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Der jun­ge Oberst­leut­nant war of­fen­sicht­lich be­trun­ken und schi­en un­auf­halt­sam auf ei­ne Ka­ta­stro­phe zu­zu­steu­ern.

Er hum­pel­te in den Spei­se­saal des Raum­schif­fes an die­sem ers­ten Abend des Flug­es von Den­ver nach Kul­tis. Die Brust sei­ner grü­nen Uni­form war mit Or­dens­span­gen be­setzt. Er war groß und ha­ger, fast zu jung für den Rang, den er im Ex­pe­di­ti­ons­korps der West­li­chen Al­li­anz be­klei­de­te. Auf den ers­ten Blick mach­te er einen freund­li­chen, wenn nicht gar harm­lo­sen Ein­druck.

Ei­ni­ge Se­kun­den lang ließ er den Blick durch den Raum schwei­fen, wäh­rend der Ste­ward ver­geb­lich ver­such­te, ihn zu ei­ner na­he ge­le­ge­nen Ni­sche zu lot­sen, in der für ei­ne Per­son ge­deckt war. Doch der jun­ge Of­fi­zier igno­rier­te den Ste­ward und schoß auf den Tisch von Dow de­Ca­stries zu.

Der klei­ne, reiz­ba­re Mann, den man Pa­ter Ten nann­te und der nur sel­ten von de­Ca­stries’ Sei­te wich, glitt von sei­nem Stuhl, wäh­rend sich der Of­fi­zier dem Tisch nä­her­te, und ging auf den Ste­ward zu, wo­bei er gar nicht erst ver­such­te, sei­ne Ab­scheu ge­gen­über dem Uni­for­mier­ten zu ver­ber­gen. Pa­ter Ten ging auf den Ste­ward zu, und die­ser beug­te sich vor, um ihm sein Ohr zu lei­hen. Die bei­den tu­schel­ten ei­ne Wei­le mit­ein­an­der, wäh­rend sie dem jun­gen Of­fi­zier im­mer wie­der einen Blick über die Schul­ter zu­war­fen. Dann ver­lie­ßen sie schnel­len Schrit­tes den Spei­se­saal.

Der Oberst­leut­nant war in­zwi­schen am Tisch ge­lan­det, an­gel­te sich einen frei­en Schwe­be­ses­sel vom Ne­ben­tisch und nahm, oh­ne ei­ne Ein­la­dung ab­zu­war­ten, dem hüb­schen braun­haa­ri­gen Mäd­chen ge­gen­über Platz, das de­Ca­stries zur Lin­ken saß.

„Das Vor­recht des ers­ten Abends an Bord, ha­be ich mir sa­gen las­sen“, be­grüß­te er freund­lich die Ta­fel­run­de. „Man setzt sich beim Abendes­sen an einen be­lie­bi­gen Tisch und lernt sei­ne Mit­rei­sen­den ken­nen. Wie geht’s al­ler­seits?“

Ei­ne Se­kun­de lang herrsch­te Schwei­gen. Nur de­Ca­stries lä­chel­te, ein dün­nes Lä­cheln, das kaum die Lip­pen in sei­nem sonst an­ge­neh­men Ge­sicht kräu­sel­te. Sein Ge­sicht war von schwar­zem Haar um­rahmt, das an den Schlä­fen be­reits grau wur­de. De­Ca­stries, seit nun­mehr fünf Jah­ren Mi­nis­ter für au­ßer­ir­di­sche An­ge­le­gen­hei­ten der Ko­ali­ti­on, war für sei­ne Er­fol­ge bei Frau­en be­kannt. Der Blick sei­ner dunklen Au­gen ruh­te un­ent­wegt auf dem braun­haa­ri­gen Mäd­chen, seit er sie, zu­sam­men mit ih­rem Va­ter, ei­nem Söld­ner, und ei­nem vor­neh­men Exo­ten, dem drit­ten im Bun­de, an sei­nen Tisch ge­be­ten hat­te. Sein Lä­cheln war kei­nes­wegs dro­hend, doch das Mäd­chen run­zel­te die Stirn und leg­te un­will­kür­lich die Hand auf den Arm ih­res Va­ters, der sich vor­ge­beugt hat­te und zum Spre­chen an­setz­te.

