13
Das Konferenzzimmer der Seuchenschutzbehörde sah ganz so aus, wie man es erwartet hätte: Weiß in Weiß in Weiß. Das Design wirkte, als hätte man sich die Uniformen angeschaut, die amerikanische Krankenschwestern im Zweiten Weltkrieg getragen hatten, und gesagt: »Ja, genau das ist es.« Vielleicht pumpten sie das Gebäude auch so häufig mit bleichenden Desinfektionsmitteln voll, dass sie nicht extra Geld ausgeben wollten, um die Einrichtung nachzufärben. Was auch immer der Grund war, die Kombination aus weißen Wänden, weißem Teppich, gläserner Tischplatte und weißen Sesseln aus Lederimitat genügte, damit ich mich schmuddelig fühlte. Die Leute hier verbrachten sicher viel Zeit unter der Dusche, sonst hätten sie sich nicht mehr getraut, das Mobiliar anzufassen.
Direktor Swenson ging am Konferenztisch entlang zum Kopfende. Ganz das Alphamännchen – die alberne Geste sollte vermitteln: »Das ist alles meins, und ich habe hier das Sagen.« Ich war ein wenig überrascht, dass er nicht das Bein hob und irgendwo hinpinkelte. Urin wirkt doch auch desinfizierend, oder?
Becks und ich folgten ihm wie zwei brave kleine Ameisen und setzten uns nebeneinander an die linke Tischseite. Becks nahm näher beim Direktor Platz. Natürlich war eigentlich ich der Chef bei unserer keinen Recherche, aber ich war auch derjenige, der ihm mit höherer Wahrscheinlichkeit an die Kehle fahren würde, und das wollten wir auf alle Fälle vermeiden. Eine Attacke auf einen hochrangigen Funktionär der Seuchenschutzbehörde ist nicht gerade die beste Methode, um ans Ziel zu gelangen.
»Also dann«, sagte der Direktor und bedachte uns mit einem väterlichen Lächeln, das ebenso warm wie künstlich war. »Was kann ich für Sie beide tun? Ich gebe zu, ich war ein wenig überrascht, dass Sie nicht vorher angerufen haben. In der Regel handhaben die Repräsentanten der Presse das so.«
»Ja, es tut uns wirklich leid«, sagte ich und machte mir dabei nicht die Mühe, auch nur das kleinste bisschen verlegen zu klingen. »Wir rufen normalerweise vorher an, müssen Sie wissen, ich habe nur mein Adressbuch irgendwo liegen lassen … wo war das noch mal, Becks?«
»In deinem Büro«, antwortete sie prompt. Sie kannte ihre Stichworte. So lange, wie wir schon zusammenarbeiteten, konnte man das auch erwarten.
»Stimmt, in meinem Büro.« Ich bleckte die Zähne in Direktor Swensons Richtung, um mein Lächeln seinem anzugleichen. Seine Mundwinkel zuckten nach unten, und sein Blick flackerte verwirrt. Das war gut. Ich wollte ihn aus dem Konzept bringen. »Das ist sozusagen das Problem, weil mein Büro sich in Oakland befindet – oder dort befand, schätze ich, mitten in der Zone, die mit Brandbomben zerstört wurde. Wir waren gerade zelten, als die Quarantäne verhängt wurde, aber nicht alle meine Leute haben es rausgeschafft.«
»Ich verstehe.« Direktor Swenson lehnte sich in seinen Stuhl zurück, und seine Miene wurde verschlossen. Die Verwirrung in seinem Blick wich einem wachsamen Ausdruck. »Sie haben großes Glück gehabt. Das war ein besonders schlimmer Ausbruch.«
»Ja, wie konnte das bloß alles so schnell gehen? Sollte der Seuchenschutz derartige Vorfälle nicht verhindern?«, fragte Becks. Ich warf ihr einen stechenden Blick zu. Sie beachtete mich nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit war auf Direktor Swenson gerichtet, so wie ein Scharfschütze sich auf sein Ziel konzentriert.
Sie hatte Freunde dort, die pulverisiert worden sind, sagte George. Nicht bloß Dave. Zivilisten.
Ich musste mir alle Mühe geben, um nicht das Gesicht zu verziehen. Seit Georges Tod hatte ich mich stark zurückgezogen, was bedeutete, dass ich mir nie die Mühe gemacht hatte, die Nachbarn in unserer idyllischen kleinen Ecke von Oakland kennenzulernen. Becks war sehr viel geselliger. Sie hatte wahrscheinlich nicht nur alle Leute bei uns im Haus gekannt, sondern alle im Block, und konnte zweifellos ihre Namen aufzählen, ohne an der Mauer nachzuschauen. Und inzwischen wussten wir ohne jeden Zweifel, dass die Seuchenschutzbehörde in einer hässlichen Sache mit drinsteckte. Wenn man all das zusammennahm, dann war bei ihr sozusagen die Lunte gezündet. Die Frage war, ob es gut oder schlecht sein würde, in ihrer Nähe zu sitzen, wenn sie in die Luft ging.
»Es sieht ganz danach aus, als hätte jemand in der Gegend dort illegalerweise amerikanische Pitbullterrier gezüchtet, um sie in Hundekämpfen einzusetzen«, erklärte Direktor Swenson absolut glatt. »Soweit wir die Vorgänge rekonstruieren konnten, hat sich einer der Hunde infiziert und die anderen attackiert. Das ganze Rudel hat dann seinen Halter angegriffen, als er nach dem Lärm sehen wollte. Die Hunde konnten entkommen und diejenigen, die groß genug für Virenvermehrung waren, haben überall in dem Gebiet Menschen infiziert. Kurz darauf nahm die ganze Sache zu große Ausmaße an, um sie noch einzudämmen.«
Das war quasi ein Lehrbuchbeispiel für eine ausweglose Situation. Und genau da war der Haken. In der wirklichen Welt ereigneten sich solche Paradefälle praktisch nie. Ich sah, wie Becks den Mund öffnete, um wahrscheinlich genau das zu sagen. Ich legte ihr unter dem Tisch die Hand auf den Oberschenkel und drückte fest zu, um sie davon abzuhalten. Sie warf mir einen verwirrten Blick zu. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, und räusperte mich.
»Es wäre trotzdem nett gewesen, wenn Sie, ich weiß nicht, einen Rettungshubschrauber oder so für diejenigen geschickt hätten, die sich in der Explosionszone befanden, aber ich schätze, darum geht es nicht«, sagte ich glatt und ließ dabei die Hand auf Becks Bein liegen. »Wie dem auch sei, Sie verstehen sicher, dass wir nicht vorher anrufen konnten, nachdem wir Ihre Nummer bei der Explosion verloren hatten und so.«
Die Explosion hatte die Telefonnummer der Seuchenschutzbehörde nicht aus dem Internet gefegt, aber darum ging es eigentlich nicht. Meine Ausrede war gerade so plausibel, dass Direktor Swenson mich nicht einfach der Lüge bezichtigen konnte und konstruiert genug, um ihn wissen zu lassen, dass ich log. Seine Nasenflügel blähten sich ein wenig. Offensichtlich kostete es ihn einige Mühe, eine neutrale Miene zu wahren. Ich lächelte.
