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„Nun, Oberst“, sag­te Fle­der­maus grim­mig, „was soll ich jetzt mit Ih­nen ma­chen?“

„Sie könn­ten mei­ne Fä­hig­kei­ten nut­zen, Ge­ne­ral“, mein­te Cle­tus.

„Ih­re Fä­hig­kei­ten nut­zen!“ Die bei­den stan­den sich im Pri­vat­bü­ro von Fle­der­maus ge­gen­über. Fle­der­maus wand­te sich re­si­gniert ab, voll­führ­te zwei ra­sche Schrit­te, dreh­te sich dann auf dem Ab­satz um und blitz­te Cle­tus er­neut an. „Zu­erst zie­hen Sie die­se Show am Et­ter-Paß ab, und mit viel Glück ma­chen Sie fünf­mal so vie­le Ge­fan­ge­ne, als Ih­nen Leu­te zur Ver­fü­gung ste­hen. Dann ver­an­stal­ten Sie ein Mit­ter­nachts-Pick­nick mit der Ma­ri­ne und keh­ren mit Nach­schub und Gue­ril­las voll­be­la­den nach Bak­hal­la zu­rück. Und zu al­lem Über­fluß neh­men Sie ei­ne Zi­vil­per­son mit an Bord!“

„Ei­ne Zi­vil­per­son, Sir?“ frag­te Cle­tus.

„Oh ja, ich ken­ne die of­fi­zi­el­le Ver­si­on!“ un­ter­brach ihn Fle­der­maus barsch. „Und so­lan­ge es ei­ne Ma­ri­nean­ge­le­gen­heit ist, soll es mir egal sein. Aber ich weiß, wer mit Ih­nen da drau­ßen ge­we­sen ist. Oberst! Ge­nau­so­gut, wie ich weiß, daß die­ser jun­ge Holz­kopf, die­ser Li­net, nie auf den Ge­dan­ken ge­kom­men wä­re, die­se Schif­fe vol­ler Gue­ril­las zu ka­pern. Es war Ih­re Show, Oberst, wie vor­dem am Et­ter-Paß! Und ich wie­der­ho­le: Was soll ich jetzt mit Ih­nen an­fan­gen?“

„Al­len Erns­tes, Ge­ne­ral“, sag­te Cle­tus in ei­nem Ton­fall, der haar­ge­nau zu sei­nen Wor­ten paß­te, „ich mei­ne, was ich sa­ge: Sie soll­ten mei­ne Fä­hig­kei­ten nut­zen.“

„Wie denn?“ bell­te ihn Fle­der­maus an.

„In­dem Sie sich zu­nut­ze ma­chen, was ich ge­lernt ha­be – als Tak­ti­ker“, sag­te Cle­tus. Er er­wi­der­te den Blick des Ge­ne­rals, blick­te ihm fest in die Au­gen, die un­ter den bu­schi­gen Brau­en blitz­ten, und sei­ne Stim­me blieb ru­hig und ver­nünf­tig. „In die­sem Au­gen­blick wä­re ich Ih­nen am meis­ten von Nut­zen, so wie die Din­ge nun ein­mal lie­gen.“

„Wel­che Din­ge?“ forsch­te Fle­der­maus.

„Nun, ich mei­ne all je­ne Din­ge und Um­stän­de, die da­zu an­ge­tan sind, den Mi­li­tär­mi­nis­ter der Ko­ali­ti­on hier auf Kul­tis fest­zu­hal­ten“, er­wi­der­te Cle­tus. „Ich glau­be, ich ge­he nicht fehl in der An­nah­me, daß Dow de­Ca­stries vor­hat, die­sen Pla­ne­ten in den nächs­ten Ta­gen zu ver­las­sen.“

„Wirk­lich?“ mein­te Fle­der­maus. „Und wo­her wol­len Sie wis­sen, was ei­ne hoch­ge­stell­te Per­sön­lich­keit der Ko­ali­ti­on wie de­Ca­stries vor­hat?“

