9. Kapitel
Nach der Begebenheit mit der Barb war Murgon durcheinander. Seine Gedanken spielten Fangen, er hatte Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren und verspürte das erstemal in seinem Leben das, was Menschen Kopfschmerzen nennen.
Wie war Bluma dies gelungen?
Etwas, dass nur sehr mächtige Magier beherrschen. Eine Astralwanderung, wie sogar er, der Lord von Unterwelt, sie nicht vermochte. Hatte die Barb den Prozess bewusst herbei geführt oder war sie geleitet worden? Und falls ja, von wem? Fragen über Fragen und keine Antworten!
Nichts hasste Murgon mehr, als unbeantwortete Fragen. Mit einem harten Blick musterte er den Holzkasten, der sein Leben verändert hatte. Er wollte, würde und musste ihn öffnen. Dieses Artefakt bewahrte ein Geheimnis, welches ihm die Wächter hatten zukommen lassen.
Er hatte es als junger Elf, als er noch Feiniel genannt wurde, gefunden und es hatte ihn nach Unterwelt gebracht. Für dieses Geheimnis hatte er getötet und würde es immer wieder tun. Ja, er war ein Auserwählter! Sein Vater hatte davon geträumt und diese Träume hatten die Wahrheit gesprochen.
Mittels dieses Artefaktes würde er über Mythenland herrschen und später über die Götterwelt. Er dachte an seine Schwester Gwenael, die er in einer Aufwallung des Zornes umgebracht hatte. Sie fehlte ihm.
Der Austausch mit ihr war stets fruchtbar gewesen und Murgon erkannte, dass er einen Fehler begangen hatte. Gwenael würde wissen, was die Sache mit Bluma auf sich hatte. Sie wäre vielleicht in der Lage gewesen, die Barb zu bannen.
Er rieb sich die Schläfen und kniff die Augen zusammen. Es war zu spät, um zu hadern. Was geschehen war, konnte nicht mehr verändert werden. Vergangenes war geschehen, ein für alle mal!
Es wurde Zeit, sich auf seine Tochter Katraana zu konzentrieren. Wusste sie, dass sie seine Tochter war? Vermutlich nicht, nein, das würde man ihr verschwiegen haben. Der Rat rechnete damit, dass er seiner eigenen Tochter nichts zuleide tun würde und somit ein leichtes Opfer für sie darstellte.
Wie würde sie reagieren, wenn er sie mit der Wahrheit konfrontierte? Er spürte ihre Präsenz. Sie war unten und starrte zur Festung hoch. Es würde nicht mehr lange dauern, und sie stand ihm gegenüber. Sie war gekommen, um ihn zu töten. Eine mutige junge Elfe, eine wahre Kämpferin, die – wie Gwenael betont hatte – zudem über einige magischen Fähigkeiten verfügte.
Die Begegnung versprach spannend zu werden!
Die Präsenz verstärkte sich und Murgon überlegte, ob er ihr entgegen gehen sollte. Ahnte sie, dass er von ihr wusste oder dachte sie tatsächlich, sie könne einfach so in die Festung gelangen? Diese mögliche Naivität rührte Murgon und er machte sich auf den Weg. Er wappnete sich mit einem Abwehrzauber, den er fast ohne darüber nachzudenken um sich wob.
Die stummen Wachghule sprangen ihm aus dem Weg und rissen die Tür auf. Es handelte sich um Neulinge. Seine letzten Wärter hatte er getötet. Diesen hier waren erst vor zwei Tagen die Zungen genommen worden. Sie starrten ihn mit glasigen Augen an und grunzten vor Schmerz und Angst.
Murgon ignorierte sie.
Er war mit den Gedanken woanders.
Er stieg die Stufen hinunter und konzentrierte sich, so gut es mit seinen Kopfschmerzen ging. Katraana wartete. Wusste sie, dass er ihr entgegen kam? Verfolgte sie eine Strategie mit ihrer Ruhe?
Dämmerige Gänge, die von blauen Maguslichtern oder Fackeln beschienen waren. Schatten, die hin und her sprangen. Feuchtigkeit, die von Wänden tropfte. Es roch nach Schwefel. In einer kleinen Halle gab es Wände mit Reliefen, die grausige Kreaturen zeigten. Handelte es sich um die Wächter? Sahen sie so aus? Nicht selten verharrte Murgon vor den Reliefen und versuchte, hinter den Bildern einen tieferen Sinn zu finden.
Stets war ihm, als würden diese Reliefe seine Kraft aufladen. Dann murmelte er in einer Sprache, die ihm ansonsten unbekannt war und träumte von Sieg und Unterdrückung.