„Oberst …“ Der Söld­ner, ein Be­rufs­sol­dat, trug das Em­blem ei­nes Of­fi­ziers der Dor­sai-Welt, die bei den Exo­ten von Bak­hal­la un­ter Ver­trag stan­den. Das dun­kel ge­tön­te Ant­litz mit dem steif ge­wichs­ten Schnurr­bart hät­te fast lä­cher­lich ge­wirkt, wä­re es nicht so aus­drucks­los und hart ge­we­sen wie ei­ne Pan­zer­plat­te. Er brach ab, als er die Hand sei­ner Toch­ter auf dem Är­mel spür­te, und wand­te sich ihr zu, doch ih­re Auf­merk­sam­keit war im­mer noch auf den Ein­dring­ling ge­rich­tet.

„Oberst“, sag­te sie, ih­rem Va­ter zu­vor­kom­mend, und ih­re jun­ge Stim­me hör­te sich nach den knap­pen Wor­ten des Va­ters ver­drieß­lich und gleich­zei­tig be­sorgt an, „mei­nen Sie nicht, daß Sie sich für ei­ne Wei­le hin­le­gen soll­ten?“

„Kei­nes­wegs“, sag­te der Oberst und blick­te zu ihr auf. Sie hielt den Atem an und kam sich plötz­lich ge­fan­gen vor, wie ein Vo­gel in der Hand ei­nes Rie­sen, beim stren­gen Blick die­ser grau­en Au­gen, der so gar nicht zu je­nem harm­lo­sen Ein­druck pas­sen woll­te, den der Oberst nach sei­nem Auf­tritt ge­macht hat­te. Die­se Au­gen mach­ten sie für einen Mo­ment hilf­los, so daß sie sich ur­plötz­lich oh­ne je­de Vor­war­nung be­wußt wur­de, daß sie ge­nau im Brenn­punkt sei­nes Blickes saß, nackt und bloß im Schein­wer­fer­licht die­ser Au­gen, die sie fast scham­los mus­ter­ten. „… das glau­be ich nicht“, ver­nahm sie er­neut sei­ne Stim­me.

Sie lehn­te sich zu­rück, zuck­te die brau­nen Schul­tern über dem grü­nen Abend­kleid und brach­te es schließ­lich fer­tig, ih­ren Blick von dem sei­nen zu lö­sen. Aus den Au­gen­win­keln sah sie, wie er sei­ne Bli­cke über den Tisch schwei­fen ließ, wie sein Au­ge von dem Exo­ten im blau­en Ge­wand über ih­ren Va­ter und über sie hin­weg zum an­de­ren En­de des Ti­sches wan­der­te, wo er am dun­kel­haa­ri­gen, im­mer noch ma­li­zi­ös lä­cheln­den de­Ca­stries haf­ten­blieb.

„Na­tür­lich ken­ne ich Sie, Herr Mi­nis­ter“, fuhr er fort, in­dem er das Wort an de­Ca­stries rich­te­te. „In der Tat, ich ha­be ab­sicht­lich die­sen Flug nach Kul­tis ge­bucht, um Sie zu tref­fen. Ich bin Cle­tus Gra­ha­me, bis vo­ri­gen Mo­nat Lei­ter der tak­ti­schen Ab­tei­lung bei der Mi­li­tär­aka­de­mie der West­li­chen Al­li­anz. Ich ha­be mich nach Kul­tis ver­set­zen las­sen – ge­nau­er nach Bak­hal­la auf Kul­tis.“

