21

 

Cle­tus er­wach­te am frü­hen Nach­mit­tag. Er fühl­te sich et­was steif und war leicht be­nom­men, zu­gleich aber aus­ge­ruht und hung­rig wie ein Wolf. Athyer war im­mer noch in tie­fen Schlaf ver­sun­ken und wirk­te wie ein Mensch in schwe­rer Nar­ko­se.

Cle­tus nahm et­was zu sich und ge­sell­te sich dann zu Swa­hi­li und Ar­vid.

„Wie vie­le Leu­te sind schon da?“ frag­te er Swa­hi­li.

„Bis auf sechs­und­zwan­zig Mann, die sich noch nicht ge­mel­det ha­ben, sind al­le da“, er­wi­der­te Swa­hi­li. „Die meis­ten sind in­ner­halb ei­ner Stun­de, nach­dem Sie hier auf­ge­taucht sind, ein­ge­trof­fen.“

Cle­tus nick­te. „Gut“, sag­te er. „Dann müß­ten sie aus­ge­schla­fen ge­nug sein, um in der Däm­me­rung zu ope­rie­ren. Wir kön­nen zu­nächst je­ne Leu­te ein­set­zen, die be­reits aus­ge­ruht sind. Das ers­te, was wir brau­chen, ist ein Flug­zeug.“

So ge­sch­ah es dann, daß ein Bro­za-LKW-Fah­rer, der auf den Luft­dü­sen die ein­zi­ge Stra­ße hin­ab­schweb­te, die in die klei­ne Berg­werk­sied­lung Was­ser­hüt­te führ­te, sich plötz­lich ei­nem hal­b­en Dut­zend be­waff­ne­ter Män­ner ge­gen­über­sah, die ihm den Weg ver­stell­ten. Die Män­ner tru­gen graublaue Uni­for­men mit der klei­nen blau­wei­ßen Flag­ge der VFG auf der rech­ten Brust­ta­sche. Ei­ner der Män­ner, ein hoch­ge­wach­se­ner, schlan­ker Of­fi­zier mit ei­nem Ster­nen­kreis auf den Schul­ter­stücken, stieg auf das Tritt­brett der Fah­rer­ka­bi­ne und öff­ne­te die Tür.

„Raus“, sag­te Cle­tus. „wir brau­chen den Wa­gen.“

Zwei Stun­den spä­ter, kurz vor Son­nen­un­ter­gang, fuhr der glei­che Las­ter in Was­ser­hüt­te ein, und zwar über ei­ne Stra­ße, auf der in den letz­ten zwei Stun­den auf­fal­lend we­nig Ver­kehr zu ver­zeich­nen war. In der Fah­rer­ka­bi­ne sa­ßen zwei Män­ner oh­ne Müt­ze und fuh­ren den Wa­gen di­rekt zu der klei­nen Po­li­zei­sta­ti­on, die in der Berg­werk­sied­lung für Ru­he und Ord­nung zu sor­gen hat­te.

Der Las­ter fuhr auf den Park­platz hin­ter dem Po­li­zei­ge­bäu­de, und ei­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter be­gann es im Ge­bäu­de zu ru­mo­ren. Doch bald wur­de es wie­der still, da­für aber be­gann die Feu­er­wehr­si­re­ne auf dem Dach wie ein gi­gan­ti­sches, ver­wun­de­tes Tier zu heu­len. Die Si­re­ne heul­te wei­ter, wäh­rend die Be­woh­ner des Or­tes aus ih­ren Häu­sern und sons­ti­gen Ge­bäu­den ström­ten und fest­stel­len muß­ten, daß der Ort um­zin­gelt war und in den Stra­ßen be­waff­ne­te Sol­da­ten mit blau­wei­ßen Flag­gen auf der rech­ten Brust­ta­sche ih­rer Uni­formja­cken pa­trouil­lier­ten. Als die Son­ne un­ter­ging, wuß­te be­reits die gan­ze Stadt, daß Was­ser­hüt­te von frem­den Trup­pen be­setzt war.