Mit wehender Robe schritt er weiter. Er zog die Kapuze über seine langen weißen Haare, weit in die Stirn, sodass seine glutroten Augen im Schatten ruhten. So würde Katraana ihn nicht sofort erkennen. Er konnte jedermann sein. Es war durchaus möglich, dass sie eine Waffe beherrschte, die sich seiner Phantasie entzog. Falls dies so war, wollte er ihr kein leichtes Ziel bieten.
Die Schwingungen seiner Tochter wurde stärker und stärker. Bei den Göttern, sie war stark! Und sie strahlte Dunkelheit aus. War sie immer so gewesen oder hatte Unterwelt sie verändert?
Murgon ahnte, dass er es gleich wissen würde. Er trat nach draußen. Tatsächlich wartete sie unten am Ende der kleinen Brücke, welche die Höhle von der Festung trennte.
Murgon hielt inne und betrachtete seine Tochter.
Sie war eine wunderschöne Frau. Ihr edles Gesicht wurde von dunklen Haaren umrahmt, ihre Kleidung war geschmackvoll und zielorientiert. Kriegerkleidung. Sie trug einen Bogen, ein Schwert und ein Messer im Gürtel.
Am liebsten hätte Murgon gelacht.
Waffen, die ihm nichts anhaben konnten. Doch das Lachen blieb ihm im Rachen kleben, als er Katraanas Augen sah. Glühende rote Diamanten, die eine Präzision und Kälte aussandten, die Murgon erschütterte.
Er breitete die Arme aus und setzte sich in Bewegung. »Katraana!«
Sie hob den Bogen, spannte blitzschnell einen Pfeil ein und schoss.
Connor reagierte sofort.
Frethmar folgte ihm.
Connor verhielt vor einer schönen Frau. »Geht zurück ins Haus. Da stellt der Golem keine Gefahr für Euch dar.«
Die Frau starrte ihn mit großen Augen an, ein Blick, der Connor ein Schmunzeln abrang.
»Großer! Beeile dich!«, rief Frethmar und schwang die Axt.
Connor stürmte los.
»He, du Mistding!«, brüllte Frethmar. »Dreh dich um! Wir warten auf dich!«
Der Golem reagierte nicht, sondern stapfte mit seinen stempelartigen Beinen auf Bluma und Darius zu. Der Manndämon und die Barb wirkten wie versteinert. Furcht und Überraschung stand ihnen ins Gesicht geschrieben.
Connor traute seinen Augen nicht. Das also war der Golem, von dem sie gesprochen hatten? Die Bestie, die ihnen, im Auftrag vom Lord der Unterwelt, auf den Fersen war?
Der Rücken der Kreatur war offen und ein verwachsenes Rückgrat leuchtete zwischen offenem Fleisch heraus. Der Golem war unfertig. So, als habe sein Erschaffer mitten im Schöpfungsakt die Lust verloren. Dennoch schien die Kreatur keine Schmerzen zu haben.
Hinter Darius und Bluma tauchte Agaldir auf.
Sonst war niemand zu sehen.
Die Bürger von Dandoria hatten sich aus dem Staube gemacht. Der Hafen lag verwaist vor ihnen, die Wing war noch nicht ausgelaufen.
Glück im Unglück!, dachte Connor. Sie hatten noch ihr Schiff, aber was den Barbaren zu noch größerer Eile antrieb, war, dass von Lysas Amazonen nichts an Deck zu sehen war. Allerdings sah man auch keinen Ork. Was spielte sich hier ab?
Agaldir schob sich vor Bluma und Darius.
Aus seinen Händen spritzte Feuer.
Der Golem zuckte zusammen und brüllte. Sofort war Frethmar bei ihm und seine Axt krachte auf das Rückgrat. Bei den Göttern, die Knochen hielten, als wären sie aus Stahl. Der Golem wirbelte herum und starrte auf den Zwerg hinunter, der gegenüber der monströsen Gestalt des Golem winzig wirkte. Der überragte Connor um mehr als drei Köpfe.
Wo waren Bob und Bama?, schoss es Connor durch den Kopf. Und wo waren Lysa und Laryssa? Sie waren gemeinsam gegangen. Und wo war Steve?
Zum Nachdenken war jetzt keine Zeit mehr, denn der Golem konzentrierte sich auf Connor und Frethmar. Aus dem großen Maul spritzte Schaum, aus den Augen rann gelber Saft, so, als weine das Monster. Es starrte Connor an und das Maul klappte auf und zu. »Guuuut!«, grollte die Kreatur und schüttelte den Schädel, was erneut derartig menschlich wirkte, dass Connor für einen Moment zurückschreckte.