„Die Sa­che ist ei­gent­lich son­nen­klar“, er­wi­der­te Cle­tus. „Die Neu­län­der sind in der glei­chen La­ge wie wir, wenn es sich um Nach­schub von der Er­de han­delt. Sie kön­nen so gut wie wir ei­ne Men­ge Din­ge ge­brau­chen, die von den Ver­sor­gungs­de­pots der Er­de nur zö­gernd ein­tref­fen. Sie zum Bei­spiel brau­chen Pan­zer, Sir. Und ich möch­te wet­ten, daß die Neu­land-Gue­ril­las eben­falls ei­ne Men­ge Sa­chen brau­chen, die ih­nen die Ko­ali­ti­on nicht un­be­dingt lie­fern möch­te.“

„Und wie sind Sie da­hin­ter­ge­kom­men?“ schnapp­te Fle­der­maus.

„Das ist mei­ne Schluß­fol­ge­rung aus der Tat­sa­che, daß die Ko­ali­ti­on hier auf Kul­tis einen bil­li­ge­ren Krieg führt als wir“, ar­gu­men­tier­te Cle­tus. „Das ist für die Kon­fron­ta­tio­nen zwi­schen der Al­li­anz und der Ko­ali­ti­on im ver­gan­ge­nen Jahr­hun­dert ty­pisch. Wir nei­gen da­zu, un­se­ren Ver­bün­de­ten ak­ti­ve Kampf­trup­pen und die er­for­der­li­che Aus­rüs­tung zur Ver­fü­gung zu stel­len. Die Ko­ali­ti­on da­ge­gen möch­te die geg­ne­ri­schen Kräf­te eher auf­rüs­ten und be­ra­ten. Das paßt ge­nau zu ih­rem Plan, wo es nicht in ers­ter Li­nie dar­um geht, die­ses oder je­nes Schar­müt­zel zu ge­win­nen. Die gan­ze Sa­che läuft viel­mehr dar­auf hin­aus, die der Al­li­anz an­ge­schlos­se­nen Na­tio­nen aus­zu­blu­ten, so daß schließ­lich die Ko­ali­ti­on die Macht dort über­neh­men kann, wo wirk­lich et­was zu ho­len ist.“

Cle­tus leg­te ei­ne Pau­se ein, und Fle­der­maus starr­te ihn an. Dann schüt­tel­te der Ge­ne­ral ab­we­send den Kopf wie je­mand, der ge­ra­de aus einen Traum er­wacht.

„Ich glau­be, ich muß mei­nen Kopf un­ter­su­chen las­sen“, sag­te Fle­der­maus. „Warum ste­he ich im­mer noch da und hö­re mir die­sen Un­fug an?“

„Weil Sie ein aus­ge­zeich­ne­ter Of­fi­zier sind, Sir“, er­wi­der­te Cle­tus, „und weil Sie ganz ge­nau wis­sen, daß ich kei­nen Un­sinn ver­zap­fe.“

„Manch­mal will es mir auch so vor­kom­men …“ mur­mel­te Fle­der­maus ab­we­send. Dann wur­de sein Blick wie­der scharf, und er faß­te Cle­tus noch ein­mal fest ins Au­ge. „Nun gut, die Neu­län­der hät­ten al­so gern ei­ne ge­wis­se Aus­rüs­tung von der Ko­ali­ti­on, die ih­nen die Ko­ali­ti­on nicht ge­wäh­ren will. Sie sag­ten, das sei der Grund, warum de­Ca­stries hier auf­ge­taucht ist?“

„Ge­wiß“, sag­te Cle­tus. „Sie wis­sen selbst, daß die Ko­ali­ti­on dies häu­fig tut. Sie leis­tet zwar den Ver­bün­de­ten kaum ma­te­ri­el­le Hil­fe, doch um der Sa­che die Schär­fe zu neh­men, schickt sie einen Groß­kop­fe­ten aus, um den Ver­bün­de­ten einen Be­such ab­zu­stat­ten. Ein sol­cher Be­such wir­belt al­ler­hand Staub auf, so­wohl bei den Ver­bün­de­ten als auch sonst­wo. Dann ha­ben die Ver­bün­de­ten den Ein­druck, daß ihr Schick­sal der Ko­ali­ti­on sehr am Her­zen liegt – und das kos­tet so gut wie gar nichts. Nur ist dies­mal der Schuß nach hin­ten los­ge­gan­gen.“

„Wie­so denn das?“ woll­te Fle­der­maus wis­sen.

