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Als Cle­tus’ auf ei­nem Luft­kis­sen schwe­ben­der Dienst­wa­gen in die Stra­ße ein­bog, die zum Of­fi­zier­s­quar­tier führ­te, war der Park­platz zur Hälf­te be­setzt. Die Wa­gen stan­den in zwei Rei­hen dicht vor dem Hauptein­gang, so daß man ge­ra­de noch zwi­schen ih­nen hin­durch­ge­hen konn­te.

Bei­de En­den des Park­plat­zes wa­ren leer. Das Ge­bäu­de selbst und die an­de­ren Bau­ten des Of­fi­ziers­blocks dös­ten schein­bar ver­las­sen im Nach­mit­tags­son­nen­schein. Die meis­ten Be­woh­ner des Of­fi­zier­s­quar­tiers wa­ren zu die­ser Zeit bei der Ar­beit, nah­men ein spä­tes Mit­tages­sen ein oder hiel­ten einen kur­z­en Nach­mit­tags­schlaf. Wäh­rend sich der Wa­gen dem Tor des Park­plat­zes nä­her­te, hob Cle­tus den Blick, und sah, wie der Son­nen­schein einen me­tal­li­schen Ge­gen­stand di­rekt un­ter­halb des Dachran­des über dem Hauptein­gang des Of­fi­zier­s­quar­tiers be­leuch­te­te.

Cle­tus be­trach­te­te die Zwei­er­rei­he der Wa­gen mit ih­ren lee­ren Fens­tern, die oh­ne Luft­kis­sen flach auf dem Ze­ment­bo­den des Park­plat­zes ruh­ten, und sei­ne Lip­pen wur­den schmal. Im sel­ben Au­gen­blick, als sie in den schma­len Gang zwi­schen den bei­den Wa­gen­rei­hen ein­bo­gen, war dort plötz­lich ein Ge­räusch, als wür­de je­mand über ih­ren Köp­fen ein ge­wal­ti­ges Stück Speck in ei­ner Pfan­ne bra­ten. Dann kam ein Wind­stoß hei­ßer Luft von oben her­ab wie aus dem Schlund ei­nes Dra­chen, und der Strahl ei­ner Ener­gie­waf­fe fraß sich in die Me­tall­sei­ten und die De­cke sei­nes Wa­gens, ähn­lich dem Gas­ke­gel ei­nes Ace­ty­len-Schweiß­ge­räts, der sich in ei­ne dün­ne Zinn­fo­lie hin­ein­brennt. Ar­vid wur­de schwer ge­gen Cle­tus ge­schleu­dert, wo­bei sei­ne Uni­formja­cke oben rechts et­was ab­be­kam. Der Wa­gen ge­riet au­ßer Kon­trol­le, schlit­ter­te nach rechts in ei­ne Parklücke zwi­schen zwei an­de­ren Wa­gen und ver­keil­te sich dort, wäh­rend er im­mer noch auf sei­nem Luft­kis­sen schweb­te.

Cle­tus wur­de von gren­zen­lo­sem Zorn er­faßt. Er hol­te die Pis­to­le aus Ar­vids Gür­tel, duck­te sich und stieß die Wagen­tür an sei­ner Sei­te auf. Dann tauch­te er im Raum zwi­schen sei­nem und dem par­ken­den Wa­gen un­ter. Er robb­te rasch hin­ter das Heck des Wa­gens, der zu sei­ner Lin­ken park­te. Flach aus­ge­streckt lug­te er um das Wa­gen­heck. Er sah einen Mann, hoch auf­ge­rich­tet, ei­ne Ener­gie­waf­fe in der Hand, der zwi­schen den par­ken­den Fahr­zeu­gen auf ihn zu­lief. Cle­tus feu­er­te, und der Mann fiel vorn­über. Cle­tus duck­te sich hin­ter den Wa­gen zu sei­ner Rech­ten und tauch­te dann im nächs­ten Zwi­schen­raum zwi­schen die­sem und dem nächs­ten Wa­gen un­ter.