Das konnte unmöglich sein, dachte Connor. Diese Kreatur verfügte nicht über Gefühle, sondern nur über Grausamkeit.
Der Golem hob seine Arme und die Klauen zuckten, als versuche es, mittels Gesten etwas zu vermitteln.
Im selben Moment schlug Connor zu und Frethmars Axt krachte in den Körper der Kreatur. Die lederartige Haut platzte auf und Connors Schwert trennte dem Golem einen der Arme ab, während die Kreatur unter Agaldirs Feuer taumelte.
Connors Herzschlag setzte aus, als er sah, was sich in einiger Entfernung zutrug. Bei Gordur, der im immerwährenden Streit mit den Göttern lag, das war unheimlich. Zu viele Dinge, die gleichzeitig geschahen.
Frethmar schien ähnlich zu empfinden, denn der Zwerg stieß einen pfeifenden Laut aus, ließ die Axt sinken und schnellte vom Golem zurück.
Darius sackte auf die Knie. Sein Körper blähte sich. Sein Kopf pulste und die Kleidung riss und fiel von seinem Körper. Seine Hautfarbe veränderte sich dramatisch. Aus seinem nun kantigen Schädel quälten sich Hörner aus der Schädeldecke und handlange Finger wuchsen aus seinem Maul. Knochen brachen, Muskeln verknoteten sich, Fleisch platzte ab und verwandelte sich zu etwas, das wie schwarzes Leder wirkte. Die Gestalt des einstmals schönen Mannes bäumte sich auf und mit Geräuschen, als brächen trockene Äste im Feuer, formte er sich um, schüttelte sich und aus seinen roten Augen schossen winzige Leuchtfeuer.
»Manndämon«, hauchte Connor.
»Bei den Göttern ...«, flüsterte Frethmar.
Sogar der Golem starrte auf die Metamorphose, dann stieß er einen grellen Schrei aus und stürzte auf den Dämon zu.
Bluma sprang zur Seite und riss Agaldir mit sich, der ebenfalls entgeistert wirkte.
Das also war Darius Darken, wenn er sich verwandelte? Lediglich Bluma machte einen ruhigen Eindruck. Man sah ihr an, dass dies für die junge Barb nichts Besonderes war.
Die Gefährten fanden keine Zeit, um sich mit der Situation anzufreunden, denn schon prallten Dämon und Golem aufeinander. Es klang, als wenn zwei schwere Felsbrocken aufeinander stoßen. Die Kreaturen taumelten, hielten sich mit eisernem Griff fest und das Maul des Golem schnappte nach der Kehle des Dämons.
Der Manndämon bückte sich und griff mit unglaublicher Kraft unter die Hüfte des Golem. Mit einem trockenen Brüllen hob er seinen Gegner hoch und warf ihn zu Boden. Mit ausgebreiteten Armen sprang der Dämon in die Höhe und ließ sich auf den Golem fallen. Kopfsteine spritzten zur Seite. Irgendwo schrieen und brüllten Menschen, die sich in Sicherheit brachten.
Connor drehte sich impulsiv um und blickte in die Augen der dunkelblonden Frau, die entgegen seiner Anweisung nicht im Haus verschwunden war. Connor, der wusste, dass dieser Kampf zwischen zwei Dämonen entschieden werden würde, war mit drei Schritten bei der Frau.
»Ihr begebt Euch unnötig in Gefahr.«
»Ich heiße Mari.«
»Mich nennt man Connor«, gab der Hüne zurück. »Aber das scheint mir im Moment nicht wichtig zu sein. Wichtiger ist, dass Ihr diesen Ort so schnell wie möglich verlasst.«
Die Frau lächelte ihn an und ihr Blick bohrte sich mitten in Connors Herz. Verwirrt blinzelte der Barbar und zog ein Gesicht. »Es ist Eure Entscheidung, Mari!« Er drehte sich harsch um und Frethmar kam ihm entgegen.
»He, Großer. Was sagst du dazu? Unser Darius ist ja wirklich ein wunderschönes Bürschlein. Und so schwarz und muskulös. Ich glaube«, Der Zwerg legte den Kopf schräg »Ich glaube, du solltest mal was für deine Figur tun, Barbar.«
Der Golem stieß den Dämon von sich und der schwarze Riese stolperte gegen eine Hauswand, die bedenklich zu wanken anfing.