„Die­se bei­den Vor­stö­ße der Gue­ril­las, mit de­nen der Be­such de­Ca­stries’ ge­fei­ert wer­den soll­te – ich mei­ne die­se Ge­schich­te am Et­ter-Paß und jetzt die­ser ver­geb­li­che Ver­such, ei­ne große An­zahl an Leu­ten und Vor­rä­ten nach Bak­hal­la ein­zu­schleu­sen –, die­ser Schuß al­so ist nach hin­ten los­ge­gan­gen“, fuhr Cle­tus fort. „Na­tür­lich hat de­Ca­stries mit die­sen bei­den Missio­nen of­fi­zi­ell über­haupt nichts zu tun. An­de­rer­seits ist uns be­kannt, daß er zwei­fel­los da­von wuß­te, ja viel­leicht so­gar selbst die Hand im Spiel hat­te. Aber, wie ich schon sag­te, of­fi­zi­ell be­steht kein Zu­sam­men­hang zwi­schen ihm und ih­nen, und theo­re­tisch könn­te er je­der­zeit den Pla­ne­ten ver­las­sen, oh­ne sich noch ein­mal um­zu­se­hen. Nur ist das im Au­gen­blick höchst un­wahr­schein­lich.“

„Und warum das?“

„Weil, Ge­ne­ral“, sag­te Cle­tus, „sein Er­schei­nen den Zweck ha­ben soll­te, den Neu­län­dern einen mo­ra­li­schen Schub zu ver­set­zen – ei­ne Art Be­le­bungs­sprit­ze, wenn Sie so wol­len. Nun ist aber dies­mal nicht al­les nach Plan ver­lau­fen. Wenn er jetzt ab­reist, so war sein Be­such ein Schuß ins Lee­re. Ein Mann wie de­Ca­stries muß sei­ne Ab­rei­se so lan­ge hin­aus­schie­ben, bis er ir­gend­wel­che Er­fol­ge zu ver­zeich­nen hat. Und hier bie­tet sich für uns ei­ne Mög­lich­keit, die Si­tua­ti­on zu un­se­rem Vor­teil zu nut­zen.“

„Zu un­se­rem Vor­teil? Was Sie nicht sa­gen!“ ver­setz­te Fle­der­maus. „Ist das wie­der eins Ih­rer satt­sam be­kann­ten Scher­ze, Oberst?“

„Sir“, gab Cle­tus zu­rück, „ich darf Sie dar­an er­in­nern, daß ich so­wohl bei dem In­fil­tra­ti­ons­ver­such durch den Et­ter-Paß als auch bei den Er­eig­nis­sen in der ver­gan­ge­nen Nacht recht be­hal­ten ha­be. In­dem ich die La­ge rich­tig ein­schätz­te, er­kann­te ich, daß die Gue­ril­las ver­su­chen wür­den, Sol­da­ten und Nach­schub über den Fluß nach Bak­hal­la zu schleu­sen …“

„In Ord­nung. Ver­ges­sen Sie’s“, schnapp­te Fle­der­maus. „Wenn ich die­se Din­ge nicht be­rück­sich­tigt hät­te, wür­de ich Ih­nen jetzt nicht zu­hö­ren. Al­so fah­ren Sie fort, und sa­gen Sie mir, was Sie zu sa­gen ha­ben.“

„Ich wür­de eher ei­ne Art Lo­kal­ter­min vor­schla­gen“, er­wi­der­te Cle­tus, „wenn es Ih­nen nichts aus­macht, zum Et­ter-Paß zu flie­gen …“

„Wie­der ein­mal der Et­ter-Paß?“ frag­te Fle­der­maus. „Wo­zu das? Sa­gen Sie mir, wel­che Land­kar­te Sie brau­chen, und set­zen Sie mir die Si­tua­ti­on hier aus­ein­an­der.“

„Es han­delt sich nur um einen kur­z­en Flug, Sir“, sag­te Cle­tus ru­hig. „Ei­ne Er­läu­te­rung an Ort und Stel­le wä­re weitaus sinn­vol­ler.“

Fle­der­maus grunz­te. Dann wand­te er sich ab, stelz­te zu sei­nem Schreib­tisch, nahm den Hö­rer und wähl­te ei­ne Num­mer.