Sei­ne Au­gen hef­te­ten sich jetzt auf den Exo­ten. „Der Zahl­meis­ter sag­te mir, Sie sei­en Mon­dar, Ge­sand­ter von Kul­tis bei der En­kla­ve in St. Louis. Al­so ist Bak­hal­la Ih­re Hei­mat­stadt.“

„Bak­hal­la, die Haupt­stadt der Ko­lo­nie“, be­rich­tig­te der Exo­te, „seit jüngs­ter Zeit nicht mehr nur ir­gend­ei­ne Stadt, Oberst. Wir freu­en uns na­tür­lich al­le, Sie zu se­hen, Cle­tus. Glau­ben Sie wirk­lich, daß es für einen Of­fi­zier der Al­li­anz gut ist, sich mit den Leu­ten von der Ko­ali­ti­on ab­zu­ge­ben?“

„Hier an Bord – warum ei­gent­lich nicht?“ ver­setz­te Cle­tus Gra­ha­me mit strah­len­dem Lä­cheln. „Sie sit­zen hier beim Mi­nis­ter, und da­bei ist es die Ko­ali­ti­on, die Neu­land mit Waf­fen und Ge­rät ver­sorgt. Üb­ri­gens, wie ich schon sag­te, ist es mein ers­ter Abend hier drau­ßen.“

Mon­dar schüt­tel­te den Kopf. „Bak­hal­la und die Ko­ali­ti­on füh­ren kei­nen Krieg“, sag­te er. „Daß die Ko­ali­ti­on der Ko­lo­nie Neu­land et­was un­ter die Ar­me greift, ist et­was an­de­res.“

„Al­li­anz und Ko­ali­ti­on be­fin­den sich nicht im Kriegs­zu­stand“, mein­te Cle­tus. „Und die Tat­sa­che, daß die ei­ne oder die an­de­re Sei­te im kal­ten Krieg zwi­schen Ih­nen und Neu­land un­ter­stützt wird, steht auf ei­nem an­de­ren Blatt.“

„Das ist ziem­lich ab­we­gig …“, be­gann Mon­dar, aber er wur­de un­ter­bro­chen.

Da war ein Rau­nen im Raum, und die Kon­ver­sa­ti­on an den Ti­schen stock­te. Mitt­ler­wei­le wa­ren der Ste­ward und Pa­ter Ten im Schlepp­tau ei­nes hoch­ge­wach­se­nen Uni­for­mier­ten zu­rück­ge­kehrt, der die Rang­ab­zei­chen ei­nes Ers­ten Of­fi­ziers an Bord ei­nes Raum­schif­fes trug. Der Of­fi­zier trat an den Tisch und leg­te ei­ne Hand auf Cle­tus’ Schul­ter.

„Oberst“, sag­te er laut und deut­lich, „dies ist ein schwe­di­sches Schiff un­ter neu­tra­ler Flag­ge. Wir be­för­dern so­wohl Pas­sa­gie­re der Al­li­anz als auch sol­che der Ko­ali­ti­on, aber wir mö­gen kei­ne po­li­ti­schen Vor­fäl­le an Bord. Die­ser Tisch ist für den Ko­ali­ti­ons­mi­nis­ter für au­ßer­ir­di­sche An­ge­le­gen­hei­ten, Dow de­Ca­stries, re­ser­viert. Ihr Platz aber ist dort drü­ben …“

Aber Cle­tus hat­te ihm nicht mehr zu­ge­hört, seit­dem der Of­fi­zier zu spre­chen be­gon­nen hat­te. Er schau­te nur – und aus­schließ­lich – das Mäd­chen an, lä­chel­te ihr zu und hob fra­gend die Au­gen­brau­en, als woll­te er die letz­te Ent­schei­dung ihr über­las­sen. Sie aber mach­te kei­ne An­stal­ten, sich vom Tisch zu er­he­ben.

