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Sie ließen das Kommandofahrzeug liegen, dessen Kompressor durch die Guerillas beschädigt worden war. Einer der beiden Kampfgleiter flog die vier Überlebenden bis zur Hafenstadt Bakhalla und setzte sie bei der Transportabteilung des Hauptquartiers der Allianz in Bakhalla ab. Eachan Khan und Melissa verabschiedeten sich und fuhren mit einem Taxi zu ihrer Stadtwohnung. Mondar hingegen öffnete den Schlag eines zweiten Taxis und nötigte Cletus einzusteigen.
„Sie müssen zum Hauptquartier, um sich zu melden. Das liegt auf meinem Weg. Ich kann Sie unterwegs absetzen.“
Cletus stieg ein, und Mondar tippte einen Kode in den Computer. Das Fahrzeug erhob sich auf seinem Luftkissen und glitt lautlos zwischen den Reihen der weiß gestrichenen Militärgebäude dahin.
„Danke“, sagte Cletus.
„Absolut keine Ursache“, versetzte Mondar. „Sie haben uns allen da draußen in der Wildnis das Leben gerettet. Ich möchte etwas mehr für Sie tun, als nur zu danken. Ich nehme an, daß Sie noch einmal mit Dow deCastries sprechen möchten?“
Cletus schaute den Exoten fragend an. Er hatte immer schon Freude an Menschen gehabt, die ihre Grundsätze hatten und ihr Ziel konsequent verfolgten, und in diesen fünf Tagen, seit er Mondar kennengelernt hatte, war ihm die Zielstrebigkeit des Exoten aufgefallen, die der seinen fast aufs Haar glich.
„Ich dachte, deCastries sei zur Hauptstadt Neuland gefahren.“
„Ist er auch“, sagte Mondar, während das Taxi nach rechts in eine breitere Straße einbog und auf ein größeres Gebäude zueilte, einen weißen Zementklotz, auf dessen Dach die Flagge der Allianz wehte. „Aber Neuland ist von hier nur etwa fünfzehn Minuten Luftlinie entfernt. Die Koalition unterhält keine direkten diplomatischen Beziehungen mit unserer exotischen Regierung auf Kultis, und weder unsere Leute noch Dow möchten die Chance für ein Gespräch verpassen. Schließlich ist es die Koalition, die wir bekämpfen – Neuland könnte keine sechs Wochen ohne sie durchhalten. Also werde ich heute Abend in meiner Wohnung eine kleine inoffizielle Party geben – mit kaltem Buffet und allgemeiner Unterhaltung. Eachan und Melissa werden auch anwesend sein. Es würde mich freuen, Sie ebenfalls begrüßen zu können.“
„Ich werde gern kommen“, sagte Cletus. „Darf ich meinen Adjutanten mitbringen?“
„Ihren Adjutanten?“
„Einen Leutnant namens Arvid Johnson – falls ich das Glück habe, daß er noch nicht abkommandiert wurde“, erklärte Cletus. „Einer meiner früheren Studenten an der Akademie. Er hat mich vor einigen Monaten während seines Urlaubs besucht. Und das, was er mir sagte, hat mein Interesse an Bakhalla geweckt.“
„Wirklich? Bringen Sie ihn auf jeden Fall mit.“ Das Taxi hielt am Rande des Bürgersteigs, der zum Eingang des großen weißen Gebäudes hinaufführte. Mondar drückte auf einen Knopf, und die Tür neben Cletus schwang auf. „Bringen Sie mit, wen Sie wollen, sofern es dem Betreffenden angenehm ist. So gegen acht Uhr.“
„Ich werde pünktlich erscheinen“, sagte Cletus. Er wandte sich ab und ließ sich vom Förderband zum Hauptquartier hinauftragen.
„Oberst Cletus Grahame?“ echote der schmalgesichtige junge Leutnant am Empfangstisch hinter der Glastür, die zum Büro des Quartiermeisters führte, als ihm Cletus gegenüberstand. „Sie sollen sich sofort bei General Traynor melden – und zwar umgehend.“
Er hatte eine hohe Tenorstimme und grinste unfreundlich, während er sprach. Cletus schenkte ihm ein freundliches Lächeln, fragte nach dem Weg zum Büro des Generals und ließ den jungen Offizier stehen.