„Sie müs­sen über­ge­schnappt sein! Sie wer­den nie da­mit durch­kom­men!“ tob­te der Be­triebs­lei­ter der Stib­nit­mi­nen, als er zu­sam­men mit dem Bür­ger­meis­ter und dem Po­li­zei­chef in An­we­sen­heit von Cle­tus auf die Wa­che ge­bracht wur­de. „Die bro­za­ni­sche Ar­mee ist in Bro­za-Stadt sta­tio­niert – und das ist selbst auf dem Land­weg nur vier Stun­den von hier ent­fernt. In ei­ni­gen Stun­den wird man Sie hier auf­ge­stö­bert ha­ben, und dann …“

„Die wis­sen be­reits Be­scheid“, un­ter­brach ihn Cle­tus tro­cken. „Ei­nes der ers­ten Din­ge, die ich ge­tan ha­be, war, den Leu­ten über Po­li­zei­funk mit­zu­tei­len, daß wir Was­ser­hüt­te und die Mi­nen be­setzt ha­ben.“

Der Berg­werks­lei­ter starr­te ihn an. „Sie müs­sen ver­rückt sein“, sag­te er schließ­lich. „Glau­ben Sie wirk­lich, daß Ih­re fünf­hun­dert Mann ei­ni­gen Di­vi­sio­nen stand­hal­ten kön­nen?“

„Das wird wohl nicht nö­tig sein“, mein­te Cle­tus. „Auf je­den Fall ist es nicht Ihr Bier. Al­les, was ich von Ih­nen und die­sen bei­den an­de­ren Her­ren ver­lan­ge, ist, der Be­völ­ke­rung zu ver­si­chern, daß sie nicht in Ge­fahr ist, so­lan­ge sie die Stra­ßen mei­det und kei­nen Ver­such un­ter­nimmt, die Stadt zu ver­las­sen.“

Sein Ton­fall ließ er­ken­nen, daß er kei­ne wei­te­ren Ein­wän­de dul­den wür­de. Nach ei­ni­gen halb­her­zi­gen Pro­test­ver­su­chen er­klär­ten sich schließ­lich die drei Wür­den­trä­ger von Was­ser­hüt­te be­reit, ei­ne ent­spre­chen­de War­nung über das ört­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons­sys­tem zu ver­brei­ten – dann wur­den sie in der Po­li­zei­wa­che un­ter Ar­rest ge­stellt.

In­ner­halb von knapp zwei Stun­den rück­ten die ers­ten Ein­hei­ten der Bro­za-Streit­kräf­te an. Es han­del­te sich um einen Luft­trans­port, und die Trup­pen um­ring­ten die Sied­lung sehr schnell in ei­nem Um­kreis, der et­wa hun­dert Me­ter hin­ter der Gren­ze des Wal­des, der die Stadt um­gab, be­gann. Im Lauf der Nacht hör­te man wei­te­re Trup­pen, schwe­re Waf­fen und Pan­zer­fahr­zeu­ge an­rücken. In der Mor­gen­däm­me­rung ka­men Swa­hi­li und Cle­tus zu dem Schluß, daß na­he­zu ei­ne Di­vi­si­on bro­za­ni­scher Trup­pen, mit al­len denk­ba­ren Waf­fen, vom Busch­mes­ser bis zu Ener­gie­waf­fen aus­ge­stat­tet, Was­ser­hüt­te und die zwei­hun­dert Dor­sai ein­ge­schlos­sen hat­te, die den Ort be­setzt hiel­ten.

Swa­hi­li war gu­ten Mu­tes, als er den Feld­ste­cher Cle­tus zu­rück­gab, nach­dem er das Wald­ge­län­de ab­ge­sucht hat­te. Sie stan­den oben auf dem Kom­mu­ni­ka­ti­ons­turm be­ein­an­der, dem höchs­ten Ge­bäu­de der Stadt.

„Sie wer­den die schwe­ren Waf­fen mit Rück­sicht auf die Be­woh­ner nicht so oh­ne wei­te­res ein­set­zen“, mein­te Swa­hi­li. „Das be­deu­tet, sie müs­sen zu Fuß an­rücken, wahr­schein­lich von al­len Sei­ten gleich­zei­tig. Ich neh­me an, sie wer­den noch vor Ab­lauf ei­ner Stun­de an­grei­fen.“

„Da bin ich an­de­rer Mei­nung“, er­wi­der­te Cle­tus. „Ich glau­be, sie wer­den zu­nächst einen Par­la­men­tär schi­cken.“