Für einen Au­gen­blick schwie­gen die Waf­fen. Cle­tus dach­te an den Ton die­ser Waf­fe und an die Schä­den, die sie an sei­nem Wa­gen an­ge­rich­tet hat­te, und schätz­te, daß er es höchs­tens mit drei Geg­nern zu tun hat­te. Einen hat­te er be­reits aus­ge­schal­tet, blie­ben al­so nur noch zwei üb­rig. Cle­tus konn­te den Mann se­hen, den er nie­der­ge­schos­sen hat­te. Er lag im­mer noch auf dem Pflas­ter, sei­ne Waf­fe war ihm ent­glit­ten, wäh­rend sich das Son­nen­licht an dem durch­sich­ti­gen Lauf spie­gel­te. Cle­tus kroch zu­rück, öff­ne­te die Tür des Wa­gens zu sei­ner Rech­ten und klet­ter­te hin­ein. Wäh­rend er flach auf dem Bo­den des Wa­gens lag, ak­ti­vier­te er das Luft­kis­sen und setz­te den Wa­gen zu­rück.

So­bald der Wa­gen mit­ten un­ter den üb­ri­gen par­ken­den Wa­gen stand, stieg er auf der an­de­ren Sei­te aus. Im sel­ben Au­gen­blick tra­fen zwei Ener­gie­strah­len die ge­gen­über­lie­gen­de Sei­te und das Dach des Wa­gens hin­ter sei­nem Rücken. Er griff sich die zu Bo­den ge­fal­le­ne Strah­len­waf­fe und ver­steck­te sich hin­ter dem im­mer noch rol­len­den Wa­gen, bis die­ser in die an­de­re Wa­gen­rei­he knall­te. Dann tauch­te er in der nächs­ten Lücke un­ter und lug­te um das Heck ei­nes Wa­gens.

Die bei­den Schüt­zen wa­ren jetzt deut­lich zu se­hen. Sie stan­den un­ge­deckt Rücken an Rücken ne­ben dem Wa­gen, mit dem Cle­tus die an­de­ren Fahr­zeu­ge ge­rammt hat­te. Der ei­ne Mann war Cle­tus zu­ge­wandt, der an­de­re schau­te in die ent­ge­gen­ge­setz­te Rich­tung. Bei­de hiel­ten ih­re Waf­fe schuß­be­reit und such­ten die Zwi­schen­räu­me nach ir­gend­ei­nem Le­bens­zei­chen ab.

Cle­tus zog sich zu­rück, klemm­te die Strah­len­waf­fe un­ter sei­nen lin­ken El­len­bo­gen und schleu­der­te sei­ne Pis­to­le im ho­hen Bo­gen über die Köp­fe der bei­den Män­ner hin­weg, so daß die­se klir­rend ne­ben Cle­tus’ be­schä­dig­tem Wa­gen zu Bo­den fiel.

Die bei­den Män­ner wir­bel­ten her­um und blick­ten in die Rich­tung, aus der das Ge­räusch kam. Cle­tus er­hob sich, trat zwi­schen den bei­den ge­park­ten Wa­gen her­vor und streck­te die bei­den mit der Strah­len­waf­fe nie­der, die er im­mer noch in der Hand hielt.

Schwer at­mend lehn­te Cle­tus für ei­ne Se­kun­de ge­gen das Heck des Wa­gens, hin­ter dem er her­vor­ge­tre­ten war. Dann schleu­der­te er die Strah­len­waf­fe weg und hum­pel­te has­tig zu dem Wa­gen zu­rück, in dem Ar­vid im­mer noch lag.

Der Leut­nant war bei Be­wußt­sein, als Cle­tus bei ihm an­kam. Er hat­te rechts oben und an der Schul­ter Ver­bren­nun­gen da­von­ge­tra­gen, doch Wun­den, die ei­ne Strah­len­waf­fe schlug, schlos­sen sich meis­tens von selbst. Die Wun­de sah bö­se aus, aber sie blu­te­te nicht. Cle­tus hob ihn aus dem Wa­gen, leg­te ihn auf das Gras und be­gab sich dann ins Of­fi­zier­s­quar­tier, um das be­stürz­te Per­so­nal des Not­diens­tes um ärzt­li­che Hil­fe zu bit­ten.