Die Glastür, auf die er schließlich stieß und die die Aufschrift Brigadegeneral John Houston Traynor trug, führte ihn zunächst in ein Vorzimmer, wo ein untersetzter Oberst mit Halbglatze soeben die letzten Anweisungen an einen übergewichtigen Hauptmann erteilte, der hinter dem einzigen Tisch dieses Raumes stand. Der Oberst wandte sich um und erblickte Cletus.
„Sind Sie Grahame?“ fragte er kurz angebunden.
„Richtig, Oberst“, erwiderte Cletus freundlich, „und wie lautet Ihr Name?“
„Dupleine“, gab der andere unfreundlich zurück. „Ich bin der Stabschef von General Traynor.“
„Ich komme in einer Sondermission aus Genf, Oberst“, sagte Cletus.
Dupleine grunzte, drehte sich auf dem Absatz um und verließ den Raum durch die gleiche Tür, die Cletus beim Hereinkommen passiert hatte. Cletus schaute den dicken Hauptmann hinter dem Tisch fragend an.
„Sir“, sagte der Offizier mit einem Anflug von Sympathie in der Stimme. Sein Gesicht war nicht unfreundlich und verriet sogar eine Spur von Intelligenz trotz des schweren Doppelkinns, das wie eine Art Kopfstütze wirkte. „Wenn Sie einen Augenblick Platz nehmen wollen, will ich General Traynor unverzüglich melden, daß Sie da sind.“
Cletus nahm Platz, während der Hauptmann sich vorbeugte und etwas in den Interkomanschluß sagte, Cletus konnte die Antwort zwar nicht hören, aber der Hauptmann schaute auf und nickte.
„Sie können hineingehen, Oberst“, sagte er und deutete mit dem Kopf auf eine Tür hinter seinem Schreibtisch.
Cletus erhob sich und folgte der Aufforderung. Als er durch die Tür in das angrenzende Büro trat, stand er unmittelbar einem weitaus größeren Schreibtisch gegenüber, hinter dem ein bulliger Mann Mitte Vierzig mit buschigen, schwarzen Brauen im knochigen Gesicht, die ihm den Spitznamen „Fledermaus“ eingebracht hatten, saß. Fledermaus Traynor fixierte ihn unter zusammengezogenen Brauen, während Cletus auf seinen Schreibtisch zuging.
„Oberst Cletus Grahame zu Ihren Diensten, Sir“, sagte Cletus und legte seine Marschbefehle auf den Tisch, die Fledermaus mit einer einzigen Bewegung seiner gewaltigen Faust beiseite fegte.
„In Ordnung, Oberst“, sagte er mit seiner rauhen Baßstimme. Er deutete auf einen Stuhl, der links vor dem Schreibtisch stand. „Setzen Sie sich.“
Cletus humpelte dankbar um den Tisch herum und ließ sich auf den Stuhl fallen. Er begann immer deutlicher zu spüren, daß er einige der noch heilen Sehnen in seinem angeschlagenen Knie während der Episode im Graben draußen vor der Stadt über Gebühr beansprucht hatte. Er schaute auf und sah, daß ihn Fledermaus immer noch unverwandt anstarrte.
„Ich habe mir Ihre Personalakten kommen lassen, Oberst“, sagte Fledermaus einen Augenblick später. Er öffnete die graue Kunststoffmappe, die vor ihm auf dem Tisch lag, und warf einen kurzen Blick in die Akten. „Hier steht, daß Sie aus einer Akademie-Familie stammen. Ihr Onkel war Generalstabschef des Hauptquartiers der Allianz in Genf, kurz bevor er vor acht Jahren in den Ruhestand versetzt wurde. Stimmt das?“
„Jawohl, Sir“, sagte Cletus.
„Und sie …“ – Fledermaus blätterte mit seinem dicken Zeigefinger in den Akten und schaute mit düsterem Blick in die Papiere – „… haben sich Ihre Knieverletzung während des Dreimonatskrieges auf Java vor sieben Jahren geholt? Sie sind auch Träger der Ehrenmedaille?“
„Jawohl“, sagte Cletus.
„Seit dieser Zeit …“ – Fledermaus schlug die Mappe zu, hob den Blick und schaute Cletus noch einmal direkt ins Gesicht – „… waren Sie beim Akademiestab. Abgesehen von drei Monaten aktivem Dienst haben Sie nichts weiter getan, als unseren Kadetten die Grundlagen militärischer Taktik einzubleuen.“
„Ich habe auch“, sagte Cletus vorsichtig, „an einer umfassenden ‚Theorie der Taktik und strategische Überlegungen’ gearbeitet.“
„Ja“, sagte Fledermaus grimmig. „Das steht ebenfalls da drin. Drei Monate im Feld, und da setzen Sie sich hin, um zwanzig Bände zu schreiben.“
„Sir?“ fragte Cletus.