Cle­tus soll­te recht be­hal­ten. Wäh­rend der ers­ten drei Mor­gen­stun­den un­ter­nah­men die bro­za­ni­schen Trup­pen gar nichts. Dann, ge­gen Mit­tag, als die wol­ken­ver­schlei­er­te Son­ne über New­ton die nörd­li­che Land­schaft wärm­te, tauch­te ein Wa­gen mit ei­ner wei­ßen Flag­ge aus den Schat­ten des Wal­des auf und fuhr über die Zu­fahrts­s­tra­ße in die Stadt. Der Wa­gen wur­de am Stadt­rand von Wa­ters­hed von Sol­da­ten emp­fan­gen, die man auf die­ses Tref­fen vor­be­rei­tet hat­te, und zur Po­li­zei­sta­ti­on ge­lei­tet. Dort stieg ein Ge­ne­ral An­fang Sech­zig aus, flan­kiert von ei­nem et­wa zehn Jah­re jün­ge­ren, rund­li­chen Mann mit den Rang­ab­zei­chen ei­nes Obersts, und die bei­den gin­gen ins Haus. Cle­tus emp­fing sie im Bü­ro des Po­li­zei­chefs.

„Ich bin ge­kom­men, um Ih­nen Be­din­gun­gen für ei­ne Über­ga­be an­zu­bie­ten …“ sag­te der Ge­ne­ral. Dann brach er ab und warf einen kur­z­en Blick auf Cle­tus’ Schul­ter­stücke. „Ich kann Ih­ren Rang nicht er­ken­nen.“

„Mar­schall“, er­wi­der­te Cle­tus. „Wir ha­ben erst kürz­lich un­se­re Or­ga­ni­sa­ti­on und un­se­re Rän­ge bei den Dor­sai re­vi­diert. Ich bin Mar­schall Cle­tus Gra­ha­me.“

„Oh? Ich bin Ge­ne­ral Ja­mes Van Das­sel. Und das hier ist Oberst Mor­ton Of­fer. Wie ge­sagt, wir sind ge­kom­men, um über die Be­din­gun­gen ei­ner Ka­pi­tu­la­ti­on zu ver­han­deln …“

„In die­sem Fall wä­re es kaum nö­tig ge­we­sen, daß Sie hier per­sön­lich er­schei­nen, Ge­ne­ral“, un­ter­brach ihn Cle­tus. „Sie wis­sen ge­nau, daß von ei­ner Ka­pi­tu­la­ti­on kei­ne Re­de sein kann.“

„Wirk­lich nicht?“ Van Das­sel zog die Au­gen­brau­en hoch, wo­bei er ver­such­te, höf­lich zu blei­ben. „Viel­leicht muß ich Ih­nen mit­tei­len, daß ei­ne gan­ze Di­vi­si­on, die mit schwe­ren Waf­fen aus­ge­rüs­tet ist, Ih­re Stel­lun­gen be­reits um­zin­gelt hat.“

„Die­se Tat­sa­che ist mir be­kannt“, sag­te Cle­tus. „Und auch, daß sich, wie Sie nur zu gut wis­sen, in­ner­halb un­se­rer Li­ni­en et­was mehr als fünf­tau­send Zi­vi­lis­ten be­fin­den.“

„Ja, und wir ma­chen Sie für die Si­cher­heit die­ser Men­schen ver­ant­wort­lich“, sag­te Van Das­sel. „Ich möch­te Sie war­nen: Wenn ih­nen auch nur ein Haar ge­krümmt wird, wer­den die äu­ßerst li­be­ra­len Ka­pi­tu­la­ti­ons­be­din­gun­gen, die wir an­zu­bie­ten ha­ben …“