„Schi­cken Sie die Strei­fe Eins hier aufs Dach“, sag­te er. „Wir wer­den gleich oben sein.“

Fünf Mi­nu­ten spä­ter wa­ren Cle­tus und Fle­der­maus un­ter­wegs zum Et­ter-Paß. Das Flug­zeug des Ge­ne­rals war ei­ne klei­ne, aber schnel­le Pas­sa­gier­ma­schi­ne, un­ter­halb der Mit­te mit An­ti­grav­flü­geln und am Heck mit ei­nem Plas­ma­schu­ban­trieb be­stückt. Ar­vid, der im Vor­zim­mer des Ge­ne­rals auf Cle­tus ge­war­tet hat­te, saß auf dem Co­pi­lo­ten­sitz beim Pi­lo­ten und ei­nem wei­te­ren Be­sat­zungs­mit­glied. Et­was wei­ter hin­ten, im of­fe­nen Ka­bi­nen­raum, un­ter­hielt sich Fle­der­maus und Cle­tus mit ge­dämpf­ter Stim­me. Das Flug­zeug nä­her­te sich dem Et­ter-Paß, ging dann von 8000 Fuß auf et­wa 600 Fuß hin­un­ter und be­gann über dem Paß, über Zwei­strom und den bei­den Fluß­tä­lern zu krei­sen, die sich knapp un­ter­halb der Stadt ver­ei­nig­ten.

Fle­der­maus blick­te säu­er­lich auf den Paß und auf die Stadt hin­un­ter, die ge­nau am Bo­den je­nes V lag, das die bei­den Fluß­tä­ler bil­de­ten.

„Al­so gut, Oberst“, sag­te er. „Ich ha­be ei­ne Stun­de mei­nes Ta­ges für die­sen Flug ge­op­fert. Was ha­ben Sie mir jetzt zu sa­gen, um ein sol­ches Op­fer zu recht­fer­ti­gen?“

„Ich glau­be schon, daß es sich lohnt“, er­wi­der­te Cle­tus. Er zeig­te auf den Et­ter-Paß, dann glitt sei­ne Fin­ger­spit­ze auf die Stadt, die un­ter­halb des Pas­ses lag. „Wenn Sie ge­nau hin­schau­en, Sir, wer­den Sie er­ken­nen, daß Zwei­strom der idea­le Punkt ist, um mit un­se­ren Streit­kräf­ten einen An­griff über den Paß als ers­ten Schritt zu ei­ner In­va­si­on Neu­lands zu star­ten.“

Fle­der­maus warf den Kopf her­um und starr­te Cle­tus an. „Ei­ne In­va­si­on Neu­lands …“ Er dämpf­te has­tig die Stim­me, da die drei Män­ner, die wei­ter vorn sa­ßen, sich bei sei­nen ers­ten Wor­ten ab­rupt um­ge­schaut hat­ten. „Sind Sie von al­len gu­ten Geis­tern ver­las­sen, Gra­ha­me? Oder glau­ben Sie wirk­lich, daß mir so was je ein­ge­fal­len wä­re oder ein­fal­len wür­de? Die In­va­si­on Neu­lands ist ei­ne Sa­che, über die nicht ein­mal der Ge­ne­ral­stab auf der Er­de ent­schei­den kann. Das müß­ten schon die Po­li­ti­ker­frit­zen in Genf ent­schei­den!“

„Na­tür­lich“, sag­te Cle­tus un­ge­rührt. „Tat­sa­che ist aber, daß ei­ne In­va­si­on von Zwei­strom aus durch­aus er­folg­reich ver­lau­fen könn­te. Ge­ne­ral, wenn Sie er­lau­ben, Ih­nen zu er­klä­ren …?“