»Ja, ich verstehe absolut«, sagte er. »Also, was verschafft mir die Ehre Ihres Besuchs?«
»Wir brauchen einige Hintergrundinformationen, und um sicherzugehen, dass wir einander richtig verstehen. Sie erinnern sich doch an meine Schwester, Georgia Carolyn Mason?« Becks zuckte zusammen, als ich Georges Namen aussprach, wahrscheinlich, weil ich in letzter Zeit öfter mal austickte, wenn ihr Name fiel. In meinem Hinterkopf schnaubte George belustigt, sagte jedoch nichts weiter. Das hier war meine Party. Sie überließ es mir, die Einladungen rauszuschicken.
Direktor Swenson nickte. »Ich habe ihre Akte gesehen. Ihr Tod war – nun, jeder Tod ist tragisch, aber das, was sie selbst nach Einsetzen der Virenvermehrung noch erreicht hat, war – es war erstaunlich. Sie sind sicher sehr stolz.«
»Sie ist im Feld gestorben«, sagte ich so ausdruckslos wie möglich. »Genau, wie sie es gewollt hätte.«
»Das ist Ihnen sicher ein großer Trost.« Er klang, als meinte er es ehrlich. Meine Hand krallte sich fester in Becks’ Bein. Ich musste auch das letzte bisschen Selbstkontrolle aufbringen, um meine Finger schließlich zu lösen. Becks gab keinen Laut von sich, obwohl ich ihr sicher wehgetan hatte.
»Um ehrlich zu sein, ich hätte sie lieber lebendig und sauer als tot und glücklich«, erwiderte ich und legte die Hände flach auf den Tisch, ehe sie erneut nach Becks greifen konnten. »Wenn Sie ihre Akte gesehen haben, dann wissen Sie sicher, dass sie an retinalem Kellis-Amberlee litt.«
»Ja, das habe ich gesehen. Es ist erstaunlich, wie viel sie trotz ihrer Behinderung erreicht hat.«
Irgendwie brachte ich ein Lächeln zustande. Keine Ahnung, wie mir das gelang. »Sie hat eine Menge mit ihrem Leben angefangen, das ist wahr. Jetzt muss ich weitermachen und mich um das kümmern, was sie nicht zu Ende bringen konnte.«
»Ach?« Direktor Swenson bedachte mich mit einem aufmerksamen Blick. »Woran hat sie gearbeitet?«
»Reservoirkrankheiten. Sie müssen wissen, dass sie über ihre Selbsthilfegruppen und Mailverteiler eine Menge Leute kannte …«
Selbsthilfegruppen?, wiederholte George entsetzt. Ich bin in meinem ganzen Leben keiner Selbsthilfegruppe beigetreten.
Ich beachtete sie nicht »… und dabei ist ihr dieses verrückte Muster aufgefallen.« Bildete ich es mir bloß ein, oder erstarrte Direktor Swenson? »Es machte den Eindruck, als ob ihre Freunde schneller starben als irgendjemand sonst. Ich meine, sogar noch schneller als meine Freunde, und die meisten meiner Freunde sind Irwins, was sozusagen bedeutet, dass man dem Darwinismus mit einem großen roten Tuch vor der Nase herumwedelt. Also hat sie angefangen nachzubohren.«
»Komisch, ich kann mich gar nicht daran erinnern, irgendwelche Anfragen an uns in ihrer Akte gesehen zu haben«, erwiderte Direktor Swenson. Seine Tonfall war nun vollkommen ausdruckslos, weder erregt noch kühl. Die Stimme eines Mannes, der gerade völlig auf Distanz geht.
»Sie hat auch nicht beim Seuchenschutz nachgefragt«, sagte Becks, bevor ich den Mund aufmachen konnte. Ich beschloss, sie machen zu lassen. Sie war besser für diesen Bluff ausgebildet als ich. »Sie wollte Sie nicht damit belästigen, wenn es sich nicht wirklich um ein Muster handelte, und wenn es doch eines gegeben hätte …« Sie verstummte, zuckte mit den Schultern, wie um zu sagen: »Was soll man machen«, und fuhr fort: »Es hätte eine ziemliche Schlagzeile abgegeben. Wenn Reservoirkrankheiten so gefährlich wären, warum sollte sie nicht die Erste sein, die das öffentlich macht?«
»Ich nehme an, dass ihre Aufzeichnungen zusammen mit Ihrem Adressbuch verloren gegangen sind«, sagte Direktor Swenson und schaute dabei zu mir.
»Oh nein, ganz und gar nicht«, antwortete ich. »Ich habe sie sogar gelesen. Ich meine, sie sind ein bisschen über meinem Niveau, aber, he, man lernt nie aus, stimmt’s? Und sie hat tatsächlich recht. Die Sterberate ist absurd hoch. Statistisch gesehen hätten einige dieser Leute noch ihre Urgroßenkel kennenlernen sollen. Was bedeutet, dass entweder die Gesamtsterberate unseres Landes neu berechnet werden muss, weil da irgendetwas wirklich ernsthaft falsch kalibriert ist, oder dass Leute mit Reservoirkrankheiten tatsächlich schneller sterben.« Ich setzte mein bestes Großer-dummer-Irwin-Gesicht auf und fragte: »Was glauben Sie, was von beidem zutrifft?«
»Tja, jetzt, wo Sie es sagen, es gibt gewisse Daten, die die Schlussfolgerungen Ihrer Schwester stützen. Ich wünschte nur, sie wäre damit vor ihrem Tod zu mir gekommen. Es wäre mir wirklich ein Vergnügen gewesen, mit ihr zusammenzuarbeiten.« Direktor Swenson erhob sich und bedeutete dabei Becks und mir, sitzen zu bleiben. »Wenn Sie beide mich für einen Moment entschuldigen würden, dann gehe ich die Akten holen, die diese spezielle Angelegenheit betreffen. Ich glaube, Sie werden sie sehr erhellend finden.«
»Wir spannen hier ein bisschen aus«, sagte ich und deutete ein Salutieren an. Direktor Swenson brachte ein trübes Lächeln zustande, drehte sich um und verließ schnellen Schritts das Konferenzzimmer. Wahrscheinlich handelte es sich um eine weitere abstruse Sicherheitsvorkehrung der Seuchenschutzbehörde … oder zumindest wollte er uns das glauben machen.
Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück, holte mein Telefon hervor, spielte damit herum und sagte beiläufig: »Ist echt locker, dass er seine Forschungsergebnisse mit uns teilt, was?«, während ich Becks eine SMS schrieb: Er plant etwas. Sei vorsichtig!
Becks wirkte kein bisschen überrascht, als ihr Telefon summte. Sie nahm es vom Gürtel, las den Text auf dem Display und gab eine Antwort ein, während sie sagte: »Ich habe dir doch gesagt, dass wir damit zum Seuchenschutz gehen sollten. Die haben sicher Akten über alles, was George hätte rausfinden können, wenn sie nur nicht so verdammt stur gewesen wäre.« Meinst du? Der Kerl wäre auch nicht schneller hier abgehauen, wenn du ihn mit einem Elektroschocker rausgetrieben hättest. Er ist nicht besonders froh über unsere Anwesenheit, und er ist ganz und gar nicht froh über die Richtung, in die sich dieses Gespräch entwickelt.
»Du kennst doch George. Stur bis zum Ende.« Zumindest wissen wir damit sicher, dass es hier nicht nur um Memphis geht. Hast du auf dem Weg nach Fluchtmöglichkeiten Ausschau gehalten?