„Gue­ril­las!“ ant­wor­te­te Cle­tus kurz an­ge­bun­den auf ih­re Fra­gen. „Drei Mann – und al­le drei sind tot. Aber mein Ad­ju­tant ist ver­wun­det. Kom­men Sie so schnell wie mög­lich.“

Er häng­te ein und kehr­te zu Ar­vid zu­rück, um zu se­hen, wie es ihm ging.

„Wie­so …“ flüs­ter­te Ar­vid, als sich Cle­tus über ihn beug­te.

„Ich ha­be Ih­nen be­reits ge­sagt, daß de­Ca­stries auf Num­mer Si­cher ge­hen will“, sag­te Cle­tus. „Blei­ben Sie ru­hig lie­gen und re­den Sie nicht.“

Dann traf plötz­lich die Am­bu­lanz des Mi­li­tär­hos­pi­tals ein, und ihr Schat­ten fiel über sie wie der Schat­ten ei­nes Fal­ken, der vom Him­mel her­ab­stößt, be­vor der Hub­schrau­ber ne­ben ih­nen im Gras lan­de­te. Weiß­ge­klei­de­te Pfle­ger und Ärz­te stie­gen aus, und Cle­tus er­hob sich.

„Das ist Leut­nant John­son, mein Ad­ju­tant“, sag­te Cle­tus. „Pas­sen Sie gut auf ihn auf. Die drei Gue­ril­las auf dem Park­platz sind tot. Ich wer­de spä­ter einen Be­richt schrei­ben – aber jetzt muß ich ge­hen. Kom­men Sie al­lein zu­recht?“

„Ja­wohl, Sir“, sag­te der dienst­tu­en­de Arzt, ein äl­te­rer Mann mit den gol­de­nen und schwar­zen Strei­fen ei­nes Stabs­feld­we­bels am Kra­gen. „Wir wer­den ihn ver­sor­gen.“

„Gut“, sag­te Cle­tus.

Er dreh­te sich um, oh­ne ein wei­te­res Wort an Ar­vid zu rich­ten, be­trat das Of­fi­zier­s­quar­tier und be­gab sich durch die Hal­le in sei­ne ei­ge­ne Un­ter­kunft. Er zog sich schnell um, schlüpf­te in ei­ne Kampf­mon­tur und leg­te die Waf­fen­gur­te an. Als er wie­der her­aus­kam, hat­te man Ar­vid be­reits ins Kran­ken­haus ge­bracht und die drei Schüt­zen auf dem Ra­sen aus­ge­streckt. Sie tru­gen ge­wöhn­li­che Zi­vil­klei­dung, wie man sie in den Stra­ßen von Bak­hal­la häu­fig zu se­hen be­kam, aber die un­te­re Ge­sichts­hälf­te war blaß im Ge­gen­satz zu ih­rer son­nen­ge­bräun­ten Stirn, ein Zei­chen da­für, daß sie ih­re Neu­län­der-Voll­bär­te erst vor kur­z­em ab­ra­siert hat­ten.

Cle­tus ver­such­te sei­nen Dienst­wa­gen zu star­ten, fand ihn be­triebs­be­reit und star­te­te in Rich­tung Dor­sai-Ge­biet.

Dort an­ge­kom­men, stell­te er fest, daß die zu­rück­ge­kehr­ten Dor­sai-Trup­pen feld­marsch­mä­ßig aus­ge­rüs­tet auf dem Übungs­ge­län­de be­reit­stan­den und auf ih­ren Rück­trans­port nach Zwei­strom war­te­ten. Cle­tus be­gab sich di­rekt zum pro­vi­so­ri­schen Haupt­quar­tier, das am Ran­de des Übungs­ge­län­des er­rich­tet wor­den war und stieß dort auf Oberst­leut­nant Mar­cus Dodds.

„Ha­ben Sie be­reits mit dem Rück­trans­port be­gon­nen?“ frag­te Cle­tus im sel­ben Au­gen­blick, als ihn Dodds er­blick­te.