„Nichts da!“ schnarr­te Fle­der­maus mit ver­hal­te­ner Stim­me. „Ich sag­te Ih­nen schon, daß ich nichts da­von wis­sen will. Wenn Sie mich hier­her­ge­schleppt ha­ben, nur um mir einen sol­chen Vor­schlag zu ma­chen …“

„Nicht um Ih­nen einen kon­kre­ten Vor­schlag zu ma­chen, Sir“, sag­te Cle­tus, „son­dern le­dig­lich, um auf die Vor­tei­le hin­zu­wei­sen. Ei­ne wirk­li­che In­va­si­on Neu­lands ist gar nicht er­for­der­lich. Es geht le­dig­lich dar­um, daß die Neu­län­der und de­Ca­stries mer­ken, daß ei­ne sol­che In­va­si­on durch­aus er­folg­ver­spre­chend ist. So­bald sie ei­ne sol­che Mög­lich­keit er­wo­gen ha­ben, wer­den sie ge­zwun­gen sein, die­ser Mög­lich­keit vor­zu­beu­gen. Und nach­dem sie dann ir­gend­wel­che Ge­gen­maß­nah­men ge­trof­fen ha­ben, wer­den wir ih­nen zu ver­ste­hen ge­ben, daß ei­ne sol­che In­va­si­on nie­mals ge­plant war. Da­mit kön­nen wir de­Ca­stries einen Schnit­zer nach­wei­sen, bei dem er sich der Ver­ant­wor­tung nicht ent­zie­hen kann. Wenn die Ko­ali­ti­on ihr und sein Ge­sicht wah­ren will, wird ihr nichts wei­ter üb­rig­blei­ben, als al­le Ver­ant­wor­tung auf die Neu­län­der zu schie­ben und sie als po­ten­ti­el­le An­grei­fer bloß­zu­stel­len. Und die ein­zi­ge Mög­lich­keit, die Neu­län­der zu be­stra­fen, be­steht dar­in, die Mit­tel für ih­re Un­ter­stüt­zung ein­zu­schrän­ken … Und das be­deu­tet gleich­zei­tig, daß die Po­si­ti­on der Al­li­anz bei den Exo­ten ge­stärkt wird.“

Cle­tus schwieg. Fle­der­maus saß ei­ne Wei­le da und starr­te ihn un­ter den schwe­ren Au­gen­brau­en mit ei­nem un­ge­wöhn­li­chen Blick fast ehr­fürch­tig an.

„Bei Gott“, sag­te Fle­der­maus schließ­lich, „den­ken Sie im­mer um drei Ecken her­um, Gra­ha­me?“

„Die Sa­che ist gar nicht so kom­pli­ziert“, er­wi­der­te Cle­tus. „Je­der ist mehr oder we­ni­ger ein Ge­fan­ge­ner der je­wei­li­gen Si­tua­ti­on, in der er sich be­fin­det. Man braucht nur ei­ne sol­che Si­tua­ti­on zu ma­ni­pu­lie­ren, und dem an­de­ren bleibt oft kei­ne an­de­re Wahl, als sich eben­falls ma­ni­pu­lie­ren zu las­sen.“

Fle­der­maus schüt­tel­te den Kopf. „Na schön“, sag­te er und hol­te tief Luft. „Und wie ge­den­ken Sie einen sol­chen In­va­si­ons­ver­such zu si­gna­li­sie­ren?“

„Auf die or­tho­do­xe Art und Wei­se“, er­wi­der­te Cle­tus. „Man müß­te ein paar Ba­tail­lio­ne hier un­ter­halb des Pas­ses zu­sam­men­zie­hen …“

„Mo­ment mal. Wie­so …“ un­ter­brach ihn Fle­der­maus. „Ich ha­be Ih­nen be­reits ge­sagt, daß ich kei­ne Trup­pen zur Ver­fü­gung ha­be, die ir­gend­wo her­um­ste­hen und nur dar­auf war­ten, daß man Plan­spiel­chen mit ih­nen macht. Wenn ich aber wirk­lich Trup­pen zu ei­ner Art Schein­ma­nö­ver her­schi­cke – wie kann ich dann spä­ter be­haup­ten, ich hät­te nie die Ab­sicht ge­habt, die Neu­län­der in die­sem Ge­biet zu pro­vo­zie­ren?“