»Das war ihr bester Zug.« Eigentlich gibt es keine, mit Ausnahme des Weges, auf dem wir reingekommen sind. Diese Gebäude sind wie riesige Rattenfallen konstruiert. Falls es zu einem Ausbruch kommt, soll sich die Belegschaft hier verkriechen und an Ort und Stelle bleiben, bis Hilfe eintrifft.
»Das kannst du laut sagen.« Ist ja großartig. Während Becks ihre Antwort tippte, steckte ich die Hand in die Tasche und holte eine von Buffy konstruierte Wanze aus unserem schwindenden Vorrat hervor. Man kann überall auf der Welt Abhörgeräte aus legalen und illegalen Quellen beziehen, ohne dass solche Bestellungen zurückzuverfolgen wären. Aber keines dieser Geräte kann Buffys Arbeit das Wasser reichen.
He, es war deine Idee hierherzukommen. Wollen wir uns umsehen, während wir warten, dass er uns abholt?
Eine schlechtere Idee, als überhaupt erst herzukommen, dürfte das auch nicht sein. Ich klebte die Wanze unter die Tischplatte und drückte die Seiten an, bis sie nahtlos auflagen. Die Seuchenschutzbehörde würde sehr genau hinschauen müssen, um sie zu entdecken.
Alles klar. Becks blickte von ihrem Telefon auf und fragte: »Glaubst du, dass Direktor Swenson bald zurück sein wird? Ich muss mal Pipi, und er hat uns nicht den Weg zu den Toiletten gezeigt.«
Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht laut aufzulachen. Wenn man gerade darauf wartet herauszufinden, ob man in Lebensgefahr schwebt, dann kommt einem alles lustiger vor als sonst, und selbst unter den besten Umständen wäre es urkomisch gewesen, wie Becks »Pipi« sagte. Immerhin handelte es sich hier um die Frau, die einmal auf der Flucht vor einer Zombiehorde aus einem fahrenden Wohnwagen gepisst hatte. Noch dazu vor laufender Kamera. An jenem Tag hatten wir eine Menge Downloads gehabt, obwohl die Aufnahmen aus Anstandsgründen zensiert gewesen waren. »Tja, als wir das letzte Mal ein Büro der Seuchenschutzbehörde aufgesucht haben, waren sie … ach zum Teufel, er wird schon nichts dagegen haben, wenn ich sie dir zeige, und außerdem geht es so schneller.« Ich stand auf und steckte mein Telefon wieder ein.
»Danke, Shaun!« Becks folgte mir. Sie gab sich alle Mühe, peinlich berührt auszusehen, und das machte sie gar nicht mal so schlecht. Ich hätte es ihr abgenommen, wenn ich die Szene durch eine Überwachungskamera beobachtet hätte und sie nicht so gut gekannt hätte. »Dauert nur eine Minute.«
»Kein Ding. So werde ich beim Warten wenigstens nicht zappelig.« Zögernd warf ich einen Blick Richtung Tür. Etwas an ihr war auf eine seltsame Art und Weise falsch, aber ich wusste einfach nicht, was. Es war so, als wachte man eines Morgens auf und stellte fest, dass man plötzlich eine andere Haarfarbe hat – unmöglich und deshalb zumindest für ein Weilchen nicht zu erkennen.
Schau dir das Licht an, half mir George.
Das Licht über der Tür – das grün hätte sein und damit signalisieren sollen, dass die üblichen Sicherheitsvorkehrungen aktiviert waren und dass die Tür sich auf einen bestandenen Bluttest hin öffnen würde – leuchtete in einem tiefen, beständigen Gelb. Ich deutete mit dem Kopf darauf und sah, wie Becks Blick meiner Bewegung folgte. Sie wurde blass. Ein grünes Licht bedeutet, dass alles in Ordnung ist und alle Systeme funktionieren. Ein rotes Licht bedeutet, dass der Raum abgeriegelt ist: Entweder befindet sich das aktive Virus mit einem im Zimmer oder draußen vor der Tür, wo man in dem Fall sowieso nicht hinwill. Wie dem auch sei, wenn man sich nicht von der Stelle rührt, wird das Problem sich von alleine lösen. Ein gelbes Licht … ich war mir nicht sicher, was ein gelbes Licht zu bedeuten hatte, außer vielleicht: »Diese Tür wurde nicht ordnungsgemäß verschlossen.« Ein Gedanke, der mich schaudern ließ.
Ohne das Testfeld zu beachten, das auf die Berührung meiner Hand wartete, griff ich vorsichtig nach dem Türknauf. Nichts verpasste mir einen Stromschlag oder stach mich. Das Licht leuchtete weiter gelb. Ich zog leicht. Die Tür schwang ebenso leicht nach innen auf. Es ertönte kein Zischen. Die Hydraulik war ausgeschaltet.
»Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf diesem Planeten einen Ort gibt, an dem das Gutes verheißt«, sagte Becks. Sie schob sich die Hand unter die Jacke, um sie an den Griff ihrer Pistole zu legen. »Vorschläge?«
»Ich schlage vor, dass wir Direktor Swenson suchen gehen und ihm mitteilen, dass er irgendeine Art von Sicherheitsproblem hat – und damit meine ich nicht zwei Reporter, die frei im Gebäude herumlaufen. Du musst noch ein bisschen mit dem Pinkeln warten.«
»Ich kann’s halten«, sagte Becks todernst.
»Gut.«
Wir verließen das weiß-in-weiße Konferenzzimmer und traten auf den weiß-in-weißen Korridor, von dem wir gekommen waren. Niemand war zu sehen, sodass es mir vorkam, als wären wir die beiden letzten Menschen auf Erden.
Hier stimmt etwas nicht, sagte George.
»Da hast du recht«, brummte ich, zog meine Pistole und entsicherte sie. Becks schaute mich aufmerksam an und wartete darauf zu erfahren, ob ich mit ihr oder mit George gesprochen hatte. Ich deutete den Korridor in die Richtung hinab, aus der wir gekommen waren. »Ich glaube, ich kann uns auf diesem Weg rausbringen. Aber ich würde einen Dollar darauf wetten, dass unser guter Herr Direktor in die andere Richtung verschwunden ist.«
»Dann gehen wir dort entlang«, antwortete Becks und suchte den Korridor vor uns mit Blicken ab. »Sieht aus, als ob die Luft rein ist.«
»Ich glaube, genau das ist das Problem.« Ich setzte mich in Bewegung, wobei ich die Pistole gezückt und nach unten gerichtet hielt. Offiziell darf ich überall, wo ich hingehe, bewaffnet sein, da ich meine Prüfungen bestanden habe und meine Lizenzen immer auf dem neuesten Stand halte. Weniger offiziell bin ich mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, mit einer Waffe in der Hand in einem Regierungsgebäude herumzulaufen, ob man nun ein Blogger, Gott oder der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist. Das bringt die Leute auf die verrückte Idee, dass man vielleicht schießen will, und danach wird alles sehr schnell sehr unangenehm.
Auf unserem Weg wurde immer klarer, dass hier ganz und gar nichts stimmte. Wir kamen an Laboren, Aufenthaltsräumen und weiteren Spiegelglasfenstern vorbei, hinter denen sich Patientenzimmer befanden. An Pinnwänden, Schildern und sogar an den Toiletten. Was wir nirgendwo antrafen, war jemand, der unsere Papiere sehen wollte und sich erkundigte, warum wir ohne Begleitung herumliefen. Soweit ich sehen konnte, hatte die gesamte Belegschaft der Seuchenschutzbehörde von Portland das Gebäude still und leise verlassen. Es hätte bloß noch dumpfe, gruselige Hintergrundmusik gebraucht, um absolut deutlich zu machen, dass wir uns in einer üblen Lage befanden. George wartete schweigend in meinem Kopf und gab keinerlei Kommentare von sich, die mich hätten ablenken können. Das war gut. Ich war ohnehin schon angespannt genug.