„Stel­len Sie mei­ne Ge­duld nicht auf die Pro­be, Ge­ne­ral“, un­ter­brach ihn Cle­tus. „Wir hal­ten die­se Zi­vi­lis­ten als Gei­seln für den Fall feind­li­cher Ak­tio­nen Ih­rer Streit­kräf­te fest. Al­so las­sen Sie uns mit die­sem Un­sinn über un­se­re Ka­pi­tu­la­ti­on kei­ne Zeit mehr ver­geu­den. Ich ha­be Sie hier er­war­tet, um Sie über die so­for­ti­gen Schrit­te der VFG hin­sicht­lich Was­ser­hüt­te und der Mi­nen zu in­for­mie­ren. Wie Sie zwei­fel­los wis­sen, hat die VFG die­ses Ge­län­de von Bro­za ge­kauft und den Berg­bau­be­trieb auf­ge­baut. Der in­ter­na­tio­na­le Ge­richts­hof hier auf New­ton hat die Ent­eig­nung durch Bro­za für il­le­gal er­klärt und Bro­za ist dem Ge­richts­be­schluß, wo­nach die Mi­nen an die VFG zu­rück­zu­ge­ben sind, bis heu­te nicht nach­ge­kom­men. Un­se­re Ex­pe­di­ti­ons-Streit­kräf­te ha­ben die VFG be­reits da­von in Kennt­nis ge­setzt, daß sich die Mi­nen wie­der in ih­rem Be­sitz be­fin­den, und man hat mich in­for­miert, daß die ers­ten Kon­tin­gen­te der re­gu­lä­ren VFG-Trup­pen hier ab 18.00 Uhr ein­tref­fen wer­den, um mein Kom­man­do ab­zu­lö­sen und dann als stän­di­ge Be­sat­zungs­trup­pe zu fun­gie­ren …“ Cle­tus leg­te ei­ne Pau­se ein.

„Ich wer­de na­tür­lich nicht zu­las­sen, daß ir­gend­wel­che Be­sat­zungs­trup­pen hier ein­mar­schie­ren“, sag­te Van Das­sel mit bei­na­he mil­der Stim­me.

„Dann wür­de ich vor­schla­gen, daß Sie bei ih­rer po­li­ti­schen Füh­rung rück­fra­gen, be­vor Sie et­was un­ter­neh­men“, sag­te Cle­tus. „Ich wie­der­ho­le, daß wir die Stadt­be­völ­ke­rung als Gei­seln be­trach­ten, da­mit sich Ih­re Trup­pen an­stän­dig be­neh­men.“

„Und ich las­se mich nicht er­pres­sen“, mein­te Van Das­sel. „Ich ge­be Ih­nen zwei Stun­den Zeit, um Ih­re Ka­pi­tu­la­ti­ons­be­reit­schaft zu er­klä­ren.“

„Und ich, wie ge­sagt“, er­wi­der­te Cle­tus, „ma­che Sie für je­de feind­li­che Ak­ti­on Ih­res Kom­man­dos bis zur Ab­lö­sung durch die re­gu­lä­ren Trup­pen der VFG ver­ant­wort­lich.“

Nach ei­ner ge­gen­sei­ti­gen Er­klä­rung gin­gen sie höf­lich aus­ein­an­der. Van Das­sel und sein Oberst kehr­ten zu den bro­za­ni­schen Trup­pen zu­rück, die die Stadt um­zin­gel­ten, und Cle­tus rief Swa­hi­li und Ar­vid, um mit ih­nen zu Mit­tag zu es­sen.

„Was ge­schieht, wenn er be­schließt, uns an­zu­grei­fen, be­vor die Ver­stär­kung ein­trifft?“ frag­te Swa­hi­li.

„Das wird er nicht tun“, sag­te Cle­tus. „Sei­ne Si­tua­ti­on ist so schon schlimm ge­nug. Die Po­li­ti­ker der Bro­za wer­den ihn fra­gen, wie­so er zu­ge­las­sen hat, daß wir Was­ser­hüt­te und die Mi­nen be­set­zen. Viel­leicht kann er sich her­aus­re­den, so­weit es sei­ne Lauf­bahn be­trifft – aber nur, wenn die Bro­za kei­ne Ver­lus­te zu be­kla­gen ha­ben. Er ist sich dar­über im kla­ren, daß ich das ge­nau­so­gut weiß wie er. Al­so wird Van Das­sel hübsch fried­lich blei­ben.“

Und Van Das­sel rühr­te sich tat­säch­lich nicht. Sei­ne Di­vi­si­on, die Was­ser­hüt­te um­zin­gel­te, blieb ru­hig, wäh­rend der Ka­pi­tu­la­ti­ons­ter­min ver­strich und die Trup­pen der VFG ein­ge­flo­gen wur­den. Im Lau­fe der nächs­ten Nacht zog er sei­ne Streit­kräf­te laut­los zu­rück. Bei Son­nen­auf­gang, als die frisch ge­lan­de­ten VFG-Trup­pen in ei­nem Wald­stück ein La­ger er­rich­te­ten, war in ei­nem Um­kreis von zwei­hun­dert Mei­len kein bro­za­ni­scher Sol­dat mehr zu er­bli­cken.