Das Mäd­chen er­wi­der­te sei­nen Blick, rühr­te sich aber nicht. Sie schau­ten sich einen Mo­ment lang an, dann schlug sie die Au­gen nie­der und wand­te sich an de Ca­stries.

„Dow …“ sag­te sie, den Schiff­s­of­fi­zier un­ter­bre­chend, der zu ei­ner Wie­der­ho­lung an­setz­te.

De­Ca­stries’ dün­nes Lä­cheln hell­te sich et­was auf. Auch er zog die Brau­en hoch, doch mit ei­ner an­de­ren Mie­ne als Cle­tus. Er ließ sich Zeit, wäh­rend ihn das Mäd­chen bit­tend an­schau­te, be­vor er sich an den Schiff­s­of­fi­zier wand­te.

„Schon gut“, sag­te er, wäh­rend sei­ne tie­fe, mu­si­ka­li­sche Stim­me die an­de­ren Stim­men über­tön­te. „Der Oberst hat le­dig­lich von sei­nem Recht Ge­brauch ge­macht, am ers­ten Abend sei­nen Tisch frei zu wäh­len.“

Das Ge­sicht des Schiff­s­of­fi­ziers lief rot an, sei­ne Hand glitt lang­sam von Cle­tus’ Schul­tern. Ir­gend­wie sah er jetzt we­ni­ger im­po­sant aus, eher et­was klein und falsch am Platz.

„Ja­wohl, Herr Mi­nis­ter“, sag­te er steif. „Ich ver­ste­he. Tut mir leid, Sie ge­stört zu ha­ben …“

Er warf einen haß­er­füll­ten Blick auf Pa­ter Ten, der aber den klei­nen Mann kaum mehr be­ein­druck­te als der Schat­ten ei­ner Re­gen­wol­ke, der auf glü­hen­des Ei­sen fällt. Wäh­rend er den Blick der üb­ri­gen Pas­sa­gie­re sorg­fäl­tig mied, wand­te er sich um und ver­ließ den Spei­se­raum. Der Ste­ward hat­te sich be­reits wäh­rend der ers­ten Wor­te de­Ca­stries ver­drückt. Pa­ter Ten setz­te sich wie­der auf sei­nen Stuhl und schau­te Cle­tus fins­ter an.

„Was die exo­ti­sche En­kla­ve in St. Louis be­trifft“, wand­te sich Cle­tus an Mon­dar – wo­bei er von den vor­her­ge­hen­den Er­eig­nis­sen we­nig be­ein­druckt zu sein schi­en –, „so war man so freund­lich, mir Bü­cher für mei­ne Re­cher­chen zu lei­hen.“

„Oh?“ Mon­dars Ge­sicht zeig­te höf­li­ches In­ter­es­se. „Sind Sie Schrift­stel­ler, Oberst?“

„Ge­lehr­ter“, er­wi­der­te Cle­tus. Sei­ne grau­en Au­gen haf­te­ten jetzt auf dem Exo­ten. „Ich ar­bei­te jetzt am vier­ten Band ei­nes zwan­zig­bän­di­gen Wer­kes, das ich vor drei Jah­ren be­gon­nen ha­be – über tak­ti­sche und stra­te­gi­sche Über­le­gun­gen. Doch das ist jetzt un­wich­tig. Dürf­te ich nun die an­de­ren Herr­schaf­ten ken­nen­ler­nen?“

Mon­dar nick­te. „Ich bin Mon­dar, wie Sie wis­sen.“

„Oberst Eachan Khan“, fuhr er fort und wand­te sich an den Dor­sai zu sei­ner Rech­ten, „darf ich Ih­nen Oberst­leut­nant Cle­tus Gra­ha­me von den Streit­kräf­ten der Al­li­anz vor­stel­len?“

„Es ist mir ei­ne Eh­re, Oberst“, sag­te Eachan Khan mit ab­ge­hack­tem, alt­mo­di­schen bri­ti­schen Ak­zent.