»Wir müssten den Direktor bald einholen, wenn er nicht irgendwo abgebogen ist«, sagte ich. »Wenn ja, dann sollten wir lieber hoffen, dass es hier irgendwo einen Notausgang gibt.«
»Pessimismus steht dir nicht.«
»Aber ich bin so gut darin.« Becks folgte mir in etwa einem Meter Abstand und wandte alle paar Schritte den Kopf, um den Korridor mit Blicken abzusuchen. Falls sich etwas auf uns stürzen wollte, blieb ihr genug Zeit, es niederzuschießen, bevor es uns erreichte. »He, hast du mal eines dieser üblen Egoshooter-Spiele gesehen, die vor dem Erwachen so angesagt waren? Die, wo einen die Zombies durch Regierungsgebäude und gruselige alte Häuser und so jagen?«
»Halt die Klappe, Shaun!«
»So fühlt man sich hier. Ein einziges großes Labyrinth, und wir sind die Ratten, die das Pech haben drinzusitzen.« Auf einer Tür weiter vorne war beruhigenderweise ein Notausgangsschild zu sehen, und das Licht darüber leuchtete grün. Ich fing an zu glauben, dass es vielleicht doch eine ganz einfache Erklärung für all das gab, zum Beispiel einen Kurzschluss irgendwo, durch den es nötig geworden war, alle ungesicherten Bereiche schnell und leise zu evakuieren. Der Direktor hatte vielleicht zurückkommen wollen, um uns zu holen.
Ja, und vielleicht konnten Schweine fliegen. Ich klatschte die Hand auf das Testfeld, sobald ich bei der Tür angekommen war. Das kalte Metall reagierte nicht. Keine Nadeln schoben sich heraus, um Blutproben von mir zu nehmen, keine Betäubungsmittel wurden aufgesprüht, um den Stich, der nicht erfolgte, abzumildern. Das Licht über der Tür blieb grün. »Scheiße!«
»Was ist?« Becks trat näher, wobei sie den Korridor weiterhin mit Blicken nach Anzeichen von Bewegung absuchte. »Was macht das Ding?«
»Gar nichts.« Ich nahm die Hand von dem Testfeld. Das Licht über der Tür ging aus. Einen Augenblick später gingen alle Lichter im Korridor aus, und es wurde stockfinster um uns.
Scheiße!, sagte George.
»Ja, sag bloß«, brummte ich und versuchte, die Tür zu öffnen. Wie erwartet war sie abgeschlossen. Der Knauf versetzte mir weder einen Elektroschock, noch spritzte er mir ein Betäubungsmittel in die Hand – beides Standardabwehrmaßnahen bei versiegelten Türen in Regierungsanlagen –, aber das war das einzig Gute, was sich über unsere Lage sagen ließ. Ich kramte in meinen Taschen nach einer Lichtquelle. »Deine Augen könnten wir jetzt wirklich gebrauchen. Bist du schon mit dem Totsein fertig?«
Nein, tut mir leid.
»Shaun?« Links von mir leuchtete ein gelborangefarbenes Licht auf. Becks hatte die Feldtaschenlampe aus ihrem Rucksack geholt und hielt sie zwischen uns in die Höhe. In der anderen Hand hatte sie nach wie vor ihre Pistole. Das war wahrscheinlich sehr vernünftig. »Ich unterbreche euch nur ungern, aber kannst du dich vielleicht ein bisschen auf die Lebenden konzentrieren? Ich würde gerne lange genug weiteratmen, um wegen dieser beschissenen Idee sauer auf dich zu sein.«
»Du hast keine Einwände erhoben.« Meine Fingerspitzen streiften den harten Metallgriff meiner Taschenlampe. Ich zog sie heraus, knipste sie an und richtete sie auf den Boden. Das gelbe Licht von Becks’ Lampe beeinträchtigte die Nachtsicht nicht, aber wir brauchten mehr Licht, wenn wir im Dunkeln nicht stolpern wollten.
»Ich habe nie behauptet, dass ich die Schlaue von uns sei. Ideen?«
»Diese Dinger sind wie Rattenfallen gebaut – man soll immer tiefer hineingeraten, sodass sich die Infizierten leicht abknallen lassen, während die Nichtinfizierten eine marginale Chance haben, sich in Sicherheit zu bringen.« Mit meiner Pistole deutete ich zurück Richtung Konferenzzimmer, während ich die Taschenlampe auf den Boden gerichtet hielt. »Wir gehen hier lang und hoffen, dass wir dabei auf einen Techniker stoßen.«
»Und wenn nicht?«
»Dann hoffen wir, dass wir einen Ausgang finden.«
»Das ist ein Scheißplan.«
»Ich weiß.«
Wir nahmen unseren Weg wieder auf, ich voran und Becks so dicht hinter mir, dass ihre Schultern jedes Mal meine berührten, wenn sie sich umschaute. George war wieder verstummt. Das war gut: So konnte ich mich voll und ganz konzentrieren. Nach einer Weile bestand die Welt nur noch aus den Geräuschen, die wir bei unseren langsamen Schritten machten. Beim Feldtraining lernt man unter anderem, wie man leise auftritt und langsam atmet. Die Virenvermehrung verleiht den Zombies zwar keine Superfähigkeiten, aber sie steigert ihre Aufmerksamkeit in bestimmten Beziehungen enorm. Deshalb wirkt ihr Talent, Lebewesen aufzuspüren, manchmal geradezu übernatürlich. Aber das ist es nicht. Zombies sind einfach nur unglaublich gut darin, auf Kleinigkeiten zu achten. Es sind die Kleinigkeiten, wegen denen Leute zu Tode kommen.
Wir erreichten die erste Biegung. Ich schnellte um die Ecke und hob die Taschenlampe, um den gesamten Korridor zu erhellen. Das beeinträchtigte zwar unsere Nachtsicht, war aber auch zugleich ein wirksamer Schutzschild: Das Netzhautleiden, aufgrund dessen George den Großteil ihres Lebens hinter einer Sonnenbrille hatte verbringen müssen, haben auch alle Infizierten. Sie können zwar auch am Tage nach draußen, aber wenn möglich, bleiben sie immer im Dunkeln, und wenn man ihnen mit einer Taschenlampe direkt in die Augen leuchtet, gefällt ihnen das ganz und gar nicht.
Mein Licht fiel in einen leeren Gang. Ich ließ die Taschenlampe sinken. »Sauber«, sagte ich, und wir gingen weiter und folgten dabei dem Verlauf des Gebäudes, das uns behutsam in eine Richtung drängte. Wir liefen in die Rattenfalle. Unglücklicherweise war das das Klügste, was wir machen konnten. Wenn wir in die andere Richtung gegangen wären, dann hätte uns das bloß weiter weg von den Helfern geführt, die vielleicht auf uns warteten – vorausgesetzt, es gab sie überhaupt.