„Nein, Oberst“, er­wi­der­te der hoch­ge­schos­se­ne, ha­ge­re Mann. „Aber es wä­re zu über­le­gen, ob wir nicht in Kür­ze ein paar Leu­te hin­schi­cken soll­ten. Wenn es sich um Luft­lan­de­trup­pen han­delt, die nach An­bruch der Dun­kel­heit über Zwei­strom ab­sprin­gen sol­len, dann be­steht die Ge­fahr, daß ein Groß­teil von ih­nen im Fluß lan­det. Bei Ta­ges­an­bruch aber wer­den die Neu­län­der in bei­den Fluß­tä­lern ober­halb der Stadt be­reits in Stel­lung ge­gan­gen sein. Dann dürf­te es ih­nen nicht schwer­fal­len, sich un­se­re Lan­de­ab­tei­lun­gen ein­zeln vor­zu­neh­men.“

„Ma­chen Sie sich dar­über kei­ne Ge­dan­ken“, sag­te Cle­tus brüsk. „Wir wer­den auf kei­nen Fall über der Stadt ab­sprin­gen.“

Marc Dodds Au­gen­brau­en glit­ten in sei­nem schma­len brau­nen Ge­sicht in die Hö­he. „Al­so kei­ner­lei Un­ter­stüt­zung …“

„Wir wer­den Ih­nen schon bei­ste­hen“, ver­setz­te Cle­tus. „Aber auf an­de­re Art. Wie vie­le Leu­te, die zu­rück­ge­schickt und be­ur­laubt wur­den, sind noch drau­ßen?“

„Al­les in al­lem nicht mehr als ei­ne hal­be Kom­pa­nie. Sie ha­ben von dem Vor­fall ge­hört und keh­ren all­mäh­lich frei­wil­lig zu­rück“, sag­te Marc. „Kein Dor­sai wird den an­de­ren im Stich las­sen, wenn er nur ir­gend­wie hel­fen kann …“

Er wur­de durch das Läu­ten des Te­le­fons un­ter­bro­chen, das auf sei­nem Feld­tisch stand. Er hob ab und hör­te einen Au­gen­blick wort­los zu.

„Einen Au­gen­blick bit­te“, sag­te er, ließ den Hö­rer sin­ken und drück­te auf einen Knopf. „Es ist für Sie. Oberst Ivor Dup­lei­ne – Ge­ne­ral Tray­nors Stabs­chef.“

Cle­tus streck­te die Hand aus, und Marc über­reich­te ihm den Hö­rer.

„Hier Oberst Gra­ha­me“, sag­te Cle­tus in das Mund­stück. Auf dem win­zi­gen Bild­schirm ne­ben Cle­tus’ Dau­men er­schi­en das cho­le­ri­sche Ge­sicht Dup­leins.

„Gra­ha­me!“ don­ner­te Dup­leins Stim­me in sein Ohr. „Hier spricht Oberst Dup­lei­ne. Die Neu­län­der ha­ben die Gren­ze beim Et­ter-Paß über­schrit­ten und ge­hen um Zwei­strom her­um in Stel­lung. Ha­ben sie dort noch ir­gend­wel­che Dor­sai-Trup­pen sta­tio­niert?“

„Ein paar Kom­pa­ni­en in der Stadt“, sag­te Cle­tus.

„Nur ein paar? Dann ist es halb so schlimm!“ sag­te Dup­lei­ne. „Gut, hö­ren Sie zu. Die­se Dor­sai schei­nen ganz aus dem Häus­chen zu sein. Sie dür­fen oh­ne aus­drück­li­chen Be­fehl nichts ge­gen die­se Neu­län­der un­ter­neh­men. Die­ser Be­fehl kommt di­rekt von Ge­ne­ral Tray­nor. Ha­ben Sie ver­stan­den? Sie wer­den hübsch brav ab­war­ten, bis Sie von mir oder vom Ge­ne­ral hö­ren.“

„Ich den­ke nicht dar­an“, sag­te Cle­tus.