Doch Fledermaus lehnte sich schwer in seinem Sessel zurück.
„Schon gut“, sagte er. „Sie sind jetzt mit einem Sonderauftrag gekommen, um als mein taktischer Ratgeber zu fungieren.“ Die schwarzen Brauen zogen sich zusammen und flatterten wie Sturmfahnen im Wind. „Ich möchte nicht annehmen, Sie haben Leine gezogen, weil Ihnen irgendwelche Gerüchte zu Ohren gekommen sind, daß man die Akademie durchforsten will, und Sie sich einen kleinen Druckposten erhoffen, wo Sie überhaupt nichts zu tun brauchen.“
„Nein, Sir“, sagte Cletus ruhig. „Ich habe vielleicht die eine oder andere Beziehung spielen lassen, um hierher geschickt zu werden. Doch mit Ihrer gütigen Erlaubnis habe ich keinesfalls einen Druckposten angestrebt. Im Gegenteil, ich habe allerhand vor.“
„Das will ich nicht hoffen, Oberst, das will ich nicht hoffen“, versetzte Fledermaus. „Ich habe vor drei Monaten ein Dutzend Panzerwagen für den Einsatz im Urwald beantragt … und alles, was man mir geschickt hat, sind Sie. Mich kümmert es einen feuchten Kehricht, was die Akademie mit ihrer Abteilung für Taktik vorhat. Die Burschen brauchen nur hierherzukommen und ihr taktisches Wissen unter praktischen Bedingungen vor Ort zu revidieren. Aber ich brauchte diese Panzer, und ich brauche sie immer noch.“
„Möglicherweise“, meinte Cletus, „kann ich mit einigen Vorschlägen dienen, wie man unter Umständen auch ohne die Panzer auskommt.“
„Das glaube ich weniger“, gab Fledermaus grimmig zurück. „Ich bin vielmehr der Meinung, daß Sie hier einige Monate herumhängen werden, bis sich herausstellt, daß wir Sie nicht gebrauchen können. Dann muß ich die Sache dem Hauptquartier der Allianz auf der Erde melden und noch einmal wegen meiner Panzer vorstellig werden. Ich werde sie bekommen, und Sie werden wieder auf die Erde zurückversetzt – wenn nicht gerade mit einer Belobigung, dann doch zumindest mit einer weißen Weste … Das aber auch nur, wenn alles glattgeht, Oberst. Übrigens …“ – Fledermaus streckte die Hand aus und angelte nach einem einzelnen Blatt, das auf der Schreibtischkante lag – „… habe ich hier einen Bericht, wonach Sie in der ersten Nacht draußen an Bord des Raumschiffes betrunken waren und sich vor dem Außenminister der Koalition zum Narren gemacht haben, der sich ebenfalls an Bord befand.“
„Das ist aber ziemlich schnell gegangen“, meinte Cletus, „wenn man bedenkt, daß zu der Zeit, wo wir von Bord gingen, alle Fernverbindungen von den Leuten der Koalition belegt waren. Ich nehme an, daß dieser Bericht von einem dieser Leute stammt.“
„Das geht Sie mit Verlaub einen Dreck an“, wetterte der General. „Aber wenn Sie es unbedingt wissen wollen – der Bericht stammt vom Kapitän des Raumschiffes.“
Cletus lachte.
„Was ist so lustig dran, Oberst?“ fragte Fledermaus mit erhobener Stimme.
„Der Gedanke, Sir“, versetzte Cletus, „daß der Kommandant eines zivilen Raumschiffes über den Zustand eines Offiziers der Allianz zu befinden hat.“
„Sie werden es weniger lustig finden, wenn ich den Bericht zu Ihren Personalakten lege, Oberst“, meinte Fledermaus. Er starrte Cletus zuerst grimmig und schließlich fassungslos an, als er merkte, daß Cletus von dieser Drohung nicht besonders beeindruckt war. „Aber vergessen Sie die Koalition oder irgendwelche zivilen Schiffsführer. Ich bin Ihr kommandierender Offizier, und ich wünsche eine Erklärung über Ihren Zustand.“
„Da gibt es weiter keine Erklärung …“ begann Cletus.