An den nächsten drei Biegungen gingen wir genauso vor. Jedes Mal trat ich mit einem schnellen Schritt um die Ecke, um die dort möglicherweise lauernden Infizierten mit meiner Taschenlampe zu blenden, während Becks mir den Rücken freihielt, jederzeit bereit, das Feuer zu eröffnen. Jedes Mal fiel das Licht in einen kahlen, absolut leeren Korridor. Die weißen Wände schimmerten wie Geister in der Dunkelheit um uns herum. Ich spürte ein Kribbeln auf der Haut, als Klaustrophobie und Paranoia meinen Herzschlag beschleunigten. Ich drängte die aufsteigende Panik zurück. An Becks stockendem Atmen – es war nicht besonders deutlich, nur bei jedem dritten Atemzug – erkannte ich, dass es ihr ähnlich ging. Nicht das, was passiert, macht einen fertig, sondern das Warten.
An der nächsten Ecke war das Warten vorbei.
Es begann genauso wie an den vorangegangenen Biegungen: Becks schussbereit, während ich um die Ecke trat und den Strahl meiner Taschenlampe in den Korridor richtete. Nur dass der Korridor vor uns diesmal nur etwa drei Meter lang war und sich dann zu einer T-Kreuzung gabelte … und diesmal ertönte als Reaktion auf das Licht ein Stöhnen. Es befand sich noch linkerhand der Kreuzung außer Sicht, aber das spielte keine Rolle: Wenn man einmal das Stöhnen der Infizierten gehört hat, vergisst man es nie. Es ist die Sorte Geräusch, die sofort fest in unseren primitiven Affenhirnen verdrahtet wird, und die von ihm vermittelte Botschaft lautet schlicht und einfach: Lauf!
Hastig machte ich einen Schritt zurück, wobei ich die Taschenlampe dorthin gerichtet hielt, wo das Stöhnen hergekommen war. Das Licht würde die Infizierten nicht vertreiben – nichts hält einen hungrigen Zombie auf, wenn er erst einmal festgestellt hat, wo die nächste Gratismahlzeit wartet –, aber der Schmerz würde sie langsamer machen. »Becks?«
»Ja?«
»Ist in der anderen Richtung alles frei?«
»Ich glaube schon.«
»Gut. Becks?«
»Ja?«
»Lauf!«
Unsere Flucht war schlicht und alles andere als elegant. Becks rannte praktisch, bevor das Wort ganz aus meinem Mund war. Sie hatte nur auf die Bestätigung dafür gewartet, dass ich auch keine bessere Idee hatte. Ich folgte ihr keinen Herzschlag später. Wir rannten so schnell wir konnten, unsere Schritte hallten von den Wänden um uns herum wider, sodass sich unmöglich sagen ließ, ob wir uns in Sicherheit flüchteten oder in die Arme einer weiteren Rotte. Hinter uns setzte das Stöhnen erneut ein. Erst klang es entfernt, doch es wurde erschreckend schnell lauter. Das ist etwas, worin sich die alten Filme geirrt haben. Echte Zombies – insbesondere die frisch Infizierten – können rennen.
Ruf um Hilfe!
»Wie?« keuchte ich, noch immer rennend. Becks warf mir einen Blick zu. Ich schüttelte den Kopf, und sie wandte ihre Aufmerksamkeit erneut der gewichtigen Aufgabe zu, um ihr verdammtes Leben zu rennen.
Du hast ein Telefon! Denk nach, Shaun!
Es war schwer, sich gleichzeitig aufs Rennen und auf das, was George mir mitteilen wollte, zu konzentrieren. Sie war immer die Schlaue von uns gewesen, und das galt selbst jetzt, wo sie bloß noch ein Geist in meinem Getriebe war. Ich versuchte, mir einen Reim auf ihre Worte zu machen, und fiel fast hin, als die Erkenntnis mich traf.
»Verdammte Kacke noch mal!«, sagte ich, was Becks zu einem weiteren stechenden Blick veranlasste. »Becks, du musst uns ein bisschen Zeit erkaufen. Mach dir keine Gedanken über die Zinsen.«
»Alles klar«, sagte sie. Der Gehorsam siegte über ihre Verwirrung. Sie drehte sich dorthin um, wo das Stöhnen herkam, wobei sie mir nach wie vor durch den Korridor nachlief. Wenn sie stolperte, wäre es aus für sie, aber darüber schien sie sich keine Gedanken zu machen. Mit sicherer Hand nahm sie etwas Kugelförmiges von ihrem Gürtel. Die Bewegung wurde von dem unverkennbaren Geräusch eines Stifts gefolgt, der gezogen wurde, und dann warf sie die Handgranate dorthin, wo das Stöhnen herkam. Noch während sie losließ, wirbelte sie herum und packte mich am Arm. Jetzt war es an ihr, mich den Korridor entlang mitzuzerren, und das tat sie mit bewundernswertem Nachdruck. »Renn!«
Ich rannte.
Etwa sechs Sekunden später explodierte die von Becks geworfene Granate. Die Explosion reichte nicht aus, um einen Flammensturm auszulösen, war aber immerhin groß genug, um den Korridor einen Moment lang mit Licht zu fluten. Ich riskierte einen Blick über die Schulter. Die Wände brannten. Das sollte genügen, um die Infizierten zumindest für ein Weilchen aufzuhalten. »Gib mir Deckung«, sagte ich.
Becks nickte, wurde langsamer, damit ich einen kleinen Vorsprung gewinnen konnte, und hielt dann eine Position etwa anderthalb Meter hinter mir. Ich kam mir vor wie der letzte Arsch, wie ich sie so zwischen mich und die Gefahr stellte, aber ich brauchte etwas Luft. Das war vielleicht das Einzige, was uns retten konnte.
Es war nicht leicht, einen Ohrbügel aus meiner Jackentasche zu kramen, ohne die Taschenlampe fallen zu lassen, insbesondere im vollen Lauf. Irgendwie kriegte ich es hin. Ich setzte mir den Ohrbügel auf, drückte auf Anrufen und blaffte: »Sichere Verbindung, Befehlszeile: ›Hallo, Schatz, ich bin zu Hause‹, mit Alaric Kwong verbinden.«
Das Ohrteil piepte. Einen endlosen Augenblick lang waren nur Schritte, schnelles, erschöpftes Atmen und das entfernte Stöhnen der Infizierten zu hören sowie das heftige Pochen meines überbeanspruchten Herzens. Wir konnten nicht ewig rennen. Früher oder später würde die Rattenfalle zuschnappen, und wenn wir dann am falschen Ort waren …
Das Ohrteil piepte erneut, als Alaric ranging.
»Sichere Verbindung bestätigt, bitte verifiziere deine Identität, sonst lege ich auf.«
»Fick dich, Alaric, ich habe keine Zeit, mir irgendein dummes Codewort zu merken.« Das war gelogen: »Irgendein dummes Codewort« lautete die aktuelle Losung. Wenn der Seuchenschutz mithörte, was wahrscheinlich der Fall war, dann veranlasste sie das vielleicht zu der Annahme, dass unsere Sicherheitsvorkehrungen weniger sorgfältig wären, als es tatsächlich der Fall war. Man durfte zumindest hoffen. »Wir sind hier gerade ein bisschen in Schwierigkeiten. Ist der Doc da?«
»Shaun? Warum atmest du so? Was ist …«
»Ich will, dass du mir auf der Stelle den Doc gibst, Alaric, sonst kriegst du eine verdammte Feldbeförderung! Ist das klar genug, oder muss ich dir Aufnahmen von den Zombies schicken, die uns gerade in den Arsch beißen wollen?«
»Ich hole sie«, sagte Alaric. Es piepte erneut in der Leitung, gefolgt von Stille.
