete sie und zählte nach. Bis zum Ablauf der Dreiminutenfrist waren dreiundvierzig Männer auf die Lichtung gekommen, um sich zu ergeben. Cletus nickte nachdenklich. Dreiundvierzig Mann aus insgesamt drei Gruppen zu je dreißig Guerillas oder alles in allem neunzig. Es war, wie er es erwartet hatte.
Er schaute am Flußufer entlang zu jener Stelle, keine zehn Meter weiter, wo Jarnki mit den anderen beiden Männern hockte, die abkommandiert worden waren, um diese Furt zu verteidigen und jetzt die Gefangenen bewachten, deren Zahl ständig zunahm.
„Ed“, übermittelte Cletus dem jungen Korporal über Helmfunk. „Ed, schauen Sie nach rechts.“
Jarnki schaute scharf nach rechts und war überrascht, als er Cletus in seiner Nähe erblickte. Cletus winkte ihm zu. Vorsichtig, immer im Schutz der Uferböschung, lief Jarnki zu der Stelle, wo Cletus mit seinem Flugesel wenige Meter über dem Boden schwebte.
Als Jarnki bei ihm angekommen war, setzte Cletus mit dem Fluggerät im Schutz der Büsche auf der Lichtung auf, stieg steif aus dem Sattel und streckte wohlig seine Glieder.
„Sir?“ fragte Jarnki.
„Ich möchte, daß Sie mithören“, sagte Cletus. Er wandte sich erneut dem Flugesel zu und schaltete sein Sprechfunkgerät auf den Kanal von Leutnant Athyer am Milchfluß.
„Oberleutnant“, sagte er, „hier ist Oberst Grahame.“
Es folgte eine kurze Pause, dann kam die Antwort, diesmal nicht über das Hörgerät in Cletus’ Ohr, sondern über den kleinen Lautsprecher am Flugesel, den Cletus soeben eingeschaltet hatte.
„Oberst?“, sagte Athyer. „Was ist los?“
„Es sieht ganz danach aus, als wollten die Guerillas versuchen, am Blauen Fluß überzusetzen“, erwiderte Cletus. „Wir haben Glück gehabt und etwa die Hälfte gefangengenommen …“
„Guerillas? Gefangengenommen? Die Hälfte …“ Athyers Stimme drang flatternd durch den Lautsprecher und Kopfhörer.
„Das ist aber nicht der Grund, warum ich Sie angerufen habe“, fuhr Cletus fort. „Die andere Hälfte ist uns entwischt. Sie hat sich in Richtung Paß zurückgezogen, um nach Neuland zu entkommen. Wenn Sie mit der Hälfte Ihrer Mannschaft dorthin marschieren, können Sie mit dem Rest problemlos fertig werden.“
„Problemlos? Schauen Sie … Ich … Woher soll ich wissen, daß die Dinge tatsächlich so liegen, wie Sie sie sehen? Ich …“
„Oberleutnant“, sagte Cletus, diesmal mit etwas Nachdruck. „Ich wollte Ihnen lediglich mitteilen, daß wir die Hälfte der Leute hier an der oberen Furt des Blauen Flusses gefangengenommen haben.“
„Jawohl … ja … Oberst, ich verstehe. Aber …“
Cletus schnitt ihm das Wort ab. „Dann machen Sie sich auf die Strümpfe, Oberleutnant“, sagte er. „Wenn Sie noch lange zögern, werden Sie sie verpassen.“
„Jawohl, Sir. Selbstverständlich. Ich werde Ihnen in Kürze Nachricht zukommen lassen, Oberst … Vielleicht ist es besser, wenn Sie Ihre Gefangenen dort festhalten, bis der Transporter sie aufnimmt … Einige könnten versuchen abzuhauen, wenn Sie sie allein mit ihren sechs Mann durch den Urwald führen wollen.“ Athyers Stimme wurde fester, als er wieder die Kontrolle über sich gewann, doch in seiner Stimme schwang ein bitterer Unterton mit. Natürlich wurmte es ihn, daß ein purer Theoretiker, ein Mann vom grünen Tisch, ein Schreibtischhengst, es fertiggebracht hatte, eine größere feindliche Gruppe gefangenzusetzen, während doch einzig und allein er, Athyer, der Einsatzleiter dieses Unternehmens war. Er hatte nur wenig Hoffnung, daß General Traynor dieses Fiasko seinerseits übersehen würde.
Seine Stimme klang grimmig, als er fortfuhr.
„Brauchen Sie einen Arzt?“ fragte er. „Ich kann einen unserer beiden Ärzte entbehren und ihn mit einem der Transporter hinüberschicken, jetzt, wo die ganze Sache kein Geheimnis mehr ist und die Neuländer wissen, daß wir da sind.“
„Danke, Oberleutnant. Wir können einen Arzt brauchen“, erwiderte Cletus. „Im übrigen wünsche ich Ihnen viel Glück.“
„Danke“, sagte Athyer kühl. „Ende, Sir.“
„Ende“, gab Cletus zurück.
Er schaltete das Gerät aus, verließ den Helikopter und ließ sich steif auf dem Boden nieder, wobei er den Rücken gegen einen Stein lehnte.
„Sir?“ fragte Jarnki. „Wozu brauchen wir einen Arzt? Keiner der Leute ist verwundet. Meinen Sie vielleicht, Sir, daß Sie …“
„Ja, ich“, sagte Cletus.
Er streckte das linke Bein aus, holte sein Kampfmesser aus dem Stiefelschacht und schlitzte die Hose an seinem linken Bein von oberhalb des Knies bis zu den Stiefeln auf. Das Knie, das zum Vorschein kam, war arg geschwollen und bot keinen erfreulichen Anblick. Er griff nach dem Erste-Hilfe-Kästchen an seinem Gürtel, nahm eine Spraydose heraus, stützte die Düse mit seinem Handgelenk ab und drückte auf den Knopf. Der Kälteschock des Sprays, der durch die Haut direkt ins Blut drang, kam ihm vor wie die Berührung eines erlösenden Fingers.
„Gütiger Himmel, Sir“, sagte Jarnki mit blassem Gesicht, während er auf das Knie starrte.
Cletus lehnte sich bequem gegen den Stein und wartete, bis die weichen Wellen der Droge ihn in Bewußtlosigkeit hüllten.
„Bin ganz Ihrer Meinung“, sagte er. Dann umfing ihn die Dunkelheit.