„Wie bitte?“ sagte Fledermaus.
„Mit ›keine Erklärung‹“ fuhr Cletus fort, „meinte ich, daß es da nichts zu erklären gibt. Ich war in meinem Leben noch nie betrunken. Ich fürchte, der Kapitän des Raumschiffes wurde falsch unterrichtet – oder er hat die falschen Schlüsse gezogen.“
„Der hat sich wohl geirrt, was?“ fragte Fledermaus ironisch.
„Zufälligerweise“, sagte Cletus, „kann ich Ihnen einen Zeugen benennen, der bestätigen wird, daß ich nicht betrunken war. Der Zeuge saß mit am Tisch. Es ist Mondar, der ehemalige Verbindungsmann der Enklave von St. Louis.“
Bat öffnete den Mund, um Cletus zu unterbrechen und etwas zu sagen, dann schloß er ihn wieder. Der General saß einen Augenblick schweigend da. Dann liefen die Brauen auseinander, und seine Stirn glättete sich.
„Warum also dieser Bericht?“ fragte er in etwas neutralerem Ton.
„Soweit ich erkennen konnte“, sagte Cletus, „hatte die Schiffsbesatzung eindeutig für die Koalition Partei ergriffen.“
„Alsdann, verdammt noch mal“, explodierte Fledermaus, „warum haben Sie dann die Sache nicht aufgeklärt?“
„Aus elementaren strategischen Gründen“, sagte Cletus, „war ich der Ansicht, daß es nichts schaden könnte, wenn sich die Koalitionsleute eine möglichst abfällige Meinung über mich bilden würden – sowohl über meine Person als auch über meine Fähigkeiten, Ihnen als taktischer Experte von Nutzen zu sein.“
Fledermaus starrte ihn unheilvoll an. „Deren Meinung kann kaum geringschätziger gewesen sein als die meine“, sagte er. „Für mich sind Sie absolut unbrauchbar, Oberst. Das hier ist ein kleiner, schmutziger, heimtückischer Krieg, der irgendwelchen strategischen Mysterien keinerlei Raum bietet. Diese exotische Kolonie hat alles, was sie braucht: kluge Köpfe, Geldmittel, technologische Hilfe und eine Meeresküste. Die Neuländer haben dagegen weder eine Küste noch eine Industrie, dafür aber eine Menge hungriger Mäuler, die sie mit Hilfe ihrer Agrarwirtschaft, die sie im Hinterland betreiben, nicht stopfen können – vor allem wegen ihres religiösen Kults, der die Vielweiberei erlaubt. Dafür sind aber genügend Leute da, um den Guerillas nie versiegenden Nachschub zu bieten. Also streben die Neuländer das an, was die Exoten bereits besitzen, und die Koalition versucht ihnen zu helfen. Wir aber sind dazu da, um dies zu verhindern. Das ist alles. Was die Neuland-Guerillas anstreben und woran wir sie hindern wollen, ist offensichtlich. Darum kann ich einen Taktik-Experten ebensowenig brauchen wie ein Symphonieorchester mit hundert Mann. Und ich bin sicher, daß deCastries und die anderen Koalitionsleute an Bord das ebensogut wußten wie ich.“
„Mag sein, daß ich so unnütz bin, wie der Herr General meinen“, sagte Cletus, der sich nicht aus der Ruhe bringen ließ. „Natürlich muß ich dennoch die Lage überwachen und sondieren, indem ich damit beginne, einen Plan zu entwickeln, um jenen Guerillas das Handwerk zu legen, die während der nächsten Tage über den Etter-Paß ins Land einzudringen versuchen.“
Fledermaus’ Augenbrauen schnellten wieder nach oben. „Neue Guerillas? Wer hat Ihnen etwas vom Etter-Paß erzählt?“ schnappte er. „Welches Kaninchen wollen Sie jetzt schon wieder aus dem Hut zaubern?“
„Diesmal ist es kein Kaninchen“, gab Cletus zurück. „Ich befürchte, es handelt sich nicht einmal um eine professionelle Beurteilung, eher um gesunden Menschenverstand. Während deCastries hier ist, wollen die Neuländer versuchen, irgend etwas Spektakuläres in die Welt zu setzen … Haben Sie eine Landkarte zur Hand?“
Fledermaus drückte einen Knopf auf der Schreibtischplatte, und die Wand zu Cletus’ Linken wurde hell und enthüllte eine große Karte, auf der die lange, schmale Küstenlandschaft der exotischen Kolonie sowie die Berge, die sie von der Binnenlandkolonie Neulands trennte, sichtbar wurden. Cletus trat an die Projektion heran, untersuchte die Landkarte und wies dann mit dem Zeigefinger auf einen Punkt inmitten des Gebirgszuges, der auf der linken Seite der Karte entlanglief.