Becks schloss zu mir auf. Schweiß ließ ihre Haut glänzen wie einen neuen Kupferpfennig. »Was machst du da?«
»Die Anlagen der Seuchenschutzbehörde basieren alle auf demselben Grundriss, stimmt’s?« Eine weitere T-Kreuzung kam unmittelbar vor uns in Sicht. Das Licht meiner Taschenlampe genügte gerade so, um uns vorzuwarnen, ehe wir gegen die Wand rannten.
»Stimmt, aber …«
»Entweder der Doc holt uns hier raus, oder wir sind tot, Becks.« Das Stöhnen hinter uns wurde nach wie vor lauter, und die Wand vor uns kam näher. »Renn weiter!«
Es piepte in meinem Kopfhörer, und Kellys ängstliche Stimme verdrängte das Schweigen, als sie fragte: »Shaun? Bist du das wirklich?«
»Wir sitzen in der Patsche, Doc! Zombies hetzen uns durch die Seuchenschutzbehörde in Portland, und wir müssen hier raus, bevor wir auf der Speisekarte enden! Vor uns ist eine T-Kreuzung – wo sollen wir lang?«
Eins musste ich Kelly lassen: Sie reagierte ziemlich schnell auf eine völlig aus dem Zusammenhang gerissene Frage. »Seid ihr schon vorher an einer T-Kreuzung vorbeigekommen?«
»Ja! Da sind wir nach rechts!«
»Ihr seid nach … verdammt! In Ordnung. An der T-Kreuzung vor euch geht ihr nach links und versucht, die dritte Tür zu öffnen, an der ihr vorbeikommt. Ist das Gebäude schon abgeriegelt?«
»Meinst du damit, ob alle Lichter aus sind und die Hälfte aller Türanzeigen kurz vor dem Stromausfall dunkelgelb geworden sind? Wenn ja, dann ist das Gebäude abgeriegelt!« Ich packte Becks beim Handgelenk und zerrte sie mit mir nach links. »Was für eine Tür?«
»Genauso groß wie die anderen auch, aber sie müsste aufgehen, wenn ihr dagegen drückt.«
Zur Rechten blitzte eine Tür auf, gefolgt von einer weiteren gut zwei Meter weiter, diesmal auf der linken Seite. Ich wurde langsamer, um nicht an der dritten Tür vorbeizurauschen, griff nach dem Knauf und war mir dabei nur allzu bewusst, was für einen Vorteil ich unseren Verfolgern verschaffte, falls Kelly sich irrte. Die Zombies würden nicht langsamer werden, nur damit das Rennen spannend blieb.
Der Türknauf ließ sich ohne Probleme drehen, und die Tür schwang auf, sodass ich – zusammen mit Becks – beinahe kopfüber in einen speisekammergroßen Raum stürzte. Entlang der Deckenkanten verliefen gelb leuchtende Röhren wie übergroße Versionen der tragbaren Feldtaschenlampe. Ich gewann das Gleichgewicht wieder, stolperte endgültig in den Raum, schob Becks hinter mich und knallte die Tür zu. Innen gab es drei altmodische Riegel, die selbst bei einem Stromausfall noch funktionierten. Ich schob alle drei zu und fixierte sie, bevor mir auch nur klar wurde, was ich da tat.
»Shaun?« Ich zuckte zusammen, als ich Kellys schrille Stimme hörte. »Wo bist du? Geht es dir gut?«
»Wir sind in einer Art komischer Abstellkammer.« Ich wich von der Tür zurück und hielt die Pistole dabei direkt über den Knauf gerichtet. Wenn die Infizierten anfingen, gegen die Tür anzustürmen, würden sie für jeden Zentimeter bezahlen.
»Sind die Lichter rot, gelb oder grün?«
»Gelb.« Es war ein bernsteinfarbenes Gelb, aber es war eindeutig nicht rot oder grün.
Kelly seufzte, offenbar erleichtert. »Das bedeutet, dass das Sicherheitssystem aktiviert ist, ihr euch aber noch nicht in einem bereits abgeriegelten Bereich befindet. Die Tür ist schalldicht und lässt weder Luft noch Flüssigkeiten durch, solange also alle im Raum befindlichen Personen sauber sind, dürftet ihr sicher sein.«
»Solange wir nichts dagegen haben, wie Ratten in einem Käfig zu sterben, meinst du. Wie kommen wir hier raus, Doc?«
»Es müsste eine Tür geben, direkt gegenüber von der, durch die ihr reingekommen seid.«
Die Wand dort war völlig glatt. »Keine Tür.«
»Berühre die Wand!«
»Wie bitte?«
»Tu es einfach!«
Wenn Kelly hätte versuchen wollen, uns umzubringen, dann hätte sie uns nicht erst in ein Schlupfloch geführt. Ich deutete mit dem Kopf auf die gegenüberliegende Wand und sagte: »Doc will, dass wir sie berühren.«
»Berühren?«
»Ja.«
»Alles ist besser, als wieder da rauszugehen.« Mit dieser gleichmütigen Bemerkung klatschte Becks die linke Hand flach gegen die Wand – die sofort zu wabern begann, durchsichtig wurde und den Blick auf eine weitere Wand dahinter freigab. In deren Mitte befand sich eine Tür, die genau der glich, durch die wir hereingekommen waren.
Becks riss mit einem lauten Fluch die Hand weg. Kelly sagte mir ins Ohr: »Ich habe jemanden rufen gehört. Seht ihr jetzt die richtige Wand?«
»Das hättest du ruhig gleich sagen können!« An der nun sichtbaren Wand befanden sich drei Testfelder, und neben jedem davon leuchtete ein beruhigend grünes Licht.
»Ich war mir nicht sicher, ob sie wirklich da sein würde«, erklärte Kelly. Ihr Tonfall klang aufrichtig; entweder meinte sie es ehrlich, oder sie war eine sehr viel bessere Schauspielerin, als sie durchblicken ließ. »Legt die Hände auf die Testfelder! Eure Testergebnisse müssen sauber sein, damit die Glaswand hochfährt. Wenn nicht …«
Wenn sie nicht sauber waren, dann würden wir diesen Raum nie wieder verlassen. »Bist du dir sicher, dass diese Tests funktionieren?«
»Es ist ein Notsystem, das nicht ans Hauptstromnetz angeschlossen ist. Wenn die Abdeckung noch da und die Innenbeleuchtung an war, dann müssten sie funktionieren.«
»Ich verlasse mich hier auf dich, Doc. Verarsch uns bloß nicht!« Ich steckte meine Pistole weg, trat neben Becks an die Wand und klatschte meine Hand auf eine der Testeinheiten. Sie hob die Brauen. Ich nickte ihr zu, worauf sie meinem Beispiel folgte. Aus dem Gesicht, das sie zog, schloss ich, dass die Nadeln uns gleichzeitig ins Fleisch stachen. Diese Testeinheiten waren auf bloße Funktionalität hin konzipiert. Deshalb wurde keine Zeit mit Nettigkeiten wie Betäubungsschaum oder Handsterilisierung vor den Tests verplempert – oder mit normal großen Nadeln. Es fühlte sich an, als striche man mit der Handfläche über einen Kaktus, eine Vielzahl winziger Nadelstiche, die nicht wehtaten, weil sie nicht lange genug dauerten, um sie überhaupt wahrzunehmen. Es blieb bloß ein tierisches Jucken.