Aus den Augen des Dämons schossen Feuerstrahlen, doch der Golem schien gewappnet. Er wich den Strahlen geschickt aus, dann ging er in die Hocke, stieß sich an und sprang auf ein niedrig gelegenen Hausdach.
»GROOOAR!«
Dann verschwand er blitzschnell und geschickt. Lediglich Schreie begleiteten seinen Weg und Menschen rannten durcheinander, als hätten sie den Verstand verloren. In vermeintlicher Sicherheit wurden sie des Dämons gewahr und waren nun endgültig verwirrt.
Darius saß in der Hocke, mit den Klauen auf dem Boden gestützt. Sein Körper bebte und vibrierte, schien sich stetig zu verändern und verlor dennoch nicht seine grundsätzliche Form. Ein dumpfes Grollen kam aus dem grässlichen Körper. Bluma ging zu ihm und legte ihm eine Handfläche auf den Kopf, als habe sie ein Urwelttier gezähmt.
Bob und Bama kamen hinzu, dann Lysa und Laryssa. Steve erschien fast wie aus dem Nichts neben seinem Großvater Agaldir, der neugierig zu Darius trat. Der Alte schüttelte den Kopf und seine Lippen bewegten sich. Er starrte die schwarze Kreatur an wie einen seltenen Vogel oder einen unvermutet gefundenen Schatz. Auch Connor und Frethmar traten hinzu.
»Ich verlasse mich auf Bluma«, sagte Frethmar.
»Was meinst du?«, fragte Connor, ohne den Zwerg anzuschauen.
»Sie sagt, er sei uns gegenüber harmlos. Eher so was wie ein großer Bruder, der uns beschützt.«
Bluma lächelte und ihre Hand hörte nicht auf, den hornigen Nacken des Dämons zu streicheln, während diesem Rauch aus der Nase quoll und Glibber aus dem Maul tropfte. »Er kann sich verwandeln ...«
»Was meinst du damit, Bluma?«, fragte Lysa.
»Er kann sich in dieser realen Welt verwandeln. Er hat es nicht verloren. Er muss nicht in Unterwelt sein, um in Dämonengestalt zu existieren.«
Connor starrte Bluma verständnislos an.
Sie sah zu dem blonden Mann auf und lächelte.
»Lange wird es nicht mehr dauern und Soldaten werden auftauchen, um ihn zu töten«, sagte Bob.
Bluma presste die Lippen aufeinander. »Niemand wird ihn töten!«
»Was macht dich so sicher?«, fragte Bama.
Bluma zuckte die Achseln. »Ich weiß es.«
»Und was war mit dem Golem?«, wollte Frethmar wissen.
Bluma grinste. »Du hast es gesehen. Der Wicht ist geflohen. Darius hat ihn schon einmal besiegt – als wir auf dem schwarzen Schiff waren. Und Darius hat uns beschützt.«
»Ich will nach meinen Kameradinnen schauen«, sagte Lysa, die ihren Blick kaum von Darius’ Dämonengestalt abwenden konnte.
»Nein, dass machen Frethmar und ich«, sagte Connor, dem es ähnlich ging.
Lysa nickte. »Na gut.«
Der Manndämon wirkte unvorstellbar bedrohlich und von seiner schwarzen Lederhaut stieg Rauch auf. Dennoch machte er unter Blumas beruhigender Hand den Eindruck eines zu groß geratenen Hundes.
»Und was tun wir mit dem Golem?«, fragte Frethmar. »Der treibt sich irgendwo in Dandoria rum und erschreckt die Leute zu Tode. Es wird Zeit, dass meine Lady wieder zu tun bekommt. Ich möchte sie gerne noch mal an diesem vermaledeiten Rückgrat ausprobieren.«
Connor winkte ab.
»Das gab es noch nie, jedenfalls habe ich von so etwas noch nie gehört«, murmelte Agaldir. »Und ich frage mich, was ist seine wahrhaftige Gestalt? Jene, die uns attraktiver erscheint oder diese hier? Wer ist der Dämon? Und warum gelingt ihm das Unmögliche?«
Steve zupfte seinen Großvater an der Hand. »Ringo wird es wissen, Großvater. Ringo weiß alles ...«
Agaldir nickte stumm. Er blickte Frethmar und Connor.