„Hier liegt der Etter-Paß“, erläuterte er, „ein tiefer Einschnitt im Gebirge, der von Neuland hinunter nach Bakhalla führte – nach den Berichten nicht allzusehr von den Neuländern frequentiert, da es auf der Seite der Exoten kaum etwas gibt, was im Umkreis von etwa hundert Meilen einen Angriff rechtfertigen würde. Andererseits ist der Paß verhältnismäßig leicht zu durchqueren. Hier, am Ende des Passes, liegt nichts weiter als die kleine Stadt Zweistrom. Vom praktischen Standpunkt aus gesehen ist es natürlich besser, wenn die Neuländer ihre Guerillas über jene Pässe ins Land schicken, die näher bei den dichter bevölkerten Zentren liegen. Doch wenn sie eher auf ein Spektakel als auf Beute aus sind, würde es sich auszahlen, einen einigermaßen gut ausgerüsteten Trupp während der nächsten paar Tage hier einzusetzen, so daß sie innerhalb der nächsten Woche eine der kleineren Küstenstädte angreifen, vielleicht sogar erobern und einige Tage halten können.“
Cletus drehte sich um, humpelte zu seinem Stuhl zurück und setzte sich. Fledermaus betrachtete stirnrunzelnd die Karte.
„Auf jeden Fall“, sagte Cletus, „dürfte es nicht besonders schwer fallen, eine Falle zu stellen und die meisten von ihnen zu fangen, sobald sie versuchen, Zweistrom zu passieren. An und für sich könnte ich die Operation selbst durchführen. Wenn Sie mir ein Bataillon Fallschirmjäger geben …“
„Bataillion! Fallschirmjäger!“ Fleldermaus schreckte plötzlich aus seinen Gedanken hoch und warf einen Blick auf Cletus. „Was glauben Sie, wo wir sind? In einem Klassenzimmer, wo Sie sich jede Armee erträumen können, die Sie für eine bestimmte Operation brauchen? Auf Kultis gibt es keine Fallschirmjäger. Und Ihnen gleich ein Bataillion zur Verfügung zu stellen, ganz gleich, um welche Art von Truppen es sich handelt – selbst wenn an Ihren Vorahnungen etwas dran wäre …“ schnarrte Fledermaus.
„Die Guerillas werden bestimmt kommen. Ich setze für diese Prognose meine gesamte Reputation aufs Spiel“, sagte Cletus ungerührt.
„Das heißt, die habe ich wohl bereits aufs Spiel gesetzt, wenn ich’s mir recht überlege. Ich erinnere mich an ein paar Gespräche mit einigen Mitgliedern meines Staates an der Akademie und an ein Gespräch mit einem Freund in Washington, wo ich eine solche Infiltration vorausgesagt habe, sobald Dow deCastries in Neuland eingetroffen ist.“
„Sie haben bereits prophezeit …“ Fledermaus’ Stimme klang plötzlich nachdenklich, fast hinterlistig. Er saß wieder hinter seinem Schreibtisch, hatte die Brauen zusammengezogen und schaute Cletus abwägend an. Dann wurde der Blick seiner dunklen Augen scharf. „Also haben Sie Ihre Reputation verwettet, Oberst, nicht wahr? Aber ich habe keine Ersatztruppen, und in jedem Fall sind Sie nur als technischer Berater angestellt … Ich will Ihnen mal was sagen. Ich werde eine Kompanie aus Urlaubern und Umschülern zusammentrommeln und mit einem Feldoffizier aussenden. Er wird wahrscheinlich jünger sein als Sie, aber Sie können ihn begleiten, wenn Sie wollen. Offiziell nur als Beobachter, aber ich werde dem kommandierenden Offizier sagen, daß er sich an Ihre Anweisungen zu halten hat … Reicht Ihnen das?“
Fledermaus’ letzte Worte hörten sich an, als wollte er Cletus die Pistole auf die Brust setzen. Nimm, Vogel, friß oder stirb, sonst gibt es keine Alternative.