„Aus­ge­zeich­net!“ rief Wal­co be­geis­tert aus, als er mit dem Rest sei­ner Trup­pen in Was­ser­hüt­te ein­traf und in das Bü­ro ge­be­ten wur­de, das Cle­tus auf der Po­li­zei­wa­che über­nom­men hat­te. „Sie und Ih­re Dor­sai ha­ben ein groß­ar­ti­ges Werk voll­bracht. Sie kön­nen je­der­zeit ab­rücken.“

„So­bald wir un­se­ren Sold er­hal­ten ha­ben“, ver­setz­te Cle­tus.

Wal­co lä­chel­te dünn. „Ich dach­te mir schon, daß Sie auf das Geld scharf sind“, sag­te er. „Al­so ha­be ich es gleich mit­ge­bracht.“

Er stell­te ei­ne schma­le Ak­ten­ta­sche auf den Tisch, hol­te ei­ne Emp­fangs­be­schei­ni­gung her­vor, über­reich­te sie Cle­tus und be­gann dann, Gold­zer­ti­fi­ka­te aus­zu­pa­cken, die er auf dem Tisch vor Cle­tus sta­pel­te.

Cle­tus igno­rier­te das For­mu­lar und schau­te ru­hig zu, wie der Hau­fen von Zer­ti­fi­ka­ten im­mer grö­ßer wur­de. Als dann Wal­co das letz­te Zer­ti­fi­kat auf den Sta­pel leg­te und mit ei­nem brei­ten Lä­cheln zu Cle­tus auf­blick­te, wur­de sein Lä­cheln nicht er­wi­dert.

„Das ist we­ni­ger als die Hälf­te des­sen, was wir aus­ge­macht ha­ben“, sag­te Cle­tus.

Wal­co lä­chel­te im­mer noch. „Das stimmt“, ver­setz­te er. „Doch im Ori­gi­nal­ver­trag war ei­ne Be­schäf­ti­gungs­dau­er von drei Mo­na­ten vor­ge­se­hen. Nun hat es sich aber er­ge­ben, daß sie in der glück­li­chen La­ge wa­ren, Ihr Ziel in­ner­halb ei­ner knap­pen Wo­che zu er­rei­chen, wo­bei Sie nur ein Vier­tel Ih­rer Streit­kräf­te zum Ein­satz brach­ten. Wir ha­ben den vol­len Sold für die gan­ze Wo­che be­rech­net, und zwar für al­le fünf­hun­dert Mann, die im Ein­satz wa­ren. Au­ßer­dem be­zah­len wir einen Gar­ni­sons­zu­schlag, und zwar nicht nur für den Rest Ih­rer Mann­schaft für die­se Wo­che, son­dern auch für Ih­re ge­sam­te Streit­kraft für die­sen Mo­nat – ge­wis­ser­ma­ßen als ei­ne Art Bo­nus.“

Cle­tus schau­te ihn viel­sa­gend an, und Wal­cos Lä­cheln ver­blaß­te.

„Ich bin si­cher, daß Sie sich so gut wie ich er­in­nern kön­nen“, sag­te Cle­tus kühl, „daß der Ver­trag für zwei­tau­send Mann und ein Vier­tel­jahr ab­ge­schlos­sen wur­de und vol­le Be­zah­lung für al­le vor­sieht – und kei­ne Ver­gü­tung für den Fall, wenn wir nicht in der La­ge sind, die Stib­nit­mi­nen an Sie zu über­ge­ben. Wie vie­le Leu­te und wie­viel Zeit ich da­für ge­braucht ha­be, ist mei­ne Sa­che. Ich er­war­te die vol­le Be­zah­lung für mein gan­zes Kom­man­do, und zwar um­ge­hend.“

„Das kommt na­tür­lich über­haupt nicht in Fra­ge“, sag­te Wal­co kurz an­ge­bun­den.