„Ganz mei­ner­seits, Sir“, ver­setz­te Cle­tus.

„Und Oberst Khans Toch­ter Me­lis­sa Khan“, sag­te Mon­dar.

„Hal­lo.“ Cle­tus lä­chel­te ihr er­neut zu.

„An­ge­nehm“, sag­te sie kühl.

„Un­se­ren Gast­ge­ber, Herrn Mi­nis­ter Dow de­Ca­stries, ha­ben Sie be­reits er­kannt“, sag­te Mon­dar. „Herr Mi­nis­ter – Oberst Cle­tus Gra­ha­me.“

„Ich fürch­te, es ist be­reits zu spät, Sie zum Abendes­sen ein­zu­la­den, Oberst“, mein­te de­Ca­stries mit dunk­ler Stim­me. „Wir al­le ha­ben be­reits ge­ges­sen.“ Er wink­te den Ste­ward her­an. „Darf ich Ih­nen ein Glas Wein an­bie­ten?“

„Und schließ­lich der Gent­le­man zur Rech­ten des Mi­nis­ters“, sag­te Mon­dar. „Er heißt Pa­ter Ten und hat ein ei­de­ti­sches Ge­dächt­nis, Oberst – er ist ein wan­deln­des Le­xi­kon, ei­ne Fund­gru­be in je­der Be­zie­hung.“

„Es freut mich, Sie ken­nen­zu­ler­nen, Herr Ten“, sag­te Cle­tus. „Viel­leicht läßt es sich ein­rich­ten, daß ich Sie mir an­stel­le von Buch­ma­te­ri­al bei der nächs­ten Ge­le­gen­heit aus­bor­ge.“

„Ge­ben Sie sich kei­ne Mü­he!“ mein­te Pa­ter Ten un­er­war­tet. Er hat­te ei­ne kräch­zen­de, ho­he, aber über­ra­schend tra­gen­de Stim­me. „Ich ha­be ih­re ers­ten drei Bän­de durch­ge­se­hen – nichts als wil­de Theo­ri­en, un­ter­mau­ert von auf­ge­wärm­ter Mi­li­tär­ge­schich­te. Man hät­te Sie aus der Aka­de­mie hin­aus­wer­fen müs­sen, wenn Sie nicht vor­her um Ih­re Ver­set­zung ge­be­ten hät­ten. Wie dem auch sei, Sie sind drau­ßen. Wer wird jetzt ih­re Sa­chen le­sen? Sie wer­den Ihr vier­tes Buch nie zu En­de brin­gen.“

„Wie ich Ih­nen schon sag­te“, durch­brach Mon­dar die Stil­le, die die­ser ver­ba­len Ex­plo­si­on folg­te. Cle­tus schau­te den klei­nen Mann mit ei­nem schwa­chen Lä­cheln an, das dem Lä­cheln de­Ca­stries’ von vor­hin glich. „Ten ist ein wan­deln­des Le­xi­kon.“

„Ich weiß, was Sie mei­nen“, er­wi­der­te Cle­tus. „Aber Wis­sen und Schluß­fol­ge­run­gen sind zwei Paar Schu­he. Dar­um wer­de ich al­le sech­zehn wei­te­ren Bän­de vollen­den, trotz der Zwei­fel von Herrn Ten. Dar­um bin ich nach Kul­tis auf­ge­bro­chen, um si­cher­zu­stel­len, daß ich das Werk vollen­den kann.“

„So ist’s rich­tig – ho­len Sie sich nur da drau­ßen kon­kur­renz­los Ih­re Lor­bee­ren“, krächz­te Pa­ter Ten. „Ge­win­nen Sie den Krieg in Bak­hal­la in sechs Wo­chen, und ma­chen Sie sich zum Hel­den der Al­li­anz.“