„Ich weiß, daß Ih­nen kei­ne re­gu­lä­ren Trup­pen zur Ver­fü­gung ste­hen, Ge­ne­ral“, mein­te Cle­tus. „Es soll sich we­der um sol­che Trup­pen han­deln, noch sol­len Sie sie hier­her­be­or­dern. Aber das Dor­sai-Re­gi­ment un­ter Oberst Khan be­fin­det sich so­eben in der Aus­bil­dung als Luft­lan­de­trup­pe, sie könn­ten al­so ei­nem Vor­schlag von Oberst Khan zu­stim­men – den die Exo­ten zwei­fel­los mit Ih­nen be­spre­chen wür­den –, der da­hin­ge­hend lau­tet, die Dor­sai für ei­ne Wo­che zur prak­ti­schen Aus­bil­dung in die­se idea­le Land­schaft zu ver­le­gen, wo al­les vor­han­den ist, was das Herz be­gehrt – Fluß­tä­ler, Ur­wald und Hü­gel­land­schaft.“

Fle­der­maus mach­te den Mund auf, um et­was zu er­wi­dern – dann mach­te er den Mund plötz­lich wie­der zu und zog die Brau­en nach­denk­lich zu­sam­men.

„Hm“, sag­te er, „die Dor­sai …“

„Die Dor­sai“, wie­der­hol­te Cle­tus, „wer­den nicht aus Ih­ren Mit­teln be­zahlt. Sie wer­den von den Exo­ten fi­nan­ziert.“

Fle­der­maus nick­te lang­sam.

„Ein gan­zes Ba­tail­li­on in die­sem Ge­biet“, fuhr Cle­tus fort, „das ist ein­fach zu­viel, um von de­Ca­stries und den Neu­län­dern igno­riert zu wer­den. Die Tat­sa­che, daß es sich um Dor­sai und nicht um Ih­re ei­ge­nen Trup­pen han­delt, dient als Be­weis für Ih­re Un­schuld, auch wenn Sie wirk­lich einen Vor­stoß auf Neu­län­der-Ge­biet im Sin­ne hat­ten. Wenn Sie noch einen wei­te­ren klei­nen Fak­tor hin­zu­fü­gen, so wird der Arg­wohn zur Ge­wiß­heit, zu­min­dest für de­Ca­stries. Er weiß nur zu gut, daß ich et­was mit den bei­den Vor­fäl­len zu tun ha­be, bei de­nen die Neu­län­der so maß­los ent­täuscht wur­den. Ma­chen Sie mich zum Kom­man­deur die­ser Dor­sai-Ein­heit, mit der Voll­macht, sie dort­hin zu kom­man­die­ren, wo­hin es mir be­liebt, und kein Mensch jen­seits der Ber­ge wird noch be­zwei­feln, daß die­ses Dor­sai-Trai­ning nichts an­de­res als Tar­nung für einen be­vor­ste­hen­den An­griff auf Neu­land ist.“

Fle­der­maus hob den Kopf und schau­te Cle­tus miß­trau­isch an. Cle­tus er­wi­der­te sei­nen Blick mit der Un­schuld ei­nes Men­schen, der ein rei­nes Ge­wis­sen und ab­so­lut nichts zu ver­ber­gen hat.

„Sie wer­den aber die­se Dor­sai nir­gend­wo hin be­or­dern, au­ßer von Bak­hal­la nach hier, nicht wahr, Oberst?“ frag­te er sanft.

„Ich ge­be Ih­nen mein Wort, Sir“, sag­te Cle­tus. „Bis hier­her und nicht wei­ter.“

Fle­der­maus schau­te Cle­tus ei­ne Wei­le mit fes­tem Blick an, be­vor er er­neut lang­sam nick­te.