»Treten sie vom Testcenter zurück«, intonierte eine angenehme Frauenstimme.
Becks und ich wechselten einen Blick und traten einen Schritt zurück. »Doc, der Raum redet«, berichtete ich.
»Das ist normal«, antwortete sie. Irgendwie fand ich das nicht besonders beruhigend.
Die Lichter neben den beiden Einheiten begannen in dem vertrauten Rot-Grün-Muster zu blinken, während unser Blut auf der Suche nach Viren gefiltert wurde. Von draußen kam noch immer kein Laut, aber das machte die Sache nicht besser. Klar, wir wussten, dass wir nicht in den nächsten dreißig Sekunden gefressen werden würden, aber da draußen konnte sich die gesamte infizierte Belegschaft der Seuchenschutzbehörde von Portland befinden, ohne dass wir es mitbekamen. Das gehörte nicht gerade zu den Dingen, über die ich im Moment nachdenken wollte.
Atme!, sagte George.
Ich holte tief Luft, und im selben Moment begannen die Lichter an den Testeinheiten in einem steten Grün zu leuchten. »Vielen Dank«, sagte die Frauenstimme. »Sie dürfen passieren.« Die Glasscheibe glitt beiseite und verschwand in einem Schlitz in der Wand.
»Das ist verdammt noch mal alles deine Schuld, Mason«, knurrte Becks und ging auf die nunmehr freigegebene Tür zu.
»Wie kommst du zu dem Schluss?«
»Du bist derjenige, der meinte, es wäre hier wie in einem Videospiel aus der alten Zeit.«
Ich biss mir auf die Lippe, um nicht laut loszulachen. Ich wollte Kelly schließlich keinen Grund geben, an unserem nicht infizierten Zustand zu zweifeln – nicht, solange sie uns noch in Sicherheit bringen musste. »In Ordnung, Doc, die durchsichtige Wand ist jetzt offen. Da ist eine Tür. Was sollen wir machen?«
»Pass gut auf: Ihr befindet euch auf einem der zusätzlichen Fluchtwege. Sie dienen dazu, unverzichtbare Mitarbeiter aus dem Gebäude zu bringen, wenn es irgendwie möglich ist, selbst bei einem Ausbruch. Sie sind nicht allgemein bekannt, und sie werden nie zum Transport von Biomaterial verwendet, nur zur Evakuierung. Verstehst du, was ich dir damit sagen will?«
Ich bekam eine Gänsehaut. »Sie sind darauf programmiert, beim geringsten Anzeichen einer Kontaminierung eine automatische Sterilisierung einzuleiten, stimmt’s?«
»Ja, so ist es. Ich schlage Folgendes vor.« Kelly hielt inne und fuhr dann grimmig fort: »Lauft so schnell wie möglich! Folgt den gelben Lichtern! Sie werden euch zu einem Ausgang führen. Solang ihr weiterhin nicht infiziert seid, kommt ihr dort hinaus.«
»Und wenn sich etwas an unserem Infektionsstatus ändert?«
»Wenn bei irgendjemandem in den Fluchtkorridoren die Umwandlung einsetzt, wird die automatische Sterilisierung aktiviert.«
»Na wunderbar! Okay. Sag Alaric, dass ich noch mal anrufe, falls wir nicht tot sind.« Ich würgte ihre Protestrufe ab, indem ich auflegte, zog mir den Kopfhörer aus dem Ohr und stopfte ihn mir in die Tasche, wobei ich mich wieder zu Becks umdrehte. »Endspurt. Sobald sich diese Tür öffnet, setzt du deinen Arsch in Bewegung, und falls es Lava regnet, während wir da drinnen sind, war es schön, dich kennengelernt zu haben.«
»Alles klar«, sagte Becks mit einem kleinen, angespannten Nicken. Es würde natürlich nicht wirklich Lava regnen. Es würden aggressive Chemikalien sein, die alles Lebendige zerfraßen, gefolgt von einem Strahlenbombardement, gefolgt von noch mehr Chemikalien, bis alles Organische innerhalb des Korridors auf leblosen Schleim reduziert sein würde. So etwas kann man dort, wo sich regelmäßig Menschen aufhalten sollen, nicht machen, da die Umgebung dadurch dauerhaft vergiftet wird, aber in einem selten benutzten absoluten Notausgang war es auf schaurige Art und Weise sinnvoll.
Ich zögerte und streckte ihr dann die Hand entgegen. »Es war schön, dich kennengelernt zu haben, Rebecca«, sagte ich.
»Gleichfalls, Shaun. Gleichfalls, glaub mir.« Sie verschränkte die Finger mit meinen und lächelte wehmütig. »Falls wir hier lebend rauskommen, können wir zwei vielleicht mal einen Kaffee trinken gehen oder so.«
»Klar doch«, erwiderte ich. Sie ließ meine Hand nicht los, und ich zog sie nicht weg. Wir hielten die Finger ineinandergeschlungen wie verhedderte Computerkabel, und ich griff nach der zweiten Tür und zog sie auf. Ein gelbes Licht ging an. Becks und ich wechselten einen letzten Blick und traten durch die Tür und in die relative Dunkelheit auf der anderen Seite.
Die Tür schwang hinter uns zu, kaum dass wir hindurchgetreten waren, wobei mit einem lauten, beinahe beruhigenden Zischen die Hydraulik ansprang. Das bedeutete, dass alle Systeme arbeiteten: Wenn diese Anlage uns in Säure auflöste, dann würde sie es immerhin in voll funktionsfähigem Zustand tun. Links des ersten Lichts sprang ein weiteres gelbes Licht an und noch eins und noch eins, bis eine ganze Reihe winziger Leuchtfeuer uns den Weg tiefer ins Dunkel wies.
Es gab keinen anderen Weg, den wir einschlagen konnten, und Kellys Anweisungen besagten, dass wir den Lichtern folgen sollten. Wir hatten ihr so weit vertraut. Das Schlimmste, was uns zustoßen konnte, wenn wir ihr auch weiterhin vertrauten, war der Tod. »Komm«, sagte ich. So schnell, wie wir es wagten, folgten wir den Lichtern.
In der Dunkelheit kommt einem der Weg immer weiter vor. Je größer die Dunkelheit, desto weiter die Entfernung. Die gelben Lichter sollten uns die Richtung weisen und nicht den Gang ausleuchten, und auch meine Taschenlampe genügte nicht, um die Schatten zu verdrängen. Wir waren wahrscheinlich noch keine hundert Meter weit gekommen, aber ich hatte das Gefühl, schon zehn- oder zwölfmal so weit gelaufen zu sein. Unser Atem klang laut in dem engen Tunnel, und immer wieder blieb ich mit den Zehen am nicht ganz ebenen Boden hängen. Als ich zum dritten Mal beinahe gestolpert wäre, wurde mir klar, dass wir durch eine riesige Dusche liefen, in der es alle drei Meter einen Abfluss gab. Die Abflüsse waren natürlich wichtig, wenn die Seuchenschutzbehörde hier alles wegspülen wollte – zum Beispiel, nachdem man ein paar ungebetene Gäste zersetzt hatte. Ich beschleunigte meinen Schritt und zog Becks dabei mit. Sie folgte mir bereitwillig. Becks war schlau genug, um ebenso dringend von hier verschwinden zu wollen wie ich.