Einen Au­gen­blick herrsch­te To­ten­stil­le am an­de­ren En­de der Lei­tung. Dup­lei­nes Ge­sicht starr­te Cle­tus vom Bild­schirm her an.

„Wie? Was ha­ben Sie ge­sagt?“ schnapp­te Dup­lei­ne schließ­lich.

„Ich darf Sie dar­an er­in­nern, Oberst“, er­wi­der­te Cle­tus ru­hig, „daß mir der Ge­ne­ral das Kom­man­do über die­se Dor­sai über­tra­gen hat und daß ich nur ihm al­lein ver­ant­wort­lich bin.“

„Sie … aber das ist doch ein Be­fehl des Ge­ne­rals, Gra­ha­me! Ha­ben Sie nicht zu­ge­hört?“ Beim letz­ten Wort über­schlug sich Dup­lei­nes Stim­me.

„Da­für gibt es kei­nen Be­weis, Oberst“, mein­te Cle­tus im glei­chen un­er­schüt­ter­li­chen Ton. „Ich neh­me mei­ne Be­feh­le nur vom Ge­ne­ral per­sön­lich ent­ge­gen. Wenn mir der Ge­ne­ral das­sel­be sagt wie Sie, wer­de ich mich glück­lich schät­zen zu ge­hor­chen.“

„Sie sind über­ge­schnappt!“ Ei­ne Wei­le starr­te er Cle­tus sprach­los an. Als er wie­der zu spre­chen be­gann, klang sei­ne Stim­me tiefer, ge­faß­ter und ge­fähr­lich. „Ich hof­fe, Sie sind sich dar­über im kla­ren, Oberst, was es be­deu­tet, einen sol­chen Be­fehl zu ver­wei­gern. Ich ge­be Ih­nen fünf Mi­nu­ten Be­denk­zeit. Wenn ich dann nichts von Ih­nen hö­re, se­he ich mich ge­zwun­gen, Ih­re Ant­wort dem Ge­ne­ral wört­lich zu über­brin­gen. Über­le­gen Sie sich’s.“

Der klei­ne Bild­schirm wur­de dun­kel, und im Hö­rer klick­te es. Cle­tus leg­te auf.

„Wo steht Ihr Kar­ten­pro­jek­tor?“ frag­te er Marc.

„Gleich dort drü­ben“, er­wi­der­te Marc und führ­te ihn durch das Zim­mer zu ei­nem ho­ri­zon­ta­len Bild­schirm­tisch, un­ter dem ein Pro­jek­tor be­fes­tigt war. Auf dem Bild­schirm war ei­ne Kar­te des Ge­bie­tes rund um den Et­ter-Paß zu se­hen. Am Tisch an­ge­kom­men, leg­te Cle­tus den Fin­ger auf die mar­kier­te Stel­le bei Zwei­strom, wo sich der Milch­fluß und der Blaue Fluß ver­ei­nig­ten.

„Bis mor­gen bei Ta­ges­an­bruch“, sag­te er zu Marc, „wird der Kom­man­dant der Neu­län­der, wer auch im­mer es sein mag, in der La­ge sein wol­len, un­se­re Trup­pen in der Stadt an­zu­grei­fen. Das heißt“, Cle­tus zeich­ne­te mit dem Fin­ger huf­ei­sen­ar­ti­ge Li­ni­en, de­ren of­fe­ne En­den fluß­ab­wärts in Rich­tung der bei­den Fluß­tä­ler di­rekt ober­halb der Stadt zeig­ten, „un­se­re Leu­te müs­sen be­reit sein, als Luft­lan­de­trup­pen zu ope­rie­ren – schließ­lich ha­ben sie ih­re ent­spre­chen­de Aus­bil­dung ge­ra­de ab­ge­schlos­sen –, und zwar di­rekt fluß­auf­wärts von die­sen bei­den Po­si­tio­nen, die ei­ni­ger­ma­ßen si­cher sind, da die Neu­län­der ih­re Auf­merk­sam­keit al­le­samt fluß­ab­wärts rich­ten dürf­ten. Wenn ich gut un­ter­rich­tet bin, ver­fü­gen die Neu­län­der eben­so­we­nig über ei­ne schlag­kräf­ti­ge Ar­til­le­rie wie wir. Stimmt das?“