Sie kehr­ten zu Fle­der­maus’ Bü­ro in Bak­hal­la zu­rück. Als Cle­tus das Ge­bäu­de ver­ließ und auf den Park­platz zu­ging, wo sein Dienst­wa­gen stand, lan­de­te ei­ne Flug­ma­schi­ne auf ei­nem der mar­kier­ten Plät­ze, und Mon­dar stieg aus, ge­folgt von der klei­nen, schma­len Ge­stalt des Pa­ter Ten.

„Da ist er ja“, sag­te Pa­ter Ten mit brü­chi­ger Stim­me, als er Cle­tus er­blick­te. „Wol­len Sie viel­leicht schon vor­aus­ge­hen? Ich möch­te einen Au­gen­blick mit Oberst Gra­ha­me spre­chen. Dow hat mir auf­ge­tra­gen, ihm sei­ne Glück­wün­sche zu über­brin­gen, für sei­ne Er­fol­ge in der letz­ten Wo­che – und in der ver­gan­ge­nen Nacht.“

Mon­dar zö­ger­te einen Au­gen­blick, dann lä­chel­te er. „Wie Sie wol­len“, sag­te er, wand­te sich ab und schritt auf das Haupt­quar­tier zu.

Pa­ter Ten setz­te sei­nen Weg fort und stand dann Cle­tus ge­gen­über.

„Sie wol­len mir gra­tu­lie­ren?“ frag­te Cle­tus.

„Der Mi­li­tär­mi­nis­ter“, ver­setz­te Pa­ter Ten, „ist ein äu­ßerst fai­rer Mann …“

Er brach mit­ten im Satz ab. Einen Au­gen­blick husch­te ein Schat­ten über sein aus­drucks­lo­ses Ge­sicht, ein Ab­glanz ei­ner in­ne­ren Ver­än­de­rung – dann hat­te er sich wie­der in der Ge­walt, wie ein aus­ge­zeich­ne­ter Schau­spie­ler, der in die Rol­le de­Ca­stries’ schlüp­fen will. Aber Pa­ter Tens Au­gen wa­ren fi­xiert, und sein Blick war ab­we­send, wie der ei­nes Men­schen un­ter Hyp­no­se.

Auch sein Ton­fall er­in­ner­te an die Sprech­wei­sen von de­Ca­stries, als er zum Spre­chen an­setz­te.

„Mir scheint“, sag­te er im glat­ten Kon­ver­sa­ti­ons­ton, und sei­ne Stim­me klang ver­bind­lich, „Sie wol­len im­mer noch wi­der den Sta­chel lö­ken. Ich möch­te Sie war­nen, neh­men Sie sich mei­nen Rat zu Her­zen. Die Sa­che ist nicht ganz un­ge­fähr­lich.“

So plötz­lich, wie Dows Geist über ihn ge­kom­men war, ge­wann er sein ei­ge­nes Ich wie­der und faß­te Cle­tus scharf ins Au­ge.

„Er ist ein fai­rer Mann“, sag­te Pa­ter Ten. „Mir scheint, Sie un­ter­schät­zen ihn …“ Der klei­ne Mann brach ab­rupt ab. „Warum schau­en Sie mich so an?“ schnapp­te er gif­tig. „Sie glau­ben mir nicht?“

Cle­tus aber schüt­tel­te be­küm­mert den Kopf. „Ich glau­be Ih­nen“, er­wi­der­te er. „Ich ha­be le­dig­lich ein­ge­se­hen, daß ich ihn wirk­lich un­ter­schätzt ha­be. Er küm­mert sich nicht nur um die Mei­nung an­de­rer, son­dern er ist auch je­mand, der mit See­len han­delt.“

Er wand­te sich ab und ging auf sei­nen Wa­gen zu. Pa­ter Ten stand da, blick­te ihm fas­sungs­los nach, und in sei­nem Ge­sicht stand je­ner gries­grä­mi­ge Aus­druck, mit dem der klei­ne Mann mit dem hef­ti­gen Tem­pe­ra­ment au­to­ma­tisch al­les zu be­den­ken pfleg­te, was da kreuch­te und fleuch­te.