Die gelben Lichter gingen immer, etwa dreißig Sekunden nachdem wir sie passiert hatten, aus und blinkten im gleichen Takt vor uns auf. Nachdem ich zum zweiten Mal in die Dunkelheit hinter uns geblickt hatte, richtete ich von da an den Blick stur nach vorne. Alles andere wäre sinnlos gewesen und hätte meine Nerven über die Maßen strapaziert.
Ich bin da, sagte George.
Ich drückte Becks Hand und ging weiter.
Die gelben Lichter führten um eine Ecke und in einen schmaleren Gang, der zu beiden Seiten von Lichtern gesäumt war. Sie waren nach wie vor klein, doch nun waren es genug, damit ich die Umrisse von Becks’ Gesicht und Schultern erkennen konnte. Der Anblick wirkte beruhigend. Sie wandte mir den Kopf zu, und ich spürte, wie ihre Finger sich entspannten, als auch sie von einer Welle der Erleichterung durchströmt wurde. Vielleicht würde doch noch alles gut werden.
Vor uns leuchteten weiterhin neue Lichter auf und bildeten schließlich einen hellen Ring um eine Tür. Becks und ich rannten gleichzeitig los und hielten im vollen Lauf auf den Ausgang zu. Nur wegen meiner längeren Beine kam ich einen halben Schritt vor ihr an und griff mit der freien Hand nach dem Türknauf. Nadeln stachen mir tief in die Handfläche und – anders als bei jedem anderen Bluttest, den ich je erlebt hatte – verharrten dort, während die Lichter über der Tür abwechselnd rot und grün blinkten. Das Licht blieb auf Grün stehen und ging dann aus. Stattdessen leuchtete ein einzelnes grünes Licht zur Linken auf. Die Nadel zog sich zurück. Die Tür ging nicht auf.
»Diese Scheißwissenschaftler denken auch an alles«, brummte ich und zog meine Hand weg. »Du bist dran, Becks. Sie lassen uns hier nicht raus, solange wir nicht beide sauber sind.«
»Yippie«, erwiderte sie trocken und trat vor, um meinen Platz einzunehmen. Die Lichter wiederholten ihren flackernden Tanz, und eine zweite Glühbirne leuchtete neben der ersten grün auf. Die Tür entriegelte sich und schwang nach innen auf, sodass wir beide einen Schritt zurückweichen mussten. Wohltuend kühle Luft strömte in den Flur. Ich holte tief Atem und sog voll Behagen die saubere Luft ein. Zur Abwechslung ließ ich mich von Becks mitziehen, hinaus ins Licht.
Kellys Notausgang führte auf einen Angestelltenparkplatz, auf dem sich bereits ein gutes Dutzend Leute aufhielten, von denen die meisten Laborkittel trugen … und da, am Rande, stand Direktor Swenson. Mit zwei anderen Personen in Laborkitteln und Miss Lassen, der Rezeptionistin, bildete er ein kleines Grüppchen. Sie sah uns als Erste. Sie erstarrte kurz und flüsterte dann dem Direktor hektisch etwas zu. Er wandte den Kopf in unsere Richtung und riss einen Moment lang die Augen auf, ehe er sich fasste.
Becks drückte meine Hand. Mir war nicht mal aufgefallen, dass sie sie noch immer festhielt. »Lass es«, flüsterte sie. »Wir haben, was wir brauchen. Die Aufzeichnungsgeräte sind die ganze Zeit mitgelaufen. Diese Story wird ihm den Rest geben. Wir haben alles, was wir brauchen.«
Ich nickte knapp und zog meine Hand weg. Dann lächelte ich. »Direktor Swenson!«, rief ich und hob dabei winkend beide Arme über den Kopf, als wollte ich ein Flugzeug einweisen. »Schön zu sehen, dass Sie es rausgeschafft haben! Was ist denn passiert, Mann?«
»Mr Mason – Ms Atherton«, sagte der Direktor. Es gelang ihm, seine Miene unter Kontrolle zu bringen, aber seine Stimme bebte leicht. Der Mistkerl hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass wir lebend rauskommen würden. »Ich bin so froh, Sie beide zu sehen, ich hatte Angst, dass sie nicht rechtzeitig erkennen würden, was vorgefallen ist, um es noch zu einem Ausgang zu schaffen.« Seine Augen huschten zu der Tür, durch die wir gekommen waren. »Ich hatte keine Ahnung, dass sie von den Evakuierungstunneln wissen.«
Was erklärt, warum er sie nicht hat fluten lassen, solange wir noch drin waren, bemerkte George. Sie klang stinksauer. Niemand hatte das Recht dazu, einfach so mein Leben in Gefahr zu bringen.
»Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht.« Ich lächelte noch immer. Wenn ich damit aufhörte, würde ich ihm einen Schlag ins Gesicht versetzen, und Letzteres kam mir sehr viel weniger hilfreich vor, auch wenn es sicher sehr viel mehr Spaß gemacht hätte. »Also im Ernst, Mann, was ist passiert? Waren das schon wieder Pitbulls? Noch ein illegales Zuchtprogramm wie das in Oakland?«
»Ich … wir sind uns noch nicht ganz sicher.« Direktor Swensons Blick huschte erneut Richtung Tür. Ganz offensichtlich hatte er noch keine Geschichte parat. Warum hätte er sich auch die Mühe machen sollen? Es war nicht geplant gewesen, dass wir überlebten. »Es wird eine Presseerklärung geben, sobald wir eine genauere Vorstellung davon haben, was schiefgegangen ist.«
»Super. Sorgen Sie bitte dafür, dass wir die auch kriegen. Ach ja, dieses Datenmaterial, von dem Sie gesprochen haben, das mit Georgias Nachforschungen zu tun hat? Auch davon erwarte ich Kopien, da wir es uns nicht zusammen ansehen konnten. Wenn ich keine bekomme, werde ich wohl davon ausgehen müssen, dass Sie etwas zu verbergen haben.« Ich wandte mich nach wie vor lächelnd ab und machte mich auf den Weg Richtung Besucherparkplatz.
»Moment – wo wollen Sie hin?«
Ich drehte mich lange genug zu Direktor Swenson um, um ihm das breiteste Idiotengrinsen zuzuwerfen, dass ich zustande brachte. Es kam mir eher vor, als fletschte ich die Zähne. Vielleicht sah es auch so aus: Unwillkürlich wich er einen Schritt zurück und riss dabei die Augen auf. »Wir machen unseren Job«, sagte ich. »Wir verbreiten die Neuigkeiten und erzählen der Welt, was passiert ist.« Ohne stehen zu bleiben, winkte ich den übrigen Überlebenden der Seuchenschutzbehörde von Portland zu, während Becks mir dichtauf folgte. Keiner von uns beiden schaute sich noch einmal um. Beim Motorrad angekommen verstauten wir unsere Sachen, setzten unsere Helme auf und fuhren los.
Scheiß auf euch alle! Wenn ihr es auf die Tour machen wollt … wenn es so laufen soll … dann scheiß auf euch! Ihr habt keine Ahnung, womit ihr es zu tun habt. Ihr habt keine Ahnung, wozu ich fähig bin. Und ihr habt keine Ahnung, wie wenig ich noch zu verlieren habe.
Schon bald wird euch all das sehr viel mehr leidtun, als ihr es euch jetzt vorstellen könnt, und ich werde lachen und auf euer Gab pissen.
Aus Anpassen oder Sterben, dem Blog von Shaun Mason, 18. April 2041, unveröffentlicht.