„Gar kei­ne schlech­te Idee“, sag­te Cle­tus, wäh­rend der Ste­ward ein sau­be­res Wein­glas vor ihn hin­stell­te und aus der Fla­sche mit der ka­na­ri­en­gel­ben Flüs­sig­keit ein­schenk­te. „Nur wird lang­fris­tig we­der die Ko­ali­ti­on noch die Al­li­anz ge­win­nen.“

„Das ist ei­ne schwer­wie­gen­de Fest­stel­lung, Oberst“, be­merk­te de­Ca­stries. „Au­ßer­dem riecht es ein biß­chen nach Hoch­ver­rat. Ich mei­ne die­sen Aus­spruch über die Al­li­anz –, aus dem Mun­de ei­nes Of­fi­ziers der Al­li­anz.“

„Mei­nen Sie wirk­lich?“ sag­te Cle­tus lä­chelnd. „Ist hier viel­leicht je­mand, der das mel­den möch­te?“

„Mög­li­cher­wei­se ja.“ De­Ca­stries’ Stim­me klang plötz­lich eis­kalt. „Üb­ri­gens ist es au­ßer­or­dent­lich in­ter­essant, Ih­nen zu­zu­hö­ren. Wie kom­men Sie dar­auf, daß we­der die Al­li­anz noch die Ko­ali­ti­on bei den Ko­lo­ni­en auf Kul­tis das Sa­gen ha­ben wird?“

„Die Ge­set­ze der ge­schicht­li­chen Ent­wick­lung“, sag­te Cle­tus, „ar­bei­ten auf ein sol­ches Ziel zu.“

„Ge­set­ze“, mein­te Me­lis­sa Khan zor­nig. Die Span­nung, die sie wäh­rend der Un­ter­hal­tung ge­spürt hat­te, war un­er­träg­lich ge­wor­den. „Warum den­ken al­le“ – und sie schenk­te ih­rem Va­ter einen kur­z­en, fast er­bit­ter­ten Blick –, „daß es ei­ne Rei­he von nicht prak­ti­zier­ba­ren Prin­zi­pi­en, Theo­ri­en oder Co­des gibt, de­nen sich je­der­mann zu fü­gen hat? Es sind doch die Leu­te der Pra­xis, die die Er­eig­nis­se len­ken! Heut­zu­ta­ge ist man ent­we­der prak­tisch ver­an­lagt, oder man kann gleich ein­pa­cken.“

„Me­lis­sa“, mein­te de­Ca­stries und lä­chel­te ihr zu, „hat et­was für prak­ti­sche Men­schen üb­rig. Ich fürch­te, ich muß ihr zu­stim­men. Die prak­ti­sche Er­fah­rung funk­tio­niert fast im­mer.“

„Im Ge­gen­satz zu ir­gend­wel­chen Theo­ri­en, Oberst“, warf Pa­ter Ten spöt­tisch ein, „im Ge­gen­satz zu ir­gend­wel­chen Schreib­tisch­theo­ri­en. War­ten Sie nur, bis Sie un­ter die prak­ti­zie­ren­den Of­fi­zie­re im Dschun­gel von Neu­land-Bak­hal­la ge­ra­ten, bis Sie an ei­nem prak­ti­schen Feu­er­ge­fecht teil­neh­men kön­nen und bis Sie ent­de­cken, was der Krieg wirk­lich be­deu­tet. War­ten Sie nur, bis die ers­ten Ener­gie­la­dun­gen über Ih­ren Kopf hin­weg­pfei­fen, und Sie wer­den bald er­ken­nen …“

„Er trägt die Eh­ren­me­dail­le der Al­li­anz, Herr Ten.“

Die Wor­te des Eachan Khan schnit­ten die Ti­ra­den des klei­nen Man­nes wie ei­ne Axt ab. Und im all­ge­mei­nen Schwei­gen deu­te­te Eachan mit sei­nem brau­nen Zei­ge­fin­ger auf die weiß­gol­de­ne Or­dens­span­ge, die Cle­tus’ Ja­cke zier­te.