„Stimmt ge­nau, Sir“, sag­te Marc. „Kul­tis ist ei­ne je­ner Wel­ten, wo ein un­ge­schrie­be­nes Über­ein­kom­men mit der Ko­ali­ti­on exis­tiert, un­se­re Ver­bün­de­ten oder un­se­re Trup­pen, die zu­sam­men mit un­se­ren Ver­bün­de­ten sta­tio­niert sind, nur mit trag­ba­ren Waf­fen zu be­lie­fern. So­weit uns be­kannt ist, hat sich die Ge­gen­sei­te an die­se Ver­ein­ba­rung ge­hal­ten, zu­min­dest was die Neu­län­der be­trifft. In der Tat brau­chen sie eben­so wie wir nichts wei­ter als Hand­feu­er­waf­fen, da bis­her al­le Kämp­fe nur mit Hil­fe ein­hei­mi­scher Gue­ril­las aus­ge­tra­gen wur­den. Wahr­schein­lich tra­gen ih­re Leu­te ku­gel­si­che­re Wes­ten, Strah­len­waf­fen und Ab­schuß­ge­rä­te für Ra­ke­ten und Brand­bom­ben …“

Die bei­den leg­ten die mög­li­chen zu­künf­ti­gen Po­si­tio­nen der Neu­län­der-Trup­pen fest, be­son­ders die Stel­lun­gen der­je­ni­gen, die mit Ab­schuß­ge­rä­ten und Spe­zi­al­waf­fen aus­ge­rüs­tet wa­ren. Wäh­rend sie noch am Über­le­gen wa­ren, wur­den sie häu­fig von dem end­lo­sen Strom von Be­feh­len un­ter­bro­chen, der vom und zum Feld­haupt­quar­tier floß.

Es war meh­re­re Stun­den nach Son­nen­un­ter­gang, als ei­ner der Jung­of­fi­zie­re Cle­tus vor­sich­tig auf den El­len­bo­gen tipp­te und ihm den Hö­rer ent­ge­gen­hielt.

„Da ist wie­der Oberst Dup­lei­ne, Sir“, sag­te der Of­fi­zier.

Cle­tus nahm den Hö­rer und be­trach­te­te das Ge­sicht des Obersts auf dem Bild­schirm. Dup­lei­ne sah ziem­lich ver­stört und hohl­wan­gig aus.

„Nun, Oberst?“ frag­te Cle­tus.

„Gra­ha­me …“ setz­te Dup­lei­ne ziem­lich barsch an, dann brach er ab. „Ist je­mand bei Ih­nen?“

„Oberst Dodds von den Dor­sai“, er­wi­der­te Cle­tus.

„Könn­te ich Sie … pri­vat spre­chen?“ frag­te Dup­lei­ne, wäh­rend sei­ne Au­gen den Rand des Bild­schirms ab­such­ten, als ob er Marc fin­den woll­te, der au­ßer­halb des Auf­nah­me­be­reichs des Sen­sors stand. Marc zog die Brau­en hoch und mach­te An­stal­ten, sich ab­zu­wen­den. Cle­tus aber streck­te die Hand aus, um ihn dar­an zu hin­dern.

„Einen Au­gen­blick“, sag­te er. Dann dreh­te er sich um und sprach di­rekt ins Te­le­fon. „Ich ha­be Oberst Dodds ge­be­ten zu blei­ben. Ich fürch­te, ich brau­che einen Zeu­gen für das, was Sie mir mit­zu­tei­len ha­ben, Oberst.“

Dup­lei­ne mach­te ein lan­ges Ge­sicht. „Nun gut“, sag­te er, „viel­leicht hat es sich so­wie­so be­reits her­um­ge­spro­chen. Gra­ha­me … wir kön­nen Ge­ne­ral Tray­nor nicht fin­den.“

Cle­tus ließ einen Au­gen­blick ver­strei­chen, be­vor er ant­wor­te­te. „Ja und?“ sag­te er dann.