„Sicher“, sagte Cletus. „wie Herr General wünschen.“
„Also gut!“ Fledermaus richtete sich auf und bleckte die Zähne mit fast wölfischem Grinsen. „Sie können gehen und Ihr Quartier aufsuchen, Oberst. Aber halten Sie sich zur Verfügung.“
Cletus erhob sich. „Danke, Sir“, sagte er und machte Anstalten zu gehen.
„Keine Ursache, Oberst, keine Ursache“, vernahm er Fledermaus’ Stimme, in der ein verborgenes Kichern lag, während er die Bürotür hinter sich schloß.
Cletus verließ das Hauptquartier und suchte nach einer Unterkunft. Sobald er im Quartier für ledige Offiziere untergebracht war, begab er sich mit einer Kopie seiner Befehle ins Offiziers-Hauptquartier, um festzustellen, ob jener Leutnant Arvid Johnson, über den er mit Mondar gesprochen hatte, verfügbar war. Nachdem er festgestellt hatte, daß der Offizier zur Verfügung stand, stellte Cletus den Antrag, ihm den Mann als Mitglied seines Forschungsstabes zuzuteilen, und hinterließ ihm die Nachricht, ihn unverzüglich in seinem Quartier aufzusuchen.
Dann begab er sich wieder in sein Quartier. Nach einer knappen Viertelstunde läutete es bereits an seiner Tür. Cletus erhob sich aus seinem Sessel und öffnete.
„Arvid!“ sagte er, indem er den Besuch eintreten ließ und die Tür hinter ihm schloß. Arvis Johnson trat ein, machte kehrt und lächelte Cletus fröhlich an, während sie sich die Hände schüttelten. Cletus war selbst hochgewachsen, Arvid aber wirkte wie eine Tanne von den Sohlen seiner schwarzen Stiefel bis an die Spitzen seines kurzgeschnittenen, weißblonden Haares.
„Endlich sind Sie gekommen, Sir“, sagte Arvid lächelnd. „Sie hatten es zwar versprochen, aber ich konnte einfach nicht glauben, daß Sie wegen dieser Sache die Akademie sausen lassen würden.“
„Hier ist die Stätte, wo sich die Dinge entwickeln werden“, sagte Cletus.
„Sir?“ meinte Arvid zweifelnd. „Hier auf Kultis?“
„Es geht nicht so sehr um den Ort“, sagte Cletus. „Eher sind es die Leute, die die Ereignisse steuern. Wir haben jetzt einen Mann mit Namen Dow deCastries in unserer Mitte, und ich möchte sie zunächst bitten, mit mir an einer Party teilzunehmen, die er heute Abend gibt.“
„Dow deCastries?“ versetzte Arvid und schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, daß ich ihn kenne …“
„Minister für die Außenwelten bei der Koalition“, erläuterte Cletus. „Er kam mit dem gleichen Raumschiff von der Erde wie ich – ein Mann, der etwas für Spiele übrig hat.“
Avrid nickte. „Oh, einer von den Koalitionsbossen!“ sagte er. „Kein Wunder, wenn Sie meinten, daß es jetzt hier bei uns losgeht … Was meinen Sie damit – ein Mann, der etwas für Spiele übrig hat? Interessiert er sich für Sport?“
„Nicht im üblichen Sinn“, sagte Cletus. Dann begann er zu zitieren: „Er spielte ohne Herz um manche Krone/sein Einsatz war ein Weltreich, waren Throne/Der Wagen, den er fuhr, ein Totenschrein/und seine Würfel nichts als Totenbein.“
„Shakespeare?“ fragte Arvid neugierig.
„Byron“, sagte Cletus, „in The Age of Bronze über Napoleon.“
„Sir“, meinte Arvid, „glauben Sie wirklich, daß deCastries ein zweiter Napoleon ist?“
„Ebensowenig wie Napoleon ein früherer deCastries war“, erwiderte Cletus. „Aber die beiden haben einiges gemeinsam.“
Arvid wartete noch einen Augenblick, aber Cletus sagte nichts weiter. Der hochgewachsene junge Mann nickte erneut.
„Jawohl, Sir“, sagte er. „Wann werden wir auf dieser Party erwartet, Oberst?“