„Da bin ich aber an­de­rer Mei­nung“, ver­setz­te Cle­tus. „Viel­leicht darf ich Sie an et­was er­in­nern: Ich sag­te Ge­ne­ral Van Das­sel, dem bro­za­ni­schen Kom­man­deur, der uns hier ein­ge­schlos­sen hat­te, die Zi­vi­lis­ten von Was­ser­hüt­te wür­den als Gei­seln fest­ge­hal­ten, um zu er­rei­chen, daß sich sei­ne Trup­pen an­stän­dig ver­hal­ten. Wie es scheint, muß ich Sie dar­an er­in­nern, daß die­se Gei­seln sich im­mer noch in un­se­rer Ge­walt be­fin­den – dies­mal die­nen sie dem Zweck, Sie zu ei­nem an­stän­di­gen Be­neh­men zu ver­an­las­sen.“

Wal­cos Ge­sicht straff­te sich. „Sie wer­den doch ei­nem Zi­vi­lis­ten nichts an­tun!“ sag­te er dann.

„Ge­ne­ral Van Das­sel nimmt es aber an“, er­wi­der­te Cle­tus. „Nun, ich per­sön­lich ge­be Ih­nen mein Wort als Dor­sai – und die­ses Wort wird sich im Lauf der Zeit als wert­vol­ler er­wei­sen als ein un­ter­zeich­ne­ter Ver­trag –, daß kei­nem Zi­vi­lis­ten auch nur ein Haar ge­krümmt wird. Aber ha­ben Sie den Mut, mir zu glau­ben? Wenn ich lü­ge und wenn die Über­nah­me der Mi­nen mit ei­nem Blut­bad ein­her­geht, das un­ter den Be­woh­nern die­ser Stadt an­ge­rich­tet wird, so wer­den Ih­re Chan­cen, mit Bro­za zu ei­ner Ei­ni­gung über die­se Mi­nen zu kom­men, in Rauch auf­ge­hen. An­statt mit dem Vo­gel in der Hand zu ver­han­deln, wer­den Sie sich ei­ner Ko­lo­nie ge­gen­über­se­hen, die nichts wei­ter im Sinn hat, als Ra­che zu üben – Ra­che für ei­ne Ak­ti­on, die von je­der zi­vi­li­sier­ten Ge­sell­schaft ver­ur­teilt wer­den wird.“

Wal­co stand da und starr­te ihn an. „Das dort ist al­les, was ich ha­be“, brach­te er schließ­lich her­vor.

„Wir kön­nen war­ten“, er­wi­der­te Cle­tus. „Sie kön­nen ja wie­der zu­rück­flie­gen, die feh­len­den Zer­ti­fi­ka­te ho­len und spä­tes­tens bis zum Mit­tag zu­rück sein.“

Wal­co ver­ließ ihn mit hän­gen­den Schul­tern. Nach­dem er die Trep­pen zum Flug­zeug hin­auf­ge­schrit­ten war, das ihn hier­her­ge­bracht hat­te, wand­te er sich je­doch noch ein­mal um.

„Sie glau­ben“, sag­te er zu Cle­tus, „daß Sie die neu­en Wel­ten für dumm ver­kau­fen und Ih­ren Schnitt ma­chen kön­nen“, sag­te er bö­se, „und viel­leicht wer­den Sie mit Ih­rer Me­tho­de ei­ne Zeit­lang Er­folg ha­ben. Doch der Tag wird kom­men, wo Ihr Kar­ten­haus zu­sam­men­bricht und Ih­nen die Scher­ben um die Oh­ren flie­gen.“

„Wir wer­den se­hen“, mein­te Cle­tus.

Er schau­te zu, wie die Tür hin­ter Wal­co ge­schlos­sen wur­de und das Flug­zeug sich in den Him­mel von New­ton er­hob. Dann wand­te er sich an Ar­vid, der ne­ben ihm stand.

„Was ich noch sa­gen woll­te, Arv“, mein­te er. „Bill Athyer möch­te ge­le­gent­lich mei­ne Me­tho­den der Tak­tik und Stra­te­gie in der Pra­xis stu­die­ren. Al­so wird er mein Ad­ju­tant, so­bald wir wie­der auf Dor­sai sind. Für Sie wer­den wir ir­gend­wo im Feld ein ent­spre­chen­des Kom­man­do fin­den. Es ist so­wie­so an der Zeit, daß Sie Ih­re prak­ti­schen Kennt­nis­se auf­fri­schen.“

Oh­ne Ar­vids Ant­wort ab­zu­war­ten, kehr­te er dem jun­gen Mann den Rücken zu und ver­ließ ihn, wo­bei er sich in Ge­dan­ken be­reits mit ganz an­de­ren Pro­ble­men be­schäf­tig­te.