„Be­grei­fen Sie denn nicht?“ Dup­lei­ne hat­te of­fen­sicht­lich mit sich zu kämp­fen, um nicht laut zu wer­den, fuhr aber dann in ei­nem nor­ma­len Ton­fall fort: „Die Neu­län­der ha­ben nicht nur Gue­ril­las, son­dern re­gu­lä­re Trup­pen in das Land ein­ge­schleust. Sie grei­fen Zwei­strom an – und aus­ge­rech­net jetzt ist der Ge­ne­ral ab … nicht ver­füg­bar. Gra­ha­me, dies ist ein Not­fall! Sie wer­den ein­se­hen, daß Sie die Dor­sai­trup­pen hier nicht ab­zie­hen kön­nen und daß Sie zu ei­ner Be­spre­chung zu mir kom­men müs­sen.“

„Ich fürch­te, nein“, er­wi­der­te Cle­tus. „Es ist Frei­tag­abend. Ge­ne­ral Tray­nor ist wahr­schein­lich zum Wo­chen­en­de weg­ge­fah­ren und hat ein­fach ver­ges­sen, Be­scheid zu sa­gen. Ich ha­be mich an sei­ne ur­sprüng­li­chen Be­feh­le zu hal­ten, und mir bleibt kei­ne an­de­re Wahl, als über die Dor­sai nach Be­lie­ben zu ver­fü­gen.“

„Sie glau­ben doch selbst nicht, daß er so et­was tun wür­de …“ Dup­lei­ne brach ab, weil er sich ein­fach nicht mehr be­herr­schen konn­te. „Nach den Be­rich­ten, die mir vor­lie­gen, hät­ten die Gue­ril­las Sie um ein Haar ge­tö­tet! Sagt es Ih­nen gar nichts, daß sie Ener­gie­waf­fen statt Sport­ge­weh­re tru­gen? Sie wis­sen ge­nau, daß die Neu­län­der-Gue­ril­las stets nur Waf­fen tra­gen, die für Zi­vi­lis­ten zu­ge­las­sen sind, so daß man sie, wenn man sie er­wi­scht, nicht nach dem Kriegs­recht be­stra­fen kann. Sagt Ih­nen die Tat­sa­che gar nichts, daß drei Leu­te, die mit Strah­len­waf­fen aus­ge­rüs­tet wa­ren, ver­sucht ha­ben, Sie zu tö­ten?“

„Wer auch im­mer die Be­feh­le auf Sei­ten der Neu­län­der gibt“, sag­te Cle­tus, „woll­te mich als Kom­man­deur der Dor­sai-Trup­pen, aus­schal­ten“, sag­te Cle­tus. „Wenn die mich al­so nicht als Kom­man­deur se­hen wol­len, ist es am bes­ten, wenn ich wei­ter kom­man­die­re.“

Dup­lei­ne blick­te ihn mü­de über den Bild­schirm an. „Ich war­ne Sie, Gra­ha­me!“ mein­te er. „Wenn Tray­nor ir­gend et­was zu­ge­sto­ßen ist oder wenn wir ihn in­ner­halb der nächs­ten Stun­den nicht fin­den kön­nen, dann wer­de ich das Not­kom­man­do der Streit­kräf­te der Al­li­anz selbst über­neh­men. Und das ers­te, was ich tun wer­de, wird sein, Fle­der­maus’ Voll­mach­ten zu wi­der­ru­fen und Sie un­ter Ar­rest zu stel­len!“

Der klei­ne Bild­schirm am Te­le­fon wur­de dun­kel, die Stim­me erstarb. Cle­tus leg­te den Hö­rer mü­de auf und rieb sich die Au­gen. Dann wand­te er sich an Mar­cus Dodd.

„Al­so gut, Marc“, sag­te er. „Wir wol­len nicht mehr län­ger war­ten. Se­hen wir zu, daß wir un­se­re Leu­te wie­der nach Zwei­strom ver­frach­ten.“