»Und was ist, wenn sie dem Ork begegnen?«, fragte Steve aufgeregt. »Du hast das doch selbst gesagt! Es soll einer auf dem Schiff sein!«
»Ich sagte auch, das Schiff sei ausgelaufen ...« Agaldir rieb sich das Kinn. »Da haben wir es mal wieder, Steve. Egal, wie lang du deinen Hals machst, du kannst nie wirklich über den nächsten Berg schauen.«
»Verzeihe, Großvater, aber seit wann irrst du dich?«
»Egal, wer die Karten mischt, wir spielen sie, mein Junge. Und nicht immer haben wir geschickte Finger. Und das ist gut so, stelle dir vor, es sei anders...«
»Das wäre doch ganz toll«, nickte Steve, nun wieder ganz ein Zehnjähriger.
»Es gibt nur die Götter, die es wirklich voraussehen. Das sollte uns unsere eigene Belanglosigkeit deutlich machen. Jetzt ist jetzt, gleich ist unbegreiflich.«
Steve runzelte die Stirn. »Willste damit sagen, dass es besser ist, wenn man nich immer alles weiß?«
»Genau das will ich. Denn dein Schicksal ist dein freier Wille und der wäre dann nicht mehr existent.« Steve versuchte, seinen Großvater zu begreifen.
»Lassen wir es für den Moment gut, sein, Steve«, sagte Agaldir geduldig. »Es wird die Zeit kommen und du wirst wissen, was ich meine.«
Während dieser kleinen Diskussion hatte der Manndämon sich nicht bewegt. Wie ein schwarzer Klumpen hockte er, gegen die Hauswand gelehnt und seine Muskeln bebten wie die eines wilden gefangenen Tieres. Aus dem mächtigen Körper drang ein tiefes Grummeln.
»Wie lange bleibt er in dieser Gestalt?«, fragte Agaldir.
Bluma zuckte die Achseln. »Das ist ungewiss. Aber nie länger als einen halben Tag.«
»Dann sollten wir verschwinden. Am besten auf das Schiff. Denn dort scheint alles ruhig zu sein.« Agaldir blickte zur Wing. Connor und Frethmar waren nicht mehr zu sehen. Stattdessen näherte sich ihnen eine hochgewachsene Frau, deren eindrucksvolle Gestalt einen langen Schatten warf. Bob stellte sich vor den Manndämon, als könne er dadurch der Frau den schlimmen Anblick ersparen. Die Frau verbeugte sich und sagte: »Mein Name ist Mari. Ich wohne dort drüben in dem Haus und war Zeuge dieser erstaunlichen Dinge.«
»Dann solltet Ihr schleunigst in Eure vier Wände zurückkehren«, sagte Bob.
Sie schüttelte den Kopf. »Warum eigentlich will mich jeder in mein Haus schicken? Ich gestehe, dass ich mich zuerst fürchtete, jetzt jedoch bin ich – fasziniert. Ich sehe, wie die Kleine mit dieser Kreatur umgeht, deshalb weiß ich, dass ich mich nicht fürchten muss.«
»Was können wir für Euch tun?«, fragte Agaldir. »Kenne ich Euch?«
»Ich bin Bürgerin von Dandoria und vielleicht habt Ihr mich schon mal gesehen«, sagte Mari.
Der Alte nickte. »Also, was können wir für Euch tun?«
»Mir scheint, als sei mir der große blonde Mann bekannt. Ich weiß nicht genau, woher, aber ich würde ihn gerne fragen.«
Bob verzog den Mund. »Dann tut das. Er wird wieder herkommen. Aber vorher muss er noch einiges klären.«
Die Gefährten blickten zur Wing, auf der sich nichts tat und nichts zu hören war.
Der Manndämon knurrte und pumpte, dann erhob er sich geschmeidiger, als man es ihm zugetraut hätte. Er starrte zu den Gefährten und Mari hinunter und wirkte, als wolle er umgehend allen den Garaus machen. Sein Schädel zuckte und aus den roten Augen züngelte es. Ein atemraubender Schwefelgestank ging von ihm aus.
»Er sucht den Golem«, erklärte Bluma. »Er hat einen Jagdtrieb, den auch ich jetzt nicht mehr besänftigen kann.«
Der Manndämon hob die Arme, trommelte auf seine Brust und stapfte davon. Bluma wollte hinterher, doch Bob hielt seine Tochter an der Schulter fest. »Lass ihn!«
»Aber ...«
»Lass ihn!«
»Er wird mich beschützen.«
»Wir wollen dich nicht noch einmal verlieren!«
Bluma setzte an, etwas zu sagen, aber sie schwieg.
Bob lächelte milde und Agaldir sagte: »Dein Bobba hat recht. Darius weiß, was er tut!«
Bluma nickte, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihre Augen feucht wurden. Verschämt blickte sie weg, doch jeder hatte begriffen.